Protocol of the Session on May 28, 2008

Die Sachverständigen hatten noch viele Kritikpunkte genannt. Diese hier aufzuzählen würde tatsächlich den zeitlichen Rahmen sprengen. Für mich blieb nur der Eindruck zurück: Die Staatsregierung versucht mit diesem Entwurf, an allen Ecken und Enden zu sparen. Nicht der Schutz des ungeborenen Lebens, der Kinder und Schwangeren, sondern die Sicherung des Haushaltes standen bei der Staatsregierung anscheinend im Vordergrund. Doch das konnten der Sächsische Landtag und die Abgeordneten im Sozialausschuss so nicht durchgehen lassen. Deshalb bin ich sehr froh, dass zumindest die schwierigsten Punkte durch CDU und SPD selbst noch einmal als Änderungsanträge eingebracht wurden.

Mir waren die Änderungen deshalb so wichtig, weil es heute nicht um eine bloße Qualitätsverbesserung in irgendeinem Beratungssystem geht, sondern um das Leben der ungeborenen Kinder und die Zukunft der schwangeren Frauen in ihren Notsituationen. Das hat seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nicht nur eine besondere rechtliche Bedeutung, sondern vor allem eine moralisch-ethische Dimension. Sparzwänge sind hier weiß Gott fehl am Platz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Staatsregierung wurde noch einmal verändert. Es sind substanzielle Veränderungen gegenüber dem Ausgangsentwurf dabei beschrieben worden. Den Entwurf der Staatsregierung hätten wir nämlich sonst abgelehnt. Mit der Beschlussvorlage des Ausschusses können wir zumindest so weit mitgehen, dass wir uns der Stimme enthalten werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Herrmann erhält das Wort für die Fraktion GRÜNE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es jetzt schon mehrmals gehört, dass der erste Entwurf der Staatsregierung zum Ausführungsgesetz des Schwangerschaftskonfliktgesetzes verfassungswidrig war; denn statt ein gesetzlich vorgeschriebenes plurales Angebot an Beratungsstellen vorzuhalten, sollten diese nach Auslastung, das heißt bei Bedarf, finanziert werden. Das Ziel dahinter konnte nur sein, bei geringer Auslastung im Folgejahr die Förde

rung der Beratungsstelle zu kürzen. Im Gegenzug war eine Erhöhung der Förderung bei Mehrauslastung nicht vorgesehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat 1993 entschieden, dass der Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig, aber unter bestimmten beschriebenen Voraussetzungen straffrei ist. Das heißt, ohne eine Indikation ist der Abbruch nur dann straffrei, wenn die Frau vorher ein Beratungsgespräch in einer anerkannten Beratungsstelle in Anspruch nimmt und zwischen Beratung und Abbruch mindestens drei Tage Bedenkzeit eingehalten werden. Folgerichtig muss der Staat ein Netz von anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen vorhalten. Hier gibt es, so hat das Bundesverwaltungsgericht später geurteilt, auch keinen Ermessensspielraum.

Wir sind erleichtert, dass die Koalitionsfraktionen den Entwurf der Staatsregierung nach der von uns beantragten Anhörung zum Schwangerschaftskonfliktgesetz, besser gesagt, zum Ausführungsgesetz, noch einmal überarbeitet und in wesentlichen Punkten die Kritik der Sachverständigen aufgegriffen haben.

Wir bekommen jetzt, 15 Jahre nach Inkrafttreten des entsprechenden Bundesgesetzes, ein Ausführungsgesetz in Sachsen. Man sollte dann schon erwarten, dass auch die Entwicklung in diesen letzten 15 Jahren bei dem Ausführungsgesetz berücksichtigt wird. Dabei sind zwei Punkte besonders wichtig, die auch schon von den Kolleginnen der Koalition genannt wurden.

Zum einen ist es die vorgeburtliche Diagnostik. Diese hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und führt gerade in Deutschland zu immer mehr und früheren Untersuchungen, und zwar nicht nur bei Spätgebärenden. Gesucht wird dabei vor allem nach Fehlbildungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit ist – das ist uns klar – die eugenische Indikation durch die Hintertür zurückgekommen. Über dieses ethische Problem möchte ich aber an dieser Stelle nicht sprechen.

Es gibt Probleme, die die Frauen und ihre Partner betreffen, wenn eine Fehlbildung festgestellt wird. In den Arztpraxen werden Frauen oder Eltern nur medizinisch aufgeklärt und beraten. Was ein eventueller Abbruch für ihre Beziehung, für die Frau selbst, für Geschwisterkinder unter Umständen bedeutet, welche psychische Belastung damit verbunden ist, damit sind sie allein gelassen. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass die psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit pränataler Diagnostik jetzt als Aufgabe in Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen durchzuführen und auch im Gesetz benannt ist.

Neu sind zweitens in dem überarbeiteten Entwurf die Netzwerke zum Schutz des Kindeswohles bzw. die Einbindung der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen in diese Netzwerke. Bayern, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht da sogar noch einen Schritt weiter. Vielleicht kann das auch eine Perspektive für Sachsen sein. Dort finanziert das Land Weiterbildungskosten für Beraterinnen zum Programm „Sichere Ausbildung für Eltern“. Dieses Programm unterstützt die frühe Bindung zwischen

Eltern und Kindern. Eltern können sich auf die Veränderungen im Eheleben, in ihrer Beziehung durch die Geburt eines Kindes vorbereiten. Noch wichtiger ist, dass sie lernen können, Signale der Babys zu verstehen. Sie können dort ihre Erwartungen und Ängste besprechen und versuchen, sich in ihre Kinder einzufühlen. Das Programm läuft ab der 20. Schwangerschaftswoche und endet erst ein halbes Jahr nach der Geburt. Oft bleiben die Eltern als Selbsthilfegruppe auch danach weiter in Kontakt. Wir denken, dass das eine sehr gute Idee ist, um das soziale Frühwarnsystem auch in Sachsen zu stärken.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Staatsministerin Orosz, wünschen Sie das Wort? – Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir die Förderung der Schwangerschaftsberatungsstellen transparent und für alle Träger nachvollziehbar an die Auslastung der Beratungsstellen anpassen. Die Verteilung der Beratungskapazitäten muss jedoch sicherstellen, dass für jede Rat suchende Schwangere die Trägervielfalt und die Wohnortnähe der Angebote erfüllt sind. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, ist die Auslastung einer Beratungsstelle für uns der Maßstab, die Förderung entsprechend anzupassen. Daraus folgt, dass Beratungsstellen mit geringer Auslastung daher auch gegebenenfalls eine geringere Förderpriorität haben als Beratungsstellen mit einer hohen Nachfrage.

Die Kriterien, nach denen die Auslastung berechnet werden soll, wurden mit den Trägern verhandelt und – das möchte ich noch einmal in Richtung einiger Redebeiträge betonen – einvernehmlich mit den Trägern festgelegt. Damit gehen wir einen innovativen Weg. Das ist in Deutschland bislang einmalig. Die Reduzierung wird dadurch kompensiert, dass wir die jährliche Förderung um fünf volle Stellen erhöhen werden. Diese werden für pränataldiagnostische Beratungen und die Mitarbeit in den Netzwerken für Kinderschutz zur Verfügung gestellt. Stimmte der Landtag auch diesen Veränderungen im Gesetzentwurf zu, so wäre das ebenfalls bundesweit einmalig, denn Beratung zur Pränataldiagnostik und die Mitarbeit in Netzwerken für Kinderschutz würden dabei als zusätzliche Aufgaben im Landesgesetz verankert. Damit ginge Sachsen über den bundesgesetzlichen Rahmen hinaus.

Im Ergebnis leistet das Ausführungsgesetz damit einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der Effizienz der Beratungsstellen, und er verbessert entgegen anderslautenden Diskussionsbeiträgen die bisherigen Angebote. Damit werden die Beratung für Schwangere und der Schutz des ungeborenen Lebens weiter verbessert.

Meine Damen und Herren, ich komme zum 2. Artikel des Gesetzentwurfs. Er ändert das Gesetz über den öffentli

chen Gesundheitsdienst. Die vorgesehenen Änderungen dienen zum einen der Neuregelung des Amtsarztkurses und zum anderen der Deregulierung der Aufgabenübertragung. Wollen mehrere Gesundheitsämter ihre Aufgaben zum Beispiel zusammenlegen, so konnte dies bisher nur durch eine Verordnung des SMS auf der Grundlage des Sächsischen Gesundheitsdienstgesetzes geregelt werden. Die Aufhebung dieser Spezialregelung mit der vorliegenden Novellierung führt dazu, dass in Zukunft die Aufgabenverlagerung im Wege der kommunalen Zusammenarbeit über eine Zweckvereinbarung getroffen werden kann. Diese Deregulierung dient der Verwaltungsvereinfachung, senkt den Normenbestand und stärkt, meine Damen und Herren, die kommunale Ebene.

Das Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen vom 11.12.1991 schreibt im § 2 Abs. 3 vor, dass Amtsärzte und ihre Stellvertreter einen Amtsarztkurs abgelegt haben müssen. Bisher haben Amtsarztanwärter einen Amtsarztkurs in anderen Bundesländern besucht. Für diesen Weiterbildungsabschnitt, die nunmehr auch im Freistaat Sachsen stattfindende Fortbildung, wird in § 2a Sächsisches Gesundheitsdienstgesetz die Verordnungsermächtigung geschaffen – eine weitere Erleichterung in diesem Bereich.

Bitte geben Sie unserem Gesetz Ihre Stimme.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Gibt es noch weiteren Diskussionsbedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Ich frage, ob es vor der Einzelberatung gewünscht ist, dass die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Lauterbach, noch einmal spricht. – Nein, das ist nicht der Fall.

Dann, meine sehr verehrten Damen und Herren, schlage ich Ihnen vor, entsprechend § 44 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung über den Gesetzentwurf artikelweise in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde, zu beraten und abzustimmen. Wenn es dagegen keinen Widerspruch gibt, verfahren wir so.

Aufgerufen ist das Gesetz zur Ausführung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes und zur Änderung des Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Freistaat Sachsen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend mit der Drucksachennummer 4/12163.

Ich rufe die Überschrift auf. Wer stimmt ihr zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen ist der Überschrift mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe auf den Artikel 1 Sächsisches Ausführungsgesetz zum Schwangerschaftskonfliktgesetz und den Abschnitt 1, das sind die §§ 1 und 2 Allgemeine Grundsätze. Wer stimmt dem Abschnitt 1 zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und

Stimmen dagegen ist dem Abschnitt 1 mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe den Abschnitt 2 auf, die §§ 3 und 4, Anerkennung von Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE zum § 4 in der Drucksache 4/12377 vor, der sich auf die Nr. 1 bezieht. Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde gleich beide Änderungsanträge gemeinsam einbringen. Vor allem nach dem, was Frau Staatsministerin Orosz an dieser Stelle gesagt hat, müssen die Kritikpunkte meiner Kolleginnen und Kollegen noch einmal aufgegriffen werden, vor allem was die Wohnortnähe betrifft.

Frau Orosz ist darauf eingegangen, dass die Auslastung ganz entscheidend ist. Im Bundesgesetz steht: eine Beratungsstelle für 40 000 Einwohner, wohnortnah und plural. Das heißt, wenn man verhindern will, dass die Auslastung schlechtgeredet wird, ist es wichtig, „wohnortnah“ genau zu definieren. Uns ist „innerhalb eines Tages“ viel zu schwammig. Wenn die Staatsregierung einsparen will, kann sie das an dieser Stelle tun, indem die Frauen weitere Wege in Kauf zu nehmen haben.

Deshalb schlagen wir die Änderung vor, dass genauer definiert wird: „innerhalb von sechs Stunden“. Und es gibt auch Frauen, die diese Beratung in Anspruch nehmen, bei denen es nicht das erste Kind ist, sondern die schon kleine Kinder haben, und da sind sechs Stunden ein Limit.

Zum Zweiten wollen wir ändern, dass das Gesetz vorsieht, dass nur eine Vollzeitkraft in den Beratungsstellen zur Verfügung steht. Die demografische Entwicklung führt zusammen mit der Festlegung von „40 000 Einwohnern pro Vollzeitkraft in einer Beratungsstelle“ schon zu weiteren Wegen. Und da die Beratung zunehmend aufsuchend ist, ist in dieser Zeit die Beratungsstelle auch nicht besetzt.

Aus diesen Gründen wollen wir, dass dort nicht nur eine Beraterin bzw. eine Vollzeitkraft arbeitet.

Diese beiden Änderungen schlagen wir Ihnen vor. Das wäre wichtig zur Präzisierung dieses Gesetzentwurfes und ich bitte Sie um Zustimmung.

(Beifall der Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE, und Julia Bonk, Linksfraktion)

Vielen Dank. Dazu gibt es Aussprachebedarf. Frau Nicolaus, bitte.

Danke, Frau Präsidentin.

Ich hatte vorhin schon ausgeführt, auf welchem Standpunkt wir dazu stehen. Ich kann den Antrag der GRÜNEN, dass man sich auf sechs Stunden festlegen möchte, zwar verstehen; es ist aus meiner Sicht aber nicht praktikabel. Gerade bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kann man es nicht mit der Stoppuhr nachvollzie

hen, ob eine Schwangere dies in sechs Stunden umsetzen kann oder nicht. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass eine Schwangere die Möglichkeit haben muss, innerhalb ihres Wohnumfeldes zwei Beratungsstellen aufsuchen zu können, und das im Rahmen eines Tages.

Deswegen möchten wir diesen Antrag ablehnen.

Danke. – Gibt es dazu weitere Wortmeldungen? – Das kann ich nicht erkennen. Somit kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE zum § 4. Wer stimmt dem zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einer größeren Anzahl von Dafür-Stimmen ist der Änderungsantrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden.

Demzufolge kommen wir zur Abstimmung des Abschnittes 2 mit den §§ 3 und 4 in der Fassung des Ausschusses. Wer dem zustimmen kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Die Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Bei einer größeren Anzahl von Stimmenthaltungen ist der Abschnitt 2 mit den §§ 3 und 4 beschlossen.

Ich rufe den Abschnitt 3 auf, das sind die §§ 5 bis 7, Sicherstellung der Beratung. Auch hierzu gibt es einen Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE zu § 6; Frau Herrmann hat ihn bereits eingebracht. Gibt es dazu noch einmal Aussprachebedarf? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion GRÜNE zum § 6, der Ihnen in der Drucksache 4/12377 vorliegt. Wer stimmt zu? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Stimmen dafür ist der Änderungsantrag dennoch nicht bestätigt.

Ich rufe den Abschnitt 3, die §§ 5 bis 7, Sicherstellung der Beratung, in der Fassung des Ausschusses auf. Wer stimmt zu? – Die Gegenstimmen, bitte. – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist Abschnitt 3 mehrheitlich bestätigt worden.