Protocol of the Session on June 18, 2008

2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von Ein-Raum-Gaststätten

Drucksache 4/11811, Gesetzentwurf der Fraktion der FDP

Drucksache 4/12502, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend

Es erfolgt eine allgemeine Aussprache. Es beginnt die FDP-Fraktion, danach CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile nun Herrn Zastrow das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfs hatte ich Sie und vor allem meine Kollegen von der Unionsfraktion gebeten zu überprüfen, wie viel Wirtschaftsfreundlichkeit und Unternehmersinn sie noch ihr Eigen nennen. Denn inzwischen dürfte jedem klar geworden sein, dass das Sächsische Nichtraucherschutzgesetz genauso wie alle Nichtraucherschutzgesetze, die es inzwischen in den einzelnen Bundesländern gibt, nichts anderes ist als ein großes Vernichtungsprogramm für Arbeitsplätze und berufliche Existenzen. Dazu passt eine nahezu druckfrische Pressemitteilung des Sächsischen Hotel- und Gaststättenverbandes, die heute über die Agenturen läuft. Darin beschreibt die DEHOGA – von dem Verband war eben schon die Rede – die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 2 400 Mitgliedsbetrieben der DEHOGA über die Auswirkungen des Nichtraucherschutzgesetzes hier in Sachsen.

Ich zitiere den Hauptgeschäftsführer der DEHOGA, Frank Lehmann, aus der Mitteilung: „Das Ergebnis seit Einführung des Rauchverbotes in der sächsischen Gastronomie ist erschreckend. Seit in Sachsen das Rauchverbot gilt, ist in vielen Kneipen, Gaststätten und Diskotheken der Umsatz zwischen 10 und 56 % gesunken. 47 % bestätigen negative Auswirkungen auf ihr Geschäft und nur 8 % sehen positive Effekte eines gesetzlichen Rauchverbotes. 20 % der befragten Unternehmer gehen davon aus, dass sie deswegen in nächster Zeit Mitarbeiter entlassen müssen. Ein Drittel der Betriebsinhaber von Einraumgaststätten fürchten um ihre Existenz.“ Das sind Zahlen, die repräsentativ von der DEHOGA soeben erhoben worden sind.

Meine Damen und Herren! Diese Betriebe sind nicht in Not geraten, weil sie schlecht gewirtschaftet hätten oder weil sie auf das falsche Konzept gesetzt haben. Nein, sie sind einzig und allein in Not geraten, weil es der Staat, weil es die Politik so will. So weit, meine Damen und Herren, darf Politik in einer Marktwirtschaft beim besten Willen nicht gehen!

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte hier nicht all das wiederholen, was ich bei der Einbringung unseres Gesetzentwurfes vor zwei Monaten,

am 16. April, gesagt habe. Deswegen hier nur ganz kurz zusammengefasst: Wir denken, nach Auffassung der FDP ist das gesamte Nichtraucherschutzgesetz Bürokratie in Reinkultur, und es verkompliziert aus unserer Sicht das Leben in völlig unnötiger Art und Weise. Statt auf Augenmaß, Toleranz und Fingerspitzengefühl setzt es auf die Bevormundung von Gästen und Wirten. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine Kennzeichnungspflicht für Rauchergaststätten und gastronomische Betriebe völlig ausreichend gewesen wäre.

Bitte, glauben Sie mir, dass der gewöhnliche deutsche Gaststättenbesucher ganz gewiss nicht auf das Nichtraucherschutzgesetz gewartet hat. Er braucht es nicht. Er stimmt einfach mit seinen Füßen und seinem Geldbeutel darüber ab, ob er eine Raucherkneipe beispielsweise besucht oder nicht. Tut er es nicht mehr, wird es diese Raucherkneipe in Kürze auch nicht mehr geben.

Interessant ist es, dass sich in den letzten Wochen und Monaten auch andere Dinge neben diesen betriebswirtschaftlichen Problemen herauskristallisiert haben. Ich stelle ernsthaft die Frage, ob all das der Gesetzgeber – und das ist die große Mehrheit hier in diesem Haus gewesen – so gewollt hat. Ich frage Sie, ob es Ihnen zum Beispiel egal ist, dass Kneipengäste nicht mehr drinnen, sondern dafür draußen vor der Tür der jeweiligen Kneipe rauchen und beispielsweise mit ihren Unterhaltungen, um es einmal positiv auszudrücken, des Nachts ganze Straßenzüge – zum Beispiel in der Dresdner Neustadt – beleben und die dort lebenden Einwohner um ihren Schlaf bringen. Das ist ein Nebeneffekt, der eingetreten ist. Das ist überall so. Ich weiß auch nicht, ob es wirklich gewollt ist, dass Jugendliche beispielsweise zum Rauchen vor die Diskothek gehen und diesen Ausflug vor die Tür auch gleich dazu nutzen, um noch einmal fix in den Kofferraum ihres Autos zu greifen, um dort ein paar Bier herauszuholen. Wie Sie wissen, verbietet ja das Nichtraucherschutzgesetz Diskotheken, überhaupt einen Raucherraum anzubieten, selbst wenn sie es wollten. Wir sollten völlig rational darüber nachdenken, ob das die Effekte sind, die wir am Ende haben wollen.

Auch wenn wir als FDP selbst natürlich mehr möchten und mit der Gesetzgebung insgesamt nicht einverstanden sind, greifen wir heute mit unserem Vorschlag einen einzigen Punkt heraus, und zwar den problematischsten Punkt, in dem es um die inhabergeführten sogenannten Einraumgaststätten geht. Diese stehen nicht nur zum großen Teil vor Problemen, die ihre Existenz betreffen, sondern sie müssen auch erhebliche Wettbewerbsnachteile

in Kauf nehmen; Wettbewerbsnachteile, die sie nicht ausgleichen können. Denn anders als größere Gastronomiebetriebe, die über mehrere Räume verfügen und deswegen noch oft in der Lage sind, die Anforderungen des Nichtraucherschutzgesetzes zu erfüllen und einen Raucherraum einzurichten, haben Einraumgaststätten diese Möglichkeit nicht. Viele Eckkneipen, Cafés, Bars und Bistros haben nur einen einzigen Raum und müssen daher rauchende Gäste auf Nimmerwiedersehen vor die Tür setzen.

Deswegen unterstützen wir politisch die Klagen mehrerer Inhaber dieser Einraumgaststätten vor dem Verfassungsgericht und sind sehr froh darüber, dass das Gericht die massive Existenzgefährdung der Gastronomen im Gegensatz zum Sächsischen Landtag für durchaus relevant hält. Unser Gesetzentwurf folgt deswegen in seiner Begründung en detail dem, was der Verfassungsgerichtshof gesagt hat – was aus unserer Sicht ein Grund mehr für Sie sein dürfte, unserem Entwurf zuzustimmen.

In der Diskussion in den Ausschüssen wurde immer wieder gesagt, dass man abwarten wolle, bis das Bundesverfassungsgericht entschieden habe. Meine Damen und Herren, das ist nicht meine Vorstellung von politischer Handlungsfähigkeit. Anstatt wieder einmal Juristen zu Politikern zu machen und unsere eigene Entscheidungskompetenz, die wir hier als Landtagsabgeordnete haben, in die Hände von Personen zu legen, die eigentlich dafür gar nicht zuständig sind, schlagen wir vor, dass wir mit unserem Gesetzentwurf heute sofort für Rechtssicherheit im Hotel- und Gastronomiegewerbe sorgen. Nehmen wir die Sorgen und Ängste der Gastronomen in Sachsen ernst. Anstatt in einen Wettlauf durch mehrere juristische Instanzen zu treten, wollen wir den Teil der neuen Nichtraucherschutzgesetzgebung, der offensichtlich besonders gravierend gegen die Vernunft und gegen alles Sinnhafte verstößt, korrigieren. Unbürokratisch und schnell können wir so die Existenznöte von allen Inhabern von Einraumgaststätten mit einem einzigen Schlag beseitigen, ohne den Nichtraucherschutz insgesamt auszuhebeln.

Ich bitte Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP)

Die CDUFraktion; Herr Abg. Krauß, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Zastrow, das Verfassungsgericht hat noch nicht abschließend eine Entscheidung zum Nichtraucherschutzgesetz getroffen – anders, als Sie das hier dargestellt haben. Insofern sind wir gut beraten, eine Entscheidung in der Sache abzuwarten.

Wir wissen nicht, wie das Gericht entscheiden wird. Auf jeden Fall gebietet es der Respekt vor dem Gericht, dass wir diese Entscheidung abwarten. Ich darf dazusagen, dass dieser Ansicht offensichtlich auch Ihre Parteifreunde

in Nordrhein-Westfalen sind, wo das Nichtraucherschutzgesetz für den Bereich Gaststätten erst am 1. Juli in Kraft tritt. Dort hat man sich entschieden, keine Änderungen an dem Gesetz vorzunehmen. Man könnte es ja noch machen, weil es noch keine Gültigkeit besitzt.

Das ist ein Grund, weshalb wir Ihren Antrag ablehnen werden.

Wir haben andere Bundesländer, in denen Ausnahmeregelungen zulässig sind, zum Beispiel das Saarland. Es ist die Frage, was passiert, wenn man diese Ausnahmeregelungen, die Sie vorschlagen, zusätzlich aufnimmt. Da kann man schon gewisse Erfahrungen machen wie eben im Saarland, wenn Angestellte Mitinhaber einer Gaststätte werden müssen, nur damit sie weiterhin in ihrer Gaststätte bedienen können, oder wenn man anfängt, Einraumgaststätten herzustellen, indem man Trennwände herausreißt.

(Heiterkeit bei der FDP)

Das sind die Erfahrungen, die die Kollegen aus diesen Ländern gesammelt haben.

Es ist ja auch die Frage, wer kontrollieren soll, ob es eine inhabergeführte Kneipe ist oder nicht. Zurzeit kann ich das sehr einfach machen, denn ich sehe ja, ob darin geraucht wird oder nicht. Sie würden also mit Ihrem Gesetzentwurf deutlich mehr Bürokratie schaffen, und diese zusätzliche Bürokratie werden wir ablehnen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Herr Krauß hat durchaus mal recht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren der FDP, es fordert natürlich heraus, Ihnen ein bisschen Nachhilfeunterricht zu geben, was die Schädlichkeit des Rauchens betrifft, weil Herr Zastrow das offensichtlich noch nicht so richtig erfasst hat.

Rauchen ist lebensgefährlich. Das steht nicht nur auf den Zigarettenschachteln, sondern das ist wirklich Fakt. Es handelt sich beim Rauchen um das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko unserer Zeit. Im Tabakrauch verbergen sich 40 krebserregende und Krebs mitverursachende Substanzen. Wer raucht, stirbt zehn Jahre eher. Über 100 000 Deutsche sterben jährlich an den Folgen des Rauchens, darunter bis zu 3 500 Passivraucher. Zum Vergleich: Knapp 5 000 Verkehrstote haben wir in Deutschland gegenüber 100 000 Todesfällen infolge des Rauchens. Wenn Sie konsequent wären, liebe Freunde von der FDP, dann müssten Sie zum Beispiel auch die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in einer Ortschaft aufheben wollen, weil auch das dazu führt, dass Tote verhindert werden.

(Unruhe und Zurufe)

Ich glaube, dass es dann, wenn es 20-mal mehr Tote sind, legitim ist, ein Gesetz zu machen.

Herr Dr. Martens möchte gern eine Zwischenfrage stellen. – Sie wird erlaubt; bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Kollege Krauß, da wir gerade beim Rechnen sind und Sie die Verkehrstoten angeführt haben: Es erschließt sich mir zwar nicht ganz, aber vielleicht gibt es möglicherweise doch einen Zusammenhang, wenn Sie mir sagen könnten, wie viele Verkehrstote auf Rauchen und wie viele auf Alkohol zurückzuführen sein könnten.

Wir können gern auch über Alkohol sprechen. Wir haben ja, wenn ich das so verfolge, die positive Entwicklung, dass auch der Alkoholkonsum zurückgeht. Um noch einmal den Vergleich zu bringen und es zu erläutern: Wenn wir Gesetze machen, zum Beispiel eine Straßenverkehrsordnung, weil wir wissen, dass 5 000 Menschen jährlich im Straßenverkehr umkommen, dann halte ich es für legitim, auch ein Gesetz zu machen, wenn in Deutschland über 100 000 Menschen jährlich am Rauchen sterben.

(Beifall bei der CDU)

Unser Nichtraucherschutzgesetz dient vor allem dem Schutz von Nichtrauchern – das betrifft drei Viertel der Sachsen, die dazuzählen. Ich halte es für legitim, dass man als Gesetzgeber tätig wird, wenn sich die Nichtraucher beschweren, in den Gaststätten vor Passivrauch geschützt werden und keine stinkende Kleidung haben wollen, wenn sie abends aus der Kneipe zurückkommen.

Ich will aber auch deutlich sagen, dass das Gesetz gut für Raucher ist; denn auch hier haben wir die ersten Umfrageergebnisse, dass es sich insgesamt positiv auf die Stimmung auswirkt, den Nichtraucherschutz an eine höhere Stelle zu bringen. In den ersten fünf Monaten – so sagt es uns die Bundesdrogenbeauftragte – hat jeder siebente Raucher mit dem Rauchen aufgehört. Genauso viele rauchen weniger und noch einmal so viele haben sich fest vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören.

(Starke Unruhe)

In Irland hat man schon länger Erfahrungen mit dem Nichtraucherschutzgesetz gemacht. Dort sagen 90 % derjenigen, die mit dem Rauchen aufgehört haben, sie seien durch das Nichtrauchergesetz dazu motiviert worden.

Um noch einmal auf die Todesfälle einzugehen: Wenn wir auf Italien schauen, auf eine Region wie Piemont zum Beispiel, gibt es dort nach dem Nichtrauchergesetz 11 % weniger Herzinfarkte. Die Menschen rauchen weniger und erleiden damit auch weniger Herzinfarkte – also eine positive Entwicklung.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Wir haben das Gleiche auch bei jungen Menschen; denn dort liegt uns das Problem des Nichtraucherschutzes besonders am Herzen. Das Einstiegsalter des Rauchens liegt bei 13 Jahren. Deswegen ist es uns besonders wichtig, Herr Zastrow, dass in Diskotheken Nichtraucherschutz gilt.

(Holger Zastrow, FDP: Dann rauchen sie draußen!)

In den Diskotheken muss Nichtraucherschutz gelten. Wir haben dazu Untersuchungen aus anderen Ländern. Ich darf eine Studie der Universität Boston zitieren, die besagt: Wo die Gesetze strenger sind, kommt es dazu, dass weniger junge Menschen nach dem Probieren einer Zigarette zu richtig etablierten Rauchern werden; das kommt nur halb so häufig vor.

Man sieht also: Die Nichtraucherschutzgesetze sind ein voller Erfolg. Das bestätigte uns auch die Umfrage: 70 % der Deutschen sagen, diese Gesetze sind richtig und die Maßnahmen gegen das Passivrauchen zeigen Wirkung.

Nun ist die Frage, die im Raum steht: Schadet das Nichtraucherschutzgesetz den Gastronomen? Die erste Antwort, die man in gesundheitlicher Hinsicht geben kann: mit Sicherheit nicht; denn da ist es positiv. Die „Freie Presse“ hat vor einer Woche einen Artikel mit der Überschrift „Rauchverbot macht Barkeeper gesünder“ gebracht. Man bezieht sich darin auf Studien in Schottland, in Norwegen, in den USA, in Italien und in Irland und kommt zu dem Ergebnis, dass die Barkeeper durch die Nichtraucherschutzgesetze gesünder seien. In Italien habe zum Beispiel jeder sechste Wirt mit dem Rauchen aufgehört; 61 % der Wirte, die vorher geraucht haben, rauchen weniger.

Nun spitzen wir die Frage noch etwas zu: Schadet das Nichtrauchergesetz den Gastronomen in finanzieller Hinsicht? Diese Frage hatte Herr Zastrow angeschnitten. Hier muss man auch wieder differenzieren. Die DEHOGA selbst sagt: In Hotels und Restaurants funktioniert das Rauchverbot problemlos. Jedes zehnte Restaurant hat sogar mehr Gäste; und das ist auch nachvollziehbar, weil drei Viertel der Bevölkerung Nichtraucher sind, und die sind ganz froh – –

(Holger Zastrow, FDP: Haben Sie das gelesen? – Lesen Sie es richtig!)

Natürlich. Die sind ganz froh, Herr Zastrow, dass man dort keinen Rauch mehr ertragen muss.