Protocol of the Session on May 29, 2008

Meine Damen und Herren! Es liegt Ihnen ein Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der Drucksachennummer 4/12396 vor. Ich bitte um Einbringung; bitte, Herr Dr. Gerstenberg.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! In den Feststellungspunkten des Ihnen vorliegenden Antrages fassen wir die wichtigsten Aussagen zusammen, die sich aus den Antworten der Staatsregierung ergeben. Wir haben die Große Anfrage gestellt, um auf die Aussagen der Studie zu reagieren, die Frau Ministerin Stange angesprochen hat. Deswegen will ich hier die Gelegenheit nutzen, der Staatsregierung und insbesondere den beteiligten Hochschulen für diese Antworten und die Arbeit, die dahintersteckt, zu danken. Die Antworten sind dieses Mal ausgesprochen keine Datensammlungen, sondern lassen sich aus meiner Sicht sehr spannend und aufschlussreich lesen.

Herr Prof. Mannsfeld, es wird immer eine Debatte geben, welche Punkte zur demografischen Entwicklung gehören und welche nicht. Wir sehen dieses Problem vielleicht etwas komplexer als die CDU-Fraktion. Deshalb diese umfassenden Fragen.

Ich möchte noch auf das Bündel der Forderungen eingehen, die in diesem Entschließungsantrag stehen. Wir haben hier noch einmal festgehalten, dass wir die Staatsregierung auffordern wollen, die Hochschulen bei der Erarbeitung von integrierten Konzepten zu unterstützen, Konzepten, die sich wirklich den Herausforderungen der demografischen Entwicklung stellen. Dazu haben wir einen konkreten Vorschlag gemacht. Wir sehen zum

Beispiel den Wettbewerb um die besten Ideen. Das ist etwas, was sich von Landesseite aus organisieren lässt. Wir haben auch den Punkt der Studierendenwerbung angeführt und sind nach wie vor der Überzeugung, dass diese Werbung ganz gezielt auf die Studienangebote und die Hochschulstandorte ausgerichtet sein muss. Sonst geht sie einfach an den Entscheidungsgründen vorbei.

Wenn die Hochschulen jetzt Mittel für eine solche Werbung bekommen, dann ist die Frage, welcher Anteil von diesen Millionensummen dort wirklich zur Verfügung steht. Ich sehe nach wie vor, solange ich nicht vom Gegenteil überzeugt bin, die Gefahr, dass mit diesem Teil der Kampagne, die sich allgemein auf Sachsen ausrichtet, die Agentur reich gemacht werden kann; aber für die Erfolge der Studierendenwerbung sehe ich eher schlechte Zeichen.

Den Hochschulzugang zu erleichtern ist auch ein Punkt. Ich habe mit Freude gehört, dass jetzt auch Sachsen – nach zehn weiteren Bundesländern – endlich den Hochschulzugang für Meister einrichten will. Ich habe das an dieser Stelle oft gefordert; der Handwerkstag fordert es seit Jahren. Das begrüße ich ausdrücklich.

Ich schlage vor, dass die Koalition noch einmal über den zweiten Punkt nachdenkt, den wir in unserem Gesetzentwurf haben, nämlich das Studium auf Probe – auch ein Verfahren, das bereits in anderen Bundesländern eingeführt wurde, also in Sachsen nicht einmal experimentell wäre.

Frau Staatsministerin Stange, Sie haben natürlich recht: Wenn man den Hochschulzugang erweitert, dann muss auch eine Diskussion über die Weiterentwicklung der Ausbildungsförderung damit verbunden sein.

Stärkere Internationalisierung steht ebenfalls in unserem Katalog. Auch die Frauen mit ihrem zurzeit teilweise unter 20 % liegenden Anteil in technischen und naturwissenschaftlichen Studienrichtungen müssen ein Ansatzpunkt sein, um die Probleme, vor denen die Hochschulen stehen, abzuwenden oder zumindest zu erleichtern.

Es gibt auch positive Beispiele. Gerade einige Fachhochschulen haben erkannt, wie man mit diesen Problemen umgehen kann; und ich finde es ausgesprochen hoffnungsvoll, dass es an Fachhochschulen bereits Studienangebote gibt, die auf Frauen ausgerichtet werden, indem zum Beispiel spezielle Studiengruppen eingerichtet werden.

Weiterbildung wird in unserem Antrag noch einmal gezielt als zweites Standbein aufgeführt. Ich möchte auf die sozialen Rahmenbedingungen eingehen, die in der Diskussion eine Rolle gespielt haben. Wir haben den allgemeinen Vorteil von niedrigen Lebenshaltungskosten. Das ist hier im Osten ein grundsätzlicher Vorteil. Dazu gehören die attraktiven Angebote der Studentenwerke mit Mensen, Wohnheimen und sonstigen Dienstleistungen; dazu gehört nach Überzeugung unserer Fraktion auch die Studiengebührenfreiheit. Sie trägt zur Attraktivität der Hochschulstandorte bei.

Ich finde es bemerkenswert, dass Thüringens CDUMinisterpräsident Althaus offensiv mit der Studiengebührenfreiheit im Freistaat Thüringen wirbt. Prof. Mannsfeld, ich wünsche mir, dass auch die sächsische CDU in der beginnenden Ära Tillich in dieser Frage umdenkt und Einsicht zeigt, statt weiter die alten, falschen Lieder zu singen.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, diese angerissenen Maßnahmen sind nur umsetzbar, wenn sie durch eine berechenbare Finanzierung unterstützt werden. Der Freistaat muss seiner Verantwortung für eine nachhaltige Entwicklung der sächsischen Hochschulen gerecht werden und die Finanzierungsperspektive bis 2020 aufzeigen. Ein Automatismus, der die Finanzierung proportional zum Rückgang von Studierendenzahlen zurückfährt, wäre kurzsichtig und würde die Arbeit an den Hochschulen gefährden.

Diese Ziele haben wir in dem Ihnen vorliegenden Antrag festgehalten. Er ist nach unserer Überzeugung geeignet, die öffentliche Debatte um die Zukunft der sächsischen Hochschulen angesichts der demografischen Entwicklung auf einer gemeinsamen Grundlage zu eröffnen.

Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Herr Prof. Mannsfeld zum Entschließungsantrag, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie zu erwarten war, hat sich an der Großen Anfrage, die eigentlich ganz eng dem Thema und der Fragestellung der demografischen Konsequenzen für unsere Hochschulen gewidmet sein sollte, eine allgemeine hochschulpolitische Debatte entzündet.

Deswegen, meine Damen und Herren, muss ich zu Beginn einer kurzen Replik zu diesem Entschließungsantrag Folgendes feststellen: Herr Dr. Gerstenberg, wenn Sie hier in aller Öffentlichkeit behaupten, die sächsischen Hochschulen – und zwar alle – seien schlechter Durchschnitt, dann leugnen Sie die gewaltigen Anstrengungen aller seit 1990 am Prozess Beteiligten in geradezu unverantwortlicher Weise. Vergleichen Sie doch einmal die Verhältnisse von 1990 – inhaltlich, von der technischen Ausstattung her – mit den heutigen Verhältnissen. Selbst wenn wir feststellen müssen, dass im sächsischen Hochschulwesen nicht alles eitel Sonnenschein ist, so erreichen Sie zwei Dinge entweder nicht oder mit großer Sicherheit: Wir werden nicht die Distanz zwischen der Politik und den Hochschulen abbauen, wenn Sie solche Pauschalschelte verteilen;

(Beifall bei der CDU)

und die Studienanfänger aus den westdeutschen Bundesländern bekommen Sie mit einer solchen Feststellung erst recht nicht nach Sachsen.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und der Staatsregierung)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Bitte.

Herr Prof. Mannsfeld, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich diese Einschätzung mit dem Wort „leider“ eingeleitet habe und dass es nicht meine persönliche Einschätzung ist, sondern dass dies aus dem bereits zitierten CHE-Ranking hervorgeht, und dass dieses Ranking vorzugsweise von den Studierwilligen in westlichen Bundesländern gelesen wird? Wir müssen uns der Realität stellen und dürfen nicht die Augen davor verschließen.

(Beifall der Abg. Heike Werner, Linksfraktion)

Gut, Herr Kollege, vielleicht habe ich das „leider“, das Sie vorgeschaltet haben, in dem allgemeinen Geräuschpegel nicht vernommen. Aber mich kann auch irgendeine Studie nicht zu einer Äußerung bringen, wenn ich die Verhältnisse in Sachsen genau kenne. Deswegen bleibt eine kleine kritische Komponente, dass Sie das hätten vielleicht so nicht ausdrücken sollen; denn es bleibt mir gar nichts anderes übrig, als einer solchen Darstellung für die Öffentlichkeit zu widersprechen. Das haben unsere Hochschulen, die dort Beschäftigten und die Anstrengungen des Freistaates seit 1990 einfach verdient.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu dem Entschließungsantrag. Hierzu gibt es eine ganze Reihe von Dingen – die Ministerin ist schon darauf eingegangen –, die mehr oder weniger in der Umsetzung begriffen sind. Ich will nur zu zwei, drei Punkten Stellung nehmen. Sie fordern, der Freistaat möge einen Konzeptwettbewerb initiieren, damit die Hochschulen tätig werden. Abgesehen davon, dass das wie „Frösi“ klingt, einen Konzeptwettbewerb zu initiieren, hat die TU Dresden auch keine staatliche Initiative gebraucht, um dieses Zentrum zu gründen.

Ich habe es vorhin in meinem Redebeitrag gesagt: Warum kann sich nicht beispielsweise die Landesrektorenkonferenz der Sache annehmen und auf der Basis der Betroffenen ein Konzept entwickeln? Es muss nicht immer der Staat sein, der hier voranschreitet und die Herrschaften an den Hochschulen an die Hand nimmt. Das wäre ein Punkt, den wir aus diesem Grunde so nicht umsetzen können.

Zur Werbung ist viel gesagt worden. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, dass für die 27 Millionen Euro, die Sachsen aus dem Hochschulpakt bekommt, eine Vergabenummer genau für diese Werbeaktion vorgesehen ist. Damit sollte es gelingen, eine richtige Darstellung nach außen zu bringen.

Zum Hochschulzugang ist viel gesagt worden. Sie haben von uns gehört, welche Ergänzungen und Verbesserungen in dem Gesetz beabsichtigt sind. Aber ich möchte sagen –

darin stimme ich völlig mit dem Ministerium überein –: Ein Studium auf Probe kann nicht der geeignete Weg sein. Ich habe mit meinem Vorschlag im Redebeitrag nicht gesagt, dass ich damit einen allein selig machenden Anspruch angemeldet habe; aber die Möglichkeiten, mit solchen Orientierungsprüfungen sicherzustellen, dass die Damen und Herren, die studieren wollen und merken, sie haben nicht die richtige Wahl getroffen, nicht zu Studienabbrechern werden, sondern über solche ganz legitimen Instrumente in die Bereiche umgelenkt werden können, in denen sie sicherlich Erfüllung und Möglichkeiten finden, sind begrenzt. Die Ministerin hat ausgeführt, was von Ihrem Entschließungsantrag letztlich alles schon ergriffen worden ist.

Ich darf zum Schluss, weil Sie den Punkt der Weiterbildung erwähnt haben, aus der Antwort der Staatsregierung zitieren, dass die wissenschaftliche Weiterbildung aus Sicht des Ministeriums in der Weise beschrieben werden kann, dass diese Angebote entsprechend den nachfrage- und marktgerechten Anforderungen an das lebenslange Lernen vorhanden sind. Auch eine solche Feststellung zeigt mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Mit diesen Beispielen, warum der Entschließungsantrag an dieser Stelle nicht unbedingt weiterhilft, wollte ich begründen, weshalb ich dem Hohen Haus empfehle, diesem Entschließungsantrag so nicht zu folgen.

Vielen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Für die Linksfraktion, Frau Werner, bitte.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Ersten mein Dank an die Ministerin, Frau Stange, für die öffentliche Darstellung der Hochschulplanung im Hinblick auf den Paradigmenwechsel. Ich denke, das wird einige Diskussionen im Ausschuss nach sich ziehen. Vielleicht können wir dazu kommen, eine Art Kommission für Hochschulentwicklungsplanung aufzustellen und über die Anforderungen und Lösungen gemeinsam zu diskutieren. Noch einmal herzlichen Dank.

Zum Zweiten. Herr Prof. Mannsfeld, Sie verkennen ein bisschen die Realität, wie sich Studierwillige für ein Studium entscheiden. Sie werden wahrscheinlich weniger die Debatte im Sächsischen Landtag verfolgen, sondern die Abiturienten nehmen sich die Rankings und schauen sich die Zufriedenheit der Studierenden an den Hochschulorten an, informieren sich über die Betreuung und entscheiden sich dann für ein Studium. Deswegen können wir hier nicht schummeln, sondern müssen die Fakten klar auf den Tisch legen.

(Beifall der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Zum Dritten. Herr Prof. Mannsfeld, Sie haben bedauert, dass wir nicht nahe am Thema Hochschule geblieben sind, sondern eine etwas weitere Diskussion geführt haben. Das ist eben so! Der demografische Wandel ist kein Projekt, das nur einen einzelnen Teilbereich betrifft, sondern es wird immer notwendig sein, dass man gemeinsam integrative Lösungen – im Übrigen über die Ministerien hinweg – findet.

Das ist auch die einzige Kritik, die ich in dem Fall an dem Entschließungsantrag der Fraktion GRÜNE habe. Bestimmte Dinge, die notwendig wären und die sich an das Sozialministerium, das Kultusministerium oder das Wirtschaftsministerium richten, werden nicht aufgeführt – ich will das nur ganz kurz ansprechen –, wie die Diskussionen zur Erhöhung der Bildungsbeteiligung, also Mehrfachselektion im Bildungssystem auszuschließen und die Durchlässigkeit des Schulsystems und die Qualität an der Schule zu verbessern. Auch die Probleme der Studierneigung, das heißt, Menschen aus bildungsfernen Schichten für ein Studium zu gewinnen und entsprechende Lösungsvorschläge darzustellen, werden nicht aufgegriffen. Zu nennen wären auch die Dinge, die mit der Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt zusammenhängen. Es geht kurzfristig darum, Absolventen an den hiesigen Arbeitsmarkt zu binden und es attraktiv zu machen, hier in Sachsen zu bleiben. Wir haben bereits im letzten alternativen Haushalt entsprechende Anträge eingebracht. Dabei geht es um Existenzgründerdarlehen und Maßnahmen zur Sicherstellung der Unternehmensnachfolge, Wiedereinstiegsstipendien usw.

Eine letzte Sache, die ich auch vermisse, ist das klare Bekenntnis zum Verbot von Studiengebühren und entsprechende Forderungen zur Studienfinanzierung. Nun kann ich mir aber vorstellen, dass es der Fraktion GRÜNE darum ging, einmal zu zeigen, wie man Schwellen senkt, zum Beispiel einem Antrag zuzustimmen, deswegen wahrscheinlich die sehr klare Orientierung an den Hochschulen.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich kann nur sagen, wir stimmen Ihrem Antrag aus den genannten Gründen zu und hoffen auf Zustimmung der restlichen Fraktionen.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion GRÜNE in der Drucksache 4/12396. Wer ihm zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Ich frage nach Gegenstimmen. – Ich frage nach Stimmenthaltungen. – Bei Stimmen dafür und ohne Stimmenthaltung ist der Entschließungsantrag dennoch mehrheitlich abgelehnt. Die Behandlung der Großen Anfrage ist an dieser Stelle beendet.

Meine Damen und Herren! Wir treten in die Mittagspause ein und treffen uns 14:30 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 13:24 bis 14:30 Uhr)