Protocol of the Session on April 17, 2008

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Was eben durch den Fraktionsvorsitzenden der NPD an tendenzieller und einseitiger und damit verlogener Demagogie vorgetragen wurde, darf nicht unwidersprochen bleiben. Deshalb bin ich hier an das Pult getreten.

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und der FDP – Holger Apfel, NPD: Das erzählen Sie einmal den Bürgern vor Ort!)

Meine Damen und Herren! Die erste Straftat, die in der Nacht des 21. Dezember 2007, als der Wegfall der direkten Grenzkontrollen an der deutsch-polnischen und der deutsch-tschechischen Grenze nur wenige Stunden zurücklag, in der Grenzregion angezeigt und aufgeklärt wurde, war nach Protokollen des Landtages Brandenburg ein versuchter Betrug, konkret der Versuch zu tanken, ohne zu bezahlen und danach schnell über die nun offene Grenze zu entkommen. Der Tatort lag in Polen. Die Täterin war deutscher Staatsangehörigkeit und Nationalität. – Das passt natürlich nicht in das Welt- und Zerrbild der NPD. Aber gerade deshalb sei es hier erwähnt.

Meine Damen und Herren! Kriminalität, zumal in den Grenzregionen, war von jeher ein grenzüberschreitendes Phänomen in beide Richtungen der Grenze vor dem 21. Dezember 2007 wie auch danach. Von daher muss auch die Kriminalitätsbekämpfung grenzüberschreitend sein. Auch bezüglich einer solchen effektiven Kriminali

tätsbekämpfung gilt für die notwendige Zusammenarbeit der Polizeibehörden der Satz des finnischen Präsidenten Urho Kekkonen – ich zitiere –: „Sicherheit erreicht man nicht, indem man Zäune errichtet, Sicherheit gewinnt man, indem man Tore öffnet.“

(Jürgen Gansel, NPD: Sagen Sie das mal den Leuten in Ebersbach!)

Bereits der legendäre Oberlausitzer Räuberhauptmann Johannes Karasek konnte vor nunmehr über 200 Jahren nur durch die Zusammenarbeit kurfürstlich-sächsischer und königlich-böhmischer Gendarmen dingfest gemacht werden. Ein Erfolg gegen Kriminelle in den Grenzregionen, unter anderem auch gegen die schätzungsweise circa 20 % deutschen Ladendiebe in Zgorzelecer Supermärkten und Geschäften, ist auch heute nur im abgestimmten und hoch professionellen Miteinander der Polizeibehörden dies- und jenseits der Grenze zu erreichen, die dafür die notwendige Personalstärke haben müssen.

Auf diese Ziele ausgerichtet, brauchen wir eine offene und fachlich solide Debatte beiderseits der Grenze. Aber gerade darum geht es der NPD überhaupt nicht. Nicht grenzüberschreitende Kriminalitätsbekämpfung ist das Ziel der NPD, sondern – wie alle einschlägigen Landtagsdrucksachen und auch der eben gehörte Redebeitrag der NPD belegen – die Verhinderung jeglicher Art von Grenzöffnung zu unseren polnischen und tschechischen Nachbarn.

Um es an dieser Stelle klar zu sagen: Die NPD will die Existenz grenzüberschreitender Kriminalität missbrauchen, um pauschale Vorurteile gegen unsere polnischen und tschechischen Nachbarn zu schüren und auf diese Weise den Prozess der europäischen Integration, der in den Grenzregionen abläuft, zu verhindern oder aber zumindest zu verlangsamen. Dies widerspricht den Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Grenzregionen. Von daher bedarf es zum NPD-Antrag keiner weiteren Worte. Er ist klar und eindeutig abzulehnen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Gibt es weiteren Redebedarf? – Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass die Regierungskoalitionäre von CDU und SPD ohne Widerstand gegen die von der EU diktierte Schengen-Erweiterung die Grenze zu Polen und der Tschechischen Republik geöffnet haben, obwohl zahlreiche Sicherheitsexperten davor gewarnt haben, ist ein politisches Schurkenstück auf Kosten der Menschen im Grenzland.

So erklärte bereits im Oktober 2007 der damals noch neue sächsische Generalstaatsanwalt Klaus Fleischmann: „Aus meiner Sicht wäre es sinnvoll, den Termin der Grenzöffnung nach Polen und Tschechien zu verschieben und die Personenkontrollen weiterhin beizubehalten.“

Und der ganz bestimmt nicht rechtsgestrickte Vorsitzende der sächsischen Polizeigewerkschaft Matthias Kubitz wurde deutlicher und sagte – ich zitiere –: „Nach allen Erfahrungen müssen wir davon ausgehen, dass die illegale Migration mit allen ihren kriminellen Folgeerscheinungen, wie Drogenschmuggel, Waffenhandel und Prostitution, über die dann offenen Grenzen wieder deutlich ansteigen wird.“

Nach der Grenzöffnung kam es dann, wie es kommen musste: Massenhaft illegale Grenzübertritte und deutlich mehr Autodiebstähle erschüttern das Sicherheitsgefühl der Deutschen im Grenzland. Selbst das ProblemVertuschungsblatt „Sächsische Zeitung“ titelte am 12.01.2008: „Zahl illegaler Einreisen steigt!“ Nach Angabe der „Sächsischen Zeitung“ sind allein im Amtsbereich Pirna in den ersten drei Wochen nach Schleifung der Schlagbäume 300 illegale Ausländer in Zügen, in Autos und in Bussen aufgegriffen worden. Dass die Dunkelziffer beträchtlich höher ist, kann sich jeder ausmalen.

Die Folgen der Grenzöffnung sind für jeden im Grenzland spürbar: Kriminalität, Überfremdung, Unsicherheit, Schwarzarbeit, Lohndumping und Arbeitslosigkeit. Die Sächsische Staatsregierung wäscht derweil ihre Hände in Unschuld und verteilt Beruhigungspillen an das Volk. Nun sollen ernsthaft mehr Straßenbeleuchtung, berittene Polizei und Hinterlandkontrollen die Menschen in falscher Sicherheit wiegen. Die Menschen im Grenzland sind aber nicht annähernd so dumm, wie die Staatsregierung verantwortungslos ist. Es brodelt vor Wut über die importierte Kriminalität. Man fahre nur einmal nach Ebersbach oder nach Neugersdorf und höre sich des Volkes Meinung an. Damit der Volkszorn über die Grenzöffnung und ihre Folgen nicht noch größer wird und es damit am 8. Juni in den Wahlkabinen zu keiner nationalen Protestwahl kommt, will die Staatsregierung in schlechtester DDR-Manier die Nachrichten zensieren und hat staatlichen Stellen deshalb regelrechte Maulkörbe verpasst, ganz nach dem Motto: Kriminalität, über die nicht berichtet wird, ist gar keine richtige Kriminalität.

Auf die Pressenachfrage nach dem wahren Ausmaß der gestiegenen Kriminalität erklärte Olaf Töteberg von der Bundespolizeiinspektion Seifhennersdorf am 15. Januar 2008: „Genaue Zahlen darf ich aber nicht sagen.“ – Deutlicher war die Aussage des Verbandschefs des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, dass seit der Grenzöffnung die Zahl der Einbrüche und Diebstähle deutlich gestiegen sei, die Bevölkerung aber über das wahre Ausmaß der begangenen Straftaten gar nicht informiert werde.

In der Kleinen Anfrage Drucksache 4/10962 wollte mein Fraktionskollege Delle etwas über die Hintergründe des Maulkorberlasses wissen, doch Justizminister Mackenroth verweigerte stellvertretend für Innenminister Buttolo die Beantwortung mit dem Hinweis, überhaupt nicht zuständig zu sein. Sicherlich ist das sächsische Innenministerium für die vom Bundesinnenministerium verhängte Nachrichtensperre für den Amtsbereich der Bundespolizei

an den Grenzen zu Polen und zur Tschechischen Republik nicht verantwortlich zu machen. Verantwortlich zeichnet aber das sächsische Innenministerium sehr wohl, wenn Polizeibeamte, selbst Bürgermeister sich über den immensen Anstieg der Kriminalität in den Grenzregionen in Schweigen hüllen.

Einer, der den Maulkorb selbstbewusst ablegte, war der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft in Sachsen, Matthias Kubitz, der dem Mitteldeutschen Rundfunk sagte: „Unsere Pressestellen würden gern eine progressive Medienarbeit machen, das heißt ganz einfach, sowohl den Journalisten als auch damit der Bevölkerung die Wahrheit zur tatsächlichen Situation zu sagen. Allerdings gibt es sehr direkte Maulkorberlasse sowohl beim Bundesinnenministerium in Bezug auf Ausländerkriminalität – also alle die Bereiche, die die Bundespolizei bearbeitet – als auch bei uns selbst in Sachsen, wo es klar die Festlegung gibt, dass sich nur noch nach Absprache mit dem Innenministerium geäußert werden darf.“ – So weit der oberste Polizeigewerkschafter in Sachsen, Matthias Kubitz, der damit der Informationspolitik der Staatsregierung gelinde gesagt ein äußerst mieses Zeugnis ausstellt.

Die NPD fordert die Staatsregierung mit ihrem Antrag auf, die an totalitäre Regime erinnernde Nachrichtensperre und Maulkorbpolitik unverzüglich aufzuheben. Die Menschen im Land haben ein verdammtes Recht darauf, offen und statistisch korrekt über den Kriminalitätsanstieg infolge der Grenzöffnung informiert zu werden. Ansonsten sollten alle in der Staatsregierung bedenken, dass Sturm erntet, wer Wind sät.

(Beifall bei der NPD – Stefan Brangs, SPD: Sturm 34!)

Herr Minister Buttolo, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sächsische Polizei und die sächsischen Kommunen haben in der Vergangenheit keinen Maulkorb gehabt und es gibt auch jetzt keinen Maulkorberlass.

(Jürgen Gansel, NPD: Dann spinnt Herr Kubitz wohl, oder was wollen Sie damit sagen?)

Das war es, sehr geehrte Frau Präsidentin, was ich zur Klarstellung sagen möchte.

(Beifall bei der CDU – Holger Apfel, NPD: Dann spinnt Herr Kubitz?)

Auf das Schlusswort wird verzichtet. – Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 4/11822 zur Abstimmung. Wer ihr seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt worden. Damit schließe ich diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Finanzierung kommunaler Straßenbauprojekte sicherstellen

Drucksache 4/11818, Antrag der Fraktion der FDP

Die FDP beginnt, danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie dies wünscht. – Ich erteile nun Herrn Morlok, FDPFraktion, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bereitstellung einer leistungsfähigen Verkehrsinfrastruktur auch auf der kommunalen Ebene ist eine grundlegende Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen, und gerade im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung insbesondere im ländlichen Raum spielt eine gut funktionierende Verkehrsinfrastruktur hierbei eine wichtige Rolle. Nur bei gut ausgebauten Straßen werden die Menschen bereit sein, zwischen ihrem Wohnort und ihrem Arbeitsplatz zu pendeln. – Wir hatten das Thema Pendlerpauschale bereits gestern im Plenum behandelt. – Sie werden eben nur dann bereit sein zu pendeln und nicht zu besser bezahlten Arbeitsplätzen in die Altbundesländer abwandern. Hierbei ist die Verkehrsinfrastruktur ein wichtiges Argument, Pendeln möglich zu machen, und auch nur bei einer intakten Verkehrsinfra

struktur werden Unternehmen bereit sein, sich in Sachsen – gerade auch im ländlichen Raum, in den strukturschwachen Räumen – anzusiedeln, weil es auch für diese Unternehmen wichtig ist, dass sie erreichbar sind.

Kurzum: Sowohl der Erhalt als auch der Neubau von Verkehrsinfrastruktur ist eine Frage der Daseinsfürsorge, insbesondere im ländlichen Raum. Aufgabe des Freistaates ist es natürlich, die Kommunen in dieser Arbeit zu unterstützen. Ich denke, hinter dieser Aussage können sich hier sehr viele wiederfinden. Wenn man aber bestimmte Dinge aus dem Hause Jurk hört, dann muss man eher etwas besorgt sein; denn diese Äußerungen sorgen für etwas Beunruhigung, da es dem Staatsministerium zufolge keine weitere finanzielle Unterstützung durch das Land für Straßenneubauprojekte in den Kommunen wird geben können.

In diesem Zusammenhang hat der Sächsische Städte- und Gemeindetag darauf hingewiesen, dass die bereitgestellten Mittel in diesem Haushalt zum überwiegenden Teil bereits gebunden sind und deshalb für neue Projekte nicht mehr zur Verfügung stehen. Das heißt also: kein Geld für

Neubauten und auch kein Geld zum Abtragen des Investitionsstaues, den wir inzwischen bei den kommunalen Straßen hier im Freistaat haben. Die Höhe dieses Investitionsstaues hat der Sächsische Städte- und Gemeindetag einmal nach einer Abfrage bei den Regierungspräsidien eingeschätzt, und er kommt auf 80 bis 100 Millionen Euro im Bereich der kommunalen Straßen. Ein erheblicher Teil davon, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird mit Sicherheit den ländlichen Raum betreffen, der ohnehin schon beträchtliche strukturelle Probleme hat.

(Beifall bei der FDP)

Seitens der Staatsregierung – das ist das Besorgniserregende – scheint es ein gewisses Informationsdefizit zu geben, welches den Investitionsbedarf und den -stau im kommunalen Bereich betrifft. In der Antwort des Staatsministers Jurk auf eine Kleine Anfrage des Kollegen Prof. Bolick zur Situation der Straßeninfrastruktur in Sachsen hieß es – ich zitiere –: „Aussagen zum aktuellen Zustand der Straßen kommunaler Gebietskörperschaften sind der Staatsregierung nicht möglich.“ Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Bankrotterklärung des zuständigen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und – ich betone – Verkehr.

(Beifall bei der FDP – Staatsminister Thomas Jurk unterhält sich mit Staatsminister Dr. Albrecht Buttolo)

Herr Staatsminister Jurk, ich hoffe, Sie führen gerade Finanzverhandlungen mit dem Noch-Finanzminister und dem zuständigen Ministerpräsidenten genau in dieser Frage. Alles andere würde Ihr Reden während meiner Rede nicht entschuldigen.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP)

Herr Staatsminister Jurk, sollte eine Bedarfskalkulation zur Bereitstellung finanzieller Mittel für den kommunalen Straßenbau nicht auf Informationen zum Straßenzustand zurückgreifen oder zumindest auf diesem fußen? Sie räumen in der eben von mir zitierten Antwort auf die Kleine Anfrage des verehrten Kollegen Prof. Bolick ganz offen ein, in dieser Frage einfach keine Ahnung zu haben. – Das, lieber Herr Staatsminister Jurk, spricht zwar für Ihre Ehrlichkeit, aber leider nicht für Ihre Kompetenz.

(Beifall bei der FDP)

Können Sie sich, Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch an die Debatte zum letzten Doppelhaushalt erinnern? Der Haushaltsansatz Ihres Staatsministeriums im Bereich des kommunalen Straßenbaues war deutlich geringer als das, was letztendlich hier vom Parlament beschlossen wurde. Wenn ich mich richtig erinnere, war es unter anderem auch die CDU-Fraktion, die sich dankenswerterweise mit uns dafür eingesetzt hat, die Mittel im kommunalen Straßenbau zu erhöhen. Leider ist es so, dass Oppositionsfraktionen immer weniger Chancen haben, sich durchzusetzen. Der CDU ist es in der Koalition gelungen; aber es zeigt sich, dass auch das,

was Sie dort erreicht haben, bei Weitem nicht ausreichend ist.

Die Förderung des kommunalen Straßenbaues beträgt in diesem Jahr ungefähr 176 Millionen Euro. Das mag erst einmal hoch klingen; wenn man aber sieht, dass 90 % dieser Mittel bereits gebunden sind, dann zeigt sich das Problem, weil für neue Projekte eben keine weiteren Mittel zur Verfügung stehen. Für Zukunftsinvestitionen, aber auch für Maßnahmen infolge der Kreisgebietsreform fehlt das entsprechende Geld, und angesichts der bereits angesprochenen circa 100 Millionen Euro Investitionsstau sind auch 176 Millionen Euro zur Kofinanzierung relativ wenig.

Wir geben unsere Hoffnung nicht ganz auf; denn auch bei einem anderen wichtigen Verkehrsprojekt hat sich bei der Staatsregierung, zumindest bei Teilen von ihr, bereits eines gezeigt, nämlich bei der Frage der Vorfinanzierung von Bundesstraßen: Nachdem Sie das auf unseren Antrag hin noch in Bausch und Bogen verdammt haben, hört man im Parlament vom Noch-Ministerpräsidenten inzwischen ganz andere Töne; und vielleicht sind Sie auch in der Frage des kommunalen Straßenbaues bereit, auf unsere Anregungen einzugehen. Wir würden uns darüber auf jeden Fall sehr freuen, und ich denke, die Sachsen, insbesondere im ländlichen Raum, auch.

(Beifall bei der FDP)