Protocol of the Session on March 9, 2005

Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren! „Gemeinsames Ziel aller Länder ist es, gleichwertige wirtschaftliche und soziale Verhältnisse in Ost und West zu schaffen. Es ist gemeinsames Anliegen, den Aufbau Ost auf eine langfristige und verlässliche Grundlage zu stellen.“ Ich zitiere aus dem Ergebnisprotokoll der Sonderkonferenz der Ministerpräsidenten vom 22. Juni 2001.

Die Solidarbeiträge hierzu sind klar definiert, werte Damen und Herren. Hierüber gibt es auch wissenschaftliche Gutachten. Es gibt dabei einen so genannten Korb I und einen Korb II. Auch die Mittelverwendung ist klar definiert. Wir haben heute von allen Seiten gehört, dass die Mittel in Sachsen verantwortungsbewusst und zweckentsprechend eingesetzt wurden.

Die harten Fakten besagen aber – deswegen haben wir das heute noch einmal in den parlamentarischen Raum getragen –, dass ein Drittel der vom Bund zugesagten Solidarpaktmittel, der so genannte Korb II mit 51 Milliarden Euro, bis heute nicht präzisiert ist. Es fehlt sowohl der verbindliche Programmrahmen als auch die jährliche Mittelzuweisung. Das ist beileibe kein alter Hut, das ist eine höchst aktuelle Forderung. Wir wollen mit unserem heutigen Antrag dokumentieren, dass wir unsere Staatsregierung hier flankieren und dass es der Wille des Landtages ist, diese Dinge in die Verhandlungen hineinzutragen, werte Damen und Herren.

Die Zusage des Bundes ist vorhanden und wir wollen sie über alle Parteigrenzen hinweg auch aus unserer aktuellen Debatte heute hinaustragen und diese Zusage ganz einfach einfordern. Im Übrigen gibt es ja auch Zusagen der Bundesregierung. Ich erinnere an das Stolpe-Interview in der „BZ“ am 2. Februar 2005. Er sagt dort eindeutig: „Wenn Brüssel weniger an EU-Mitteln zahlt, dann muss der Bund das ausgleichen; die Summe von 51 Milliarden Euro bleibt.“

Die dringend erforderliche Rechtssicherheit ist eben nur durch eine baldige gesetzliche Fixierung zu erreichen. Natürlich muss im Gegenzug die Zweckbindung der Mittel eindeutig festgelegt werden. Fehlverwendungen sind sicherlich nicht akzeptabel. Einer ehrlichen Überprüfung der zweckgerechten Verwendung nach klar definierten Kriterien wird sich der Freistaat sicherlich nicht entziehen.

Planungssicherheit auf gesetzlicher Grundlage schafft Verlässlichkeit unabhängig von allen Kassenlagen. Verlässlichkeit erweckt Vertrauen, Vertrauen beim Bürger und bei den Unternehmen, Vertrauen, das dringend notwendig ist. Bitte stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 4/0887 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Das ist nicht der Fall. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmenthaltungen ist dieser Antrag mit großer Mehrheit beschlossen worden.

Wir können den Tagesordnungspunkt 5 beenden und ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Förderung gentechnikfreier Landwirtschaftsregionen in Sachsen

Drucksache 4/0590, Antrag der Fraktion der PDS

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde ist PDS, CDU, SPD, NPD; FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Ich erteile der Fraktion der PDS als Einreicherin das Wort. Frau Abg. Lay, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Dezember vergangenen Jahres schrieb uns und – so nehme ich an – auch den anderen Fraktionen der Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland und forderte von uns ein klares Bekenntnis für gentechnikfreie Regionen in Sachsen. Diese Anregung nehmen wir gerne auf, weil wir meinen, dass es nicht nur des klaren Bekenntnisses einer Fraktion, sondern des gesamten Landtages und natürlich auch der Staatsregierung bedarf.

Meine Damen und Herren, wir mögen unterschiedliche Einschätzungen über Chancen und Risiken der grünen Gentechnik haben. Hierzu werden seit Jahr und Tag Argumente ausgetauscht. Mir geht es heute aber nicht um diese unterschiedlichen Einschätzungen, sondern ich möchte auf die Gemeinsamkeiten orientieren.

Wir alle dürften uns darin einig sein, dass wir auch in Zukunft gentechnikfreie Landwirtschaft in Sachsen erhalten wollen. Es geht um die Zukunft konventioneller und ökologischer Landwirtschaft in Sachsen. Mehr noch als die konventionelle Landwirtschaft ist die ökologische Landwirtschaft durch die grüne Gentechnik bedroht. Zum einen lehnt der ökologische Landbau in seinen selbst gegebenen Statuten den Einsatz der grünen Gentechnik ab. Auch EU-weit gilt nach der EG-Öko-Verordnung ein Verwendungsverbot. Dazu kommt noch, dass im ökologischen Landbau seit 2004 nur noch ökologisch produziertes Saatgut verwendet werden darf.

Es kann also keinen ökologischen Landbau mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen geben. Das wäre der Tod des ökologischen Landbaus in Sachsen und unser Ziel, den Anteil dieses Landbaus auf 10 % zu erhöhen, würde somit unerreichbar werden.

Aber neben den ökologisch wirtschaftenden Landwirten befürchten auch viele konventionell wirtschaftende Landwirte um die Vermarktungsfähigkeit ihrer Produkte; denn bei allem Bemühen um die Sicherstellung der Koexistenz kann niemand so richtig glauben, dass dieses Nebeneinander funktioniert. Das gilt selbst für die Befürworter der grünen Gentechnik. Ich darf hierfür ein Beispiel zitieren: „Selbst bei Einhaltung aller gesetzlichen Vorschriften ist es nicht völlig auszuschließen, dass durch Einkreuzen oder Beimischen von gentechnisch veränderten Pflanzen Grenzwerte überschritten werden. Erzeugnisse der konventionellen Landwirtschaft oder des Ökolandbaus können dadurch entweder nur mit Preisabschlag verkäuflich oder sogar unverkäuflich werden.“

Genau diese Einschätzung teilen wir und sie wird auch von der Mehrheit der Landwirte in Sachsen geteilt. Sie

stammt vom ehemaligen Landwirtschaftsminister Steffen Flath.

In den Konsequenzen mögen wir uns unterscheiden, meine Damen und Herren. Die CDU lässt nicht locker und fordert einen Ausgleichsfonds, um den GVO anbauenden Landwirt im Haftungsfall zu entlasten. Ihr beherztes Eintreten für die Fondslösung ist doch der beste Beweis. Auch Sie sehen hier ein Risiko und glauben offensichtlich nicht an die vollständige Machbarkeit der Koexistenz.

Wir teilen diese Sorge, schlagen aber eine andere Lösung vor. Wir denken, dass möglichst große gentechnikfreie Regionen den besten Schutz für gentechnikfreie Landwirtschaft bedeuten. Wenn uns das gelingt, können wir dem guten Beispiel anderer Länder folgen, in denen die Einrichtung genfreier Regionen deutlich weiter vorangeschritten ist. Bundesweit haben sich bereits Landwirte mit insgesamt 420 000 Hektar freiwillig dazu bekannt, auf den Anbau von GVO zu verzichten.

Meine Damen und Herren, die Geheimniskrämerei über die Standorte des Erprobungsanbaus ist nun endlich vorbei. Das Standortregister des BVL ist inzwischen online – eine von vielen sinnvollen Regelungen im geltenden Gentechnikgesetz. Punkt 1 unseres Antrages kann somit im Grunde entfallen. Wir haben ja jetzt die Möglichkeit, bei den Agrarbetrieben nachzufragen, was im letzten Jahre gelaufen ist und welche Kenntnis die Landesbehörden davon hatten.

Die Forderung nach der Unterstützung von gentechnikfreien Regionen ist der Kern unseres Antrages und ihn halten wir selbstverständlich aufrecht. Es hat sich auch in Sachsen hierzu ein breites Bündnis von Landwirten und Umweltverbänden gebildet und diese hat auch eine Massenpetition an den Sächsischen Landtag initiiert.

Aber auch neben der Unterstützung gentechnikfreier Landwirtschaftsregionen in Sachsen sehen wir weiteren Handlungsbedarf. Die PDS-Fraktion wirbt deshalb in Punkt 3 ihres Antrages dafür, mit den Unternehmen, die Saatgut gentechnisch veränderter Nutzpflanzen aktuell für den Erprobungsanbau anbieten, mindestens bis 2010 einen freiwilligen Verzicht auf den weiteren Erprobungsanbau in Sachsen hinzubekommen. Wir wünschen uns im Grunde eine neue Umweltallianz, in die natürlich auch die Landwirtschaftsbetriebe gehören.

Meine Damen und Herren, auch wenn das Standortregister des BVL verrät, dass inzwischen auf zwölf Anbauflächen in Sachsen GVO genehmigt sind – die Mehrheit der Landwirte ist skeptisch und will auch in Zukunft GVOfrei produzieren. Wie gut, dass genau dieser Ansatz auch den Interessen der VerbraucherInnen entspricht, denn diese wollen zu drei Vierteln ausschließlich GVOfreie Lebensmittel konsumieren. Es gibt also bei den Landwirten und bei den Verbrauchern eine Mehrheit für genfreie Landwirtschaft. Ich hoffe, es gibt sie auch im Sächsischen Landtag.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die CDU-Fraktion, bitte. Herr Abg. Schmidt.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grüne Gentechnik – welch dankbares Thema für uns Politiker! Irgendwie betrifft es jeden und außerdem kann man damit so herrlich polarisieren. Ist es nun Segen oder Fluch der Landwirtschaft oder gar der ganzen Menschheit? Ist es die aufgehende Sonne oder ein umherziehendes Gespenst? Ist es eine Lösung für eine dauerhafte und qualitativ hohe Sicherung unserer Ernährung unter den sich vollziehenden klimatischen Veränderungen oder einfach nur eine unabsehbare Gefährdung unserer Natur? Egal, wo man dabei steht: Unsere Verbraucher haben einen sachlichen Umgang mit dieser Problematik verdient. Es ist einfach unseriös, mit bisher unbewiesenen Thesen Ängste zu schüren und wieder einmal ein Thema wie einen räudigen Hund durchs Dorf zu treiben, um daraus politisches Kapital zu ziehen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Tino Günther, FDP)

Ich bin sicher einer der Letzten, der eine Meinung nicht akzeptiert, nur weil sie nicht mit meiner übereinstimmt. Mir ist auch klar, dass Ängste entstehen, wenn Ängste geschürt werden. Aber wenn bestimmte Gruppen eine solche Meinung oder Einstellung dazu nutzen, dass Gewalt und Zerstörung von genehmigtem Anbau die Folge sind, dann hat das nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun. Ich denke, dass das gerade in diesem Haus für jeden Demokraten unakzeptabel ist. Daher erwarten wir, dass sich jeder von solchem Vandalismus distanziert.

(Heinz Lehmann, CDU: Sehr richtig! – Zuruf der Abg. Caren Lay, PDS)

Doch zum PDS-Antrag. Ich habe einleitend von grüner Gentechnik gesprochen, also dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, weil ich davon ausging, dass dies dem Antrag entspricht. Aber es ist ja wörtlich nicht so genannt. Ohne diese Einschränkung wäre beispielsweise auch der Einsatz von Biodiesel aus gentechnisch verändertem Raps in der Landtechnik nicht möglich. Schon allein dies zeigt die Schwäche des Antrages.

Aber auch aus sachlichen und rechtlichen Gründen ist dieser Antrag weder für Befürworter noch für Gegner der Gentechnik zustimmungsfähig.

Zuerst ein paar Worte aus rechtlicher Sicht: Es ist doch klar, dass kein Bundesland die Möglichkeit hat, entgegen bestehenden Bundesgesetzen zusätzliche Verbotstatbestände zu schaffen. Das ist sicher auch der PDS bekannt.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, PDS)

Interessant ist natürlich die Forderung nach freiwilligen Lösungen. Wenn Sie nur des Öfteren solche Lösungen unterstützen würden, würden wir uns sicherlich freuen.

Aber „freiwillig“ heißt, es den Landwirten, den Verbänden und letztlich den Verbrauchern selbst zu überlassen und nicht vom Freistaat zu verordnen.

Das deutsche Gentechnikgesetz und die EU-Bestimmungen bilden die Grundlage für den hier diskutierten Anbau. Es ist klar geregelt, was zulässig ist und was nicht. Auch wenn das Bundesgesetz in Bezug auf Haftungsregelungen deutlich über die EU-Richtlinie hinausgeht, so ist doch grundsätzlich auch in Sachsen in diesem Rahmen ein Anbau möglich.

Möchten Sie eine Zwischenfrage beantworten?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Porsch.

Ich wollte Sie nur fragen, ob Sie irgendwo in dem Antrag das Wort „verordnen“ in irgendeiner grammatischen Form finden oder ob da nicht „unterstützen“ und „fördern“ und „anbieten“ steht. Das Wort „verordnen“ habe ich jetzt in der Eile nicht gefunden.

Ja, gut, ich nehme das Wort „verordnen“ zurück.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Es geht aber um eine einseitige Unterstützung einer bestimmten Anbauform durch die Staatsregierung; darauf gehe ich noch ein. Das ist meiner Meinung nach nicht zulässig.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Wo steht „einseitig“?)

Wenn man gentechnisch veränderten Anbau einseitig verbieten will oder unterstützt, dann ist es wohl einseitig.