Ich habe leider nicht so viel Redezeit, um intensiv auf Ihren Antrag einzugehen. Was ich aber als Anmerkung machen möchte, ist: Viele dieser Forderungen in Ihrem Antrag sind schon von verschiedener Stelle gestellt worden. Sie haben sie heute neu sortiert unter der Überschrift „Kinderarmut“ und nicht mehr zum Beispiel unter dem Sachthema „Kita“. Ein Umgang mit diesem Thema allein unter materiellen Gesichtspunkten, also Transferleistungen, ist nicht ausreichend. Sie haben in Ihrem Antrag ja auch unter einem Punkt die öffentliche Infrastruktur angesprochen.
Unter Punkt I steht, Sie wollen einen Bericht. Darin soll stehen, wie sich die Kinderarmut in einem bestimmten Zeitraum nach Einführung der Hartz-IV-Gesetze verschärft habe. Die Frage ist, ob einzig und allein die HartzIV-Gesetze für Verschärfung ausschlaggebend sind oder ob es nicht noch andere Gründe gibt, nämlich zum Beispiel die Langzeitarbeitslosigkeit. Das bleibt bei Ihnen außen vor. Deswegen ist der Bericht auch nicht ausreichend.
Wir haben eine Expertise zum Kinder- und Jugendbericht gefordert, die das umfassend abfragen sollte. Diese hat leider nicht die Zustimmung bekommen. Ich denke, es greift einfach zu kurz, Kinderarmut nur Hartz IV in die Schuhe zu schieben. Deshalb muss die Reaktion über eine materielle Transferleistung hinausreichen.
Es gab vor kurzer Zeit eine Studie, das LBS-Kinderbarometer. Da wurden Kinder gefragt, was sie für das wichtigste politische Thema in Sachsen halten. Die Kinder haben gesagt: Perspektivlosigkeit durch Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist für sie das wichtigste Thema. Wenn Kinder so ein Thema an erste Stelle stellen, dann spüren sie ganz deutlich, dass die Motivation ihrer Eltern, ihre Perspektivlosigkeit ganz entscheidenden Einfluss auf ihre eigene Perspektive hat. Dem kann man nicht mit reinen Transferleistungen begegnen.
Wird von den Fraktionen noch weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Frau Orosz, Sie haben das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema „Kinderarmut“ beschäftigt die Fachwelt und das Hohe Haus schon seit geraumer Zeit.
In diesem Zusammenhang, Herr Lichdi, rücken auch die Leistungen der Sozialhilfe oder der Grundsicherung für Arbeitsuchende immer wieder in unseren Blickpunkt.
Die mit dem Antrag der Linken geforderte Leistungserhöhung, sei es in Form von Regelsätzen oder Mehrbedarfstatbeständen, begründen Sie, meine Damen und Herren Antragsteller, letztlich immer wieder mit Ihrer Auslegung des Begriffes „Kinderarmut“. Sie übersehen aber hier aus meiner Sicht, dass der Begriff „Armut“ relativ ist. Lassen Sie mich dazu noch zwei, drei Sätze sagen.
Ursprünglich ist unter diesem Begriff der Mangel an lebenswichtigen Gütern zu verstehen. Auch wird Armut durch einen Vergleich zum jeweiligen sozialen Umfeld bestimmt. Dann werden Kinder bereits als arm bezeichnet, wenn beispielsweise ihre Eltern von Fürsorge leben.
Diese Botschaft verkauft sich sicherlich relativ einfach, trifft aber schon vom rechtlichen Ansatz so nicht zu. So gleichen das SGB II und das SGB XII mehr als nur den Mangel an lebenswichtigen Gütern aus. Sie ermöglichen die Teilhabe am gesellschaftlichen Umfeld. Dieser kleine Unterschied sollte in Erinnerung bleiben, wenn von Leistungserhöhungen gesprochen wird.
Der Regelsatz, meine sehr verehrten Damen und Herren, beinhaltet lediglich eine politisch gewollte und vom Gesetzgeber gezogene Grenze. Er bildet die Schwelle zur Notwendigkeit staatlicher Fürsorge. Was aber unter Armut tatsächlich zu verstehen ist, definiert er leider nicht. Ich sehe aber keinen Grund dafür, das Regelsatzsystem als
Eine andere Frage ist, ob die derzeitige Bemessung der Regelsätze den spezifischen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen gerecht wird. Das bezweifle auch ich, denn es gibt aktuell keinen eigenständigen Kinderregelsatz. Der Bedarf von Kindern und Jugendlichen bestimmt sich vielmehr als eine sogenannte prozentuale Ableitung vom Eckregelsatz. Darin sind, um ein Beispiel zu nennen, Krawatten und Rasierapparate genauso enthalten wie spezielle Schuhe oder auch Bekleidung für Kinder. Ein solches Verfahren kann naturgemäß Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen nur eingeschränkt abbilden. Dies verdeutlicht auch die Problematik der heutigen Debatte zur Mittagsverpflegung oder auch von Schulmaterialien.
Sind Familien bedürftig, muss die gewährte Fürsorge die notwendigen Bedarfe abdecken. Das Problem besteht hierbei darin, dass es gegenwärtig keine wissenschaftlich nachprüfbare Datengrundlage zum spezifischen Bedarf von Kindern und Jugendlichen gibt. Alle derzeitigen Berechnungen, meine Damen und Herren, sind deshalb spekulativ. Wir plädieren dafür, dass zunächst eine sichere Datengrundlage für diese Argumentationslinie geschaffen wird.
Jetzt, Frau Herrmann, noch einmal die Erläuterung zu Ihrer Frage: Es gibt seit November 2007 einen einstimmig gefassten Antrag der Sozialministerkonferenz, der einen klaren Auftrag an die Bundesregierung formuliert, nämlich die Schaffung einer verlässlichen Datengrundlage, damit die Diskussion zu einem spezifischen Kinderregelsatz, basierend auf realistischen Daten und Fakten, beendet werden kann. Gegenwärtig – das ist der zweite Punkt, der bei Ihnen aufgrund der beiden Antworten der Staatsregierung zu Irritationen geführt hat –, ist aber auch eine länderübergreifende Meinungsbildung im Bundesratsverfahren noch nicht abgeschlossen. Es besteht nämlich die Überlegung, im Vorfeld der zu schaffenden Datengrundlage – das dauert ja eine Zeit – zumindest eine Öffnungsklausel in § 20 Abs. 1 SGB II zu einer abweichenden Bemessung der Regelleistung im Einzelfall einzufügen. Damit hätten es die Leistungsträger in der Hand, notfalls bis zur generellen Klärung auf Basis der von mir angekündigten Datengrundlage und der Veränderung des Regelsatzes eine Einzelfallentscheidung zu treffen. Deswegen stehen wir diesem Antrag prinzipiell offen gegenüber. Öffnungen über Mehrbedarfstatbestände, wie vom Antragsteller hingegen gefordert, werden wir im Interesse einer aus meiner Sicht ganzheitlichen Lösung möglichst zurückstellen bzw. ablehnen.
Meine Damen und Herren! Ich rufe jetzt zum Schlusswort auf. Ich gehe davon aus, dass Herr Neubert es halten wird. Sie können auch noch zur Debatte sprechen. Sie müssen sich jetzt nur entscheiden, was Sie tun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben, das möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen, als Linke einen Gesetzentwurf zum kostenlosen Mittagessen eingebracht. Wir haben als Linke – Herr Dulig, nicht wahr, Linke – –
Wir haben einen Gesetzentwurf zum Rechtsanspruch auf ganztätige Betreuung in der Kita eingebracht und das mit unserem alternativen Haushalt finanziell untersetzt. Ich habe hier dargelegt, wie viel das kostet usw. usf. Das heißt, Sie können uns nicht vorwerfen, dass wir hier nur Stückwerk machen. Unsere Vorschläge wurden abgelehnt. Nach den verbalen Äußerungen Ihrerseits sind Sie in der Pflicht, eigenständig etwas zu machen. Das ist die Ansage, damit die Staatsregierung aktiv wird. Übrigens passt das wunderbar mit Ihren Äußerungen der letzten Tage zusammen, Herr Dulig. Beschließen Sie das heute und die Staatsregierung wird aufgefordert, bestimmte Dinge zu tun.
Natürlich geht es hier nicht in erster Linie um Transferleistungen. Gerade bei den ersten Punkten geht es um das Bereitstellen von öffentlicher Infrastruktur zum Aufwachsen von Kindern. Das ist entscheidend und wichtig und wurde heute von allen deutlich gemacht. Deswegen wünsche ich mir, dass Sie zustimmen.
Ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den Herr Krauß bezüglich der Übernahme von Elternbeiträgen für sozial Schwache dargeboten hat. Natürlich findet das statt, aber auf der anderen Seite haben wir Zugangskriterien – Herr Krauß, das wissen Sie –, dass Kinder teilweise nur einen halben Tag oder gar nicht in die Kita gehen können.
Mir nützt die ganze Familienbildung in der Kindertagesstätte nichts, wenn ich die Kinder, die ich eigentlich erreichen will, davon ausschließe.
Ich wollte zu dem vorhergehenden Punkt kommen. Herr Neubert, Sie hatten gesagt, Sie haben durchgerechnet, wie viel alles kostet. Was kostet nach Ihrer Rechnung das kostenlose Mittagessen?
An der Stelle möchte ich auf das Protokoll der letzten Sitzung verweisen. Da habe ich das dezidiert vorgerechnet, da Frau Dr. Schwarz eine Untersetzung haben wollte. In unserem Gesetzentwurf haben wir gesagt, dass wir für ein kostenfreies Mittagessen für Grundschüler 30 Millionen Euro brauchen.
(Caren Lay, Linksfraktion: Das können wir uns leisten, weil Herr Milbradt doch angeblich so gut gewirtschaftet hat!)
Sehr geehrte Frau Orosz, Sie sind heute meines Erachtens in Ihrer Argumentation wieder zurückgefallen. Bei der Aktuellen Debatte, so erinnere ich mich, haben Sie eingeräumt, dass Kinderarmut tatsächlich ein Problem ist. Jetzt sind Sie wieder dahin gehend zurückgerudert, dass Sie sagen, Kinder, die Regelleistungen erhalten, sind nicht arm.
Kinder, die von Hartz IV leben – und das sagen massenhaft Studien aus –, sind von Armut betroffen. Dabei geht es um gesunde Ernährung und Gesundheit insgesamt sowie um die Diskriminierung in der Gesellschaft insgesamt etc. pp.
Es ist mit Entbehrungen unterschiedlicher Art verbunden. Selbstverständlich. Das habe ich vorhin in meiner Rede sehr differenziert dargelegt.
Den ersten Punkt Kinderarmutsbericht halten wir von der Datenlage her für wichtig. Die nächsten Punkte haben wir hier schon diskutiert. Ich bitte um Einzelabstimmung der Punkte mit den römischen Ziffern und bei Punkt II um eine Einzelabstimmung der Stichpunkte.
Herr Neubert, ist Ihr Punkt, der die Mehrwertsteuerabsenkung betrifft, nicht vielleicht kontraproduktiv in Ihrem Sinne; denn davon profitieren ja nicht nur die Eltern, die wir in erster Linie ins Auge fassen? Außerdem ist die Argumentation der Staatsregierung wirklich untersetzt. Bei Ländern, die das machen, ist nicht eingetreten, was wir uns erhoffen. Eingetreten sind aber Steuermindereinnahmen. Können wir die Mittel nicht an anderer Stelle besser einsetzen?
Man könnte darüber diskutieren. Aber es ist für uns einfach nicht nachvollziehbar, warum Lebensmittel zum Beispiel 7 % haben, doch die Kindersachen nicht. Das ist einfach unsere Herangehensweise.