Ich komme noch einmal auf die Ausführungen von Frau Schöne-Firmenich zurück. Seien Sie froh, dass man nur die Kennziffern vergleicht und nicht in die Tiefe geht. Ein Beispiel: In Dresden gab es eine Umfrage mit dem Er
gebnis, dass 90 % der Eltern, deren Kinder in Tagespflege betreut werden, gern einen ordentlichen Krippenplatz hätten, aber in Dresden halt keinen bekommen. Auch an dieser Stelle wird ein totaler Notstand deutlich und es ist mitnichten die Chance vorhanden, sich für Tagespflege oder für Krippe zu entscheiden.
Herr Neubert, geben Sie mir recht, dass in erster Linie die Kommune in der Pflicht ist, diesen Bedarf zu decken, und dass das nicht per Gesetz verordnet werden kann?
Selbstverständlich ist es so, dass das die kommunale Ebene umsetzt, Frau SchöneFirmenich. Aber man muss sich auch die Rahmenbedingungen anschauen, die wir in Sachsen – ich muss sagen, Sie als CDU und als SPD in Sachsen – aufstellen, weil die Regelung einfach die ist, dass die Einrichtung einer Kindertagespflege für die Kommunen viel billiger ist. Die Zuschüsse vom Land sind die gleichen, aber die Kommune spart real. Das ist das Problem dabei.
Würden Sie mir zustimmen, dass dies am Ende daran liegt, wie die Gemeinderäte bzw. die Stadträte die Prioritäten für ihre Entwicklung setzen? Würden Sie mir auch zustimmen, dass es durchaus differenzierte Beispiele in Sachsen gibt?
Das teile ich. Das Problem ist aber, dass die Politik allzu häufig vom Kämmerer gemacht wird. Wenn die Diskrepanzen bei den Zuschüssen zu groß sind, muss man das auch in dieser Richtung konstatieren.
Ich komme zum dritten Punkt. Es wird mir immer wieder vorgeworfen, dass ich nicht anerkennen würde, was in den letzten Jahren in diesem Bereich geleistet worden sei. Wenn man sich aber vor Augen führt, was in den letzten vier Jahren – so lange regiert die Koalition aus CDU und SPD in Sachsen – im Bereich frühkindliche Bildung passiert ist, dann muss man sagen: Ganz so viel ist es nicht. Es ist zum Beispiel der Bildungsplan eingeführt worden. Das ist sehr gut, das unterstützen wir. Wir haben das in der letzten Legislaturperiode – Frau Dr. Schwarz, das wissen Sie – gefordert. Die CDU ist dann aufgesprungen und hat es verschämt „Bildungsleitfaden“ genannt. Heute ist es ganz klar der Bildungsplan. Das ist nicht das
Problem. Aber es wurde kaum Geld in die Hand genommen, um diesen Bildungsplan Realität werden zu lassen.
Sie selbst haben das Beispiel mit der Stunde zur Implementierung des Bildungsplanes gebracht. Sie haben das Beispiel Schulvorbereitungsjahr als etwas Einmaliges in Deutschland gebracht.
Ich möchte doch nur sagen, dass es finanziell nicht in dem Maße untersetzt ist, Frau Orosz. Es gibt Grundschulen, in denen nicht eine Stunde von diesem Schulvorbereitungsjahr beim Kind ankommt.
Herr Kollege Neubert, kennen Sie die Summen, die in die beiden Richtlinien, Schulvorbereitungsjahr etc., die Sie angesprochen haben, geflossen sind?
Weniger als ein Viertel von dem, was nötig wäre bzw. was jetzt von Ihnen wird für die Verbesserung des Personalschlüssels gefordert. Da sieht man einmal, in welchen Dimensionen sich das bewegt.
Ich sage Ihnen: Das ist fast nichts im Verhältnis zu den Dingen, die mit Rahmenbedingungen geändert werden müssten.
Ich komme zum letzten Punkt. Ich wünsche mir, dass wir bei diesen Diskussionen einen Vergleich durchführen, und zwar Sachsen mit den europäischen Nachbarn verglei
chen. Dort gibt es eine ganz andere Entwicklung, es gibt eine andere Qualität. Es ist nicht richtig, den Vergleich bei dieser Thematik zu westdeutschen „Entwicklungsländern“ aufzumachen. Darin liegt auch unsere Kritik begründet, die ich eben dargelegt habe.
Wird von der NPD noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die FDP-Fraktion. – Auch nicht. Die GRÜNEN? – Frau Herrmann, bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Schwarz, Sie werfen uns vor, dass wir alles schlechtreden würden. Was erwarten Sie eigentlich von einer Opposition? Wir haben die Forderungen wiederholt, die wir in der Vergangenheit an dieser Stelle schon oft deutlich gemacht haben.
Wir haben wiederholt, dass wir zur Umsetzung des Bildungsplanes die entsprechenden Rahmenbedingungen brauchen. Nichts anderes haben wir hier getan. Dass das bitter notwendig ist, haben wir, glaube ich, alle deutlich gemacht.
Diese Forderungen sind keine Forderungen von uns, sondern ich habe gesagt, dass es eine Untersuchung der Parität gibt, und auf diese Untersuchung habe ich mich bezogen. Die Parität wiederum hat für ihre Studie Einrichtungen befragt. Das kommt also nicht aus dem Nirgendwo, sondern sie hat dort Eindrücke und Zahlen verarbeitet, die aus ihren eigenen Einrichtungen gekommen sind.
Frau Schöne-Firmenich, ich habe von ausgebrannten und gestressten Erzieherinnen und Erziehern gesprochen, und zwar aufgrund der Bedingungen, die wir in Sachsen haben. Natürlich ist es so, dass einige Erzieherinnen und Erzieher nur sechs Stunden arbeiten. Aber darauf habe ich mich überhaupt nicht bezogen, sondern ich habe mich auf den Wechsel bezogen, der daraus resultiert, dass sich die Erzieherinnen und Erzieher einfach überfordert fühlen.
Ich denke, diesbezüglich haben Sie die Dramatik, die hier eine Rolle spielt, nicht ganz verstanden. Die Erzieherinnen und Erzieher sind sehr oft gut ausgebildet, sie scheitern aber an den Bedingungen in den Kitas. Sie können den Bildungsplan nicht umsetzen, weil sie dazu die notwendige Zeit und die Ressourcen überhaupt nicht haben.
Wenn Sie sich die Stellenausschreibungen des KitaEigenbetriebes in Dresden ansehen, die circa alle vier Wochen vorliegen, dann werden Sie sehen, dass diese Stellen überhaupt nicht besetzt werden können. Daran sehen wir doch, welche Dramatik das hat. Wir sollen einen Rechtsanspruch für unter Dreijährige bekommen; aber wie wollen Sie diesen Rechtsanspruch umsetzen, wenn Sie nicht die notwendigen Bedingungen für Erzie
herinnen und Erzieher schaffen? Diese sind die Voraussetzung dafür, dass Erzieher ihrem eigenen Anspruch und dem Anspruch, den Bildungsplan umzusetzen, überhaupt gerecht werden können.
Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Frau Ministerin Orosz, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz zwei, drei Sätze zur frühkindlichen Bildung und zu deren Zielen sagen. Kinder entdecken in der alltäglichen Situation die Welt, sie kommunizieren, suchen nach Lösungen von Problemen und entdecken physikalische Zusammenhänge.
In dieser Situation sind mit der sozialen, der kommunikativen und der somatischen Bildung sehr unterschiedliche Bildungsaspekte abzudecken. In dieser Situation wird aus der Erzieherin eine Person, die nicht im eigentlichen Sinne erzieht, sondern die die Kinder dazu anregt, durch genaue Beobachtung die Welt selbstständig zu entdecken.