Protocol of the Session on January 25, 2008

auch keine Jugendlichen. Ich frage Sie: Ist Ihnen das nicht bekannt oder wollen Sie im Grunde genommen die Dinge verniedlichen?

Herr Bandmann, ich habe vorhin – dies wird sich im Protokoll nachlesen lassen – gesagt: Wenn Sie uns hätten nachweisen können, dass wir in den Sechziger- und Siebzigerjahren Jugendliche nach Sibirien geschickt haben – verstehen Sie? Das war genau die Differenzierung.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Das gab es!)

Ich will damit sagen, dass ich mich ganz nachdrücklich von dem distanziere, was in den Fünfzigerjahren in dieser Beziehung geschehen ist.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich sehe es auch nicht als Rechtfertigung an, 2008 oder 2009 Jugendliche nach Omsk zu schicken.

Herr Bartl, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage von Herrn Piwarz?

Ja, Herr Piwarz, bitte schön.

Bitte schön, Herr Piwarz.

Vielen Dank. – Herr Kollege Bartl, ist Ihnen bekannt, dass die Maßnahme, auf die Sie hier abstellen, mit dem Jugendlichen vereinbart wurde und er freiwillig nach Sibirien gegangen ist und damit Ihr Vergleich zu DDR-Zeiten völlig haltlos ist?

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Enttäuschen Sie uns nicht!)

Herr Piwarz, Sie waren zwar Vorsitzender der Jungen Union, wie ich mich erinnere; Sie waren aber nie mit jugendlichen Delinquenten unterwegs, nehme ich einmal an. Ich mache das als

Jugendstrafverteidiger tagtäglich, wenn ich nicht hier bin. Die Freiwilligkeit und deren Maß bei derartigen Entscheidungen kenne ich. Ich weiß, was dahinter steht: der sanfte Nachdruck.

Ich will noch einmal auf das Problem hinaus: Wir gewinnen doch nichts damit, wenn wir mit dieser Hau-draufPolitik auf solche Modelle zurückkommen – ob Sie das jetzt Erziehungsheim oder wie auch immer nennen. Sie werden, wenn Sie morgens um 05:00 Uhr dort mit dem Frühsport beginnen – – Wer gestern Abend ferngesehen hat, kann ein solches Beispiel nachvollziehen – meines Wissens war es aus Hessen –, wie Jugendliche mit Baumstämmen auf dem Rücken durch die Botanik stürzten. Danach war das gemeinsame Prügeln dran, damit man sich in der Behauptung gewissermaßen gemeinsam verteidigen kann. – Was ist denn das? Die Betreffenden kommen aus dieser Sondersituation heraus und wieder in das normale Leben hinein, in einer Großstadt oder in einer Situation, in der alle Unwägbarkeiten oder Verführbarkeiten des Alltags weiter funktionieren. Es kann doch beim allerbesten Willen nicht der Weg sein, dass jeder für sich allein entscheidet, ob sich der Betreffende in Sibirien oder in irgendwelchen anderen Abgeschiedenheiten bewähren muss.

Ich möchte gern – das ist unsere Bitte – das schlichte objektive Verständnis haben, es geht hier um ein Modell, das der Freistaat Sachsen natürlich dann auch im Landtag vorstellen muss.

Herr Bartl, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Es geht um die ressortübergreifende Verantwortung, und es geht darum, dass der Landtag letztlich auch in der Haushaltsdebatte die Konsequenzen zu bedenken hat; denn diese Lager bzw. Plätze – Warnschussarrest und Ähnliches mehr – kosten Geld.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die Fraktion der GRÜNEN, bitte; Frau Herrmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister, Sie haben gesagt, dass Sie keine Strafverschärfung wollen, sondern dass Sie sich nur weitere Sanktionsmöglichkeiten wünschen, die in den Instrumentenkasten des Jugendstrafvollzuges

(Gottfried Teubner, CDU:... hineinpassen!)

hineingehören. – Meine Frage – die Frage, die dahinter steht und die wir uns alle stellen – ist, ob wir mit diesen weiteren Instrumenten dem ersten Auftrag des Jugendstrafvollzuges, nämlich Erziehung, noch gerecht werden können. Daran habe ich so meine Zweifel.

Wenn ich mir – Sie sagten, Sie wünschten sich den Warnschussarrest; den Jugendstrafarrest haben wir bereits, dazu hat Herr Bartl schon einiges ausgeführt – die

Rückfallquote anschaue, die ja ein weiteres wesentliches Indiz dafür sein muss, ob ein Instrument passend ist oder nicht, und diese bei 70 % liegt und bei der Bewährungsstrafe bei 60 %, dann frage ich mich, wie Sie dazu kommen zu sagen: Wir setzen jetzt die Bewährungsstrafe und den Jugendarrest gleichzeitig ein, um dann sozusagen die bessere Prävention zu haben.

Das verstehe ich einfach nicht, und in diesem Fall zieht auch die Tatsache nicht, dass sozusagen die Schwere der Tat doch eine unterschiedliche ist, was man ja bei denjenigen Jugendlichen, die in den Strafvollzug gehen, sagen könnte – das sind 78 %. Das zieht nicht, weil die Straftaten unter Umständen dieselben sind, nur dass der eine zum ersten Mal und der andere eben zum dritten Mal straffällig wird. Das erschließt sich mir überhaupt nicht. Ich werbe noch einmal für unseren Präventionsansatz insgesamt.

Ich möchte die Sozialpolitik auch einbeziehen. Christian Pfeiffer, Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes, der in Sachsen unter anderem das Modellprojekt „Pro Kind“ vertritt, das wir einführen, hat gesagt, dass das Problem der Jugendgewalt nichts mit der Herkunft, sondern mit der sozialen Lage der Jugendlichen zu tun hat. Er schlägt vor, dem mit Frühförderung, unter anderem auch mit diesen Familienhebammen, und mit einem breiten Instrumentarium der Jugendhilfe zu begegnen, also Prävention zu betreiben, damit Jugendliche gar nicht erst straffällig werden. Wenn wir uns ansehen, dass bei armen Familien 15 % der Kinder körperliche Züchtigung erfahren und bei Kindern von wohlhabenden Eltern nur 2 %, dann kann man doch sehen, dass es da irgendwie eine Linie geben muss, die von der Kindheit her dazu führt, dass Jugendliche eben der Meinung sind, Gewalt wäre als Mittel durchaus recht. Das heißt, Prävention muss viel früher ansetzen, eben in der Kindheit, und genau dort müssen wir dann auch die Mittel zur Verfügung stellen, um Prävention betreiben zu können.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Ich möchte noch zu unserem Antrag sagen: Wir haben hier weder zur Gelassenheit aufgerufen, was Sie uns in Ihrer Rede zwar nicht direkt vorgeworfen haben, aber Sie haben gesagt, man dürfe hier nicht gelassen abwarten, noch haben wir hier eine bundespolitische Debatte geführt, sondern wir haben eindeutig zwei Projekte vorgeschlagen, die beide in Sachsen existieren. Bei dem einen haben wir vorgeschlagen, es auszuweiten. Ich möchte dafür nochmals werben; denn im Gegensatz zu der Verwaltungsvorschrift „Junge Intensivtäter“ gibt es dazu eine Evaluation. Bei dem anderen würde ich mir die Evaluation einfach wünschen. Sie haben das angedeutet. Sie wollen die Verwaltungsvorschrift auf ganz Sachsen ausweiten, ohne dass Sie uns sagen können, ob sie in der Richtung wirkt, in der sie gedacht ist. Dazu haben Sie nichts ausgeführt. Ich bin der Meinung, dass man, bevor

man etwas ausweitet, wissen muss, ob die erwünschten Ergebnisse eintreten.

Ich hatte Sie vorhin im Zusammenhang mit dem Warnschussarrest nach der Bewährungsstrafe gefragt. Sie haben gesagt, dass die Jugendlichen dort lächelnd herausgehen. Da ist doch eine Frage: Welche Bewährungsauflagen sind ergangen und wie sollen sie durchgesetzt werden? Eine weitere Frage ist: Wie viele Bewährungshelfer habe ich, und können diese die Auflagen überhaupt durchsetzen?

Wenn die Kumpels dann erfahren, dass der aber ganz schön ran muss und dieses oder jenes zu machen hat, unabhängig davon, ob er Arbeitsstunden leisten oder etwas anderes tun muss, dann wird sich deren Meinung wohl ändern.

Ich habe vorhin schon gesagt, dass wir natürlich das jetzt mögliche Instrumentarium des Jugendstrafvollzuges brauchen und anwenden müssen.

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)

Wenn es Landkreise gibt, in denen soziale Trainingskurse und der Täter-Opfer-Ausgleich ganz allein deshalb nicht durchgeführt werden und die Richter nicht dazu verurteilen können, weil sie dort nicht angeboten werden, da die Jugendhilfe dafür keine Mittel zur Verfügung stellt, dann beschneiden wir uns selbst. Dann muss man sich nicht hinstellen und nach schärferen oder anderen Strafen rufen, wenn man die, die es jetzt schon gibt, nicht anwendet. Deshalb haben wir unter anderem vorgeschlagen, die Jugendgerichtshilfe zu stärken und ihr die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.

Ich werbe noch einmal für unseren Antrag, vor allem für das Projekt aus Dresden. Ich denke, es ist geeignet, in Sachsen eine gute Präventionswirkung zu entfalten.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über die beiden Anträge abstimmen.

Wir beginnen mit der Drucksache 4/10837, Antrag der Linksfraktion. Wer die Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte! – Und die Stimmenthaltungen? – Ich sehe 2 Stimmenthaltungen. Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe die Drucksache 4/10890 auf, Antrag der GRÜNEN. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte! – Und die Stimmenthaltungen? – Stimmenthaltungen gibt es keine. Bei einer Reihe von Stimmen dafür wurde der Antrag dennoch mit großer Mehrheit abgelehnt.

Der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Bundesratsinitiative für eine bundeseinheitliche Erweiterung der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) um die Täterherkunft

Drucksache 4/10893, Antrag der Fraktion der NPD

Die Fraktionen können zu diesem Antrag Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: NPD, CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Ich erteile jetzt Herrn Abg. Apfel das Wort.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Wer angewachsene Ohrläppchen hat, ist auch kriminell, Herr Apfel!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland beginnt, sich mit der Ausländerkriminalität und ihrem überproportional hohen Anteil an der Jugendgewalt auseinanderzusetzen – nicht konspirativ hinter vorgehaltener Hand, nicht abgeschirmt in elitären Zeitungen und marginalisierten Organisationen, sondern in führenden überregionalen Medien.

Bislang galt für das politische Establishment mit Blick auf deutsche und ausländische Gewaltopfer die an Zynismus und Rassismus nicht mehr zu überbietende Faustregel: Ein deutsches Opfer ist nichts, ein ausländisches Opfer aber alles!

(Beifall bei der NPD)