Vielen Dank, Herr Hermsdorfer. – Stimmen Sie mir darin zu, dass wir als FDP mehr erreichen, indem wir heute über das Thema hier im Sächsischen Landtag diskutieren, als Sie in der Koalition mit der SPD, da Sie vor vielleicht einem halben
Dem stimme ich nicht zu, da Sie ein bisschen hinterher sind und leider nicht über Informationen verfügen, die wir in der Koalition, im Benehmen mit dem Wissenschaftsministerium, haben.
Sie haben das Industriemuseum und den Verband erwähnt. Das ist richtig. Das ist eine Einrichtung, die auch der CDU-Fraktion seit vielen Jahren am Herzen liegt.
Das Industriemuseum – um noch einmal in die Historie zu gehen – war eine Einrichtung, gegründet mit den kommunalen Trägern im Verbund mit dem Freistaat Sachsen. Es gehört zur ganzen Wahrheit, Herr Dr. Schmalfuß, dass der Freistaat Sachsen bei Einrichtungen des Industriemuseums einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hände genommen hat, allein um dabei die Kommunen bei ihren Wünschen nach Erhaltung von Industriekultur und Museen zu unterstützen.
Damals hat es zwischen den Kommunen und dem Freistaat einen Vertrag gegeben. Der Freistaat hat sich meines Wissens Stück für Stück an diese Vereinbarungen gehalten. Im Gegenteil: Der Freistaat hat in den Folgejahren, als Engpässe im Zweckverband des Industriemuseums, insbesondere am Standort Chemnitz, auftraten, immer wieder nachgelegt.
In Zukunft wird es im Gespräch mit dem Zweckverband des Sächsischen Industriemuseums Signale des Freistaates Sachsen für eine dauerhafte Finanzierung und Begleitung geben. Die Frau Staatsministerin hat sich in der Öffentlichkeit diesbezüglich schon geäußert.
Es ist auch Wunsch der CDU-Fraktion, diesen Zweckverband weiterhin zu unterstützen, um die Industriekultur in Sachsen zu erhalten. Aber, Herr Dr. Schmalfuß, das entbindet die Kommunen und den Zweckverband nicht davon, eine nachhaltige Konzeption vorzulegen. Es ist sehr einseitig, immer heranzutreten, wie Sie es in der Aktuellen Debatte machen, und zu sagen: Lieber Freistaat, zahl mal! Das ist aus kommunaler Sicht zwar wünschenswert, aber doch sehr einseitig.
Wir räumen ein, dass die Stadt Chemnitz in den letzten beiden Jahren selbst in die Tasche gegriffen hat, um das Industriemuseum Chemnitz im Fortbestand zu behalten. Aber es fehlt nach wie vor an einer schlüssigen Konzeption des Zweckverbandes der Industriemuseen in Sachsen. Wir fordern diese ein und werden uns dann mit einer Museumskonzeption ganzheitlich für den Freistaat Sachsen auch zur weiteren Industriekultur und zum Zweckverband der Industriemuseen in Sachsen unter Einbeziehung
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Motto der Aktuellen Stunde ist von der FDP – darin stimme ich Herrn Hermsdorfer zu – etwas kryptisch formuliert worden. Nach dem Beitrag von Kollegen Schmalfuß sehen wir ein bisschen klarer, wohin die Reise gehen soll, obwohl ich die Stichworte „Technikbegeisterung“ und „Forscherdrang fördern“ nicht herausgehört habe.
Zweifellos haben wir es bei der sächsischen Industriekultur mit einem spannenden und zugleich in den letzten Jahren sehr vernachlässigten Thema zu tun. Sachsen tritt nach außen – darin hat Herr Dr. Schmalfuß recht – vor allem als Land der Burgen und Schlösser auf. Das ist sicher schick, aber nur die halbe Wahrheit.
Wohlhabend und bekannt wurde Sachsen durch seine Industrie. Das muss sich adäquat im Auftritt des Freistaates widerspiegeln. Wenn man aber das entsprechende Stichwort in eine bekannte Internet-Suchmaschine eingibt, wird als Erstes ein Hinweis auf das Bergwerk Sachsen im nordrhein-westfälischen Hamm ausgespuckt. Die nächsten Seiten sind auch nicht viel sächsischer. Das ist schon ziemlich peinlich, obwohl wir doch diesbezüglich allerhand aufzuweisen haben.
Das Spektrum der Schätze im Freistaat reicht geografisch von A wie Altenberg und dem dortigen Bergbaumuseum bis Z wie Zwickau und dem August-Horch-Museum. Da in diesem Museum auch der „Trabant“ steht und ich deswegen möglicherweise gleich wieder unter OstalgieVerdacht gestellt werde, verweise ich beim letzten Buchstaben des Alphabetes alternativ auf das Besucherbergwerk in Zinnwald oder – wer es technisch etwas moderner mag – auf den Erfinder des Computers, Konrad Zuse, der in Hoyerswerda geboren wurde und dem dort ein eigenes Museum gewidmet ist.
Kernstück unserer Industriekultur ist gewiss der Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, der leider seit Jahren von der Koalition – auch darauf hat Herr Dr. Schmalfuß verwiesen – kaputtgespart wird. Es ist wohl der Hinweis legitim, dass die damalige Linksfraktion.PDS in den Haushaltsverhandlungen im Dezember 2006 die Rücknahme der jährlichen Kürzungen um 7 % forderte. Dieser Antrag wurde leider abgelehnt. In meiner Antragsbegründung führte ich damals aus, dass diese automatische Kürzung – ich zitiere – „von einer inneren Abkehr der Staatsregierung von der sächsischen Industriegeschichte und unseren industriegeschichtlichen Traditionen“ zeugt. Nun scheint zumindest bei Frau
Die Industriekultur ist nicht nur ein Wert an sich, sondern sie ist von herausragender Bedeutung – das impliziert auch das Motto der heutigen Aktuellen Debatte – für solche Megathemen wie Fachkräftenachwuchs und Stopp des Wegzuges qualifizierter junger Leute. Die Jugend muss ein Gefühl für die Vergangenheit des Landes und seiner Rolle bekommen und an Technik und Fertigungsprozessen interessiert werden. Um Industriekultur zu transportieren, sollte an die museale Präsentation möglichst die eigene Beschäftigung mit der vergangenen Technik angeschlossen werden.
Nun wollen wir auch keinesfalls den Unterrichtstag in der Produktion in der DDR eins zu eins kopieren, wo Schülerinnen und Schüler an oftmals archaischen Maschinen mehr oder weniger freiwillig Industriekultur aus nächster Nähe nicht nur kennenlernen, sondern auch aktiv betreiben durften. Diese Maschinen und die vielen Traditionskabinette gibt es bekanntlich nicht mehr. Das frühe Kennenlernen produktiver Tätigkeit, betrieblicher Abläufe und deren technologischer Vorläuferprozesse fördert in besonderem Maße die Berufsorientierung der Heranwachsenden und trägt gleichzeitig zu einer größeren Bindung an die heimatlichen Gefilde bei. Genau in diesem Sinne wird die Linksfraktion demnächst parlamentarisch aktiv.
Der Erhalt der Industriekultur wird häufig durch die schiere Größe der Anlagen bzw. Gebäudekomplexe zur Krux. So ist es zum Beispiel in Leipzig-Plagwitz zwar gelungen, die Kammgarnspinnerei als Hülle für Lofts zu bewahren, aber nicht eine kleine Ecke deutet irgendwo auf die grandiose Vergangenheit dieses einmaligen Betriebes hin. Wir haben auch keine Brikettfabrik retten können. Witznitz steht zwar noch, ist aber um- bzw. ungenutzt. Auch die einmalige Abraumförderbrücke im Tagebau Zwenkau wurde gesprengt. Da half auch der „F.A.Z.“-Befund nicht – ich zitiere –: „Die paar Millionen für den Erhalt müssen sich doch noch finden lassen.“ Dankenswerterweise hat zumindest in Brandenburg die Brikettfabrik in Knappenrode als Museum ebenso überlebt wie die Förderbrücke Klettwitz.
Was ist, abgesehen von der dringend notwendigen Aufstockung der Mittel für den Zweckverband Sächsisches Industriemuseum, weiter zu tun? Im Sinne der Industriekultur kommt es jetzt auf Kooperation und Vernetzung, zum Beispiel entlang thematischer Routen, an, die gegebenenfalls über Landesgrenzen hinausführen werden. So wurde in Brandenburg beispielsweise viel Braunkohlerelevantes bewahrt, was in Sachsen verschwunden ist.
Eifersüchtig wird über den jeweiligen Schatz gewacht oder es fehlt die Gesamtschau in Sachsen. Aus Sicht der Linksfraktion wäre es daher an der Zeit, die übernächste Landesausstellung endlich zur sächsischen Industriekultur zu gestalten. Einen wichtigen Baustein auf diesem Weg bietet übrigens der von der Landesstelle für Museumswesen 2004 herausgegebene Führer durch die sächsische Museumslandschaft, der erstmals eine Kategorisierung
einführt, bei der Technik- und Industriemuseen sowie Stätten sächsischer Handwerkstechnik und Industriegeschichte separat ausgewiesen sind.
Ein letzter Satz: Bayern vermarktet unter dem Motto „Ganz in der Tradition neuer Ideen und alter Tugenden“ die Münchener Traditionsbrauerei Hacker-Pschorr ähnlich inbrünstig wie Schloss Neuschwanstein. Man muss ja von den Bayern nicht gleich das Siegen lernen, aber zumindest bei der intelligenten Pflege und Vermarktung von Industriekultur – das Brauwesen zählt im weitesten Sinne sicher dazu – kann sich unser Land trotz des sächsischen Brauereimuseums im erzgebirgischen Rechenberg noch einiges von den bayerischen Nachbarn abschauen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich der FDP-Fraktion danken, dass sie sich des Themas angenommen hat, wobei ich allerdings der Meinung bin, ein Antrag wäre inhaltlich besser gewesen. Damit hätte man doch ein wenig mehr erfahren können von den Dingen, die Sie eigentlich verändern wollen.
Herr Schmalfuß, Sie haben den Koalitionsvertrag kritisch angesprochen und gesagt, dass dort eine siebenprozentige Abschmelzung für das Industriemuseum verankert sei. Sicher haben Sie sich darüber informiert, warum das dort überhaupt so explizit erwähnt worden ist; denn ohne diese Erwähnung im Koalitionsvertrag wäre die Zuwendung des Freistaates Sachsen komplett gestrichen worden. Das konnten wir gerade noch mit dieser Anmerkung verhindern. Unsere Ministerin hat sich schon mehrfach in der Presse dazu geäußert, dass auch diese siebenprozentige Abschmelzung infrage steht. Es wird unsere Aufgabe sein – von uns allen hier im Plenum –, bei den Haushaltsverhandlungen entsprechend zu agieren. Es liegt also in unserer Hand, was wir hier zukünftig tun werden.
Aber Industriekultur ist für mich nicht nur allein das Industriemuseum Chemnitz. Ich hoffe auch nicht, dass Sie es allein nur auf diesen engen Begriff begrenzen wollten. Man muss sehen, was hinter dem Begriff steckt, denn eine Industriekultur ist eine moderne, national anerkannte Erweiterung des bisherigen Kulturbegriffs. Der bisherige Kulturbegriff ist von der Kunstpflege, den Kunstmuseen und der Kunstdenkmalpflege geprägt. Die Industriekultur nimmt in diesem Kulturbegriff zum Beispiel zusätzlich die Leistungen des menschlichen Geistes in Wissenschaft und Technik auf. Ich denke, dass das zeitgemäß und in Ordnung ist. Wir in Sachsen sollten uns darüber zukünftig auch etwas mehr Gedanken machen.
In der Konzeption zur Schaffung eines sächsischen Industriemuseums von 1993, die damals auf Anregung aller Landtagsfraktionen der 1. Legislatur erstellt wurde, heißt es – das finde ich doch sehr interessant: „Sachsen,
ein Land mit einer 800-jährigen bergbau- und hüttengeschichtlichen Tradition, ein Zentrum deutscher Industriegeschichte, verfügt über einen in Deutschland einmaligen Bestand von Industriedenkmalen und technisch geschichtlichen Sachzeugen, deren Sicherung und Bewahrung eine Landesaufgabe ist. Im Gegensatz zu den zahlreichen Kunst- und kunsthistorischen Museen weist der Freistaat Sachsen bisher kein Landesmuseum zur Darstellung seiner Gewerbe- und Industriegeschichte auf.“ Es verbleibt uns, darüber zu entscheiden, ob sich die Situation jetzt, nach 15 Jahren, wesentlich geändert hat. Auf jeden Fall, denke ich, können wir hier einen Zacken zulegen.
Zweckverbände, Städte und Gemeinden kann man bei der Thematik nicht allein lassen. Meist sind sie finanziell überfordert und mit ihren Industriedenkmalen kaum – so hat es auch Herr Dr. Külow dargestellt – in regionalen, geschweige denn in überregionalen Marketingkonzepten verankert.
Und wenn wir über die Ausschöpfung der Potenziale sprechen, dann muss man das, was Sie hier thematisiert haben, in zwei Schwerpunkte einteilen.
– Leider muss ich zum Schluss kommen, sodass ich nur die Schwerpunkte kurz benennen will. Das ist erstens die Bildung – es liegt Ihnen ja sehr am Herzen, dass Sie junge Leute an die industrielle Kulturgeschichte heranführen und damit auch Technikbegeisterung bewirken wollen. Da ist es für mich interessant, von Ihnen zu hören, wie das zukünftig konzeptionell ausgestaltet werden soll. Das Zweite ist der Tourismus, den wir natürlich auf diesem Gebiet wesentlich beleben müssen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass man durchaus mit Berechtigung eine Aktuelle Debatte beantragen kann, um bei der sächsischen Jugend endlich wieder Technikbegeisterung und Forscherdrang zu fördern, zeigt, wie weit der Freistaat Sachsen nach der Wende in dieser Hinsicht politisch und mental abgewirtschaftet hat.
Seit der Industrialisierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es keine Epoche, in der Sachsen nicht technisch und innovativ führend in Deutschland gewesen ist. Bereits 1765 wurde in Freiberg die weltweit erste montanwissenschaftliche Hochschule gegründet, der 1828 die Technische Bildungsanstalt Dresden, die heutige TU, folgte. 1884 wurde in Chemnitz die erste deutsche Werkzeugmaschinenfabrik aufgebaut, und schon wenige Jahre später
hatte sich mehr als die Hälfte aller deutschen Maschinenbauunternehmen in dieser Region angesiedelt. Auch die Autobauer zog es zu Beginn des 20. Jahrhunderts alle nach Zwickau. Dort liefen zwei Drittel aller deutschen Oberklassefahrzeuge vor dem Krieg vom Band.
Forscher wie zum Beispiel der Vater der Raumfahrt, Hermann Obert, oder Konrad Zuse, der Konstrukteur des ersten modernen speicherprogrammierbaren Computers, der in Hoyerswerda sein Abitur baute, waren federführend dabei, als in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fast alle bahnbrechenden Erfindungen in Deutschland entwickelt wurden: Düsentriebwerke, Atomspaltung, Computer und Raketen. Selbst in der DDR war Sachsen vergleichsweise hoch industrialisiert. Bis zur Wende stammten 40 % aller DDR-Industriegüter aus sächsischen Betrieben.