Protocol of the Session on March 5, 2008

Erstens werde ich über die Rolle der Medizinischen Versorgungszentren im Freistaat Sachsen sprechen. Zweitens nehme ich zum Modellvorhaben „Gemeindeschwestern“ Stellung.

Erstens. Die Zahl der Medizinischen Versorgungszentren ist innerhalb von anderthalb Jahren, seit die Linkspartei ihren Antrag im Juli 2006 gestellt hat, von 41 auf 79 gestiegen. Darauf ist im Verlauf der Debatte schon hingewiesen worden. Wir gehen davon aus, dass sich diese dynamische Entwicklung fortsetzen wird.

Nach wie vor gilt: Medizinische Versorgungszentren erweitern die ambulante ärztliche Versorgung. Sie ersetzen nicht die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. Sie können möglicherweise in manchen Regionen zur Verbesserung der Sicherstellung ärztlicher Versorgung beitragen. Sie können durch die Möglichkeit der engen Zusammenarbeit Behandlungsabläufe für Patienten verbessern und Einsparungen erzielen. MVZs sind also genauso wenig

das Rezept gegen Ärztemangel wie die Flexibilisierung des Beruferechts. Beide Faktoren sind aber ein unverzichtbarer Baustein zur Verbesserung der ärztlichen Versorgung. Beide erleichtern die Anstellung von Ärzten, weil sie zusammen erhebliche Vorteile bieten.

Medizinische Nachwuchskräfte, die ambulant tätig werden wollen, müssen nicht gleich nach Abschluss ihrer Ausbildung die schwerwiegende Entscheidung für eine eigene Niederlassung treffen.

Die Struktur der ambulant tätigen Ärzte zeigt, dass die steigende Zahl der angestellten Ärzte den Rückgang der Zahl niedergelassener Ärzte insgesamt abmildert. Dies halte ich für positiv. Die Zahlen zeigen aber auch, dass MVZs in erster Linie in Ballungsräumen gegründet werden. Sie sind also eher geeignet, die Versorgungsqualität im verdichteten Raum zu verbessern, garantieren aber keine flächendeckende wohnortnahe Versorgung. 46 % der Zentren wurden bisher durch einen Krankenhausträger gegründet. Wir werden die Entwicklung der Trägerschaft aufmerksam verfolgen. Für eine weitergehende und abschließende Bewertung der Effekte der MVZs ist es allerdings noch zu früh.

Zweitens. Das Modellvorhaben zur hausärztlichen Betreuungsassistentin – weiterhin auch unter dem Begriff „Gemeindeschwester“ bekannt – ist in Sachsen im vergangenen Jahr gestartet. Uns kam es darauf an, die ersten Erfahrungen aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg abzuwarten und neben deren Erkenntnissen auch eigene zu nutzen. Das Modellvorhaben in Sachsen zielt vor allem darauf ab, die Entlastung von Hausärzten in solchen Regionen zu testen, in denen die ländlichen Strukturen Hausbesuche erschweren und die eine schlechte Versorgungssituation aufweisen.

Unsere Erfahrungen sind durchaus positiv. Bisher haben fünf Betreuungsassistentinnen, die fünf Hausärzte unterstützten, über 1 000 Hausbesuche absolviert und ausschließlich positive Resonanz von den betreuten Patienten erfahren.

Auch die Ärzte werden wirksam entlastet. Die Häufigkeit von ärztlichen Hausbesuchen ist deutlich zurückgegangen. Klar ist: Die hausärztliche Betreuungsassistentin ist keine generelle Lösung des Problems der ärztlichen Basisversorgung. Sie ist aber ein wichtiger Baustein, um die knapper werdende Ressource Arzt wirkungsvoller einzusetzen. Dies hat meine Kollegin Strempel in ihrem Redebeitrag deutlich hervorgehoben, wofür ich ihr herzlich danke.

Meiner Einschätzung nach hat der Umstand, dass nun alle neuen Länder dieses Modellvorhaben durchführen, einen Umdenkprozess auf der Bundesebene herbeigeführt. Die verfasste Ärzteschaft nimmt nun bundesweit eher zur Kenntnis, dass es mit diesem Projekt nicht darum geht, Ärzte zu verdrängen, sondern darum, die Arbeitsbedingungen für Ärzte zu verbessern, wenn zu wenige Ärzte zur Verfügung stehen. Hier können die alten Länder von den neuen lernen, da der Nachwuchsmangel bei niederge

lassenen Ärzten zeitverzögert auch im Westen eintreten wird.

Die ursprünglichen Befürchtungen der Ärzteschaft sind schon deshalb unbegründet, weil eine Entlastung nicht gegen ihren Willen vorgenommen werden kann, sondern allein vom Arzt gesteuert wird.

Wie bei den MVZ gilt auch hier: Es ist noch zu früh, das laufende Modellvorhaben in Sachsen abschließend zu bewerten. Alle Beteiligten im Modellprojekt haben sich aber dafür ausgesprochen, schon jetzt die erforderlichen Rahmenbedingungen im Bundesrecht zu ändern, damit die Betreuungsassistentinnen nahtlos versorgungswirksam bleiben können. Dazu bedarf es einer gesetzlichen Klarstellung, dass ein Arzt befugt ist, Leistungen auf eine entsprechend qualifizierte Person seines Vertrauens zu delegieren, und der Einsatz der Assistentinnen muss adäquat vergütet werden können. Augenblicklich ist die Unterstützung ohne die Bedingungen des Modellvorhabens aus Sicht der Ärzte nämlich ein finanzielles Zuschussgeschäft.

Diese beiden Änderungswünsche haben die neuen Länder gemeinsam in das derzeitige Gesetzgebungsverfahren zum Pflegeweiterentwicklungsgesetz eingebracht. Wir hoffen, dass die Bundesregierung diese Wünsche berücksichtigt. Sollte dies der Fall sein, könnten die Arbeitsbedingungen für Landärzte und die Versorgungssituation der Patienten verbessert werden. Ich sehe dies als einen weiteren Beleg dafür an, wie wichtig es ist, in den Ländern gesundheitspolitische Kompetenzen zu erhalten. Gesundheitspolitik ist ein Politikbereich, in dem Populismus zu großer Verunsicherung führen kann. Aus diesem Grund bitte ich Sie, komplizierte Sachverhalte nicht auf einfache, beliebige Floskeln zu reduzieren.

Lothar Späth stellte einmal fest: Es gibt Politiker, die meinen, von nichts etwas verstehen zu müssen, weil man nur so unbefangen über alles Mögliche reden könne. Das Gegenteil sollte der Anspruch aller hier sein, die politische Forderungen am Pult formulieren, gerade und auch in der Gesundheitspolitik.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und des Staatsministers Geert Mackenroth)

Weitere Wortmeldungen liegen mir aus den Fraktionen nicht vor. Das Schlusswort hat demnach die Fraktion Linke. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Frau Strempel, Sie waren doch beim Vortrag des VdAK dabei und haben sicher gehört, dass das Projekt unter der rot-roten Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern auf der Insel Rügen von einer linken Landrätin begonnen wurde. Aber das ist eigentlich nicht so wichtig, sondern wichtig ist, dass wir Ergebnisse erreichen, und das ist nicht der Fall.

Werte Abgeordnete! Ihre allgemeinen Reaktionen zeigen mir, dass Sie in Ihren Regionen ähnliche Erfahrungen gesammelt haben und etwas für Ihre Region tun wollen. Das ist wichtig.

Herr Lebensminister! Ist es wirklich zu früh, wie Sie in Ihrer Rede gesagt haben? Wollen wir warten und den Aussagen der KV Sachsen glauben, dass es noch keinen Ärztemangel gibt? Warten wir lieber noch ein bisschen ab? Das Blatt könnte sich ja noch wenden. Nein, werte Abgeordnete, das Blatt wendet sich für uns in die falsche Richtung. Prognosen sagen für 2020 eine Bedarfsdeckung von 48 % für Hausärzte und Nervenärzte voraus, bei Kinderärzten sind es nur noch 42 %, so wir nicht schnellstens etwas dagegen tun.

Herr Gerlach, wenn Sie das Problem allein lösen können, dann ist das ja toll. Hauptsache, Sie lösen es in Ihrer Koalition.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Und, Frau Strempel, wir haben eine Pressekonferenz zu diesem Thema gemacht. So wie wir es dort dargestellt haben, so meinen wir es auch. Deshalb hat die Linksfraktion im Sächsischen Landtag eine Kampagne unter dem Motto „Mehr Ärzte für Sachsen“ gestartet. Zentrales Element ist eine Befragung von Bürgerinnen und Bürgern zu ihren Problemen mit dem Gesundheitssystem. Wir werden diese Ergebnisse auswerten, mit den unrealistischen Statistiken der KV vergleichen und damit an die

Öffentlichkeit gehen, denn die Ärztinnen und Ärzte im ländlichen Raum arbeiten an ihrer Leistungsgrenze und die Patienten sind oft an ihrer Schmerzgrenze angekommen. Es reicht nicht aus, in Torgau-Oschatz Gespräche zu führen und wieder nach Hause zu fahren.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

„Worte sind Lügen, wenn keine Taten folgen.“ Das wusste schon der alte Goethe.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksachen. Ich lasse zuerst abstimmen über die Drucksache 4/5785. Wer dieser Drucksache die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist die Drucksache mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich lasse abstimmen über die Drucksache 4/5971. Wer dieser Drucksache die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmen dafür und Stimmenthaltungen ist diese Drucksache mehrheitlich abgelehnt worden und der Tagesordnungspunkt beendet.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 17

Konsequente Bekämpfung des Einsatzes unerlaubter Pflanzenschutzmittel

Drucksache 4/10689, Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Herr Lehmann, bitte.

Herr Präsident! Angesichts der noch reichlichen Tagesordnung möchte ich für die Koalition darum bitten, dass der Antrag in der Drucksache 4/10689, Konsequente Bekämpfung des Einsatzes unerlaubter Pflanzenschutzmittel, für heute abgesetzt wird, damit wir ihn zu einem späteren Zeitpunkt erneut beraten können.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Vorsichtshalber frage ich, ob noch eine Fraktion einen Antrag absetzen möchte. – Das scheint nicht der Fall zu sein.

Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zum

Tagesordnungspunkt 18

Besteuerung von Kraftstoffen senken – Biokraftstoffe fördern

Drucksache 4/10894, Antrag der Fraktion der NPD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion der NPD, danach CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE, Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Herr Dr. Müller, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir erleben seit etwa einem Jahr den

explosionsartigen Anstieg der Kraftstoffpreise. Dies hat fatale Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands, insbesondere der mitteldeutschen Länder, also auch Sachsens, aber auch für jeden einzelnen Bürger, der ja durch Mobilität Ihre gescheiterte Arbeitsmarktpolitik ausgleichen soll.

(Unruhe im Saal)

Der Stellungnahme der Staatsregierung ist interessanterweise zu entnehmen, welch „begrenzte Möglichkeiten“ zur Einflussnahme bestehen. Nichtsdestotrotz sollte die Staatsregierung aktiv werden, vor allem wenn, wie so häufig, supranationale EU-rechtliche Hindernisse auftreten und endinstanzlich der Bund zuständig ist. Hinsichtlich der Kompetenzzuordnung im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung kann dennoch über den Bundesrat Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden. Wir fordern Sie auf: Nutzen Sie auch begrenzte Möglichkeiten, ehe gar nichts getan wird! Bei gleichbleibender Preisentwicklung bei den Kraftstoffen dürften alle Appelle in Sachen Mobilität und Flexibilität der Gesellschaft wirkungslos bleiben.

Für uns als Abgeordnete stellen im Vergleich zu vielen Geringverdienern im Lande die steigenden Kraftstoffpreise finanziell kein gleichartiges Problem dar, zumal durch die Mehrheit dieses Landtages erst kürzlich eine entsprechende Steigerung der Aufwandspauschale erfolgte. Nicht zuletzt deshalb hält es die NPD-Fraktion für ein Gebot des sozialen Anstands, auch an die Berufspendler draußen im Lande zu denken, und stellt den vorliegenden Antrag.

Ziel des Antrages ist es, dass der Freistaat Sachsen sich zum Vorreiter auf Bundesebene macht, Maßnahmen durchzusetzen, die zu einer spürbaren Senkung der Kraftstoffpreise führen. Geschehen soll dies durch Steuersenkungen bei Kraft- und Heizstoffen im Bereich des Energiesteuergesetzes einerseits sowie einer Vermeidung der Mehrfachbesteuerung. Auch soll eine verbraucherfreundliche Preissenkung im Gefolge der Schaffung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ermöglicht werden.

Und, meine Damen und Herren Abgeordneten, lassen Sie lieber die Finger von EU-Regelungen, wenn diese sinnvollen Maßnahmen widersprechen, als dass wir von sinnvollen Maßnahmen ablassen.