Ich habe gestern auch die „Freie Presse“ gelesen und erkenne wohl, dass unser Ministerpräsident ebenfalls skeptisch ist, was da hin und wieder aus seinem Wirtschaftsressort geboten wird. Allein mir fehlt der Glaube, dass es ihm besser ergeht als seinem Vorgänger und es ihm gelingt, ordnungspolitische Klarheit in das Wirtschaftsressort zu bekommen. Dies wäre zwingend notwendig.
Ich frage Sie auch, wie wir die fortschreitende Bürokratisierung Sachsens stoppen können. Denn immer noch ist es in Sachsen so – ich habe das durch eine Kleine Anfrage gemeinsam mit Kollegen Dr. Martens herausbekommen –, dass jeden Monat mehr neue Vorschriften entstehen, als abgebaut werden. Im letzten Landtagswahlkampf gab es mal jemanden, der eine fantastische Idee hatte. Der Mann hieß Thomas de Maizière, und er nannte das den „sächsischen Paragrafenpranger“. Es war ein großes Wahlkampfthema der Union, zu sagen: Wir wollen Sachsen entbürokratisieren. – Bis heute warte ich vergebens auf den Gesetzentwurf zum Paragrafenpranger. Nach wie vor liegt er uns nicht vor.
Ich frage Sie ebenfalls, wie Sie angesichts des demografischen Wandels mit dem Fachkräftebedarf der sächsischen Wirtschaft klarkommen und ihr helfen werden, diesen zu sichern. Die Frage, die sich mir dabei stellt, ist, wie wir uns als Freistaat Sachsen attraktiver für hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland, besonders auch aus Osteuropa, aber genauso für Studenten, die sich für Sachsen als Studienort entscheiden, machen. Es wird eine große Herausforderung der nächsten Monate, vor allem aber der nächsten Jahre sein, Sachsen ein Stück internationaler, weltoffener und moderner zu machen, meine Damen und Herren.
Eine zentrale Frage, die wir uns stellen müssen – ich spreche diese sehr gern an, da es beispielsweise auch von der Union vorhin erwähnt wurde –, ist, wie wir es schaffen können, dass diejenigen, die jeden Morgen aufstehen und mit ihrer tagtäglichen Arbeit sowie ihren Steuern und Abgaben all das erwirtschaften, was die Politik – auch hier in diesem Hause – dann so großzügig verteilen möchte, endlich wieder mehr von dem, was sie erarbeiten, in ihrer Tasche haben. Dabei ist nicht nur der Freistaat Sachsen gefragt, sondern vor allem der Bund. Aber Sachsen hat hoffentlich in Zukunft eine lautere Stimme in Berlin.
Deshalb hätte mir als Leitmotto für die heutige Debatte die Aussage „Leistung muss sich endlich wieder lohnen“ sehr gut gefallen. Sie haben ein anderes gewählt; aber ich habe zumindest eine Übereinstimmung, was die Zielsetzung betrifft, feststellen können. Ob die Steuererhöhungsorgien, die Sie, Herr Pecher, und die SPD zuletzt losgetreten haben – ich glaube, es gab seit Rot-Grün 19 Steuererhöhungen, die wir allein in den letzten Jahren erleben mussten –, und Ihr Ja zur Mehrwertsteuererhöhung dazu verholfen haben, dass die Menschen mehr Netto vom Brutto haben, wie Sie es vorhin selbst gefordert haben, kann ich mir nicht vorstellen. Ich kann Sie, was die Entlastung unserer Bürgerinnen und Bürger, vor allem der berufstätigen Bevölkerung betrifft, schlichtweg nicht mehr ernst nehmen; verzeihen Sie mir das.
Das Wichtigste aber ist – gerade auch, wenn ich in diesen Landtag schaue, ist mir das sehr wichtig –, dass wir eine Rückbesinnung auf die Werte der Wende brauchen, auf das, wofür wir im Herbst 1989 auf die Straße gegangen sind, auf all das, was die alte Bundesrepublik nach dem Krieg stark gemacht hat, und auf das, was im Endeffekt der Schlüssel dafür war, dass Sachsen in den letzten 18 Jahren so groß und stark geworden ist. Ich bitte die Regierung sehr dringend darum, gerade auch in diesem Hause Garant dafür zu sein, dass in Sachsen auf Freiheit, auf eine faire Marktwirtschaft, aber eben auch auf Wettbewerb und Leistung gesetzt wird. Dieses Signal muss von der Staatsregierung deutlicher als bisher ausgehen.
Mir als jemandem, der in der DDR aufgewachsen ist, sind neue sozialistische Experimente und so manche populär vorgetragene Träumerei nicht geheuer. Nach dem, was Herr Hahn heute Morgen erzählt hat, ist mir leider auch Herr Hahn nicht mehr so ganz geheuer.
Ich will Ihnen nur eines sagen: Die FDP wird alles dafür tun, dass linke Blender wie Herr Lafontaine das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können und dass in Sachsen, Herr Hahn, niemals wieder eine Politik von gestern gemacht wird.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Land ist fantastisch, und dieses Land hat natürlich eine Regierung verdient, die genauso ist.
Es hat eine Regierung verdient, die ihr Land mitreißt, die ihr Land anspornt, ihr Land gut in der Öffentlichkeit darstellt – –
Diese Regierung kann das – trotz einiger neuer Köpfe, denen ich die Chance gern einräumen möchte – in ihrer Gesamtheit und ihrer bisherigen Konstellation nicht. Wir brauchen Gestalter und keine Verwalter. Vielleicht können Sie es, Herr Tillich. Ich persönlich traue es Ihnen zu. Aber ich glaube, dass diese Regierung in der bisherigen Konstellation schon lange nicht mehr zu Land und Leuten passt. Bis 2009 müssen wir noch durchhalten; aber dann, meine Damen und Herren, wird diese Regierung mit Sicherheit abgelöst werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Flath! Ich gratuliere zu Ihrer heutigen ersten Rede als Fraktionsvorsitzender der CDUFraktion. Ich fand sie intellektuell interessant, zum Teil auch ein wenig kurzweilig – das muss ich einmal deutlich sagen –, und ich freue mich schon auf die inhaltlichen Auseinandersetzungen, die wir in Zukunft führen werden.
Eine würde ich gern gleich aufgreifen, und zwar die Frage der Erziehung zur Freiheit. Das ist ein ernstes Thema. Ich nehme es sehr ernst und teile diesen Anspruch ausdrücklich. Aber die Erfahrung, die die Menschen in diesem Lande in der letzten Zeit sehr oft gemacht haben, war, dass sie mehr Eigenverantwortung als Ersatz für Solidarität übernehmen sollten und dass es sozusagen als Gipfel der Eigenverantwortung in diesem Lande angesehen wird, sich selbst zu operieren. Vor diesem Hintergrund hat das Ängste ausgelöst, deshalb werden wir die Freiheit an Solidarität koppeln müssen. Alles andere wird nicht funktionieren. Die Frage ist nur, wie wir das hinbekommen; und dazu, Herr Ministerpräsident, habe ich in Ihrer Rede vor allem gehört, es gehe um ehrenamtliche und
dörfliche Solidarität. Dazu kann ich nur sagen: Das wird Landespolitik nicht ersetzen und wird nicht ausreichen.
Außerdem, Herr Flath, wollen Sie in Sachsen ein Klima schaffen, in dem sich Unternehmen willkommen fühlen. Da frage ich natürlich sofort: auch ausländische? – Wir können es uns nicht mehr leisten, das Thema Migration mit spitzen Fingern anzufassen. Diese politische Forderung muss in dieser Runde aufgemacht werden, so unpopulär sie in Sachsen sein mag. Wir müssen dies tun, es ist unsere Verantwortung; und das Thema Migration haben Sie beide – sowohl Sie, Herr Tillich, als auch Sie, Herr Flath – weggelassen. Ich nehme an, „Ihre Redezeit war zu begrenzt“. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben sich so viel Mühe gegeben, den Wechsel des Ministerpräsidenten zu inszenieren. Sie haben lange öffentlich unter dem alten gelitten. Sie haben diesen dann professionell und ohne viel Federlesen ausgetauscht und Sie haben die SPD, wie auch immer, zu einem Neuanfang des alten Spieles überredet. Und dann höre ich die Rede des Ministerpräsidenten und frage mich: Dafür? Das ist alles? Mehr kommt da nicht mehr?
Wir machen also jetzt in der Koalition alle weiter so wie bisher: Piep, piep, piep, wir haben uns alle wieder lieb! Es scheint, Herr Tillich, als seien Sie zum Amt gekommen wie die Jungfrau zum Kind.
Dass es vorher einen Skandal um die Sachsen LB gab, dass Dresden den Welterbetitel verlieren wird und dass in unserer Heimat die Rechten fröhliche Urständ feiern, das alles hat in Ihrer Rede nicht stattgefunden. Aber das haben wir doch alles nicht nur geträumt. Das kann man doch nicht ignorieren oder verdrängen.
Ja, liebe Genossinnen und Genossen von der SPD! War da was? Gab es da eine Koalitionskrise? Die war nur wegen des Poltergeistes Georg Milbradt, ansonsten ist der Koalitionsvertrag in Ihren Augen vom Feinsten, nehme ich an. Hauptsache Regierung, egal wofür und wie lange. Das klingt ziemlich nach Endzeitstimmung.
Sie haben noch in der letzten Woche einen weiteren dreistelligen Millionenbetrag in die Vorsorge der Bürgschaft der Landesbank gestellt. Diese Regierungserklärung hat kein Wort darüber verloren. Sie war nicht einmal ein Zwischenbericht, geschweige denn eine Regierungserklärung.
Aber gehen wir auf die drei großen Themen ein, die Sie in den nächsten 16 Monaten umtreiben werden: Arbeit, Bildung und Solidarität.
Nun, bei Arbeit, so habe ich Ihren Ausführungen entnommen, reicht Ihnen ein „Weiter so!“. Dabei merken immer mehr Menschen im Land, dass es nicht um Arbeitsplätze um jeden Preis und vielleicht nur für eine kurze Zeit geht, sondern dass es um Arbeitsplätze geht, die eine lange Zukunft haben und sich auch zu auskömmlichen Löhnen hin entwickeln können. Da fragt man sich natürlich: Was sind die Zukunftstechnologien, die das bieten können?
Bei Bildung haben Sie ein paar – wie ich finde – unumgängliche Korrekturen vorgetragen. Aber dass die gute Bildung für alle und für jeden eine der zentralen Herausforderungen für die Industriestaaten im 21. Jahrhundert ist, das haben Sie geschickt umgangen. Herr Flath hat es dann meiner Meinung nach aufgenommen.
Bei der Solidarität haben Sie ein riesiges Thema, ein politisches Spitzenthema aufgemacht, ein gefühltes Brotund-Butter-Thema in der ostdeutschen Gesellschaft. Und dann verweisen Sie auf Dorfgemeinschaft, freiwillige Feuerwehr und Sportvereine. Nichts davon ist schlecht. Aber meinen Sie wirklich, dieses Engagement könnte die fehlende Politik einer Staatsregierung ersetzen?
Ihr eigener Maßstab, Herr Tillich, ist, dass Sie der MP aller Sachsen sein wollen. Wer aber, so höre ich es aus Ihrer Rede heraus, nicht auf dem Dorf lebt, nicht in einem Verein ist und keine vollständige Familie hat, der besitzt in Sachsen schlechte Karten, dass Sie sich um ihn kümmern werden.
Wie ist es denn nun mit den vielfältigen Lebensentwürfen in jeder Altersgruppe? Wie ist es denn nun damit, dass Sachsen ein Land wird, das Frauen attraktiv finden? Wie ist es denn nun damit, dass wir hier endlich einmal über Migration und Integration reden und sie auch praktizieren?
Für mich klang das alles sehr nach der guten alten ländlichen Idylle des 19. Jahrhunderts, in der Gessner und andere das goldene Zeitalter beschreiben und bukolische Hirtenszenen ausmalen. Vielleicht steht es einem Land, das auch vom Barock stark geprägt wurde, ein bisschen zu Gesicht, Schäferdichtung zu haben. Aber gehört die in eine Regierungserklärung, frage ich Sie?
Es ist in Ordnung, wenn sich die CDU in Sachsen wieder mehr um den ländlichen Raum kümmern will. Aber warum überhöhen Sie das gleich so? Menschenwürde durch Selbstbestimmung, Vielfalt der Lebensentwürfe, Fortschritt durch Vernunft statt Wachstum um jeden sozialen, ökologischen Preis, Demokratisierung der Gesellschaft, vielleicht auch eine kluge Reform des Kapitalismus – von all dem habe ich wenig gehört. Wir bekommen stattdessen wieder Milbradts Politik, nur etwas kuscheliger verpackt.
Im Gegensatz zur SPD hat mich die Kantigkeit des alten MP nie besonders gestört, aber einige seiner politischen Prämissen schon. Das haben wir hier auch immer offen angesprochen und diskutiert. Ich bin gern hart, aber herzlich im neuen Debattenstil dieses Landtages; verbindlich im Ton, aber hart in der Sache. Mir ist aufgefallen, dass sich die politische Streitkultur hier erst langsam in den letzten Jahren entwickelt hat. Dann möchte ich aber nicht gleich wieder freundlich lächelnd an die Kandare genommen werden und vielleicht demnächst als Landtagsabgeordnete eine Petition an die Staatskanzlei schreiben müssen, wenn ich ein Anliegen habe. Wir müssen
Was sind jetzt die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die uns Sachsen erkennbar betreffen und über die Sie leider nicht geredet haben: Klimawandel, Energie- und Ressourcenknappheit, globalisierte Wirtschaft, Rolle der Frauen, Migration und Toleranz, demografischer Wandel besonders Alterung, solidarische Gesellschaft, Bildung. Die beiden letzten Punkte haben Sie berührt, aber, wie ich finde, nicht erschöpfend behandelt.
Ich empfinde das nicht allein so; es geht uns doch allen so. Die Zeiten werden ernster. Die Üppigkeit der Industrieländer nähert sich ihrem Ende. Sparsamkeit, und zwar nicht nur finanzielle, wird immer wichtiger. Bildung für alle entwickelt sich zur Zukunftsressource schlechthin. Und unsere Heimat wird sich verändern.
Warum sprechen Sie nicht über die drohende Versteppung der Lausitz noch in diesem Jahrhundert, wo das doch Ihre Heimatregion ist, sondern bewerben mit aufgefüllten Seen ein Lausitzer Wirtschaftswunder, das so wahrscheinlich nicht kommen wird? Sie loben die Braunkohle, sprechen vom Energiemix. Für mich gibt es so lange keinen Energiemix, solange die Braunkohle über 80 % der Energieerzeugung in Sachsen ausmacht.