Protocol of the Session on March 5, 2008

schnellere Diagnostik und Versorgung,

fachübergreifende Behandlungsmöglichkeiten aus einer Hand,

zentrale Terminvorgaben,

die positive Erinnerung an die Poliklinik,

Arztvertretung am gleichen Standort und

kurze Wege.

Aber auch für die Leistungserbringer werden Vorteile beschrieben. Es ist auch hier genannt worden – das ist gar nicht in Abrede zu stellen –: Kooperation unter einem Dach, also der interkollegiale und der interdisziplinäre Austausch, ist hier von Bedeutung. Ärzte im Ruhestand können sich teilzeitbeschäftigt anstellen lassen – mit Blick auf die Entwicklung des Ärztebestandes im Freistaat Sachsen gar keine uninteressante Variante. Für junge Ärztinnen und Ärzte können Medizinische Versorgungszentren insofern attraktiv sein, als auf sie nicht das finanzielle Risiko einer Praxisgründung zukommen muss.

Flexible Arbeitszeitmöglichkeiten entstehen und somit bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Das sind alles positive Dinge, die der Bundesgesetzgeber hier insoweit zugrunde gelegt hat und die von uns Linken auch mitgetragen werden.

Schließlich sah der Gesetzgeber mit den Versorgungszentren weitere Chancen: die Teilnahme von jungen Ärzten an der vertragsärztlichen Versorgung, gemeinsame Nutzung von Strukturen und Ressourcen, Kosteneinsparung, gemeinsame Nutzung der Medizintechnik, Reduzierung des Verwaltungsaufwandes, zentrales Angebot fachärztlicher Leistungen, Vertragspartnerschaft mit Krankenkassen bei integrierten Versorgungsverträgen.

Meine Damen und Herren, nun ist es doch aber nach vier Jahren – wir haben das schon 2006, also nach zwei Jahren, gewollt – an der Zeit nachzufragen, wie sich die Dinge etabliert haben. Wir wollen von der Staatsregierung nichts weiter als wissen, wie sich die Entwicklung im Freistaat Sachsen bezüglich der Medizinischen Versorgungszentren vollzogen hat.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion – Zuruf von der CDU)

Die Zahl der im Freistaat Sachsen bestehenden Medizinischen Versorgungszentren hat sich in den letzten Jahren nahezu verdoppelt. Stellt man allein auf die Anzahl der im Freistaat Sachsen bestehenden Medizinischen Versorgungszentren ab – Frau Strempel hat es erwähnt: 79 –, dann belegt Sachsen einen der vorderen Plätze in der Bundesrepublik. Das ist ja nicht schlecht, aber ist es gut, meine Damen und Herren? Werden die Medizinischen Versorgungszentren denn auch den Ansprüchen gerecht? Tragen die Medizinischen Versorgungszentren dazu bei, Lücken in der gesundheitlichen Versorgung der Bürgerinnen und Bürger vor allem im ländlichen Raum zu schließen? Wie kommt es, dass sich die Medizinischen Versorgungszentren überwiegend in den Ballungsgebieten gebildet haben und weniger im ländlichen Raum? Hat das vielleicht auch etwas mit der von Frau Herrmann beschriebenen Mobilität und den sogenannten weichen Wirtschaftsfaktoren zu tun? Welches sind die zweckmäßigen Rechtsformen von Medizinischen Versorgungszentren? Sind Ärzte tatsächlich von bürokratischen Arbeiten entlastet? Wie ist es zu bewerten, dass bei den 79 Medizinischen Versorgungszentren etwa nur 30 Allgemeinmediziner angesiedelt sind? Könnte hier der Anteil nicht höher sein? Wie ist es zu bewerten, dass etwa die Hälfte der Medizinischen Versorgungszentren entweder von Krankenhäusern betrieben wird oder an Krankenhäuser angegliedert ist? 2006 sagte die Staatsregierung auf unseren Antrag hin noch aus, dass der überwiegende Teil der Medizinischen Versorgungszentren nicht von Krankenhäusern gebildet werden würden. Was sind die Hintergründe für die wahrscheinlich so nicht gewollte Entwicklung? Wie wird im Freistaat Sachsen dem Anspruch „Leistungen aus einer Hand“ entsprochen, meine Damen und Herren?

Ich habe mir einmal die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Schütz von der FDP unter dem Aspekt betrachtet, welches Medizinische Versorgungszentrum für mich infrage kommen würde, und da hatte ich ein Problem: Entweder es fehlte der Allgemeinmediziner oder ich finde Medizinische Versorgungszentren, in denen mehrere Fachärzte eines Gebietes tätig sind: entweder dreimal Augenheilkunde oder dreimal Haut- und Geschlechtskrankheiten, dreimal Chirurgie, dreimal Neurologie und Psychiatrie, viermal Innere Medizin, Kardiologie, zweimal HNO oder viermal Kinder- und Jugendmedizin usw. Genaueres ist in der Drucksache 4/10069 nachzulesen.

Meine Damen und Herren! Die Medizinischen Versorgungszentren mit der Kombination fachübergreifend, interdisziplinär – HNO, Orthopädie, Innere Medizin, Urologen, Augenärzte oder Kinder- und Jugendmedizin, aber jedenfalls mit unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen –, sind regelmäßig nicht zu finden.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Wie bewerten Sie denn das? Ist das von der Entwicklung her wirklich so gewollt? Da muss doch einfach erlaubt sein nachzufragen, wie die Staatsregierung so etwas bewertet; und Sie ereifern sich darüber.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, es muss eine genaue Analyse darüber auf den Tisch, was gewollt ist und was entstanden ist. Meines Erachtens haben wir eine Fehlentwicklung in diesem Bereich zu konstatieren. Nur die Anzahl der Medizinischen Versorgungszentren und der darin arbeitenden Ärzte und anderen medizinischen Personals darf doch nicht das Kriterium für eine sachgerechte Beurteilung der gesundheitlichen Versorgungssituation im Freistaat Sachsen bezüglich der Medizinischen Versorgungszentren sein.

Schließlich haben wir nicht aus dem Blick zu verlieren, um wen es hier geht: die Versicherten, die Patienten und die Leistungserbringer, und zwar im Komplex.

Meine Damen und Herren, in Sachsen droht der Ärztemangel – das haben alle gesagt. Mittlerweile ist es ja auch nicht mehr streitig, obwohl es zu Beginn der Legislatur von diesem Haus – gerade von Ihnen, von CDU und SPD – anders gesehen wurde.

Sie alle kennen das seit einigen Jahren gravierendste Problem bei der Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung der sächsischen Bevölkerung: Es fehlt an Ärzten bzw. es wird an Ärzten fehlen. 42 % der 5 600 in Sachsen niedergelassenen Ärzte gehen in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand.

Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Strempel, sagen Sie bitte nicht, der Sicherstellungsauftrag liege bei der Kassenärztlichen Vereinigung und den Kassen!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Sachsen ist eine hoheitliche Aufgabe und liegt in unserem Bereich, speziell im Bereich der Staatsregierung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Bewertung der Medizinischen Versorgungszentren wird wichtige Aufschlüsse für die weitere Arbeit geben. Verschließen Sie sich doch nicht dieser sachlichen Diskussion! Erwärmen Sie sich für die Intention des Antrags; denn auch sie steht in der Tradition von Hufeland: „Vorbeugen ist besser als heilen“. Das sind seine Worte.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Danke. – Das war die Eröffnung der zweiten Runde.

Wer möchte diese Runde fortsetzen? – Frau Strempel für die CDU-Fraktion.

Eigentlich hatte ich nicht die Absicht, noch einmal das Wort zu ergreifen. Aber so sehr ich Sie schätze, Herr Wehner, ich muss doch noch einmal auf einiges eingehen.

Es gibt nun einmal eine bundesgesetzliche Regelung. Das Bundesgesetz hat die Kassenärztlichen Vereinigungen beauftragt zu überwachen, dass die ärztliche Versorgung sichergestellt wird. Das macht sie, das ist richtig. Es ist natürlich auch Aufgabe aller Partner und der Staatsregierung, dort mitzuwirken, wenn es Engpässe gibt, und neue Formen von Regularien zu finden. Regularien laufen auf Bundesebene, das wissen Sie auch.

Eines muss man sagen: Die im Januar ausgestrahlte Sendung des MDR, auf die Sie sich berufen, hat tatsächlich aufgedeckt, dass die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen ihren Antrag etwas verspätet nach Berlin geschickt hat, nachdem der Gemeinsame Bundesausschuss gesagt hatte: Dann gebt es uns! – Dieses Hin-und-herJonglieren ist nicht richtig, keine Frage. Aber es ist auch Fakt: Wenn jemand Verantwortung hat, dann muss er ihr nachkommen. Daraus entlasse ich die Kassenärztliche Vereinigung nicht.

Die Staatsregierung – das ist schon von meinem Kollegen Gerlach gesagt worden – hat zu verschiedenen Dingen – ob es die Gemeindeschwester oder der Gemeinsame Steuerungsausschuss ist – ihre Anträge in Berlin eingebracht. Das läuft auch. Niemand ignoriert dieses Thema. Wir verschließen uns auch nicht der Diskussion.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Abschließend stelle ich fest: Ich habe vorhin nicht gesagt, dass die niedergelassenen Ärzte gefährdet seien. Die niedergelassenen Ärzte selbst haben die Furcht, dass man ihre Rolle im Verhältnis zum MVZ nicht mehr so in der Öffentlichkeit wahrnimmt.

Ich habe in meinem Redebeitrag auch gesagt: Diese Diskussionen müssen wieder relativiert werden. Wir

brauchen die niedergelassenen Ärzte, ob Hausärzte oder Fachärzte. Sie sind ein wichtiger Partner für uns und auch für die MVZs.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Wehner, Sie möchten eine sachliche Richtigstellung vornehmen?

(Horst Wehner, Linksfraktion: Ja!)

Dann tun Sie das.

Sehr geehrte Frau Strempel, da habe ich Sie missverstanden. Selbstverständlich akzeptiere ich das auch so.

Gut. – Gibt es weiteren allgemeinen Aussprachebedarf? – Ich kann keinen erkennen.

Ich frage die Staatsregierung. – Es spricht wieder Prof. Wöller.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Frau Orosz ist wohl schon im Wahlkampf?)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Ressort, für das ich zuständig bin, heißt Lebensministerium. Aber ich möchte deutlich machen, dass ich hier in Vertretung meiner geschätzten Kollegin Orosz spreche.

Nicht immer sind die Dinge so einfach, wie man sie gern hätte. In der Politik ist es in einem solchen Fall wichtig, sich differenziert damit auseinanderzusetzen und dann die richtigen Schlüsse zu ziehen, um diese anschließend richtig zu kommunizieren. Da dies Ihnen, werte Kollegen von der Linkspartei, angesichts Ihrer Anträge, insbesondere auch Ihrer entsprechenden Pressemitteilungen, im Feld der sächsischen Gesundheitspolitik überwiegend nicht gelungen ist, sorge ich hier gern noch einmal für Klarheit.

Erstens werde ich über die Rolle der Medizinischen Versorgungszentren im Freistaat Sachsen sprechen. Zweitens nehme ich zum Modellvorhaben „Gemeindeschwestern“ Stellung.