Protocol of the Session on March 7, 2008

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war gut, dass wir heute über den Antrag gesprochen haben. Ich bedanke mich auch für die sachliche Auseinandersetzung von nahezu allen Fraktionen. Wenn der Kultusminister bittet, dass wir ihn bei den Haushaltsverhandlungen und den Schulsanierungsmitteln unterstützen sollen, dann machen wir das sehr gern. Da werden bald böse Blicke vom Finanzministerium kommen.

Von der Linksfraktion kam der gutgemeinte Ratschlag, das alles im Ausschuss zu diskutieren. Dazu meine ich, dass es erstens gut ist, wenn die Öffentlichkeit sieht, dass wir uns mit solchen Themen im Landtag beschäftigen, was im Ausschuss nicht möglich ist, und zweitens beschwert sich die Linksfraktion immer, dass die Diskussion im Ausschuss nicht ergebnisoffen geführt wird und ihre Anträge abgelehnt werden. Das ist ja auch so. Deswegen ist es gut, dass wir das eine oder andere Thema hier ausdiskutieren.

Die meisten Fraktionen bis hin zum Koalitionspartner, bis hin zur Selbstkritik des Kultusministers, haben den Bedarf gesehen, dass man etwas ändern muss. Wir sollten weiter dafür kämpfen, weniger Bürokratie zu haben und weniger Steine in den Weg zu legen. Natürlich haben auch die Kommunen eine Verantwortung, müssen ihre Unterlagen einreichen und sich selbst darum bemühen. Es hilft uns aber auch nicht, die Kommunen zu beschimpfen, sie würden nichts machen. Die meisten Kommunen haben trotz schwieriger Haushaltslage versucht, für Kindertagesstätten und Schulen Mittel freizumachen, und sind selbst an die Grenzen gegangen.

Lars Rohwer hatte gefragt, was 5 oder 10 % weniger ausmachen. Wenn einige Kommunalpolitiker, auch von der CDU, hören, dass es auf 5 oder 10 % nicht ankomme, wären sie nicht erfreut. Das ist bares Geld und nicht gerade wenig, wenn man weiß, wie kurz die Finanzdecke im kommunalen Bereich ist. Es sind manchmal ein paar Tausend Euro, um die in den Stadträten heftig gestritten wird. Ich denke, man sollte sich nicht aufs hohe Ross setzen und sagen: Was sind schon die paar Euro mehr oder weniger?! Das ist richtig Geld. Das können nur Leute sagen, die wenig Verbindung zur kommunalen Ebene haben.

(Beifall bei der FDP)

In Richtung Großzügigkeit können wir als FDP es uns jetzt einmal leisten, irgendwo über 5 % zu reden. Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie heute noch 5 % weniger im Wahlergebnis hätten, wüsste ich nicht, ob Sie noch in der Regierung säßen. Ich wüsste auch nicht, ob Lars Rohwer noch Ausschussvorsitzender wäre. Deshalb zeigen Sie sich lieber nicht so großzügig und behalten Sie die Prozente beisammen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das war das Schlusswort, meine Damen und Herren. Ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache 4/11366 und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Wer stimmt nicht zu? – Wer enthält sich? – Bei Enthaltungen und einer größeren Anzahl von Jastimmen ist der Antrag dennoch mehrheitlich abgelehnt worden. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Exzellenz braucht Chancengleichheit – die Hälfte der neuen Professuren bis 2020 an Frauen

Drucksache 4/10663, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die einreichende Fraktion beginnt. Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte Sie um Aufmerksamkeit für den letzten Antrag dieser Plenarwoche. Es ist ein Antrag, der die Brücke zum morgigen 8. März schlägt.

Die Vereinten Nationen haben den Internationalen Frauentag in diesem Jahr unter das Motto „Investieren in Frauen und Mädchen“ gestellt. Es geht um die Herstellung von Chancengleichheit und um deren Finanzierung. In wenigen gesellschaftlichen Bereichen zeigen sich Geschlechterunterschiede so deutlich wie in jenem, der seinem Anspruch nach am aufgeklärtesten sein müsste: in der Wissenschaft.

Lassen Sie mich deshalb mit Worten beginnen, denen eigene Erfahrungen der renommierten Berliner Rechtsprofessorin Susanne Baer, bis 2006 Vizepräsidentin der Humboldt-Universität zu Berlin, zugrunde liegen. Zitat: „Viele Kolleginnen und Kollegen wollen sich nicht so gern mit Gleichstellung, sondern lieber mit Wissenschaft befassen. Gleichstellung wird in der Praxis zwar nur noch von ganz wenigen offen attackiert. Aber viele reagieren empfindlich, oft genervt, gelangweilt, subtil umgehend, ironisch arrogant oder aggressiv, wenn die Frage nach Gleichstellung in der Wissenschaft gestellt wird. Die Forderung, Gleichstellung zu einem harten Kriterium bei der Stellenbesetzung oder bei der Mittelzuwendung zu machen, wird als externe Zumutung, als Eingriff in die akademische Freiheit, als sachfremde Störung des Strebens nach Erkenntnis abgelehnt. Auch deshalb ist es gerade in Leitungspositionen nicht so einfach, wirklich aktiv für Gleichstellung einzutreten und zu wirken, und zwar auf allen drei Ebenen: in den Institutionen, in der Kultur und in den Köpfen. Wenn wir aber diesen Haken nicht lösen, passiert nicht viel.“ So weit Susanne Baer.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Geschlechterunterschiede in der Wissenschaft sind unübersehbar. Mittlerweile studieren zwar ebenso viele Frauen wie Männer, aber deutlich weniger Frauen als Männer promovieren und habilitieren. Im Ergebnis werden lediglich 14 % der Professuren an sächsischen Hochschulen von Frauen wahrgenommen. Auch in den Hochschulgremien ist das Geschlechtergefälle deutlich. Während in den künftig wegfallenden Konzilen immerhin zu knapp einem Drittel Frauen sitzen, kommen in den sächsischen Hochschulleitungen auf eine Frau fünf Männer. Noch schlimmer sieht es in den Kuratorien aus: Auf eine Frau kommen 14 Männer.

Meine Damen und Herren von der Koalition, ausgerechnet die Gremien mit dem geringsten Frauenanteil wollen Sie mit Ihrem Hochschulgesetz aufwerten.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Sachsen bei der Chancengleichheit von Männern und Frauen in der Wissenschaft im Deutschlandvergleich ohnehin ganz hinten liegt. Jüngst veröffentlichte Studien zeigen aber, dass Chancengleichheit einen ganz wesentlichen Einfluss auf wissenschaftliche Exzellenz hat.

Nicht umsonst sind die Freie Universität Berlin, die Georg-August-Universität Göttingen, die Technische Universität München auch in der Spitzengruppe bei der Chancengleichheit von Frauen in der Wissenschaft. Die sächsischen Hochschulen und Sachsen in der Länderbewertung liegen in diesem Vergleich zwischen unterem Mittelfeld und Schluss.

Es ist also höchste Zeit zu handeln. Denn längst ist klar, dass Chancengleichheit an Hochschulen nicht nur eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit ist, also des guten Rechts von Frauen auf einen Spitzenjob; sie ist ebenso ein Gebot der wissenschaftlichen und ökonomischen Vernunft. Das enorme Potenzial von Frauen in Wissenschaft und Hochschule darf nicht weiter verschleudert werden. Auf den Punkt gebracht: Exzellenz braucht Chancengleichheit.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Forschung, welche die Perspektive von Frauen ausblendet, weist potenziell qualitative Defizite auf. Die Ingenieurwissenschaften verfehlen Märkte, solange sie nicht systematisch reflektieren, dass Frauen und Männer in unterschiedlichen Lebenslagen Technik unterschiedlich nutzen und benötigen.

Auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften werden viele Forschungsfelder nur unzureichend behandelt, solange die Dimension von Frauen außen vor bleibt. Dass eine qualitativ exzellente Forschung ohne Frauen nicht auskommt, haben Hochschulen nicht nur in Deutschland, sondern vor allem im angelsächsischen Raum mit dem Schlagwort Diversity, zu Deutsch Unterschiedlichkeit, längst erkannt. Was bleibt also zu tun?

Die bisherige Gleichstellungspolitik mit den Instrumentarien der Gleichstellungsbeauftragten, der Frauenförderpläne und vereinzelten Förderprogrammen für den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs hat sich als richtig

und notwendig erwiesen. Sie ist aber unzureichend für eine tatsächlich gleichberechtigte Repräsentanz in den leitenden Positionen der sächsischen Hochschulen.

Ebenfalls notwendig, aber auch nicht hinreichend ist die schrittweise Realisierung von familien- bzw. kinderfreundlichen Bedingungen an Hochschulen. Wenn die strukturelle Benachteiligung von Frauen in der Wissenschaft aber beseitigt werden soll, dann setzt das vor allem verbindliche Zielstellungen in der Frauenförderung voraus. Viele Frauen brechen schon vor der Familiengründungsphase ihren wissenschaftlichen Karriereweg ab. Bei allen Stufen wissenschaftlicher Laufbahnentscheidungen wirken subtile Diskriminierungsmechanismen einer vorwiegend männlich geprägten Wissenschaftskultur; auch wenn das etliche Herren hier im Hause zumindest innerlich sofort wieder bestreiten werden.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wissenschaftsrat und Hochschulrektorenkonferenz haben das Problem längst erkannt und fordern deshalb intelligente und ehrgeizige Zielstellungen.

Weil die Professur die zentrale und die wichtigste Position im Hochschulwesen darstellt, muss jede Verbesserung der Chancen von Frauen in der Wissenschaft an dieser Stelle ansetzen. Deshalb fordern wir eine klare Zielsetzung, die sich auf die gesamte Personalentwicklung der Hochschulen auswirken muss: Die Hälfte aller neuen Professuren bis 2020 muss an eine Frau gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Dieses Ziel, das gebe ich zu, ist ehrgeizig. Aber ohne Ehrgeiz kommen wir nicht weiter. Wir sehen uns durch das Beispiel anderer Bundesländer bestätigt. Länder wie Niedersachsen und Berlin haben vorgemacht, dass durch ehrgeizige Zielvereinbarungen und flankierende gesetzliche Regelungen mit über 20 % der Professuren deutlich mehr Frauen in Spitzenpositionen kommen.

Seit Anfang der Neunzigerjahre müssen in Niedersachsen 40 % der Gremienvertreter weiblich sein – eine Regelung, die auch unser grüner Hochschulgesetzentwurf vorsieht. An dieser Philosophie – verbindliche Regelungen anstelle unverbindlicher Absichtsbeteuerungen – muss sich Sachsen orientieren.

Mit dem Ziel, jede zweite neue Professur an Frauen zu vergeben, soll eine Dynamik in der Personalentwicklung in Gang gesetzt werden. Dabei geht es uns nicht um eine starre Quote, sondern um eine Zielsetzung, die im Rahmen von Zielvereinbarungen von den Hochschulen flexibel und eigenverantwortlich umgesetzt werden kann. Damit sollen die Hochschulen in die Lage versetzt werden, auf spezifische Problemlagen zu reagieren und Instrumente für eine geschlechtergerechte Personalentwicklung über den gesamten Karriereverlauf zu entwickeln.

Wenn einzelne Fakultäten wissen, dass sie bis 2020 eine bestimmte Anzahl von Frauen auf ihre Professuren

berufen müssen, dann sind sie im eigenen Interesse gehalten, die besten Studentinnen zu finden, sie zu fördern, und die besten Nachwuchswissenschaftler zu promovieren. Das mit der Juniorprofessur verbundene Instrument des „tenure track“ kann insbesondere für die Förderung des weiblichen Wissenschaftsnachwuchses gezielt eingesetzt werden. Die Hochschulen haben es also selbst in der Hand.

Notwendig sind über die Besetzung von Professuren hinaus auch flankierende Maßnahmen. Deshalb schlagen wir die Berücksichtigung von Gender bei Förderung und Evaluation von Forschung und Lehre, dazu GenderBudgeting sowie die Einrichtung von geeigneten Instrumenten für Personalentwicklung vor. Der Freistaat kann und sollte hier den Hochschulen gezielt beratend zur Seite stehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, dass einige – nicht nur hier, sondern insbesondere in der Wissenschaft – diese Forderung als zu ehrgeizig und als zu radikal ablehnen. Genau das ist meines Erachtens Teil des Problems.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir können die Gleichstellung von Männern und Frauen in Institutionen, in der Kultur und in den Köpfen nur verwirklichen, wenn wir erkennen, dass versteckte Diskriminierungen nur durch verbindliche Regelungen zu brechen sind und wenn wir das unserem politischen Handeln zugrunde legen.

Wir erwarten von der Koalition eine Zustimmung zu diesem Antrag und damit ein deutliches Signal für Exzellenz und Chancengleichheit. In ihrem Hochschulgesetzentwurf hat die Koalition bisher eine große Chance für die Frauenförderung vertan. Mit einem Bekenntnis zu verbindlichen Regelungen zur Frauenförderung an den Hochschulen kann die Staatsregierung die längst überfällige gleichstellungspolitische Wende in der sächsischen Wissenschaftspolitik vollziehen.

Vielleicht hilft es einigen ja, wenn sie sehen, was es zu gewinnen gilt; denn wir gewinnen mit diesem ehrgeizigen Ziel – ich zitiere abschließend erneut Susanne Baer – „sowohl im Wettbewerb um Personal als auch im Wettbewerb um die beste Erkenntnis. Die Wissenschaft muss sich bewegen, und die zuständigen Ministerien und fördernden Mittelgeber können das forcieren. Nur weiter warten, prüfen, wägen, das ist nicht mehr angesagt.“

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Danke schön. – Das war die einreichende Fraktion. Es folgt die CDU. Herr Hermsdorfer, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Gerstenberg, dem Inhalt stimmen wir ja zu,

(Lachen bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

zumindest in dem Punkt, dass wir beste Exzellenz unabhängig von der Geschlechterspezifik an unseren sächsischen Universitäten und Hochschulen etablieren wollen.

Selbst bislang ist es Bestandteil des Gesetzes, das für unsere Hochschulen aktuell gültig ist, dass wir Frauen in der Auswahl berücksichtigen und fördern wollen und dass wir im Auswahlverfahren auch entsprechende Regelungen beachten, sodass Frauen eine herausgehobene Chance bei der Vergabe von Professorenstellen und anderen Stellen an den sächsischen Hochschulen erhalten.