Protocol of the Session on April 17, 2008

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte, die CDU-Fraktion.

Frau Hermenau, Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Sie müssen aber vor der Sache ein wenig Angst haben.

(Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Sie sprachen davon, dass Herr Jaschinski, der schon heute von gewissen Risiken des von ihm übernommen Fonds wüsste, die Bürgschaft über die Landesbank BadenWürttemberg ziehen würde und dies bei uns ausreichen möchte. Das ist schlichtweg falsch. Wir haben dieses große Risiko aus Dublin in zwei Bereiche geteilt. Den ersten Teil hat die LBBW übernommen,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ich weiß!)

und den hat sie ohne Wenn und Aber abgekauft. Dafür steht die Bürgschaft nicht zur Verfügung.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Die Millionen, die Sie ausgereicht haben! – Weitere Zurufe)

Richtig, das hat Geld gekostet. Ja, das hat Geld gekostet. Wir haben vorher die gesamte Höhe durch die Gewährleistung verbürgt, die der Freistaat aus der Gewähr

trägerhaftung hat. Der zweite Teil, den Sie uns unterzuschieben versuchen, ist der sogenannte SuperSIV. Für den haften wir bis 2,75 Milliarden Euro.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Richtig!)

Aber das ist keine Sache, die Herr Jaschinski von der LBBW für sich in Anspruch nehmen und uns damit belasten kann.

(Gelächter bei der Linksfraktion – Antje Hermenau, GRÜNE: Was war das jetzt?!)

Das war die Richtigstellung zu Ihren Spekulationsrechnungen.

Meine Damen und Herren! Wird jetzt von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Damit schließe ich die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von der Linksfraktion, zum Thema: „Die Landesbank, der Ministerpräsident und die Steuerzahler“.

(Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zu

2. Aktuelle Debatte

Mit Volldampf ins soziale Desaster – fünf Jahre Agenda 2010

Antrag der Fraktion der NPD

Zunächst hat die Fraktion der NPD das Wort. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der NPD, das Wort zu nehmen; Herr Dr. Müller, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An den 14. März 2003 wird man sich später vielleicht einmal als Beginn des größten, folgenschwersten Einschnitts in den historisch gewachsenen deutschen Sozialstaat erinnern. An diesem Tag hob der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder in einer Regierungserklärung die Agenda 2010 aus der Taufe.

Wir als NPD-Fraktion bleiben dabei: Schröder kündigte den Deutschen damals vor allem eines an: die Zerstörung des sozialen Friedens und des Vertrauens der Menschen in die Politik. Während die Politiker der etablierten Parteien, auch in diesem Haus, sich längst mit der Agenda 2010 abgefunden haben, haben Hartz IV, Niedriglöhne und eine weitverbreitete Angst vor Altersarmut bei den Menschen in den letzten fünf Jahren tiefe Wunden des Unmuts, der Verzweiflung, der Verdrossenheit und eine große Verunsicherung hinterlassen.

Deutschland steht heute, im Jahr 2008, fünf Jahre nach Ausrufung der Agenda 2010, vor einem sozialen Desaster. Wer dies in Abrede stellt, kann nur verblendet und unbelehrbar sein, meine Damen und Herren.

Tatsache ist, dass die breite Masse der Menschen in Deutschland eben nicht, wie von Ihnen behauptet, mehr, sondern immer weniger Geld in der Tasche hat. Selbst die jüngst ausgehandelten Lohnabschlüsse im öffentlichen Dienst sind angesichts einer solchen Rahmenentwicklung doch bestenfalls der Tropfen auf den heißen Stein. Angesichts der enormen Preissteigerungen der letzten Monate, und zwar auf allen Sektoren: Lebensmittel, Heizkosten, Benzin, ist dieser Anstieg doch geradezu lächerlich.

Die Sozialverbände haben erst in diesen Tagen darauf hingewiesen, dass es immer mehr Arme gibt. Jeder Vierte in Westdeutschland und jeder Dritte in den neuen Bundesländern ist betroffen. Zur Mittelschicht können nach Angaben des statistischen Bundesamtes nur noch 54 % der Bevölkerung gezählt werden, während gleichzeitig die Armen und die Überreichen prozentual zulegen.

Meine Damen und Herren! Wir sind heute nach fünf Jahren Agenda 2010 auf dem besten Weg in eine Klassengesellschaft, wobei die Tendenz ganz eindeutig in Richtung Massenarmut geht. Wollen wir das? Die Ergebnisse sprechen allesamt gegen Sie, meine Damen und Herren. Konzerne und Bestverdienende wurden entlastet, der Staat somit um seine fiskalische Handlungsfähigkeit gebracht. Die Bürger wurden im Gesundheitsbereich mit hohen Zuzahlungen und der Praxisgebühr belastet. Außerdem wurde die Axt an die gesetzliche Rente gelegt. Weiterhin wurden und werden durch die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die Einführung von Hartz IV

Hunderttausende in Armut und soziale Ausgrenzung getrieben. Die drastische Verkürzung des Arbeitslosengeldes unter Verschärfung der Zumutbarkeitskriterien hat die Beschäftigten erpressbar gemacht und einem beispiellosen Lohndumping Vorschub geleistet. Nach wie vor sind heute deutlich mehr als fünf Millionen Menschen in Deutschland ohne Beschäftigung, zählt man die versteckten Arbeitslosen mit.

Wenn etwas in unserem Land infolge der Agenda 2010 zunimmt, dann nicht etwa der Breitenwohlstand, die soziale Sicherheit, die Aussichten auf eine sozial abgesicherte Zukunft, sondern eine inzwischen geradezu endemische Niedriglohnbeschäftigung. Immer mehr Arbeitsuchende müssen demzufolge bei Zeitarbeitsfirmen arbeiten und mit einem Lohn auskommen, der knapp über dem Existenzminimum liegt.

Die Kinderarmut in Deutschland nimmt stetig zu. Inzwischen leben fast 17 % der rund 11,5 Millionen Kinder in Deutschland in Armut. Wer bei solchen Rahmenbedingungen sich immer noch in die Tasche lügen und davon fantasieren kann, Deutschland wäre ein reiches Land, der muss auf einem anderen Stern leben.

1,2 Millionen Menschen in Deutschland erhalten heute nur noch geringfügige, geradezu lächerliche Löhne. Wer vom Verdienst seiner Arbeit nicht leben kann, der muss dank der Hartz-Gesetzgebung als sogenannter Aufstocker noch Zusatzleistungen nach SGB II beantragen.

Meine Damen und Herren! Auch diesen Aspekt möchte ich nochmals in Erinnerung rufen: Die Agenda 2010 ist aus nationaldemokratischer Sicht grundgesetzwidrig. Artikel 20 Abs. 1 des Grundgesetzes sagt eindeutig aus, dass die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. Der Sozialstaat ist und bleibt somit ein zentrales Prinzip unserer grundgesetzlichen Ordnung. Deshalb diese Aktuelle Debatte über fünf Jahre Agenda 2010. Heute können Sie endlich einmal Ihre Grundgesetztreue, Ihre Treue zum deutschen Sozialstaat unter Beweis stellen.

Ich danke zunächst für Ihre Aufmerksamkeit. Mein Kollege Gansel wird dann einen zweiten Beitrag dazu bringen.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion der CDU für die Koalition; Herr Krauß, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon etwas verwunderlich, wenn die NPD, eine Partei, die ja bekanntermaßen von unserer Verfassungsordnung relativ wenig hält, mit dem Grundgesetz argumentiert. Insofern ist klar, dass es Ihnen nicht um die Sache zu gehen scheint.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Wer hat Ihnen das gesagt?)

Vorab: Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist von fünf Millionen im Jahr 2005 auf nunmehr 3,5 Millionen gesunken.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist das Redekonzept von gestern!)

Sie hätten ja gestern zuhören können, dann hätten wir heute diese Debatte nicht führen müssen!

(Jürgen Gansel, NPD: Ich habe zugehört!)

Wir haben in Deutschland seit der Wiedervereinigung noch nie so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse gehabt wie heute. Das hängt auch damit zusammen, dass die Agenda 2010 verabschiedet worden ist. Das ist zumindest ein Baustein. Es gibt Dinge, die aus heutiger Sicht reparaturbedürftig sind. Es ist auch in Ordnung, dass man darüber spricht, denn nichts ist in Stein gemeißelt, dass man es nicht verändern könnte.

Aber, Herr Dr. Müller, Sie haben auch vergessen, einige Punkte zu erwähnen, die wichtig sind, wenn man die Agenda 2010 hier im Zusammenhang sehen will. Diese Punkte möchte ich Ihnen jetzt nachtragen.

Was ist in der Wirtschaft beschlossen worden? Entbürokratisierung, Betriebsgründungen wurden erleichtert, dass man zum Beispiel nicht überall einen Meisterbrief braucht, wenn man Fotograf oder Buchbinder ist. Das hat dazu geführt, dass sich mehr Menschen selbstständig gemacht haben.

Die Agenda 2010 hatte zum Bestandteil, dass man die Ausgaben für Bildung erhöht, und zwar innerhalb von fünf Jahren um 25 %. Die Agenda 2010 ist damit verbunden, dass man gesagt hat, wir wollen eine BAföGReform, mehr Geld für junge Leute, die studieren wollen. Es wurden 4 Milliarden Euro für Ganztagsschulen eingestellt.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe wurden zusammengelegt. Wer Sozialhilfe bezieht, ist jetzt nicht mehr von Programmen der Bundesagentur für Arbeit ausgeschlossen. Das betrifft zum Beispiel Weiterbildungen. Natürlich wird auch jetzt von den Arbeitslosen etwas gefordert: Wer arbeitslos ist – ich glaube, das ist der Anspruch, den diejenigen haben dürfen, die jeden Tag auf Arbeit gehen –, soll sich um Arbeit bemühen; denn die Sozialabgaben, die ein Arbeiter bezahlt, werden dafür verwendet, dass ein Arbeitsloser, der nicht in der Lage ist zu arbeiten, sein Arbeitslosengeld bekommt. Aber dieser Arbeiter, der jeden Tag früh um fünf oder um sechs aufsteht, hat das Recht, dass jemand, der arbeitslos ist, sich auch um Arbeit bemüht.

Ein weiterer Punkt der Agenda 2010 ist die Stabilisierung der Rentenversicherung. Man sagt, wir wollen keine steigenden Beiträge für die Arbeitnehmer haben. Damit hat man die Rente halbwegs zukunftsfest gemacht. Klar ist auch, junge Leute sollen heute nicht einzahlen und später einmal keine Rente bekommen. Es gehört zur Gerechtigkeit für die junge Generation heute dazu, dass sie später auch einen Anspruch auf eine Rente hat.

Thema Familienpolitik. Auch dort hat die Agenda 2010 gewisse Marken gesetzt. Die Investitionen in die Betreuung von Kindern unter drei Jahren wurden verbessert, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Davon profitieren wir als Freistaat allein in diesem Jahr mit 17 Millionen Euro.

(Zuruf des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Herr Dr. Müller, was haben Sie jetzt gegen die BAföGErhöhung, oder was haben Sie dagegen, dass Langzeitarbeitslose auch Weiterbildungen besuchen können, was vorher nicht möglich war? Oder was haben Sie dagegen, dass mehr Geld in Bildung investiert wird?

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist eine blöde rhetorische Frage!)

Es wurden wichtige Reformen auf den Weg gebracht. Das steht zweifelsohne fest.