Protocol of the Session on July 10, 2008

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Und was ist seitdem passiert, Herr Lehmann?

(Heinz Lehmann, CDU: Besser geworden! – Heiterkeit bei der FDP)

Was hat es für Aktivitäten der CDU-Bundeskanzlerin und der CDU-Ministerpräsidenten im Freistaat Sachsen zum Thema „Föderaler Wettbewerb“ gegeben? Die Position der FDP ist klar. Die Beschäftigten und die Unternehmen wollen lospreschen, sie wollen sich der Bürokratie entledigen und Gründergeist und Tatkraft zur Entfaltung kommen lassen. Das müssen wir als Politik unterstützen, und das geht nun einmal nicht mit Vorschriften, an die man sich in gewachsenen Strukturen in den alten Bundesländern gewöhnt hat.

Beispiel Statistik: Herr Kollege Petzold hat es in der Debatte im April 2006 – Sie blättern gerade in Ihrem Kalender, Herr Petzold – zu unserem Antrag, Drucksache 4/4774 – Einführung eines Bürokratiekosten-TÜVs –, plastisch dargestellt. Sie erwähnten ein mittelständisches Unternehmen im Vogtland – ich glaube, es waren die Gerber-Spitzenstickereien in Rebesgrün – mit 50 Beschäftigten, das durchschnittlich vier Tage im Monat mit Statistikpflichten beschäftigt ist. Herr Kollege Petzold, was ist denn in den vergangenen zwei Jahren passiert, um dieses Unternehmen zu entlasten?

(Sven Morlok, FDP: Nichts!)

Mein Kollege Morlok sagt es: nichts. – Das im Jahre 2007 auf Bundesebene beschlossene Zweite Mittelstandsentlastungsgesetz, das Erleichterungen bei Statistik und Buchführungspflichten verschaffen wollte, hat anscheinend nicht die gewünschten Effekte ergeben. Anders kann man das Halle-Papier der CDU nicht einordnen.

Wie wäre es zum Beispiel, wenn nicht nur Existenzgründer für die ersten drei Jahre von der statistischen Meldepflicht befreit würden – so das Zweite Mittelstandsentlastungsgesetz –, sondern alle Betriebe in den neuen Ländern

bis zu einer bestimmten Mindestgröße? All das muss jetzt ernsthaft geprüft werden, insbesondere in der Föderalismuskommission.

Das am 23. Juni 2008 vorgestellte Struck-OettingerPapier zum weiteren Vorgehen in der Föderalismuskommission sieht vor, dass eine Arbeitsgruppe eventuelle Abweichungsrechte prüft. Der Begriff „Arbeitsgruppe“ hört sich nicht gerade erfolgversprechend an und zeigt, dass sich die Vertreter von Union und SPD in der Kommission keine echte Reform mehr zutrauen. Wir brauchen Persönlichkeiten in der Kommission, die das Thema ernsthaft unterstützen. Das müssen aber auch Vertreter der Staatsregierung sein, also Herr Ministerpräsident Tillich und Herr Mackenroth als sein Vertreter.

Wir haben im Jahre 1990 die erste Chance verpasst, indem grundsätzlich alle bundesrechtlichen Regelungen unkritisch übernommen worden sind. Hier müssen wir herangehen. Was die immer gern herangezogenen gleichwertigen Lebensverhältnisse betrifft: Diese erzielt man auf jeden Fall nicht durch Gleichmacherei, sondern durch offenen Wettbewerb.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Damen und Herren! Mehr Tempo brauchen wir auch bei den betrieblichen Bündnissen für Arbeit. Diese Bündnisse müssen gesetzlich abgesichert werden. Das stand übrigens auch schon im Juli 2005 im Bundestagswahlprogramm von CDU und CSU. Auch hier ist drei Jahre lang nichts passiert, obwohl die Vorarbeit – jetzt sind wir wieder beim Thema Abschreiben, Herr Bolick – schon gemacht worden ist. Die CDU braucht dann auch nur abzuschreiben, entweder von dem Antrag der FDPBundestagsfraktion vom Juni 2003 oder vom Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom selben Monat. Beide Anträge sahen vor, betriebliche Bündnisse für Arbeit rechtlich abzusichern. Eines dürfte klar sein: Wir brauchen im Osten keine einheitlichen Flächentarifverträge, sondern vernünftige Lösungen vor Ort.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Dr. Schmalfuß?

Ja, selbstverständlich.

Bitte schön, Herr Brangs.

Kollege Schmalfuß, können Sie mir sagen, wie hoch die Tarifbindung im Flächentarifvertrag in Sachsen noch ist?

Die Frage beantworte ich Ihnen gern. Zum Umfang der Tarifbindung gibt es keine validen Zahlen. Das SMWA beruft sich immer auf Zahlen des IAB, was jedoch methodisch fragwürdig ist. Laut IAB – alles Zahlen Betriebspaneel 2006 – arbeiten in Ostdeutschland 41 % der Beschäftigten in flächentarifgebundenen Unternehmen, in Westdeutschland sind es 57 %.

(Stefan Brangs, SPD: Haben Sie einen Knopf im Ohr? – Heiterkeit bei der FDP)

Flächentarifgebunden sind in Ostdeutschland laut IAB 20 % und in Westdeutschland 37 % der Betriebe. – Ich bedanke mich bei meinem Berater, dass er die Frage vorhergesehen hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Bitte, Herr Brangs.

Wenn Sie sich jetzt bei Ihrem Berater bedanken, dann müssten Sie eigentlich Ihr Redemanuskript ändern.

Das ist keine Frage, Herr Brangs!

Sind Sie bereit, Ihr Redemanuskript zu verändern, weil Sie mit diesem Beleg einen Widerspruch zu Ihrem Zitat gebracht haben?

Nein. – Möchten Sie mir noch eine Frage stellen? – Gut.

Die jetzigen rechtlichen Regelungen funktionieren einfach nicht. Das sehen wir in der täglichen betrieblichen Praxis. Bestehende Abweichungsmöglichkeiten, die die Tarifparteien vorgesehen haben, sind zu unflexibel. Ziel muss es sein, den Beschäftigten und den Unternehmen vor Ort zu erlauben, anderweitige Regelungen zu finden, und zwar unabhängig davon, ob der Tarifvertrag das erlaubt oder nicht. Nur so kann man schnell auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren und braucht nicht abzuwarten, bis Tarifverträge geändert worden sind.

Sachsen und Sachsens Bürger und Unternehmen brauchen mehr Freiheit. Deshalb bitte ich um Zustimmung zum Antrag der FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Als Nächste hat die Linksfraktion das Wort. Sie geht mit zwei Rednern ins Rennen. Frau Mattern als Dame beginnt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte mich bei Ihnen erkundigen, ob wir hier über den Tagesordnungspunkt 4 sprechen oder uns in einer Parteiprogrammdebatte befinden, denn diesen Eindruck gewann ich bei meinen drei Vorrednern. Ich denke aber schon, dass wir beim Tagesordnungspunkt 4 sind.

Die CDU/SPD-Koalition will uns mit dem in Rede stehenden Antrag zur Investitionszulage und zur Gemeinschaftsaufgabe suggerieren, dass sie sich Gedanken um die Wirtschaftsförderung und die sächsischen Regionen mache. Ich glaube das nicht. Ich habe vielmehr den

Eindruck, dass die Koalition in Kontinuität alte Ideen wieder auflegt.

(Heinz Lehmann, CDU: Wenn sie gut sind!)

Der heutige Antrag, lieber Herr Kollege Lehmann, gleicht wie ein Ei dem anderen den Anträgen zur Investitionszulage und GA-Förderung aus dem Jahre 2005. Ich habe heute extra die Reden Ihrer wirtschaftspolitischen Sprecher von damals mitgebracht, um verfolgen zu können, ob Sie hier die gleichen Texte verlesen.

(Zuruf von der CDU)

Herr Bolick hat in der Tat nichts anderes gesagt. Es war die gleiche Selbstlobarie wie vor zwei, drei Jahren, heute lediglich garniert durch ein wenig Agitprop zu einem 10Punkte-Programm der CDU, an dem Herr Ministerpräsident Tillich maßgeblich mitgewirkt haben soll.

Selbst Herr Brangs hatte nichts Neues darzubieten außer seinem Verweis auf irgendein SPD-Papier, auf das er hier, wie mir schien, einfach einmal zu sprechen kommen wollte. Mit dem eigentlichen Antrag, meine Damen und Herren, hatte das alles nichts zu tun.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Lieber Herr Prof. Bolick, seit Jahren stellen Sie immer wieder die gleichen Forderungen in den Raum. Seit Jahren fordern Sie immer wieder den Bund auf, die Geltung des Investitionszulagengesetzes um zwei, drei oder fünf Jahre zu verlängern. Seit Jahren beantragen Sie immer wieder, die Fördermittel der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur auf dem bisherigen Niveau beizubehalten.

Mit dieser Haltung – das möchte ich Ihnen sagen – stellen Sie nur unter Beweis, dass Ihnen Ihre wirtschaftspolitischen Füße eingeschlafen sind, ja, Sie treten auf der Stelle.

(Prof. Gunter Bolick, CDU: Das ist der Beweis, wie desolat dieses Land war!)

Meine Damen und Herren von der Koalition! Ihre Forderungen richten sich alle Jahre wieder an die eigene CDUSPD-Regierung in Berlin. Warum klären Sie die hier angeblich offenen Fragen nicht auf dem kleinen Dienstweg? Sind Ihre Verbindungen etwa auch eingeschlafen oder nimmt man Sie vielleicht gar nicht mehr ernst?

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Können Sie mal inhaltlich etwas sagen?)

Herr Prof. Bolick, glauben Sie wirklich, dass Sie sich mit diesem Antrag weit aus dem Fenster lehnen, also mit Ihren kontinuierlich immer wiederkehrenden Fensteranträgen? Ich glaube nicht, dass Sie damit etwas bewegen. Diese Kontinuität der Fensteranträge, meine Damen und Herren von CDU und SPD, legen Sie ja nicht nur in diesem Zusammenhang an den Tag; denn zum Beispiel haben wir monatelang einen Antrag zur EUStrukturfondsförderung hier im Plenum und in den Ausschüssen auf Ihren Antrag hin immer wieder aufgerufen

und dann doch wieder absetzen müssen. Sie haben ihn also so lange vor sich hergeschoben, dass mir auch diesbezüglich der Glaube fehlt, dass Sie sich ernsthaft Gedanken um den Einsatz von Fördermitteln machen.

Die Kontinuität, mit der Sie die gewerbliche Investitionszulage und die GA-Förderung immer wieder als die wichtigsten Förderinstrumente im Rahmen der Wirtschaftsförderung beschwören, erinnert mich an eine Gebetsmühle, die immer wieder bedient wird. Ich meine, für die politische Tätigkeit des Landtages ist Ihr heute hier vorliegender Antrag ebenso entbehrlich wie für die künftige Entwicklung der sächsischen Wirtschaft; denn, meine Damen und Herren Koalitionäre, Sie wissen es doch heute, in dieser Stunde, schon sehr genau, dass die Würfel längst gefallen sind, und Sie wissen, dass sich das, was Sie mit diesem Antrag vorgeben bezwecken zu wollen, auch ohne diesen Antrag erfüllen wird. Wozu ist er dann eigentlich gut? Damit wir uns nachher froh und glücklich in unsere Stühle niederlassen können? Ich denke, das wäre Zeitverschwendung.

(Beifall bei der Linksfraktion)