Protocol of the Session on June 20, 2008

Es würde aus meiner Sicht im Rahmen einer Aktuellen Stunde zu weit führen, wollte man die ganze Bandbreite moralischer, medizinischer und rechtlicher Fragen einer Lebend- wie auch Todspende wirklich verantwortungsvoll und erschöpfend debattieren. Es darf aber aus meiner Sicht nicht dazu kommen, dass ohne dokumentierte Einwilligung des Betreffenden zum Beispiel durch einen Organspenderausweis Organe und Gewebe eines Toten durch Gesetz entnommen würden. Medizinisch wäre dies zwar begrüßenswert, ethisch ist es aber wohl nicht zu verantworten. Die Individualentscheidung muss in einer so wichtigen Frage stets Priorität haben.

Für eine freiwillige Einwilligung ist es meines Erachtens von großer Bedeutung, dass den potenziellen Spendern deutlich vor Augen geführt wird, dass in ganz Europa kein klassischer kommerzieller Handel mit Organen betrieben

wird und dass sämtliche Organspenden und die potenziellen Empfängerlisten zentral von Eurotransplant verwaltet und über diesen Weg auch ein verfügbares Organ und ein potenzieller Empfänger zusammengefügt werden, sodass kriminelles Handeln weitgehend ausgeschlossen ist.

So bleibt das Fazit, dass die heutige Debatte uns hier im Sächsischen Landtag das Problem vor Augen geführt hat, dass es aber umso wichtiger ist, die breite Masse der Bevölkerung für dieses Thema zu sensibilisieren.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion GRÜNE; Frau Herrmann, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bedenklich sollte uns stimmen, dass die Zahl der Organspender im 1. Halbjahr 2008 gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. Das ist beunruhigend, aber ich denke, überstürzte Panikreaktionen helfen an der Stelle niemandem, sondern notwendig ist das, was meine Kollegen schon von dieser Stelle aus gesagt haben: aufklären, informieren, werben. Wenn die heutige Debatte dazu beiträgt, ist sie richtig platziert.

Es werden auch Stimmen laut, die für die Organspende die Verankerung einer Widerspruchslösung im Transplantationsgesetz fordern, wie zum Beispiel Bayerns Sozialministerin Frau Stewens. Das heißt, jeder, der einer Organspende nicht ausdrücklich widerspricht, gilt dann automatisch als Spender.

(Angelika Pfeiffer, CDU: Das hatten wir schon einmal!)

Wir sind der Meinung, dass das der falsche Weg ist. Bündnis 90/DIE GRÜNEN steht für die Beibehaltung der erweiterten Zustimmungslösung, das heißt, dass der Spendende oder Angehörige einer Organspende ausdrücklich zustimmt. Das ist wichtig, weil damit das Selbstbestimmungsrecht der Bürger auch noch über das Lebensende hinaus an erster Stelle steht.

Die Widerspruchslösung führt nicht automatisch zu mehr Organspenden. Irland hat mit einer Zustimmungslösung mehr Organspenden als Ungarn mit einer Widerspruchslösung, und Spanien führt seine weltweit höchsten Spenderzahlen gerade nicht auf die dort geltende Widerspruchslösung zurück, sondern in erster Linie auf die sehr gute Koordinierungsarbeit und die gute finanzielle Ausstattung des Systems. Da können wir auch in Sachsen durchaus noch etwas tun.

Sie erinnern sich, im Oktober 2005 haben wir hier im Sächsischen Landtag das Sächsische Ausführungsgesetz zum Transplantationsgesetz verabschiedet. Kollege Gerlach ist schon darauf eingegangen. Damals hat hier keine Aussprache stattgefunden. Wir, die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, haben später eine Erklärung zu unserem Abstimmungsverhalten abgelegt; denn wir haben damals das Gesetz abgelehnt. Warum? Wir hatten vor

allem den sächsischen Sonderweg, was die schon genannten Transplantationsbeauftragten anbelangt, abgelehnt; denn in Sachsen ist es den Krankenhäusern erlaubt, in begründeten Ausnahmefällen auf diesen Transplantationsbeauftragten zu verzichten. Wir wollten mit einem Änderungsantrag erreichen, dass zumindest ein Genehmigungsvorbehalt beim Sozialministerium festgelegt wird. Jetzt wäre die Frage zu stellen: Haben mittlerweile in Sachsen alle Krankenhäuser einen Transplantationsbeauftragten?

Organtransplantation ist ein sensibles Entscheidungsfeld. Darauf sind auch schon die Vorredner eingegangen. Das braucht unbedingt einen klaren gesetzlichen Rahmen, der für alle Einrichtungen gleich sein muss. Transplantationsbeauftragte sind unter anderem für die Aufklärung der Bevölkerung zuständig, und sie wirken damit über die Kliniken hinaus. Sie sind Ansprechpartner für alle Beteiligten, sie sorgen für Transparenz und Verfahren, können damit Ängste nehmen und über alle damit im Zusammenhang auftretenden Probleme mit den Angehörigen sprechen. Andere Bundesländer – wie Bayern, MecklenburgVorpommern oder Rheinland-Pfalz – schreiben die Berufung eines Transplantationsbeauftragen vor und haben den Genehmigungsvorbehalt gewählt, wie zum Beispiel Hessen. Da sollte Sachsen nachbessern. Ich weiß jetzt nicht, was der Antrag, der angekündigt ist, beinhaltet. Vielleicht geht er ja in diese Richtung.

Also Organspende: notwendig; informieren, aufklären und werben. Wir sollten dabei im Auge haben, dass die Auseinandersetzung mit der Organspende immer auch eine Auseinandersetzung mit dem Tod bzw. mit dem eigenen Tod ist, und das fällt vielen Menschen sehr schwer. Genau deshalb brauchen sie sensible Ansprechpartner. Ich denke, dass ein Transplantationsbeauftragter solch ein sensibler Ansprechpartner sein könnte.

Ich möchte noch ein Wort zur Blutspendebereitschaft sagen. Wir haben nur einen Bericht dazu gefunden, und zwar vom 14.06.2008. Dort wird für den Rückgang der Spenden angegeben, dass es privatwirtschaftliche Konkurrenz gibt. Da wird die Spende mit 20 Euro vergütet. Es geht daraus nicht hervor, dass die Spendenzahl wirklich rückläufig ist. Ob man diese Konkurrenz zulassen kann, ist eine andere Diskussion, die ich jetzt nicht führen möchte. Blutspende ist ein anderes Thema und hat eine andere Sensibilität als Organspende.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Frau Schütz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich schon jetzt bei allen Rednern recht herzlich für ihre Redebeiträge bedanken. Sie haben hier in vielen Punkten schon weiter diskutiert, als wir es mit dem Debattentitel eigentlich erwarten

durften. Herr Gerlach, an Sie ein besonderer Dank, wenn der Spenderausweis bei Ihnen auf der Bank erhältlich ist.

Zum zweiten wichtigen Thema, dem Blutspenden. Am vergangenen Wochenende war Weltblutspendetag – eine Gelegenheit, einmal selbst über die nächste Blutspende nachzudenken. Vielleicht hat der eine oder andere dies auch vor Kurzem getan.

In der Region Berlin-Brandenburg und Sachsen werden nach Angaben des Deutschen Roten Kreuzes täglich etwa 1 500 Blutkonserven benötigt. Vor allem in den Ferien, wie beispielsweise jetzt mit dem anstehenden Sommer, werden die Vorräte an Blutkonserven knapp. Obwohl beispielsweise das DRK, das etwa 80 % der Blutspenden deutschlandweit liefert, oft vor Ort ist, reicht es nicht aus. Auch mit den Angeboten der Kliniken, die oft täglich verfügbar sind, schaffen wir es nicht, eine ausreichende Blutreserve zu schaffen. Dabei ist es im Interesse aller, dass hier in Sachsen und in Deutschland genug Blut gespendet wird. Blut wird nicht nur nach Unfällen oder bei Operationen benötigt; Blut wird immer öfter als Grundlage für Medikamente benötigt, zum Beispiel bei der Behandlung von Krebs und krebsartigen Erkrankungen des Blutes.

Für die Blutspende gibt es in Deutschland die notwendigen Qualitätsanforderungen, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Diese Errungenschaft darf aufgrund fehlender Spenden nicht wieder abgebaut werden. Wir müssen daher mehr als bisher um Blutspenden werben. Dazu gehört, dass man nicht nur an die Hilfsbereitschaft der Menschen appelliert – bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das ist natürlich das Fundament –; denn es gibt viele, die helfen wollen, aber zu viele Ängste haben oder sich gegebenenfalls zieren. Ich halte es für wichtig, noch weiter zu informieren – auch über die positiven Effekte der Blutspende –; denn das eigene Blut wird dabei zum Beispiel erneuert und ein Test auf eventuelle Erkrankungen liegt kostenlos mit bei. Wir dürfen dies nicht unerwähnt lassen, denn jede Spende zählt.

Es gibt noch weitere Möglichkeiten, womit man – neben Blut und Organen – helfen kann: Gewebe- und Knochenmarkspenden können ebenso Leben retten. Ersteres ist kaum bekannt und viele Menschen wissen darüber fast nichts. Die Zell- und Gewebedatenbank des Dresdner Universitätsklinikums hat vor einem eklatanten Mangel an gespendetem Gewebe gewarnt und ich begrüße es, dass dieses Klinikum deshalb jetzt mit umliegenden Einrichtungen kooperieren will. Das ist der richtige Weg und ich hoffe, dass damit die Möglichkeiten besser werden, diesen in der Öffentlichkeit kaum beachteten Bereich zu stärken.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben schon oft in den Zeitungen über Aktionen lesen können, für leukämiekranke Kinder einen passenden Knochenmarkspender zu finden. Wir alle wissen, dass die Hilfsbereitschaft dann oft sehr groß ist, und das Problem ist in dem Augenblick nicht einmal die Anzahl der potenziellen

Spender, sondern den passenden Knochenmarkspender zu finden.

Ich fände es daher positiv, wenn nicht nur in Zeiten des akuten Bedarfes nach passenden Spendern gesucht und dafür geworben wird, sondern wenn ständig auf die Möglichkeit der Registrierung und Spende für Knochenmark hingewiesen würde. So könnte viel Zeit bei der Suche nach dem richtigen Spender gespart werden; und das ersparte den oft jungen Patienten viel Leid.

(Beifall bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema Organ-, Blut- und Gewebespende ist allumfassend. Ich habe mich heute darauf beschränkt, mehr für Aufklärung und organisatorische Verbesserung einzutreten. Die ethische Diskussion, ob man überhaupt Organe spenden sollte, ob das mit Zustimmungs- oder Widerspruchsregelungen gemacht werden sollte oder ob es in Europa eine einheitliche Regelung dafür geben sollte, habe ich bewusst außen vor gelassen. Das entwertet aber unsere heutige Diskussion in keiner Weise, sondern stärkt eher den Charakter, dass wir uns hier im Sächsischen Landtag dem Thema Organ- und Blutspende öffentlich angenommen haben; und vielleicht hat diese Debatte dazu beigetragen, dass dieses wichtige Thema einmal mehr im Fokus der Öffentlichkeit stand. Allein das war es wert, die heutige Debatte zu führen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der Abg. Margit Weihnert, SPD, und der Staatsregierung)

Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Bitte, Frau Strempel.

Meine Damen und Herren! Um noch einen kleinen Beitrag zur Aufklärung zu leisten, will ich vielleicht mit folgenden Dingen beginnen: Transplantation, Organtransplantation und Organspende ist und bleibt in Europa und damit auch in Deutschland eine Individualentscheidung. Es ist verboten – es ist direkt verboten! –, in Europa Organhandel zu betreiben. Damit möchte ich die Bürgerinnen und Bürger beruhigen. Es begeht eine Straftat, wer dies macht. Selbst in den USA ist es so streng geregelt.

Um irgendwelchen kriminellen Machenschaften vorzubeugen, gibt es auch eine strikte Trennung aller Zuständigkeitsbereiche, die mit der Organspende zu tun haben. Mit dem Inkrafttreten des Transplantationsgesetzes am 1. Dezember 1997 ging in Deutschland für die Transplantation eine lange Phase der Rechtsundeutlichkeit zu Ende. Mit diesem Gesetz wurden die Rechte und Pflichten der Beteiligten sowie die Wege der Organgewinnung und Organvermittlung festgelegt. Nach § 16 stellt seitdem die Bundesärztekammer den Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in Richtlinien fest, so unter anderem für die Aufnahme in die Wartelisten und die Regeln zur Organvermittlung.

Damit wird Handlungssicherheit bei der Durchführung des Transplantationsgesetzes gewährleistet und sichergestellt, dass durch die verbindlich eingeführten Allokationsregeln der Richtlinien zur Organvermittlung die Patienten auf der Warteliste auf der Grundlage eines fairen, auf nachvollziehbaren Gesichtspunkten basierenden Verteilungssystems Organe zur Transplantation vermittelt erhalten.

Trotzdem, meine Damen und Herren: Die persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organspende steht jedem Menschen frei und ist zu respektieren.

Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zur Blutspende machen. Die Freiwilligkeit gilt auch für die Blutspende. Trotzdem besteht bei vielen Bürgerinnen und Bürgern die Furcht, dass mit ihrem Blut ein Handel erfolgt oder sie sich bei der Spende infizieren könnten. Diese Ängste müssen ihnen durch gezielte Aufklärung genommen werden. Vor jeder Spende wird jeder Spender auf gesundheitliche Tauglichkeit untersucht. Strenge gesetzliche Vorschriften sichern ab, dass dem Spender, aber auch dem Spendenempfänger kein gesundheitlicher Nachteil entsteht. Dafür garantiert in Deutschland das Transfusionsgesetz mit seinen Ausführungsbestimmungen, die in enger Zusammenarbeit mit der Bundesärztekammer festgelegt wurden und werden. Richtig ist, dass es leider jährlich zu Engpässen im Blutspendeaufkommen kommt. Meist sind davon gerade die Sommermonate als Urlaubsschwerpunkt betroffen.

Dank des Transfusionsgesetzes ist eine Zusammenarbeit aller Spendeeinrichtungen vorgeschrieben, um damit rechtzeitig Engpässe zu verhindern. Allerdings können diese Spendeeinrichtungen nur das Blut zur Verfügung stellen, das sie tatsächlich zur Verfügung haben. Gerade deshalb ist eine freiwillige Spendenbereitschaft das A und O zur Absicherung des Blutkonservenbedarfes.

Meine Damen und Herren! Die Mehrzahl der Blut- und Plasmaspendeeinrichtungen in Sachsen gewähren Entschädigungen bzw. geben Anerkennung auch in Form von Dankeschönpräsenten. Man sollte aber dennoch einmal in sich gehen, ob man es unbedingt finanziell oder per Präsent vergütet haben möchte. Es ist einfach eine menschliche Frage der Bereitschaft für Organ- oder Blutspende.

Lassen Sie uns gemeinsam verstärkt auf diese Spendenbereitschaft hinarbeiten. Lassen Sie uns gemeinsam absichern, dass diejenigen, die unserer Spende bedürfen, sie auch bekommen. Das heißt, wir selbst sollten in uns gehen und unser Umfeld überzeugen – vielleicht fangen wir hier in diesem Raum an.

Ich danke vor allen Dingen Herrn Gerlach, dass er uns diese Ausweise zur Verfügung stellt. Ich denke, mein Beispiel zu Beginn zeigt, wie schnell jeder Einzelne betroffen sein kann – es ist einfach lebenswichtig.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD, vereinzelt bei der Linksfraktion, der FDP und der Staatsregierung)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Orosz, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn über einiges informieren. Am Ende meines Redebeitrages wird sich einiges in Ihrem Körper verändert haben; denn in jeder Sekunde, in der ich jetzt vor Ihnen stehe, entstehen in Ihrer Wirbelsäule und in Ihrem Becken Millionen neuer Blutzellen. Bei einer Redezeit von knapp 10 Minuten dürften sich dann in Ihrer Blutbahn über eine Milliarde neue Zellen befinden. Es ist einmal ganz interessant zu wissen, was in einer solchen Plenarsitzung alles passieren kann.

(Leichte Unruhe)

Meine Damen und Herren, bei dieser Menge, die ich gerade genannt habe, bleibt sicherlich auch einiges übrig, was Sie, was wir entbehren können. Blutspende ist ein Vorgang, der, wie wir wahrscheinlich alle wissen, einmal kurz schmerzt, der aber um ein Vielfaches mehr anderen Menschen hilft. Mit jedem kleinen Piks kann Menschen mit unterschiedlichen Krankheiten geholfen werden.

Bei der Blutspende ist es nur ein kleiner Piks, bei der Organspende eigentlich nur eine Unterschrift, mit der man Leben retten kann. Ich sage bewusst: „eigentlich“; denn wer einen Organspenderausweis unterschreiben will, der muss sich damit auseinandersetzen, dass sein Leben endlich ist. Das ist für jeden eine große, sehr individuelle Herausforderung, der sich, wie wir heute schon mehrfach gehört haben, nur sehr wenige stellen.

Über beide Dinge diskutieren wir heute dankenswerterweise. Wir diskutieren über die Bedeutung von Blut- und Organspenden sowie darüber, wie wir Menschen dazu bewegen können, etwas Elementares von sich abzugeben. Lassen Sie mich daher nur kurz zur Blutspende Stellung nehmen.