Protocol of the Session on May 28, 2008

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Das wundert mich übrigens – denn Sie sind auch Gesetzgeber und müssen wissen, wie die rechtliche Verfahrensweise für eine Gesetzgebung ist. Dass Sie sich anderthalb Jahre später hier hinstellen und einen Heiligenschein abverlangen, ist schlimm genug – aber damit kann ich nicht mehr dienen und leben.

(Beifall bei der CDU – Kristin Schütz, FDP, steht am Mikrofon.)

Wie gesagt, ich würde jetzt gern in meinen Ausführungen fortfahren.

Sie gestatten also keine Zwischenfrage mehr?

Nein. – Genau das ist Ihr Problem. Die Staatsregierung war auf jeden Fall schneller als Sie – das geht vor allem in Richtung FDP. Ich begründe, wieso: eben weil es um die Belastung der Wirtschaft geht.

Die Sächsische Staatsregierung hat genau in besagter Bundesratssitzung im Jahr 2006 einen Antrag gestellt, dass eine Beitragsrückzahlung auch für Arbeitgeber erfolgen soll, und sie war die einzige Stimme! Auch hier wieder der Appell nach links: Wo waren MecklenburgVorpommern und Berlin? Wo waren denn diese Länder, wenn es um die Belastung für die Wirtschaft geht? Keiner hat dafür gestimmt.

(Caren Lay, Linksfraktion: Wo war die CDU?)

Frau Lay, wir reden hier für Sachsen und ich vertrete hier die sächsische CDU. Die Sächsische Staatsregierung steht dazu.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Bitte verwechseln Sie nicht die Kompetenzen und nehmen Sie auch einmal in Kauf, dass Sie wirklich hinten anstehen in diesen Punkten und dass Ihre Mitregierung in anderen Ländern schlichtweg versagt hat.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Mecklenburg-Vorpommern hat sich enthalten, weil wir Nein gesagt haben!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch auf ein zweites Problem aufmerksam machen, das im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds steht. Es handelt sich um die sogenannte Konvergenzregelung. Hinter dieser Konvergenzregelung verbirgt sich Folgendes: Länder mit einem hohen Ausgabenvolumen können ihre Arbeit in Anpassungsschritten von 100 Millionen Euro jährlich nach unten fortführen. Die dafür erforderliche Summe erhalten sie aus den Ländern mit einem unterdurchschnittlichen Ausgabenvolumen. Das bedeutet, dass auch sächsische Versicherte wegen ihres bisherigen niedrigen Leistungs- und Beitragsniveaus das höhere Ausgabenniveau in anderen Bundesländern mitfinanzieren sollen. Dieser Punkt lässt sich noch in seinen Folgen vertiefen, aber das möchte ich heute und an dieser Stelle nicht tun.

Fakt ist, dass auch ohne einen Antrag aus diesem Hause – das sage ich ebenfalls nicht mit Häme, sondern mit Deutlichkeit – die Staatsregierung derzeit alle rechtlichen Möglichkeiten prüft, ob man diese Konvergenzregelung noch abwenden kann.

Ich komme zum Schluss. Wie ich eingangs sagte, ist der Name Wettbewerbsstärkungsgesetz leider nur Makulatur. Wir steuern auf ein zentralisiertes Gesundheitssystem hin, in welchem die Krankenkassen und Leistungserbringer künftig weniger Mitspracherecht haben, während die Bundesrepublik an Einfluss gewinnt. Ich bin mir nicht sicher, ob sich alle Bundestagsabgeordneten ihrer Verantwortung bewusst sind, wenn sie künftig den einheitlichen Beitragssatz bestimmen. Um diese politische Verantwortung mit den Folgen beneide ich sie mit Sicherheit nicht.

Aus der Distanz lässt sich Folgendes sagen: Das bewährte Prinzip der staatsfernen Selbstverwaltung des Gesundheitswesens wird ohne überzeugende Gründe verlassen. Die Selbstverwaltung wird nur so weit aufrechterhalten, dass der Staat nicht in die direkte Verantwortung für die

Gesundheitsversorgung genommen werden kann. Es gibt keine alternativen Vorschläge für ein neues System.

Das war auch der Grund, warum der Freistaat Sachsen im Jahr 2006 dem GKV-WSG und dem darin enthaltenen Gesundheitsfonds als Kernbestandteil seine Zustimmung verweigert hat.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Ablehnung der beiden Anträge.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Frau Dr. Schwarz spricht für die SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen und es ist mehrfach betont worden, wie der Gesundheitsfonds zustande gekommen ist und wer wie gestimmt hat. Ich muss hier nicht betonen, dass meiner Fraktion die Einführung einer Bürgerversicherung lieber gewesen wäre. Wir stehen nach wie vor zu diesem Projekt und sind überzeugt davon, dass mit einer Bürgerversicherung ein gutes Stück Weg hin zu einem gerechten Gesundheitssystem geschaffen werden könnte.

Ich muss gestehen, dass ich bei dieser Debatte ein wenig hin- und hergerissen bin. Viele Argumente, die hier gefallen sind, scheinen sich nicht wirklich mit der Sinnhaftigkeit des Fonds zu beschäftigen, sondern eher gegen den solidarischen Risikostrukturausgleich gerichtet zu sein. Gerade wir in Sachsen haben in den letzten Jahren überproportional vom Ausgleich zwischen den Ländern und Kassen profitiert. Das darf man nicht vergessen.

Unter dem Aspekt der Solidarität muss man weiter diskutieren. Wir haben noch viel nachzuholen. Es gibt in Deutschland enorme Versorgungsunterschiede zwischen den Regionen. Sachsen hat längst keine ausreichende Struktur aufzuweisen. Wir kennen unsere Diskussionen um Ärztemangel usw. Wir sind auch weiter auf die Solidarität anderer angewiesen. So begrüße ich es, dass sich die Staatsregierung mit den Auswirkungen des Gesundheitsfonds auf Sachsen genau beschäftigt.

Ich glaube nicht, dass die Aussagen wirklich seriös sind. Allein der zu erwartende Beitragsanstieg kann nicht das alleinige Argument sein, wenn es auch ein sehr wichtiges ist. Entscheidend ist doch, wie sich die neuen Finanzierungsbedingungen auf die Versorgung hier in Sachsen gerade auch in den ländlichen Regionen auswirken werden, denn es wird ja nicht nur der Gesundheitsfonds eingeführt. Wir werden daneben auch die Honorarreform der Ärzte einführen, die ja eine Steigerung der Vergütung erwarten, und es wird ein neuer Risikostrukturfonds eingeführt, der sich an der Morbidität der Versicherten orientieren wird – also nicht allein ein Wortungetüm, Frau Schütz, sondern die tatsächlichen Risiken der Versicherten werden berücksichtigt; wichtig, denke ich, auch im Hinblick auf unsere, wie wir immer sagen, alternde Gesellschaft. Zu Ihrer Kritik an der Budgetierung kann

ich nur fragen: Wer hat sie erfunden? – Es war noch unter Schwarz-Gelb.

Derzeit können die Risiken und die Wirkungen dieser drei großen Umstellungen nicht abschließend bewertet werden. Andererseits ist ein einfaches Stoppen nur des Fonds ebenfalls keine Alternative, da dadurch keine Probleme des derzeitigen Gesundheitsproblems gelöst werden können. Auch der steuerliche Zuschuss, der vorgesehen ist, kann dann nicht, wie geplant, eingeführt werden. Nun müssen wir auch die Probleme zur Kenntnis nehmen, die offensichtlich vorhanden sind. Daher plädieren wir für die Einführung des Fonds, allerdings mit einer Erprobungsphase. Das wäre eine verantwortungsvolle Entschleunigung und damit Risikobegrenzung, um Verwerfungen oder heute noch nicht absehbare Folgen zu verhindern.

Vorbilder für eine schrittweise Einführung von Neuregelungen finden sich viele. Ich erinnere nur an die schrittweise Einführung des DRG-Systems und die integrierte Versorgung. Es gibt bereits Überlegungen, wie ein solcher schrittweiser Übergang stattfinden kann. So sollte beispielsweise die Geld- und Beitragserhebung erst einmal, wie bisher, bei den Krankenkassen bleiben, aber die Abrechnung wird simultan parallel erstellt, als ob es den Fonds bereits gäbe. Die anderen Finanzierungsveränderungen werden, wie geplant, durchgeführt und parallel analysiert, sodass sich die kassenindividuellen Beitragssätze automatisch anpassen können und sich dann ein Einheitsbeitragssatz als Benchmark ergibt. So könnte das Vertrauen in die Neuregelungen langsam aufgebaut werden. Die Neuordnung der Finanzierung der GKV ist eine wichtige Zukunftsaufgabe und darf nicht an kurzsichtigen Streitigkeiten zwischen den Beteiligten aufs Spiel gesetzt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion; Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bereits seit Jahrzehnten laboriert jede Bundesregierung an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung herum. Die vielen Reformen, wie die ewigen, zumeist kurzfristig erzwungenen Anpassungsstrategien jedes Mal aufs Neue genannt werden, haben alle nur eines gemeinsam: Sie sollen Geld sparen, aber sie sind keine grundlegende Reform. Sie lösen die Probleme nur für ein bis zwei Jahre, und diese melden sich dann meist in verstärkter Form wieder zurück.

Wie katastrophal muss aber jetzt dieser Gesundheitsfonds angelegt sein, wenn die Sächsische Staatsregierung in ihm eher einen faulen Kompromiss zwischen dem Finanzierungsmodell der Bürgerversicherung und dem Prämienmodell sieht – einen Kompromiss, den die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und im Bundesrat sogar gegen sächsisches Votum erzwungen haben; wenn DIE LINKE, die sonst dafür bekannt ist, dass sie staatliche Bevormundung in allen nur erdenklichen Formen fordert, diese neue Behörde, die eine gute halbe Milliarde Euro kosten wird,

ablehnt und sich dabei der Unterstützung der Kassen, Gewerkschaften und selbst der Arbeitgeber sicher ist, und wenn schließlich sogar die freien Demokraten befürchten, dass mit der Einführung des Gesundheitsfonds die Mitglieder der sächsischen Krankenkassen, die bislang relativ niedrige Beitragssätze zu bezahlen hatten, deutlich drauflegen müssen, was dann zwangsläufig auch für die Arbeitgeber gelte. Dass dafür bei der FDP Schlagworte wie Standortvorteil, Wettbewerb, Transparenz und Beitragsautonomie herhalten müssen, ist nicht verwunderlich.

Wir Nationaldemokraten haben ein grundlegend anderes Verständnis vom Aufbau der Versicherung hinsichtlich der Gesundheitsvorsorge und der medizinischen Versorgung im Krankheitsfall. Grundlage einer nationalen Gesundheitspolitik ist für uns eine Krankenkasse, in der Privatisierung und Wettbewerb keinen Platz einnehmen dürfen.

(Beifall bei der NPD)

Gesundheit ist kein Wirtschaftsgut. Gesundheit darf nicht zum Spielball von Spekulationen werden. Stattdessen tritt die NPD für die Wiederherstellung einer wirklichen Solidargemeinschaft unter anderem durch die Schaffung eines Gesundheitssystems für alle ein und somit auch für einen sofortigen Paradigmenwechsel hin oder besser zurück zu einem staatlich organisierten Krankheits- und Versicherungsmodell für alle. Die zurzeit etwas mehr als 250 konkurrierenden gesetzlichen Krankenkassen unter Einschluss ihrer Verwaltungsapparate sollten also in eine zentrale Kranken- oder Gesundheitskasse überführt werden. Damit würden die zahlreichen Vorstände mit ihren teils exorbitanten Gehältern wegfallen, und Mitarbeiter, deren aktueller Aufgabenbereich durch Rationalisierung wegfallen würde, könnten sich endlich umfassend den Versicherten widmen. Es muss auch gelten, dass gleiche medizinische Leistungen für jeden Versicherten auch gleich bezahlt werden müssen. Da bestehen große Diskrepanzen zwischen gesetzlich und privat Versicherten.

Meine Damen und Herren! Damit Sie aus Ihrer Perspektive gleich noch einen Kritikpunkt an uns Nationaldemokraten finden, nenne ich noch folgenden weiteren Lösungsansatz, der sofort Millionen freisetzen würde. Sozialversicherungsabkommen mit Ländern, die nach derzeitiger Rechtslage einen Leistungsanspruch für Ausländer inklusive ihrer über den Kreis der regulär Mitversicherten hinausgehenden Familienangehörigen in den Heimatländern geltend machen können, sind aufzukündigen und im nationalen Interesse neu zu verhandeln.

(Beifall bei der NPD)

Die NPD stellte und stellt sich ebenfalls gegen den Gesundheitsfonds; denn es war klar, dass die geplante Verschmelzungswelle der kleinen mit den großen Krankenkassen ohne den gewünschten Effekt bleiben würde, zumal bei den kleinen Kassen die Kostenstruktur durch einen schlankeren Verwaltungsapparat wesentlich günstiger als bei den bereits vorhandenen Großkassen angelegt war. Dass eine neue Behörde angelegt wird, die wieder

eine halbe Milliarde Anlauffinanzierung benötigt, obwohl der Verwaltungskostenanteil der Krankenkassen ohnehin schon 8 Milliarden Euro im Jahr ausmacht, Tendenz steigend, belegt einen weiteren Systemfehler. Der von uns Nationaldemokraten geforderte konsequente Schritt zur Einheitskrankenkasse bleibt beim Gesundheitsfonds weiter aus.

Den beiden Anträgen – sowohl der Linken als auch der FDP-Fraktion – können wir jeweils nur beim ersten Punkt, dem geforderten Stopp der Einführung des Gesundheitsfonds, zustimmen. Bei der Fraktion DIE LINKE lehnt meine Partei die steuerfinanzierte Bürgerversicherung ab, bei der FDP das favorisierte wettbewerbsorientierte Gesundheitssystem. Wir werden daher beide Anträge ablehnen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion der GRÜNEN; Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die beiden Anträge, die uns hier vorliegen, und die Redebeiträge weisen ja darauf hin, dass im Grunde eine große Einigkeit herrscht. Bisher war ich davon ausgegangen, dass auch die Gesundheitspolitiker der SPD ihre Bauchschmerzen mit der Einführung des Gesundheitsfonds haben. Das hat sich hier nicht so ganz bestätigt.

Bei der Frage, ob auf Bundesebene noch Einflussmöglichkeiten bestehen, ist es sicher richtig, wie Frau Strempel gesagt hat, dass sich die Staatsregierung im Gesetzgebungsprozess eingebracht hat. Es ist allerdings nicht richtig, dass wir dies hier nicht zum Anlass genommen hätten, damals schon über das Gesundheitsmodernisierungsgesetz zu sprechen. Ich denke trotzdem, dass heute eine Zustimmung zu diesen Anträgen dazu führen könnte, noch einmal mit entsprechendem Rückenwind die Staatsregierung auf die Bundesebene zu schicken, um dort zu versuchen, den Gesundheitsfonds abzuwenden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Fakt ist jedenfalls, dass der Gesundheitsfonds mit den Stimmen von CDU und SPD beschlossen worden ist. Die Gesundheitspolitiker sind sich darüber gar nicht einig, welche Vorteile diese Geldsammelstelle haben wird, denn eigentlich ändert sich an der Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen nichts. Daran ändert der Gesundheitsfonds überhaupt nichts, im Gegenteil, er bringt uns eine ganze Reihe von neuen Problemen. Dazu gehört auch die neue Großbehörde.

Unserer Meinung nach dient der Gesundheitsfonds ausschließlich der politischen Gesichtswahrung der Koalitionspartner: Vorn kommen die von der SPD gewollten einkommensabhängigen Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern hinein und hinten kommt eine Kopfpauschale heraus. Einen anderen Grund können wir für die

Einführung einer weiteren Großbehörde nicht entdecken. Das führt dazu, dass Verwaltungsaufgaben weiter steigen werden. Aus der anvisierten kleinen Kopfpauschale wird für sehr viele schnell eine große Kopfpauschale werden. Zwar haben die Krankenkassen grundsätzlich die Wahl, ob sie den Zusatzbeitrag, der unter Umständen fällig wird, als Pauschale oder einkommensabhängig erheben; aber mit einem einkommensabhängigen Zusatzbeitrag würde eine Kasse gerade die gut verdienenden Versicherten belasten, und das kann sich keine im Wettbewerb stehende Kasse leisten.

Deshalb ist es klar, dass der Zusatzbeitrag als Kopfpauschale erhoben werden wird und dass damit vor allem Geringverdiener belastet werden.