Protocol of the Session on July 10, 2008

Unter I. werden Berichte angefordert. Diese wurden dem Innenausschuss in seiner Sitzung vor genau einer Woche in aller Ausführlichkeit gegeben.

Was Sie unter II. wollen, bleibt völlig unklar. Welche neuen Gesetzesinitiativen erwarten Sie denn? In welche Kristallkugel haben Sie denn diesmal hineingeschaut? Wenn Sie sich an § 81h Strafprozessordnung als rechtlicher Grundlage für Reihengentests stören, dann sagen Sie das. Dann müssen Sie aber auch den Menschen in unserem Land erklären, warum Sie auf ein probates Mittel polizeilicher Arbeit verzichten wollen, das seine Wirksamkeit bei der Aufklärung schwerster Straftaten bewiesen hat. Genau dazu könnten Sie Anzeigen schalten. Da wüssten die Leute, woran sie mit Ihnen in der Frage innere Sicherheit sind. Das machen Sie nicht.

(Holger Zastrow, FDP: Selbstverständlich!)

Klar, dass Sie das nicht machen, aber Sie stellen Anträge, mit denen im Grunde die Arbeit der sächsischen Polizei und die Rechtsgrundlagen diffamiert und infrage gestellt werden sollen. Ich bin mir sicher, dass Sie genau dafür in der sächsischen Bevölkerung keinerlei Verständnis bekommen werden.

Die CDU will bei der Bekämpfung von schwersten Straftaten auf das Mittel eines Reihengentests im Einzelfall, Herr Zastrow, nicht verzichten. Daher werden wir Ihren Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion; Herr Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Bandmann, in der deutschen Geschichte, speziell in der deutschen Sicherheitspolitik, fehlt es wahrlich nicht an Beispielen, wohin es führt, wenn man unter Berufung auf Schutz vor Kriminalität und Gewährleistung von Sicherheit meint, der Zweck heilige alle Mittel. Das sage ich auch ganz schmerzvoll mit Bezug auf die DDR. Da hat Kollege Zastrow völlig recht.

Aber es gibt nicht die Rechtfertigung, wenn jemand Bedenken anmeldet, ob die Balance noch stimmt, das in der Art und Weise, wie Sie es permanent tun, gewissermaßen als Generalangriff auf die Sicherheit der Bürger dieses Landes zu kennzeichnen.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Es ist doch eine Tatsache, dass diese molekulargenetische Reihenuntersuchung, der sogenannte Reihengentest, auch Massenscreening genannt, nun wahrlich nicht unumstritten in die Strafprozessordnung kam. Das ist ja überhaupt nicht wahr. Es ist lange hin- und hergezerrt worden. Der freiwillige genetische Massentest, dessen Zulässigkeit bis heute noch umstritten ist, kam dann in § 81h der Strafprozessordnung nach langer Debatte und einer ganzen Reihe von klaren gesetzlichen Vorkehrungen. Ich lese nirgendwo in dem Antrag der FDP, dass sie den Paragrafen wieder abschaffen will. Sie sagt letztlich nur, dass sie definitiv will, dass diese Möglichkeit die Ausnahme bleibt und nicht zum Standardwerkzeug wird. Das ist doch die entscheidende Frage; das meint doch der Antrag. Unter diesem Aspekt will die FDP auch fragen: Was hat in dem Fall – unter Einbeziehung dieses großen betroffenen Kreises – der Gentest wirklich im Verhältnis zur ganz normalen herkömmlichen Polizeiarbeit gebracht? Um nicht mehr oder weniger geht es doch. Das ist überhaupt kein Grund, so aufgeregt daherzukommen und die FDP in diesem Fall zum halben Vaterlandsverräter zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Die Crux ist – darin sind wir uns mit der FDP einig –, dass solche Massenscreenings letztlich nicht zur regelmäßigen Ermittlungsmethode werden dürfen. Dafür hat die Sache einfach zu viele Haken und Ösen und es werden zu viele Grundprinzipien des Rechtsstaates durchbrochen.

Die Kritiker haben berechtigt gesagt, auch Kollege Zastrow, dass letztlich sogar hier die Unschuldsvermutung umgekehrt wird. Die Unschuld muss dann derjenige beweisen, der in die Probantenkreise hineinkommt. Er wird zwangsfreiwillig gewissermaßen veranlasst, auf sein Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung ein Stück weit zu verzichten.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar war es, der Ende Juli 2006 erklärt hat, dass ein Teilnehmer an einem Massen-Gentest, durch den sehr viele völlig Unschuldige einbezogen werden – im vorliegenden Fall

schwanken die Zahlen; manche reden von 20 000, andere von über 120 000 oder 130 000 und Ähnliches mehr –, letztlich davon ausgehen können müssen, dass das genau die Ausnahme sein muss. Schaar sagt, es darf um Himmels willen nicht zur Standardmaßnahme der Polizei gemacht werden.

Jetzt kommt doch die Frage. Dem widerspricht letztlich der sächsische Justizminister, wenn er gebetsmühlenartig die Forderung wiederholt, dass nun endlich die DNAProbe zum Fingerabdruck des 20. Jahrhunderts gemacht werden muss, respektive mit der gleichen Leichtigkeit erhoben werden kann, wie die Kapillarlinien bei der erkennungsdienstlichen Behandlung auch bei Bagatellfällen. Das ist doch der Gesamtansatz.

Aus „SZ-online“ gebe ich ein Zitat des Staatsministers Mackenroth wieder: „Dieser Fahndungserfolg zeigt erneut, die DNA-Analyse erleichtert aufgrund ihrer hohen Beweiskraft die Aufklärung von Straftaten. Nötig zur notwendigen Verbrechungsbekämpfung sei die Gleichstellung des genetischen mit dem herkömmlichen Fingerabdruck.“ Das ist Mackenroth nach diesem Ergebnis des Massenscreenings.

Nun weiter – jetzt kommen wir, Herr Bandmann, zur Kristallkugel: „Aus Sicht von Minister Mackenroth gehen die im Zuge der Novellierung der forensischen DNAAnalyse vom August 2005 erfolgten Änderungen der Strafprozessordnung nicht weit genug. Sie würden den genetischen Fingerabdruck grundsätzlich nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung zulassen. Kriminelle Karrieren beginnen schon oft unterhalb der Schwelle eines erheblichen Unrechtsgehaltes, mahnt Mackenroth.“

Was heißt Kristallkugel? Das ist doch die Nachtigall, die ich hier trapsen höre. Er will gern den Gentest mit allem Drum und Dran zum probaten Mittel je nach Bedarf in der Polizeiarbeit einführen. Wenn das ein sächsischer Staatsminister äußert, es zur Zeitung gibt und in die Mikrofone spricht, dann darf doch die Opposition dazu Fragen haben.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Die Kritiker monieren weiter, dass derartige Reihenanalysen, wie sie vom Amtsgericht Dresden mit Beschluss vom 19. Mai 2006 für die Gebiete Coswig und Dresden zunächst genehmigt wurden, zunehmend in die Gefahr geraten, zu einem Event zu werden. Das ist doch das nächste Problem. Es darf durchaus unangenehm berühren, wie teilweise über die Arbeit von „Soko Heller“ berichtet worden ist, wie dann über den größten Massentest in der deutschen Kriminalgeschichte in der Berichterstattung geschwelgt wurde.

Ich bringe ein weiteres Beispiel, wieder aus einer Zeitschrift. Da wird der Beitragsstar in dieser DNAAbgabeproblematik, Ingo Hardt seines Namens, wie folgt wiedergegeben: „Ingo Hardt ist 39 Jahre alt und 1,72 m groß. Seit 24 Jahren lebt er in Coswig. Seine Stammkneipe, in der er gerade an einem ‚Warsteiner’ nippt, liegt nur wenige hundert Meter entfernt von der Verschleppungs

stelle in der Beethovenstraße, einer kleinen Seitenstraße hinter den Bahnschienen. Wie 1 943 weitere Coswiger reihte sich Hardt am 15./16. Juli“ – gemeint ist 2006 – „in die Schlange vor dem Alten Sozialrathaus ein, in das die Polizei 3 108 Bürger zur freiwilligen Probenabgabe bestellt hatte“ usw., usf. Das ist eben dieser Eventcharakter. Das hat mit einem soliden Rechtsstaat, einem Rechtsstaat, der im Prinzip tatsächlich mehr oder weniger immer unter dem Aspekt hantiert, dass er die Rechte aller Bürger seines Landes im Auge hat, nichts zu tun. Das ist einfach die Frage.

(Volker Bandmann, CDU: Herr Bartl, wollen Sie die Pressefreiheit einschränken? Ist das die Forderung, die ich von Ihnen höre? – Johannes Lichdi, GRÜNE: Nein, das ist ja grauenhaft!)

Herr Bandmann, erzählen Sie mir doch nicht, dass diese Frage der Berichterstattung Ihnen nicht unter einem Aspekt sehr zupass kommt. Sie können darüber den sozialen Druck ausüben, dass sich niemand mehr getraut, auf seine Grundrechte hinzuweisen. Das wollen Sie doch gern. Sie sind doch absolut auf der Seite derer, die sagen, es muss so viel Druck aufgemacht werden – das unterstelle ich Ihnen einfach einmal –, dass sich niemand mehr traut zu sagen: „Herrschaften, ich habe ein Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung; ich verbitte mir, dass ich hier aufgefordert werde!“

Die 109 – da gibt es auch sehr unterschiedliche Zahlen –, die es gemacht haben sollen,

(Johannes Lichdi, GRÜNE:... verdienen unsere Hochachtung!)

das will ich nur einmal sagen, werden sich über lange Zeit aber mit Gewissheit einer hervorragenden Verdachtsbegleitung erfreuen dürfen. Bei jeder Verkehrsstreife – da mache ich mit Ihnen jede Wette – –

(Volker Bandmann, CDU: Anstatt hier Unterstellungen zu formulieren, hätten Sie zuhören sollen. Ich sagte, im Einzelfall nicht darauf verzichten, im Einzelfall!)

Ich rede jetzt von etwas anderem.

(Volker Bandmann, CDU: Noch mal für Sie!)

Ich bin jetzt gerade bei etwas ganz anderem, schon zu spät.

Herr Bandmann, definitiv, wollen wir doch einfach mal schlicht und ergreifend die Wahrheit bemühen im Fall Bochum. Das ist doch eine blanke Täuschung, dass es eine freiwillige – ich sage mal – uneingeschränkte Möglichkeit gibt, sich zu verweigern.

(Volker Bandmann, CDU: Welcher sächsische Ort ist denn Bochum?!)

Gut, über Görlitz wollte ich mich jetzt nicht weiter auslassen.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion)

Bei einem Massen-Gentest in Bochum wurde beispielsweise schon im Informationsblatt der Polizei für den Fall einer Testverweigerung eine Beschuldigtenvernehmung angedroht. Wörtlich: „Sind Sie nicht mit dieser Maßnahme einverstanden, können Sie im Rahmen einer Beschuldigtenvernehmung einen Alibinachweis vorlegen.“ – Er muss also einen Alibinachweis vorlegen.

Unser Oberstaatsanwalt Christian Avenarius hat gesagt – so lese ich es in der Zeitung –, dass man nicht zum Beschuldigten werde, wenn man sich des Gentestes verweigerte. Wer aber nicht teilnimmt, müsse schon damit rechnen, dass man sich seine Person genauer ansehe und auch das Umfeld des Betroffenen prüfe.

Noch frontaler geht es doch mit der Botschaft nicht. Da musst du doch Heldenmut aufbringen, wenn du zu den 109 gehst!

In Leserbriefen werden dann diejenigen, die sich verweigern, als unsozial dargestellt, da sie ihr eigenes Interesse über das der Opfer und der Gesellschaft stellen usw. usf. Das ist das, Herr Bandmann, was wir an dem für bestimmte Fälle berechtigt vorgehaltenen § 81h kritisieren. Darin haben wir keine Differenz.

Der nächste Einwand ist die Frage, inwieweit der Datenmissbrauch tatsächlich im Griff ist. Alle sagen, wenn ich 300 000 Euro dafür investiere, dass ich die Daten erhebe, haben wir erhebliche Bedenken, dass ich sie am nächsten Tag schon wieder versenke. Die Forderung, sie bewahren zu dürfen – das wissen Sie doch ganz genau –, wird doch allenthalben kommuniziert, dass sie dann aufrechterhalten und verfügbar bleiben für andere Fälle, für künftige Dinge.

Letztens. Nicht so tun, als ob die DNA-Konstellation nur Vorteile hat. Sie werden durchs Land gehen und sich mit Praktikern unterhalten können, in wie vielen Fällen die Richter inzwischen Freisprüche machen, weil der ursprünglich Angeklagte gewissermaßen direkt durch irgendjemanden, der eine DNA-Spur gegen ihn gelegt hat, in die Beschuldigung gekommen ist. Das ist überhaupt nicht schwer. Ein ausgekämmter Kamm und Ähnliches mehr, ein Zigarettenstummel. Da kann Ihnen jeder Strafverteidiger inzwischen zwei, drei Beispiele aus der eigenen Praxis nennen.

(Volker Bandmann, CDU: Da hatte die Stasi ja gute Erfahrungen!)

Ja, das hat sie vor allem gebracht mit der DNA. Die mussten viel mehr machen, wenn sie irgendwo abhören wollten.

Herr Bandmann, es fehlt Ihnen in dieser Frage einfach an Kompetenz. Deshalb kommen Sie mit Allgemeinplätzen. Genau dieser Ansatz, Herr Bandmann, dass man ohne Ahnung über die praktischen Auswirkungen daherphilosophiert, führt dann, wenn man Macht hat, zu Entwicklungen, die wir – und in diesem Fall auch die FDP – aufhalten wollen.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die SPD-Fraktion; Herr Bräunig, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die DNAAnalyse ist im Laufe der Jahre zu einer wichtigen und sehr effektiven Ermittlungsmaßnahme bei der Aufklärung von schweren Straftaten geworden.