Protocol of the Session on March 7, 2008

Ich möchte noch einmal kurz auf die Schöpfung eingehen. Wenn denn die gentechnische Veränderung des Organis

mus ein Eingriff in die Schöpfung ist – das ist unbestritten so –, dann ist die gesamte Zucht ein selbiger Eingriff, der unterlassen werden müsste. Jeder Kleintierzüchterverein könnte im Prinzip seine züchterische Tätigkeit einstellen. Ansonsten sind mir ja auch, meine Damen und Herren von der braunen Seite, die Werte, Art und Rassenerhaltungsprogramme von Ihrer Seite oder Ihren Vorvorgängern bekannt, die sicher noch mehr zu hinterfragen sind als gentechnisch veränderte Organismen.

(Alexander Delle, NPD: Dieser historische Scheiß!)

Ich möchte weiterhin darauf hinweisen, dass wir nach wie vor nicht dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bedingungslos das Wort reden, sondern einfach möchten, dass die Forschung und der Anbau unvoreingenommen und kritisch betrachtet werden und möglich sind.

Ich möchte auf ein Beispiel aus der roten Gentechnik verweisen. Vor ungefähr 20 Jahren hat die Firma Hoechst es geschafft, Insulin mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen herzustellen. Der entsprechende Zulassungsantrag für die großtechnische Produktion dauerte dreizehneinhalb Jahre. Er wurde letzten Endes nur deswegen genehmigt, weil mittlerweile überall in der Welt Insulin auf diese Art und Weise hergestellt und nach Deutschland eingeführt wurde. Dann war die Genehmigung nicht mehr zu umgehen. Das wollen wir uns in diesem Fall ersparen. Wir wollen uns die Technologien nicht von den sogenannten Schwellenländern vormachen lassen.

Ich möchte zum Abschluss noch einmal all diejenigen bitten, die sich nun so gegen die Gentechnik aussprechen, ihren Kampf gegen die Gentechnik parlamentarisch mit seriösen Mitteln zu führen und nicht die Landwirte und deren Familien an den Pranger zu stellen oder aber mittels Straftaten Saaten usw. zu vernichten.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich möchte Ihnen noch ein Zitat von Wilhelm Busch mit auf den Weg geben. Er hat zwar nicht unbedingt in diesem Zusammenhang, aber doch treffend gesagt: „Gewisse Dinge greift man so vergeblich mit Worten an wie Geister mit Waffen.“ Dazu gehören gut gepflegte Vorurteile. Sie können sie gern weiter pflegen und in die Welt hinaustrompeten, aber bitte in einer Form, dass Landwirte nicht um Leib und Leben, Hab und Gut fürchten müssen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Ich erteile das Wort der Linksfraktion; Frau Kagelmann, bitte.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Herr Günther, wenn, um einmal an Ihr Beispiel anzuknüpfen, das erste Retortenbaby einen Fischschwanz ausgebildet hätte, wäre sicherlich der Aufschrei recht groß gewesen. Genau da liegt das Problem der gründen Gentechnik und der GRÜ

NEN insbesondere: dass hier nämlich über Artgrenzen hinweg unkalkulierbar experimentiert wird.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Das passiert eben so nicht in der Natur. In der Agrogentechnik passiert im Moment genau das. Man baut unter anderem Fischgene in Pflanzen ein. Das ist das Problematische, Herr Günther.

(Dr. Andreas Schmalfuß, FDP: Das stimmt!)

Die Linksfraktion lehnt den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Organismen aus naturschutzfachlichen, aber auch aus wirtschaftlichen und vor allem aus entwicklungspolitischen Gründen ab. Meine Kollegin Altmann hat dies bereits recht ausführlich dargelegt.

In meinem Heimatkreis, einem landwirtschaftlich geprägten Kreis, werden bisher keine gentechnisch veränderten Pflanzen angebaut. Auch der künftige Landkreis Görlitz ist noch GVO-frei. Demgegenüber gibt es eine ausgewiesene kreisübergreifende gentechnikfreie Region auf der Basis einer freiwilligen Selbstverpflichtung der betreffenden Landwirte, nämlich im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide und Teichlandschaft.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Das ist eigentlich eine gute Basis für eine relativ unbefangene gesellschaftliche Diskussion um das Für und Wider der Agrogentechnik, unbefangen, weil nicht zwangsläufig eine Frontstellung zwischen Anwendern und prinzipiellen Gegnern entsteht, relativ, weil auch der NOL natürlich nicht von der laufenden gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung abgekoppelt ist.

Jedenfalls war ich doch mittelmäßig erstaunt, welchen Aufruhr ein simpler Antrag der Linksfraktion im Kreistag des NOL zur grünen Gentechnik zunächst im Kreisausschuss auslöste – ein Beschluss, der nicht mehr sein kann und will als ein Appell an die Landwirte im kommunalen Verantwortungsbereich, auch weiterhin auf den Anbau von Gentech-Pflanzen zu verzichten, ein Signal freilich auch der Ermutigung in Richtung außerparlamentarischer Bündnisse und Initiativen. Der NOL wäre nicht einmal Vorreiter. In Chemnitz, in Leipzig, im Landkreis Meißen, im Muldentalkreis gibt es bereits ähnliche Beschlüsse. Schauen wir in die alten Bundesländer, da wimmelt es von solchen Initiativen.

Der Antrag meiner Kreistagsfraktion ist datiert vom April 2007. Im Juni 2008 werden die Kreisräte nun abschließend beraten. Dazwischen gab und gibt es reichlich Bewegung. Die Linksfraktion diskutierte öffentlich. Wir befragten schriftlich die Landwirte im NOL und erhielten, zugegeben, nicht gerade massenhaft, aber teilweise auch anonym Antwort. Der Wirtschaftsausschuss holte sich unabhängigen Sachverstand dazu. Im April wird es eine weitere Runde im Rahmen des Fachausschusses mit Landwirten und Imkern geben. Die Diskussion wird rege von regionalen Medien begleitet.

Ich gebe gern zu, dass ich als Vorsitzende der Linksfraktion NOL den Beschluss eigentlich bis zum Jahresende 2007 abgearbeitet wissen wollte, zumindest aber noch vor der Frühjahrsbestellung 2008. Inzwischen bewerte ich den Diskussionsverlauf durchaus positiv, weil sich alle Fraktionen und der Fachausschuss unter Einbeziehung der Öffentlichkeit intensiv mit diesem existenziellen Thema auseinandersetzen und weil ich fraktionsübergreifend den zaghaften Willen zu erkennen glaube, dass man fernab von ideologischen Barrieren zu einem gemeinsam getragenen Beschluss gelangen möchte. Deshalb bleibe ich auch bis zur abschließenden Beratung optimistisch.

Meine Damen und Herren! Die Büchse der Pandora öffnet man nur einmal. Man kann nicht vorsichtig schauen, was vielleicht passiert, weil man mit der Freisetzung, mit dem kommerziellen Anbau die Risiken bereits eingegangen ist, die eigentlich durch langwierige Monitoringprogramme erst untersucht werden sollten. Deshalb muss man sich heute entscheiden. Wenn das auf EU-, Bundes- oder Landesebene aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist, muss die Kommune als Ausbremser der kommerziellen Anwendung der Agrogentechnik wirken, und sei es nur über das Mittel einer Willensbekundung.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die Bewertung von Sinn und Unsinn der grünen Gentechnik besitzt eine weite ethische Dimension, die zu beschreiben nun einmal Aufgabe von Politik auch auf kommunaler Ebene ist. Es hat nichts, aber auch gar nichts mit Technikfeindlichkeit zu tun, wenn man Technologien ablehnt oder auf geschlossene Systeme begrenzt, deren Wirkungen nicht zurückgeholt werden können, denn es gibt für Fehlentwicklungen in diesem Bereich keine Rückrufoption und keinen Abbruchcode.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Wird von der FDP-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die NPD-Fraktion. – Auch nicht. Die FDP? – Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat mit der Initiierung ihrer Hightech-Strategie schon ganz richtig erkannt, dass der Erhalt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze für die Zukunft der Menschen in Deutschland von entscheidender Bedeutung sind. Leider handelt die Große Koalition auf Bundesebene aber nicht gemäß dieser Erkenntnis, denn zur Umsetzung der Hightech-Strategie ist auch ein innovationsfreundliches Gentechnikgesetz von entscheidender Bedeutung.

Die erst im Januar im Deutschen Bundestag behandelte Gesetzesnovelle wurde von der Max-Planck-Gesellschaft, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie, dem Bund Deutscher Pflanzenzüchter sowie dem Bauernverband eindeutig als innovationsfeindlich kritisiert. Die Gesetzesnovelle

böte keine geeigneten Rahmenbedingungen für heimische Forschungsinstitutionen und Unternehmen, die Zukunftschancen der Züchtungsmethode zu nutzen, so die Kritik.

Darauf müssen wir auch aus Sachsen immer wieder hinweisen, denn statt Forschung und Entwicklung im Interesse von Verbrauchern und der Landwirtschaft für Forschungsinstitute und Unternehmen weiter zu erleichtern, führt das Gentechnikgesetz dazu, dass Firmen ihre Züchtungen wohl über kurz oder lang in das Ausland verlegen werden. Dabei hat der Bt-Mais-Anbau im vergangenen Jahr gezeigt, dass die Koexistenz in Deutschland, im Übrigen auch im Freistaat Sachsen – hier macht er nur etwa einen Flächenanteil von 0,75 % aus; aber das nur am Rande –, ohne große Mühe organisiert werden kann, übrigens auch ohne die in einer Verordnung festgeschriebenen Abstandsregeln.

Koexistenz kann organisiert werden und ist in Deutschland erfolgreich organisiert worden. Es gab im vergangenen Jahr keine Streitfälle aufgrund von Auskreuzungen. Dafür aber gab es, Herr Lichdi, enormen Streit mit sogenannten Feldbefreiern, einer Gruppe von selbsternannten Revolutionären, die meinten, sie hätten das Recht, die entsprechenden Anbauflächen und damit fremdes Eigentum zu zerstören.

(Thomas Colditz, CDU: Unverschämt!)

Die in Deutschland geführte Debatte über grüne Gentechnik gleicht Don Quichottes Kampf gegen Windmühlen. Wir können in Europa keinen Sonderweg gehen. Gerade wir hier in Sachsen sind vielmehr als Wissenschaftsstandort gefordert, vermehrt in Forschung und Entwicklung sowie in Züchtungen zu investieren, um die kommenden Herausforderungen wie den Klimawandel, die Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung oder die energetische Nutzung von Biomasse zu meistern. Dafür brauchen wir gentechnische Züchtungsverfahren. Was wir hingegen gar nicht brauchen, ist Angstmacherei.

Sehr geehrte Fraktion der GRÜNEN: Im Dresdner Stadtrat haben Sie für Dresden eine gentechnikfreie Zone gefordert.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Richtig!)

Damit soll jeglicher Fortschritt im Dresdner Raum bereits im Keim erstickt werden.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE: Blödsinn!)

Dazu kann ich nur sagen: So etwas ist technikfeindlich, innovationsfeindlich und zutiefst unverantwortlich.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Solch eine Politik gefährdet den Wissenschafts- und Forschungsstandort in Dresden und damit auch des Freistaates Sachsen.

Meine Damen und Herren, über Chancen können Sie mit uns immer sprechen. Ihre durch nichts belegten Risikobetrachtungen lehnen wir aber als grüne Angstmacherei ab.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Die Fraktion GRÜNE hat noch eine Minute Redezeit. Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Diese bewusste Vermischung, die hier seitens des Kollegen Heinz stattfindet, ist de facto eine reine Verharmlosung; und die Stilisierung der Gentechnik als Zukunftstechnologie, wie es gerade Herr Kollege Schmalfuß versucht hat, ist auch schon längst widerlegt.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Das hat nichts mit grüner Technikfeindlichkeit zu tun, sondern schlicht und ergreifend mit dem rationalen Willen, etwas zur Kenntnis zu nehmen, was die Wissenschaft sagt und was uns die wirtschaftliche Entwicklung beispielsweise in Nord- und Südamerika, wo wir diesen Gendreck leider schon lange haben, zeigt. Herr Kollege Heinz, durch die Wiederholung wird es einfach auch nicht wahrer, wenn Sie hier die ganze Zeit davon sprechen, es handle sich bei der Gentechnik um eine Züchtungsmethode.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)