Selbst bislang ist es Bestandteil des Gesetzes, das für unsere Hochschulen aktuell gültig ist, dass wir Frauen in der Auswahl berücksichtigen und fördern wollen und dass wir im Auswahlverfahren auch entsprechende Regelungen beachten, sodass Frauen eine herausgehobene Chance bei der Vergabe von Professorenstellen und anderen Stellen an den sächsischen Hochschulen erhalten.
Im Referentenentwurf des neuen Hochschulgesetzes, das dem Parlament zwar noch nicht zugeleitet ist, das wir aber sicherlich alle kennen, sind entsprechende Regelungen berücksichtigt. Ich gehe fest davon aus, dass damit auch der Genderprozess an den sächsischen Hochschulen fortgesetzt wird.
Lassen Sie mich kurz noch ein paar Beispiele nennen: Im Bund-Länder-Programm aus dem Jahre 2007 sind 150 Millionen Euro vorgesehen, um Professorinnenstellen an deutschen Universitäten und Hochschulen zu schaffen. Weitere Einzelmaßnahmen – so besagt es die Antwort der Staatsregierung – sind im Bund-Länder-Programm bereits umgesetzt. Das seit 2007 gültige neue ESF-Programm lässt neue Tatbestände zu. So haben wir auch im Freistaat Sachsen Überlegungen angestellt, durch das ESF-Programm Erleichterungen für Professorinnen und Frauen im Mittelbau der sächsischen Universitäten zu erreichen. Insbesondere betrifft dies kinderfreundliche Regelungen an den Hochschulen.
Eine weitere Million Euro gibt es vom Bund aus dem Hochschulpakt 2020 für die Gewinnung von Studentinnen in naturwissenschaftlichen und ingenieurtechnischen Fachgebieten.
Dennoch bleibt für uns der Grundsatz – ich denke, darüber sind wir uns in diesem Haus weitgehend einig –, dass es nicht darum geht, nach geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten beste Exzellenzen an unseren Universitäten auszuwählen, sondern darum, Exzellenz nach wie vor danach zu bestimmen, wer die besten Fachleistungen bringt, um so unsere Universitäten voranzubringen.
Wir sollen bis 2020 die Hälfte der Professurenstellen mit Frauen besetzen. Es würde somit nach geschlechterspezifischen Grundsätzen beurteilt und nicht mehr nach Exzellenz. Wie das bei dem
Wettbewerb der Hochschulen im nationalen und internationalen Rahmen funktionieren soll, ist fraglich.
Verstehe ich Sie richtig, dass Sie meinen, dass der geringe Frauenanteil in der Wissenschaft aufgrund ihrer mangelnden Kompetenz entstanden ist?
Der vorliegende Antrag der GRÜNEN trifft nicht unsere Intention. Ich denke auch nicht, dass er unseren Fachhochschulen und Universitäten gerecht wird. Aus diesem Grund lehnen wir den Antrag ab.
Herr Präsident! Geehrte Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass es mir nach der gestrigen Debatte, die ich furchtbar fand, nicht leicht gefallen ist, den Ball wieder aufzunehmen. Immer dann, wenn es um konkrete politische Handlungen geht, die tatsächlich Diskriminierung abbauen, die tatsächlich Chancengleichheit ermöglichen sollen, kommt das eben nicht von allein. Es ist Aufgabe der Politik, Herr Hermsdorfer, hier einzugreifen und Gerechtigkeit herzustellen.
Andererseits gibt mir die Antwort von Frau Ministerin Stange in Teilen auch Hoffnung. Ich weiß, dass Ihnen, Frau Ministerin Stange, dieses Thema wirklich wichtig ist. Denn es ist nun einmal ungerecht, wenn die begabten und leistungsstarken Frauen plötzlich verschwinden – teilweise aufgrund der Übernahme stereotyper Verhaltensmuster, aber eben auch aufgrund der Doppelbelastung, Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu müssen. Und mindestens genauso frustrierend ist dann die Erfahrung für Frauen, irgendwann gegen eine gläserne Decke zu stoßen, – –
Mindestens so frustrierend ist also die Erfahrung für Frauen, irgendwann an eine gläserne Decke zu stoßen, die ihrem beruflichen Aufstieg unsichtbare Grenzen setzt.
In diesem Zusammenhang können wir den Sächsischen Hochschulbericht heranziehen. Ich möchte lieber zitieren, damit wir auf der Sachebene bleiben und nicht weiter unterirdisch diskutieren.
Im Sächsischen Hochschulbericht heißt es: „Es zeigt sich, dass an den Universitäten insbesondere in den höheren Qualifikations- sowie Hierarchiestufen eine starke Selektivität nach Geschlecht besteht. So haben zum Beispiel Absolventinnen der Naturwissenschaften an sächsischen Universitäten insgesamt weniger als ein Viertel der Chancen auf eine Professur im Vergleich zu den ehemaligen Kommilitonen männlichen Geschlechts aus der gleichen guten Ausbildung. Auch wenn sie keine Professur anstreben, werden sie an sächsischen Universitäten im Schnitt nur zu etwa einem Viertel auf unbefristeten Vollzeitstellen beschäftigt. Dagegen ist der Frauenanteil bei befristeten Teilzeitstellen deutlich überproportional.“
Vergleicht man die Ergebnisse der Universitäten in Sachsen insgesamt mit denen der Fachhochschulen, so gewinnt man den Eindruck, dass es bei den Universitäten eine geschlechtsspezifische Einstellungspraxis geben könnte, nach der Frauen eher die unsicheren Stellen erhalten, also Projekt- und Drittmittelstellen. Sollte sich dies bei weiteren Analysen bestätigen, wäre fraglich, wie dies mit dem Verfassungsrang der Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern wirklich vereinbar ist. Es gibt also offenbar soziale Mechanismen, die dazu führen, dass Geschlechtergerechtigkeit nicht verwirklicht wird. Hier sind die Universitäts- und Hochschulleitungen, aber auch die Politik gefragt, den Ursachen dieser Mechanismen noch genauer nachzugehen und entsprechende Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Wo liegen nun die Ursachen für diese Situation der Frauen in der Wissenschaft? Welche Barrieren werden ihnen beim beruflichen Aufstieg in den Weg gelegt? Ich denke, wir finden die Ursachen sowohl in der besonderen Situation berufstätiger Frauen als auch berufstätiger oder studierender Mütter und Väter, also eben auch in den Auslese- und Arbeitsbedingungen der Universität. So finden wir an den Hochschulen immer noch eine von Männern geprägte wissenschaftliche Welt, aber auch gesellschaftlich verfestigte Rollenbeschreibungen, und wir finden familienfeindliche Strukturen und Anforderungen.
Wir als Linksfraktion haben eine Umfrage unter Promovierenden gemacht. Eine Frage dabei bezog sich auf das Problem der Vereinbarkeit von Promotion und Familie. Nur ein Zitat: „Ja, zunächst war völlig unklar, ob ich mir die Promotion leisten kann. Schließlich wären außeruniversitäre Arbeit zur Deckung des Lebensunterhaltes, Kindererziehung und Promotion zeitlich nicht vereinbar gewesen. Jetzt, mit einer Stelle an der Universität, habe ich im gewöhnlichen Lehrbetrieb zu viele Aufgaben, um einen angemessenen zeitlichen Anteil für meine Promotion während der Arbeitszeit zu haben, obwohl mir dieser eigentlich vertraglich zustünde. Folglich entsteht die Promotion in Überstunden, die wiederum zulasten meines
Kindes gehen. Prinz ipiell habe ich ständig ein schlechtes Gewissen, weder meiner Promotion noch meinem Kind gerecht zu werden.“
Wir haben eine überholte Personalstruktur mit privilegierten männlichen Professoren im Beamtenstatus. Sie, Herr Hermsdorfer, sollten sich wirklich einmal mit Frauenbeauftragten unterhalten. Sie werden ihnen Geschichten erzählen, wie es diese Professoren immer wieder schaffen, Frauen aus den Berufungsverhandlungen zu kippen oder ihnen später das Leben schwer zu machen. Warum es für unsere Gesellschaft so wichtig ist, dem entgegenzusteuern, haben wir schon sehr oft diskutiert: Fachkräftemangel, Abwanderung usw. Es bedarf also – da gebe ich der GRÜNE-Fraktion vollkommen recht – sowohl entsprechender finanzieller Mittel als auch Regelungen innerhalb des zukünftigen Hochschulgesetzes bzw. in den Entwicklungsvereinbarungen und in der entsprechenden leistungsorientierten Mittelvergabe.
Die Linksfraktion hat kürzlich auch einen Gesetzentwurf vorgelegt und in den Landtag eingebracht. Dieser wurde leider von Ihnen abgelehnt. Aber die Zielsetzung des GRÜNE-Antrags findet sich auch in unserem Entwurf wieder. Es geht also um eine verbindliche Quotierung von Stellen mindestens entsprechend dem Frauenanteil einer vorangehenden Qualifikationsstufe für eine schrittweise Erhöhung des Frauenanteils in allen Personalkategorien mit dem Ziel der Parität. Das ist ganz klar.
Erfolg und Misserfolg in der Frauenförderung müssen zu einem zentralen Kriterium bei Systemen der leistungsorientierten Mittelvergabe werden. Worüber wir auch dringend nachdenken müssen, ist, dass der lange männlich geprägte Ausbildungsprozess im Wissenschaftssystem und die sich selbst reproduzierende Personenrekrutierung an den Hochschulen durch Neugestaltung von Qualifikationswegen behandelt werden müssen. Ich denke, wenn wir im Ausschuss über die Promotion reden, wird genau das ein wichtiger Punkt für uns sein müssen.
Es geht natürlich auch um eine institutionelle Stärkung von Frauenbeauftragten an Hochschulen und ebenso in den Forschungseinrichtungen. Das Mindeste aus unserer Sicht wäre, den Gleichstellungsbeauftragten mehr Eingriffs- und Beteiligungsrechte anzutragen, zum Beispiel auch in den Berufungsverfahren. Besser wäre aus unserer Sicht eine geschlechterparitätische Besetzung der Berufungsgremien. Sie haben sicherlich auch schon davon gehört, dass es Untersuchungen gibt, die zeigen, dass bei der Besetzung von Stellen mit einem hohen Status nicht vordergründig Leistung entscheidet, sondern eben auch ein gewisser Kodex, den die Person mitbringen muss, den der, der die Stelle will, mit dem, der die Stelle vergibt, gemeinsam haben sollte. Das wird zwischen Frauen und Männern noch sehr lange sehr unterschiedlich sein und deswegen wäre ein höherer Frauenanteil in den Berufungskommissionen ein Weg.
Es gibt noch einen weiteren Vorschlag – das wurde heute bereits angesprochen –, der fast kostenneutral ist: die viertelparitätische Besetzung der Hochschulgremien. Wenn nämlich weniger Professoren in den Gremien sind, aber mehr Studierende und andere Hochschulangehörige, dann wird sich auch die Frauenbeteiligung erhöhen, die in diesen Personengruppen viel häufiger anzutreffen ist.
Aus unserer Sicht sollte die Institution der Gleichstellungsbeauftragten gestärkt werden. Sie sollte hauptamtlich tätig sein und über ausreichend Personal und Sachmittel verfügen und die Kompetenzen dürfen sich nicht nur auf Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in Personalangelegenheiten beschränken. Genauso wichtig sind die Rechte in der Frauenförderung. Das gilt explizit auch für Haushaltsfragen und für die Hochschulentwicklungsplanung.
Zu den Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten gehört auch die Förderung der Einbeziehung frauen- und geschlechterbezogener Ansätze in die wissenschaftliche Arbeit der Hochschulen. Hier meinen wir nicht nur Gender-Bezug oder Gleichstellung in Bezug auf Frauen, sondern eben auch auf Männer, auf Väter, auf Menschen mit Behinderung, Migrantinnen und Migranten usw.
Die Gleichstellungsbeauftragte darf hinsichtlich der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht an fachliche Aufträge und Weisungen gebunden sein und soll zur Erfüllung ihrer Aufgaben an allen Sitzungen von Gremien und Kollegialorganen mit Antrags- und Rederecht teilnehmen können. Sie ist wie ein ordentliches Mitglied zu laden und zu informieren.
Des Weiteren muss im Gesetz die Gleichstellung als Querschnittsaufgabe verstanden werden und dem muss – dem stimmen wir vollständig zu – in allen wissenschaftspolitischen Programmen und maßgebenden Einzelentscheidungen Rechnung getragen werden.
Sie sehen also, wir stehen dementsprechend dem Antrag der GRÜNE-Fraktion sehr aufgeschlossen gegenüber und werden diesem sehr gern zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema des vorliegenden Antrags ist am Vorabend des Frauentages gut gewählt und nach wie vor hochaktuell. In den Empfehlungen des Wissenschaftsrates zur Chancengleichheit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Juli 2007 heißt es dazu – Zitat –: „Will eine Gesellschaft heutzutage
konkurrenzfähig bleiben, kann sie es sich nicht leisten, ihren Talentpool nur zur Hälfte auszuschöpfen.“