Protocol of the Session on May 29, 2008

Sie mögen sagen, zu spät. Aber immerhin hat sie es beschlossen. Ich sage Ihnen eindeutig – und ich will jetzt nicht auf Blockparteien schimpfen, das wäre mir zu billig –, dass ein solcher Beschluss in der seinerzeitigen SED völlig undenkbar gewesen wäre.

(Zuruf von der CDU: Das stimmt!)

Ich freue mich, dass mit diesem Grundsatzbeschluss von Cottbus für irgendwelche Relativierungen im Verhältnis zwischen sozialen Rechten und Freiheitsrechten keinerlei Raum mehr besteht.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das ist eine glasklare demokratische Position, die jedenfalls von der überwiegenden Mehrheit meiner Parteifreundinnen und -freunde geteilt wird. Sie gibt uns das Recht – ich sage das so deutlich –, erst diese Position gibt uns das Recht, das Wort „demokratischer Sozialismus“ überhaupt nur in den Mund zu nehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

In diesem Zusammenhang darf ich wiederum an eine Rede meines ehemaligen Fraktionskollegen Prof. Werner Bramke erinnern, die er anlässlich der Diskussion um das Sächsische Gedenkstättengesetz gehalten hat. Gerade weil DIE LINKE diese demokratische und sozialistische Option für eine menschliche Zukunft ganz bewusst aufrecht erhält, sind wir und müssen wir am meisten und ohne jegliche Einschränkung daran interessiert sein, dass die Taten politischer Gewalt in der DDR und ihre Ursachen ehrlich und schonungslos aufgeklärt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wir sind deshalb dafür, dass das mahnende und verurteilende Denken an solche Taten aufrechterhalten bleibt, damit sich solche Vergehen und Verbrechen, wie sie in Bautzen II geschehen sind oder die Sprengung der Pauliner Kirche in Leipzig oder auch – und darum geht es in diesem Bericht besonders – Zersetzungsmaßnahmen des MfS gegen Oppositionelle, die letztlich alle im Namen des Sozialismus für einen sogenannten höheren Zweck begangen wurden, niemals wiederholen können.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Nun konkret zum vorliegenden Bericht. Dieser 15. Tätigkeitsbericht ist der bisher kürzeste und der inhaltlich dürftigste, der je dem Landtag vorgelegt wurde. Lässt man einmal die Anlagen beiseite, erkennt man, dass Herr Beleites auf ganzen 14 Seiten über seine Tätigkeit in den Jahren 2006 und 2007 berichtet.

Dass dies so ist, hat sicherlich weniger etwas mit mangelndem Fleiß von Herrn Beleites und seiner kleinen Behörde zu tun; vielmehr ist dies neben dem Zeitablauf vor allen Dingen der Tatsache geschuldet, dass im Jahre 2000 – nicht auf Betreiben der damaligen PDS, sondern auf Betreiben der damals allein regierenden CDU – die Kompetenzen des Landesbeauftragten entscheidend zurückgeschnitten wurden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Ich darf Sie an die Fakten erinnern, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der CDU: Sie wollten ihn ganz abschaffen!)

Nein, wir wollten ihn niemals ganz abschaffen. Das ist schlicht eine Unwahrheit.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf von der Linksfraktion: Das ist absoluter Quatsch!)

Aus dem früheren Beamten auf Zeit, der sein Vorgänger noch war, der vom Landtag als Behördenchef zu wählen war, wurde ein schlichter Angestellter.

Damals wurde der Aufgabenkatalog entscheidend zusammengestrichen. Schwerpunkt sollte nunmehr die Öffentlichkeitsarbeit sein, nicht mehr wie früher die Unterstützung des Bundesbeauftragten oder psychosoziale Beratungsarbeit. Damit einher ging ein schleichender Personalabbau auf nunmehr noch vier Stellen. Das ist viel weniger, als die meisten Referate in den Fachministerien haben.

Ich glaube, diese Tatsachen sollte man im Auge haben, um die Quantität, vor allem aber die Qualität des vorgelegten Berichtes unvoreingenommen zu werten. Wenn man dies tut, kommt man nicht umhin, einen von Jahr zu Jahr fortschreitenden Substanzverlust in der Arbeit der Behörde zu konstatieren. Wie gesagt, dafür ist aber der Gesetzgeber verantwortlich.

Ich bin davon überzeugt, auch Herr Beleites selbst ist sich dieser Tatsache bewusst. Er versucht es mit einer Gegenstrategie; diesmal nicht zum ersten Mal. Er nimmt für seine Behörde ein sogenanntes Aufgabenfindungsrecht in Anspruch, das allerdings durch das Beauftragtengesetz in keiner Weise gedeckt ist. Besonders deutlich wird dies, wenn der Landesbeauftragte der Versuchung unterliegt, sich als eine Geschichtsinstanz aufzuspielen – die er bekanntlich nicht ist –, beispielsweise bei der Würdigung des bundesweiten Kongresses der Landesbeauftragten in Görlitz, siehe Seite 10 des Berichtes.

Nun mag es ja gern so sein, dass der polnische Wissenschaftler Dr. Kazimierz Wóycicki, der Direktor der Stettiner Außenstelle des Nationalen Gedenkens, dort von einer Krise in der Geschichtsaufarbeitung in Ostdeutschland gesprochen hat und den Antifaschismus in der DDR als eine riesige Manipulation bezeichnet hat, um die Ostdeutschen von der Last der Geschichte zu befreien. Das mag unter der grundgesetzlich geschützten Wissen

schaftsfreiheit vielleicht gerade noch durchgehen, wenngleich diese Aussage wohl den Erfahrungen der allermeisten Ostdeutschen diametral entgegensteht.

Wenn es aber Herr Beleites für richtig befindet, dieser These noch folgendes Zitat des Herrn Wóycicki nachzulegen: „eine zu einem großen Teil aus PDS-Anhängern bestehende Lehrerschaft produziert NPD-Anhänger unter den Schülern“, dann hört der Spaß endgültig auf.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Auch wenn diese These nicht die These des Herrn Beleites ist, sondern die des Herrn Wóycicki, macht doch die prominente Platzierung einer solchen unverschämten Behauptung deutlich, dass sich der Landesbeauftragte ganz offensichtlich mit dem Inhalt identifiziert.

Wenn er dies aber tut, beleidigt er nicht nur die sächsischen Lehrerinnen und Lehrer, sondern mindestens ebenso die Schülerinnen und Schüler.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Auf schlimme Art und Weise wird so der demokratische Konsens im Landtag verletzt und der NPD wird letztendlich in die Hände gespielt.

Ich verwahre mich seitens der Linken eindeutig gegen diesen offenkundigen Amtsmissbrauch durch den Landesbeauftragten.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Es ist völlig klar, dass meine Fraktion aus diesen, aber auch aus anderen Gründen den Bericht des Landesbeauftragten keineswegs zustimmend zur Kenntnis nehmen kann. Ich beantrage deshalb namens meiner Fraktion, dass der Landtagspräsident entsprechend den guten Gepflogenheiten, die wir beispielsweise bei der Behandlung des Datenschutzberichtes und des Rechnungshofberichtes seit Jahr und Tag praktizieren, die Beschlussformel wie folgt abändert: Der Landtag nimmt den Bericht des Landesbeauftragten zur Kenntnis.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort; Herr Bräunig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Was wir von Ihnen, Herr Dr. Friedrich, gehört haben, haben wir von Ihrer Fraktion in den vergangenen Jahren immer wieder in einer ähnlichen Art und Weise gehört. Deshalb sage ich jetzt nichts dazu.

Die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR ist noch lange nicht abgeschlossen. Das ist eine Aussage, die so oder ähnlich in den letzten Jahren immer wieder zu hören war, nur dass sich die Jahreszahl geändert hat. Aber sie hat nichts von ihrer Aktualität verloren. Auch 18 Jahre, mehr als 18 Jahre

nach der friedlichen Revolution ist diese Aufarbeitung noch lange nicht abgeschlossen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Wo die aktuellen Fragestellungen liegen, das zeigt der nunmehr vorliegende 15. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten. Ich möchte mich deshalb im Namen der SPDFraktion ganz herzlich bei Ihnen, Herr Beleites, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die engagierte Arbeit bedanken,

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

eine Arbeit, die notwendig ist, die unverzichtbar ist und die deshalb unverzichtbar ist, weil es die Tendenz gibt – und nicht erst seit heute –, dass das Bild der SED-Diktatur im Bewusstsein der Bevölkerung immer mehr verblasst. Aber das bringt die Zeit so mit sich. Das Schlimme daran ist, dass es Menschen gibt, die diese Tendenz ausnutzen, um den Alltag in der DDR in einseitiger Weise darzustellen, um ihn zu verklären, um auf einer falsch verstandenen Ostalgiewelle zu schwimmen.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Alle meine Vorredner haben ein wenig aus ihrem Leben geplaudert, daher will ich auch etwas dazu sagen: Ich war zum Zeitpunkt der friedlichen Revolution 18 Jahre alt. Ich hatte in der DDR sicherlich eine behütete Kindheit und auch eine unbeschwerte Jugendzeit. Das ist keine Frage. Aber die Fürsorge dieses Staates – als Jugendlicher bekommt man das nicht so mit, aber im Nachhinein wird es umso deutlicher – mir und meinen Alterskameraden gegenüber war ganz klar mit politischer Instrumentalisierung verbunden.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Die DDR hat ihre Bürgerinnen und Bürger für das System zu instrumentalisieren versucht. Wer sich offenkundig oder scheinbar diesem System verweigerte, der wurde ausgegrenzt und hatte unweigerlich und unbarmherzig den Staatssicherheitsdienst im Nacken.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Diese Facette des DDR-Alltags, meine Damen und Herren, wird gern einmal von dem einen oder anderen ausgeblendet. Was bleibt, ist diese einseitige verblendete Ostalgie, die aber kein wirklichkeitsgetreues Bild der DDR zeichnet.

(Zuruf von der Linksfraktion: Haben Sie gerade zugehört?)

Wir müssen der jungen Generation von heute – damit meine ich die Generation, die nach meiner kommt und die das nicht mehr bewusst miterlebt hat – und natürlich auch den nachfolgenden Generationen klarmachen, dass das menschenverachtende System der Überwachung und

Repression durch die Staatssicherheit Teil des alltäglichen Lebens in der DDR war, Teil der SED-Diktatur. Denn nur auf diese Weise vermitteln wir den jungen Menschen von heute, dass es sich auch lohnt, für die demokratischen Ziele einzutreten, für die Freiheit zu kämpfen.