Protocol of the Session on July 10, 2008

Man muss aber bei jeder Ermittlungsmaßnahme seriös und sorgfältig über das Für und Wider diskutieren, insbesondere dann, wenn es sich um Reihengenuntersuchungen nach § 81h der Strafprozessordnung handelt. Es ist auch schon angesprochen worden, dass das Gesetz zur Novellierung der forensischen DNA-Analyse vom 12. August 2005 die Grundlage bildet. Damit hatte der Bundesgesetzgeber die Grundlage für Reihengenuntersuchungen geschaffen.

Was steht nun in diesem § 81h? Das ist heute zum Teil schon einmal angeklungen. Da sind nach richterlicher Anordnung Reihengenuntersuchungen bei Verbrechen gegen Leib, Leben, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung möglich. Der betroffene Personenkreis muss anhand von eingrenzbaren Prüfungsmerkmalen umschrieben werden. Das kann – wie im vorliegenden Fall – Geschlecht, eine bestimmte Altersgruppe oder auch ein bestimmter Einzugsbereich, in dem die Betroffenen wohnen, sein. Allerdings sind Reihengenuntersuchungen eben nur auf freiwilliger Basis möglich. Also niemand ist zur Mitwirkung verpflichtet. Deshalb sind die betroffenen Personen auch ausdrücklich über die Freiwilligkeit ihrer Mitwirkung zu belehren. Weigert sich eine Person, freiwillig an dem Test teilzunehmen, so ist das grundsätzlich hinzunehmen, weil sie eben keine Beschuldigten im Sinne der Strafprozessordnung sind.

Die Möglichkeit, gegen den Willen einer Person eine DNA-Analyse zu machen, gibt es natürlich auch. Aber dazu müssen dann hinreichende Verdachtsmomente die Annahme begründen, dass eine bestimmte Person die Straftat begangen hat. Dann kann man sie zum Beschuldigten machen und auch gegen ihren Willen eine DNAAnalyse anordnen; allerdings nach § 81e der Strafprozessordnung.

Allein die Weigerung, freiwillig an der Untersuchung teilzunehmen, wird also in aller Regel keinen Tatverdacht begründen. Das haben wir ja auch schon gehört.

Es ist aus meiner Sicht ganz wichtig, dass bei der Durchführung einer solchen Untersuchung die Freiwilligkeit der Maßnahme stets betont wird. Denn jeder Test, der diesen Umstand nicht ausreichend beachtet, macht sich neben dem öffentlichen und medialen Druck, der sowieso da ist – es ist ja hier noch einmal beschrieben worden, wie das teilweise in den Medien als Event herübergebracht wird –, zusätzlich noch einen Ermittlungsdruck und die Sozial

kontrolle zunutze. Das ist nach den Prinzipien des Rechtsstaates eigentlich nicht zulässig.

Deshalb bin ich dem Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig auch sehr dankbar, der über den gesamten Ermittlungszeitraum hinweg die Durchführung der Reihenuntersuchungen begleitet hat. Sein zu erwartender Bericht und seine Kontrollen machen im Prinzip den heutigen Antrag der FDP-Fraktion im Wesentlichen entbehrlich, zumal bisher keine Datenschutzverstöße ersichtlich sind.

Wir müssen aber – und das tun wir gerade heute in dieser Debatte – intensiv und kritisch den Sinn einer solchen Reihengenuntersuchung, wie es im Fall der „Soko Heller“ war, hinterfragen. Ein Massen-Gentest sollte – ich glaube, darin sind wir uns alle einig – nur dann durchgeführt werden, wenn er berechtigte Aussicht auf Erfolg hat. Ein Massen-Gentest, der quasi ins Blaue hinein gemacht wird, kann schnell Gefahren mit sich bringen, nämlich erhebliche materielle und personelle Ressourcen binden, die dann im konkreten Fall oder auch an anderer Stelle zulasten klassischer Ermittlungsmaßnahmen gehen. Es wäre schlimm, wenn Erfolg versprechende klassische Ermittlungsmaßnahmen quasi ins Hintertreffen geraten und damit der Fahndungserfolg hinausgezögert würde und man vielleicht im Nachhinein feststellte, dass man die Prioritäten falsch gesetzt hat.

Damit will ich ausdrücklich nicht sagen,

(Holger Zastrow, FDP: Doch!)

dass es bei den Ermittlungen der „Soko Heller“ der Fall war, dass man dort die falschen Prioritäten gesetzt hat. Der Fahndungserfolg ist da. Die Arbeit der Ermittler war erfolgreich. Dafür gebührt ihnen auch unser Dank.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Aber es muss gleichzeitig erlaubt sein, auch auf die Gefahren hinzuweisen, die eine solche Reihenuntersuchung, und zwar in einer solchen Größenordnung wie im vorliegenden Fall, mit sich bringen kann. Wir wollen alle aus diesem Fall für die Zukunft lernen.

Klar ist: Ein breit angelegter Massen-Gentest kann immer nur eine Ultima Ratio für den Fall sein, dass andere Ermittlungsmaßnahmen ausgeschöpft sind. Der Beschuldigte im Fall der Soko „Heller“ ist jedenfalls nicht im Rahmen der Reihen-Genuntersuchung – Sie haben richtig darauf hingewiesen, Herr Zastrow –, sondern durch eine andere Ermittlungsmethode ermittelt worden. Seine DNA wurde anschließend getestet, allerdings auf Grundlage des § 81e Strafprozessordnung. Das hat den Tatverdacht gegen ihn erhärtet und stützt nun erheblich die Beweislage.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wir gehen davon aus, dass dann auch eine Verurteilung stattfindet. Aber allein auf Grundlage des Massen

Gentests ist der Ermittlungserfolg eben gerade nicht zustande gekommen.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und Holger Zastrow, FDP)

Deshalb stelle ich mir die Frage – und das befremdet mich etwas –, warum einzelne Medien oder auch Stimmen aus dem politischen Leben das Gegenteil behaupten und sich auf die Erklärung zurückziehen, der Massen-Gentest habe zur Ermittlung des Täters geführt. Da fragt man sich schon: Warum machen sie das? Haben sie das nötig?

(Beifall bei der FDP und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Es ist aus meiner Sicht nicht nötig, so zu argumentieren.

Noch befremdlicher ist es, wenn darauf aufbauend wieder die Forderung kommt, der klassische Fingerabdruck müsse nun endlich dem genetischen Fingerabdruck gleichgesetzt werden.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, und bei der FDP)

Das Bundesverfassungsgericht – an dieser Stelle zitiere ich auch einmal das Bundesverfassungsgericht – hat in seiner Entscheidung vom 15. März 2001 ganz klar gesagt: „Die Feststellung, Speicherung und Verwendung des DNA-Identifizierungsmusters greift in das durch Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Diese Verbürgung darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz des öffentlichen Interesses unerlässlich ist.“

Damit besteht für mich kein Zweifel, dass der genetische Fingerabdruck gerade nicht mit dem konventionellen Fingerabdruck gleichgesetzt werden darf. Es ist ein ganz erheblicher Unterschied, ob vom Beschuldigten lediglich ein herkömmlicher Fingerabdruck genommen werden soll oder ob der Staat von ihm verlangt, Körperzellen für eine molekulargenetische Untersuchung zur Verfügung zu stellen. Das DNA-Identifizierungsmuster lässt immer auch Aussagen über das Geschlecht oder in Einzelfällen zumindest auch Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Zugehörigkeit zu bestimmten Volksgruppen oder über Verwandtschaftsverhältnisse zu. Damit geht sein Informationsgehalt deutlich über das hinaus, was ein einfaches Identifizierungsmuster hergibt. Das muss sich bei der Erhebung in der vom Bundesverfassungsgericht bezeichneten Weise auch rechtfertigen lassen. Das kann ich zumindest in der pauschalen Gleichsetzungsdebatte hier nicht erkennen.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD, Holger Zastrow, FDP, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wir als Sozialdemokraten lehnen eine Gleichsetzung von herkömmlichem und genetischem Fingerabdruck grundsätzlich ab, und wir werden auch derartige Vorschläge auf Bundesebene nicht unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Die NPD; Herr Abg. Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 15. März 2006 debattierten wir im Landtag den damals von der NPD-Fraktion gestellten Antrag zur Einführung der Todesstrafe für Kindermörder und für wirksame Vorbeugemaßnahmen zum Schutz von Kindern in Deutschland. Mit Spott und beckmesserischer Pedanterie fiel der FDP-Vertreter in gewohnter Weise über unseren Antrag her und unterstellte uns Populismus und handwerkliche Fehler.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Doch wer selbst in einem Glashaus sitzt, sollte nun wirklich nicht mit Steinen auf andere werfen. Ich könnte es mir einfach machen und per Retourkutsche behaupten, Sie von der FDP betrieben mit Ihrem Antrag Populismus, indem Sie die Sorgen der Bürger instrumentalisieren. Das würde uns allerdings nicht weiterführen. Den Vorwurf eines mangelbehafteten Antrags kann ich Ihnen aber nicht ersparen.

Sowohl in der Überschrift Ihres Antrags als auch im Antragstext selbst und vor allem in der Begründung verwenden Sie gleich mehrfach die falsche, unwissenschaftliche, trivialisierende Bezeichnung des Gentests. Meine Damen und Herren, das ist „Bild“-ZeitungsNiveau, denn es gibt in Deutschland gar keinen Gentest bei der Identitätsfeststellung in Strafverfahren. Das müsste ein Mann wie Herr Martens, der bei jeder Gelegenheit darauf verweist, Rechtsanwalt zu sein, eigentlich wissen.

Das, was wir beim Bundeskriminalamt seit einigen Jahren haben, ist keine Gendatenbank. Es handelt sich um eine Datenbank mit den DNA-Identifizierungsmustern von bekannten Personen und Tatortspuren. Diese Daten werden aus den nicht kodierenden Bereichen in der analysierten DNS gewonnen und ausdrücklich nicht aus jenen DNS-Abschnitten, die zu den Genen gehören. Auch die Daten, die durch die Ermittlungsgruppe Heller zur Feststellung des Vergewaltigers zweier Mädchen in Dresden mit der Methode der DNS-Fragmentlängenanalyse durch Reihenuntersuchungen gewonnen wurden, waren ausschließlich auf den nicht kodierenden Bereich der DNS beschränkt. Insofern ist der gleich mehrfach gewählte Begriff „Gentest“ wissenschaftlich daneben. Aber da Sie als Parteifarbe gelb verwenden, haben Sie eventuell auch eine besonders hohe Affinität zu Trivialbegriffen aus der bundesdeutschen Yellowpress. Dem Anspruch eines Parlaments wird das aber wohl nicht gerecht.

Meine Damen und Herren von der FDP, es ist schön für Sie, dass Sie sich so nachdrücklich für den Datenschutz einsetzen und die Erhebung, Speicherung und Verwertung von DNS-Proben begrenzen wollen. Die potenziellen Sexualstraftäter und Kindermörder werden Ihnen dafür sicher dankbar sein und Ihnen bei der nächsten Wahl vielleicht auch ihre Stimme geben. Schön, auch eine Form von Klientelpflege!

Die NPD hingegen kümmert sich lieber darum, dass die schärfsten Waffen eingesetzt werden können, um dieser Sexualverbrecher möglichst schnell habhaft zu werden und sie dann dauerhaft aus dem Verkehr ziehen zu können. Deshalb forderten wir vor zwei Jahren nicht nur die Einführung der Todesstrafe für Kindermörder, sondern mit Punkt 6 und 7 auch die Einführung einer lebenslangen, zeitlich engmaschigen Meldepflicht für alle haftentlassenen Sexualstraftäter sowie die Einrichtung einer über das Internet abrufbaren bebilderten Datenbank mit den aktuellen Meldedaten aller Sexualstraftäter.

Angesichts der immer wiederkehrenden Fälle von grausamsten, sexuell motivierten Straftaten an Kindern kann nach Überzeugung der NPD-Fraktion hier nur mit einer bedeutenden Verschärfung der Strafrechtsbestimmungen sowie durch innovative kriminalistische Methoden diesen Verbrechern entgegengewirkt werden.

Nicht nur der Datenschutz ist ein wichtiges Rechtsgut, meine Damen und Herren; auch der Artikel 9 der Sächsischen Verfassung ist von hoher Bedeutung. Er verpflichtet uns, die Jugend vor sittlicher, geistiger, körperlicher Gefährdung besonders zu schützen, und er verpflichtet das Land, den vorbeugenden Gesundheitsschutz für Kinder und Jugendliche zu fördern.

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

Der Schutz unserer Kinder vor sexuellem Missbrauch, meine Damen und Herren, gehört unabdingbar dazu. Sie von der FDP aber fahren stattdessen lieber hoch auf dem gelben Wagen mit angezogener Handbremse und versuchen das Fahndungsmittel der reinen DNS-Analyse auszubremsen. Deshalb, meine Damen und Herren, wird die NPD-Fraktion Ihrem Antrag nicht zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion der GRÜNEN; Herr Abg. Lichdi, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst, Herr Kollege Bandmann: Auch meine Fraktion ist erleichtert über den Fahndungserfolg. Ich habe überhaupt kein Problem, das an den Beginn meiner Rede zu stellen. Ich hoffe, dass Sie sowohl mir und meiner Fraktion als auch der FDP und der Linksfraktion diese Freude, diesen Grundansatz nicht absprechen. Aber diesen Eindruck konnte ich bei Ihrer Rede und vor allem Ihren wütenden

und unqualifizierten Zwischenrufen bei der Rede des Kollegen Bartl durchaus vermuten.

Aber, meine Damen und Herren, der Ermittlungserfolg wird missbraucht. Er wird eindeutig missbraucht, wenn der in diesem Zusammenhang durchgeführte Reihengentest als Schulbeispiel für den herausragenden Wert dieser Ermittlungsmethode herangezogen werden soll und daraus eine Ausweitung von DNA-Tests auf jede erkennungsdienstliche Behandlung gefordert wird, wie es im Grunde bei der Forderung des Kollegen Mackenroth der Fall ist.

Wie stellt sich denn der Verlauf des Ermittlungsverfahrens der „Soko Heller“ dar, und was hat tatsächlich zum Fahndungserfolg geführt? Herr Kollege Bräunig hat, denke ich, schon darauf hingewiesen, aber ich möchte das noch etwas ausführlicher tun; denn dankenswerterweise hat uns der Landespolizeipräsident Herr Merbitz dazu auf meine Anfrage in der letzten Sitzung des Innenausschusses bereits eine aufschlussreiche und ausführliche Chronologie geliefert.

Ich rekapituliere: Die Ermittlungsspuren beschränkten sich auf die lediglich farbliche Beschreibung eines Autos und das Fragment eines Nummernschildes mit den beiden Buchstaben „DD“ für „Dresden“. Man erstellte ein Täterprofil Typ „netter Nachbar“, der sich in Hellerau auskennt. Am 19. Mai 2006 wurde durch das Amtsgericht Dresden ein Reihengentest nach § 81h StPO angeordnet. Die Kriterien waren: männlich, 25 bis 45 Jahre, 1,65 bis 1,85 m Körpergröße und mindestens seit 1. September 2005 oder bis zum 31. Januar 2006 wohnhaft in Tatortnähe. Dies betraf unter anderem auch Radebeul, Coswig, Ottendorf-Okrilla und Königsbrück.

Die Anfrage bei den Einwohnermeldeämtern ergab 127 741 Personen, die für den Reihengentest infrage kamen. Dann erfolgte ein Abgleich mit Alibis und Lichtbildern. Damit konnten 4 495 Personen ausgeschlossen werden. 1 813 befanden sich bereits in der DNAAnalysedatei des BKA und konnten somit auch ausgeschlossen werden. Bei 14 222 Männern wurde schließlich eine DNA-Probe entnommen, und 109 Männer haben die DNA-Probe verweigert.

Meine Damen und Herren, bei diesen 109 Männern, denen – ich sage es noch einmal – unsere Hochachtung für ihren Mut gebührt, war es schlicht und ergreifend so, dass dann zwei Beamte vorbeigekommen sind und an ihrer Haustür geklingelt haben. Sie haben die Nachbarn befragt, den Pkw kontrolliert und das ganze Umfeld ausgeleuchtet, und zwar nur aus dem einzigen Grund, weil sich diese Männer verweigert haben.