Protocol of the Session on January 25, 2008

Forscher wie zum Beispiel der Vater der Raumfahrt, Hermann Obert, oder Konrad Zuse, der Konstrukteur des ersten modernen speicherprogrammierbaren Computers, der in Hoyerswerda sein Abitur baute, waren federführend dabei, als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast alle bahnbrechenden Erfindungen in Deutschland entwickelt wurden: Düsentriebwerke, Atomspaltung, Computer und Raketen. Selbst in der DDR war Sachsen vergleichsweise hoch industrialisiert. Bis zur Wende stammten 40 % aller DDR-Industriegüter aus sächsischen Betrieben.

Es bedurfte erst der Wende 1990 und des Wegfalls der europäischen Märkte, um Sachsen als industrielles Kernland in Teilen buchstäblich zu vernichten. Dies wurde vor einiger Zeit folgendermaßen kommentiert, ich zitiere: „Die politischen Zustände in Sachsen sind nur der blamable Überbau zum wirtschaftlichen Jammertal. In Dresden zum Beispiel fertigt VW vor allen Augen den exquisiten Phaeton – schön sieht er aus, nur kaufen will ihn keiner. Aber die Chip-Industrie boomt und boomt.“

Gut, hier ist das Zitat leider etwas veraltet, trotzdem weiter: „Schon warnen Wirtschaftsgurus vor Überhitzung dieser Konjunktur. Tag für Tag aber werden Rekorde der Massenproduktion von Arbeitslosen gebrochen. Die können ja mit den in Zwickau/Mosel gebauten Golfs zu den Jobs nach Bayern brettern. Unterdessen schließen Betriebe und Schulen um die Wette, verharren Mütter im Gebärstreik, gehen Krankenhäuser pleite und die Ärzte in Rente, dass mehr und mehr Praxen leer stehen wie die Millionen hingeklotzter Wohnungen.

Stellenlose Jugendliche und hoch qualifizierte Techniker und Wissenschaftler finden entweder gar keinen Job oder verdingen sich rund um den Globus als Gastarbeiter. So läuft die traditionelle Industrieregion leer – ein Alptraumland, geschaffen von einer hilflos klingenden Obrigkeit, deren ideeller Horizont an Adenauers beschränkte Weltsicht erinnert, der aber immerhin mit einigen Wassern gewaschen war, während die Dresdner Post-Biedenköpfe ihr Grenzland verwalten, als befände man sich im Vasallenstaat einer römischen Provinz.“ Dies schrieb Ihnen der gebürtige Sachse, linke Schriftsteller und zeitweilige PDS-Bundestagsabgeordnete Gerhard Zwerentz ins Stammbuch. Treffender kann man es kaum formulieren, meine Damen und Herren.

Aber, meine Damen und Herren, um die Jugend trotz des technikfeindlichen Zeitgeistes, den die GRÜNEN und in Teilen auch die Linken und die PDS verkörpern, wieder für Naturwissenschaften, Technik und Forschung begeistern zu können, genügt es nicht, ihr ein oder zwei Beispiele der 7 000 sächsischen Industriedenkmale zu zeigen. Es muss wieder Begeisterung bei den jungen Menschen entfacht werden. Damit beginnt man am besten in frühen Jahren in der Schule.

Die großen Pioniere der Industrie und Wissenschaft, der Technik und Forschung müssen wieder zu Vorbildern gemacht werden. Darüber hinaus müssen natürlich die Umstände und die Voraussetzungen für Forschung und Entwicklung in Deutschland, aber auch in Sachsen verbessert werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE – Alexander Delle, NPD: Sie wollen doch die Autos abschaffen! – Antje Hermenau, GRÜNE: Vor allem wollen wir Sie abschaffen!)

Ich erteile das Wort der Fraktion GRÜNE. Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat ja auch seine Vorteile, als Sechster in der Runde zu sprechen. Ein Loblied auf den genialen Erfindergeist der Sachsen und seine heute noch so zahlreichen Zeugnisse kann ich mir so nach meinen Vorrednern sparen.

Frau Staatsministerin, es freut mich ausdrücklich, wenn der Zweckverband Sächsisches Industriemuseum nun endlich die finanzielle Unterstützung erhalten soll, die er braucht, die er schon lange angemahnt hat und die er verdient.

(Beifall bei der SPD)

Sollten sich die Reden allerdings als reine Ankündigungspolitik und Beschwichtigungsrhetorik herausstellen und der Haushaltsentwurf etwas anderes aussagen, dann, verehrte Frau Ministerin und liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, können Sie sich sehr sicher sein, dass wir Sie an Ihre heutigen Worte erinnern werden.

Doch ich sage Ihnen, sosehr ich mich für die Industriemuseen freue, sosehr sich die Debatte um die Industriemuseen gedreht hat, dass das nur ein Schritt in die richtige Richtung ist. Museen sind wichtige Orte des Sammelns, des Bewahrens und des Ausstellens. Industriemuseen müssen in diesem Rahmen gestärkt werden.

Sachsen hat aber auch viele Zeugen seiner kulturellen Industriegeschichte, die sich in kein noch so attraktives Museum stellen lassen, sondern die nach wie vor an dem Ort stehen, an dem sie einst als technische Innovation entstanden sind, an dem Ort, an dem produziert wurde. Ein Förderturm passt nun einmal nicht unter ein Museumsdach, und sei es noch so hoch.

Wenn wir hier über Industriekultur in Sachsen sprechen, dann sind die technischen Denkmale ein wichtiger Teil davon. Nun kommt das Fatale. Die einzige Stelle für dieses Gebiet im Landesamt für Denkmalpflege blieb lange unbesetzt. Seit Kurzem wurde diese Aufgabe einem Gebietsreferenten des Landesamtes übertragen. Der Mann hat sich wie alle anderen Gebietsreferenten schon vorher nicht gelangweilt, ist zudem auch kein Spezialist für technische Denkmalpflege. Das heißt also im Klartext:

Das wichtige Gebiet der technischen Denkmalpflege bleibt weiterhin weitgehend unbearbeitet.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Es reicht nicht, darüber zu jubeln, dass das Landesamt für Denkmalpflege gerettet ist. Wir müssen es auch personell und finanziell seinen Aufgaben entsprechend ausstatten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer bei Kindern Forschungsdrang und Entdeckergeist zu wecken versucht, der darf die technischen Denkmale nicht dem Verfall preisgeben. Ein Beispiel: der Pfeilhammer in Pöhla. Dort steht noch eine Gießhalle im neogotischen Baustil. Davon sieht man freilich nicht mehr allzu viel. Dringend müsste restauriert werden. In diese Halle einen Schmelzofen zu stellen und einmal pro Woche ein Schaugießen zu veranstalten, das Kleinen wie Großen bewusst macht, welch beeindruckender Werkstoff Eisen ist, würde nicht nur bedeuten, an die Geschichte der Eisenindustrie im Erzgebirge zu erinnern; es wäre auch ein touristischer Anziehungspunkt. Die Thüringer haben es uns doch mit der Heinrichshütte in Wurzbach vorgemacht. Lassen Sie uns von unseren Nachbarn lernen.

Ein zweites Beispiel. Seit Jahrzehnten hat eine der ersten wichtigen Textilfabriken Sachsens – das Gebäude, mit dem quasi der industrielle Aufschwung auf diesem Gebiet in unserem Land begann – die Evans-Baumwollspinnerei in Geyer, ein provisorisches Flachdach. Ich behaupte, wäre diese Spinnerei eine romanische Kirche, wäre sie längst wieder restauriert und auf allen Kunstkalendern des Freistaates abgebildet. Ohne eine Neiddebatte aufmachen zu wollen, aber nach meiner Erfahrung ist es leichter, 10 Millionen Euro für ein Kunstdenkmal zu bekommen als 10 000 Euro für ein technisches Denkmal.

(Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Vielerorts, wie etwa beim Pferdegöpel in Johanngeorgenstadt, ist es dem bewundernswerten Engagement der Menschen vor Ort zu verdanken, dass einzigartige Zeugen des Einfallsreichtums Sachsens wieder zu bewundern sind. Ehrenamtliches Engagement ist wichtig; es ist zu unterstützen.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Genau!)

Doch die Ortskundigen sind nicht in jedem Fall die Denkmalkundigen. Sie brauchen für ihre Arbeit nicht nur Anerkennung durch einen feuchten Händedruck bei der feierlichen Wiedereinweihung, sondern auch fachlichen Rat bei der Restaurierung, beim Wiederaufbau und bei der Vermarktung dieses Kulturgutes.

Noch einmal: Technikbegeisterung und Forscherdrang bei Kindern zu fördern – im Schulunterricht und in Museen oder an historischen Produktionsstätten – ist eine schöne und wichtige Sache. Es ist Teil einer umfassenden Allgemeinbildung. Die Industriemuseen und die technischen Denkmale zu unterstützen und zu bewahren gehört zu unserem sächsischen Erbe genauso wie die Sixtinische

Madonna oder der Prunk im Grünen Gewölbe. Das muss für uns genauso selbstverständlich sein. Selbstverständlich meine ich hier im Sinne von selbstverständlich bewahren und nicht für selbstverständlich halten und sie verfallen oder am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen.

Das Interesse gerade an technischen Denkmalen nimmt zu. Denken Sie bitte an die Weltkulturerbestätten Bergwerk Rammelsberg in Goslar oder die Eisenhütte in Völklingen; und so schade es ist, dass Görlitz nicht Kulturhauptstadt geworden ist, ist es doch beeindruckend, wie das gesamte Ruhrgebiet mit Essen äußerst erfolgreich seine Industriedenkmäler schätzt und vermarktet. Auch hier geht es um regionale Identität.

Wenn Sachsen seine technischen Denkmale weiterhin so sträflich wie bisher vernachlässigt, dann blamiert es sich international.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Potenziale der sächsischen Industriekultur liegen auf der Hand – schöpfen wir sie endlich aus!

(Beifall bei den GRÜNEN, der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort; Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Industriekultur in Sachsen ist nicht nur vor dem Hintergrund ihrer identitätsstiftenden Wirkung von Bedeutung. Sachsens Industriekultur birgt noch ganz andere Potenziale. Zum einen gibt es eine Vielzahl von interessanten Museen und technischen Denkmälern im ländlichen Raum, die Chancen für die entsprechenden Regionen darstellen. Hier würde sicherlich schon eine stärkere Vernetzung untereinander, beispielsweise eine gemeinsame Vermarktung im Verbund, dazu beitragen, mehr Neugierige und Interessierte anzulocken.

Die Broschüre „Lausitzer Industriekultur“, in der eindrucksvoll Industriebauten der brandenburgischen und sächsischen Lausitz sowie Tipps für Ausflüge vorgestellt werden, ist hierfür sicherlich ein gutes Beispiel.

Darüber hinaus kann man es wohl als grundlegende Bildungsaufgabe des Freistaates Sachsen bezeichnen, unserer Bevölkerung Stolz auf die Leistungen ihrer Vorfahren und die eigene Lebensleistung zu vermitteln sowie die Aufgeschlossenheit für technische und wirtschaftliche Entwicklungen zu fördern.

Vor allem vor diesem Hintergrund muss der Freistaat Sachsen Museen, Schauwerkstätten und Besucherbergwerke verstärkt bei der Erarbeitung von museumspädagogischen Konzepten unterstützen. Schließlich bietet sich hier die Chance, Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Altersstufen verstärkt an Technik und Naturwissenschaft heranzuführen sowie Forscherdrang und Neugier für handwerkliche und ingenieurtechnische Tätigkeiten zu wecken. Dies ist sicherlich vor allem in Anbetracht des

Fachkräftemangels eine wichtige Aufgabe. Gleichzeitig können so auch aktuelle Themen für die Kinder und Jugendlichen anschaulich diskutiert werden. Ich denke dabei beispielsweise an die Lausitz, wo der Besucher auf der Route der Energiemonumente viel über die Geschichte der Energieindustrie erfahren kann. Zwangsläufig fordert ein Besuch vor Ort aktuelle Themen rund um Energieproduktion, Umweltschutz, Chancen regenerativer Energien und die Zukunft der Kernkraft heraus.

Selbstverständlich braucht es dazu entsprechend geschultes Fachpersonal. Derzeit können aber die Einrichtungen des Museumsverbundes aufgrund der jährlich abschmelzenden Zuschüsse kaum ihre musealen Kernaufgaben Sammeln, Bewahren, Präsentieren und Forschen wahrnehmen. Vor allem an Forschung ist bei der aktuellen Finanzlage kaum zu denken.

Meine Damen und Herren, um das sächsische industriegeschichtliche Erbe möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen und zu vermitteln, es aber auch für die nachfolgenden Generationen zu bewahren, fordert die FDPFraktion ein klares Bekenntnis der Staatsregierung zur sächsischen Industriekultur. Dies wäre auch ein Signal und indirekt eine Würdigung der vielen auf diesem Gebiet ehrenamtlich engagierten Sachsen. Vor allem aber muss die Erosion des Zweckverbandes Sächsisches Industriemuseum gestoppt werden. Das Abschmelzen der Zuschüsse muss ein Ende haben. Die FDP sieht hier langfristig die Landespolitik in der Pflicht.

(Beifall bei der FDP)

Sehr geehrte Frau Staatsministerin, es freut mich in diesem Zusammenhang außerordentlich, dass Sie jüngst verkündet haben, die jährlich sinkenden Zuschüsse des Freistaates Sachsen zum Industriemuseum auf den Prüfstand zu stellen. Das ist ein gutes Signal für Sachsen; ich hoffe jedoch, dass es nicht bei guten Vorsätzen zum neuen Jahr bleibt, sondern dass Sie diese Position auch in den diesjährigen Haushaltsverhandlungen mit Nachdruck vertreten werden.

Die FDP-Fraktion wird sich in jedem Fall mit entsprechenden Anträgen für eine solide Finanzierung der Museen des jetzigen Zweckverbandes einsetzen. Neben längerfristigen finanziellen Zusagen vonseiten des Freistaates muss auch einmal geprüft werden, ob und, wenn ja, um welche weiteren Einrichtungen der jetzige Zweckverband erweitert werden kann, um den Verband zu stärken und die Infrastruktur in Sachsen flächendeckend zu erhalten.

Meine Damen, meine Herren, wir müssen in diesem Zusammenhang einmal dringend die grundlegende Frage klären, ob die umfangreichen Hinterlassenschaften sächsischer Industrie- und Technikgeschichte nicht eigentlich grundsätzlich ein Landesmuseum rechtfertigen. In diesem Zusammenhang käme eine Reihe von bedeutenden industriegeschichtlichen Denkmälern und Einrichtungen infrage, die gemeinsam als Verbund den Status eines Landesmuseums erhalten können.

(Beifall bei der FDP)

Ein Landesmuseum bedeutet dabei nicht nur langfristige Planungssicherheit für die Mitgliedsunternehmen; es ergeben sich dadurch auch Synergieeffekte und eine bessere Vernetzung für die Industriekultur in Sachsen generell. Mit diesem Schritt würde sich der Freistaat Sachsen langfristig und angemessen zu seinem industriegeschichtlichen Erbe bekennen. Deshalb hält die FDPFraktion dies perspektivisch für den richtigen Schritt.

(Beifall bei der FDP)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte schön, Herr Krauß, CDUFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte bei dem Thema Industriekultur noch kurz auf den touristischen Nutzen zu sprechen kommen; denn auch dort geht es darum, die Technikbegeisterung zu nutzen, um Touristen zu uns nach Sachsen zu holen. Die Vermarktung der Industriekultur ist nicht nur in Bayern ausgeprägt, wie es der Kollege von der Linksfraktion ausgeführt hat, sondern vor allem auch im Ruhrgebiet. Aber auch wir in Sachsen haben ein sehr großes Potenzial. Ich denke vor allem an die Besucherbergwerke und an die anderen technischen Museen, über die wir gesprochen haben; aber auch an Veranstaltungsreihen wie zum Beispiel „Artmontan“ im Landkreis Aue/Schwarzenberg, wo Konzerte in Besucherbergwerken, im Pumpspeicherkraftwerk und in Firmen stattfinden, die noch arbeiten; wo man also Kultur und Wirtschaft miteinander verknüpft.

Dass wir noch einiges zu tun haben, hat die Staatsregierung zu unserem Antrag vorgebracht. Ich darf sagen, dass wir schon vor einem Jahr unterwegs waren, Herr Kollege Schmalfuß, also doch schon etwas eher als Sie; und die Staatsregierung hat richtigerweise festgestellt, dass wir noch Nachholbedarf haben – ich zitiere: „Im Rahmen der kulturpolitischen wie touristischen Nutzung sind jedoch noch deutliche Reserven vorhanden.“ Das sehe ich auch so. Ich hoffe, dass die TMGS – die Tourismusmarketinggesellschaft Sachsen – sich hier mehr ins Zeug legt.

Zum eigentlichen Thema. Herr Gerstenberg, eine kurze Botschaft vorweg: Kirchen sollte man nicht mit technischen Denkmälern gleichsetzen; das ist etwas anderes, denn in den Kirchen ist das pralle Leben.