Protocol of the Session on January 25, 2008

(Heinz Lehmann, CDU: Ja, ja!)

Kriminellen Jugendlichen hilft kein Multi-Kulti-Gesäusel oder aufwendige Erlebnispädagogik in den Tropen oder in Sibirien.

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Sie brauchen einen Warnschuss vor den Bug, um zu begreifen, dass sie ihre Lebenseinstellung und -führung ändern müssen. Bewährungsstrafen dürfen von den Betroffenen nicht als Freisprüche erster Klasse mit einem Grinsen zur Kenntnis genommen werden.

(Zurufe von der Linksfraktion)

Notfalls sind zusätzliche Sanktionen wie der sogenannte Warnschussarrest oder der zeitweilige Entzug von Führerschein und Handy in Anwendung zu bringen.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Handys!)

Dazu, meine Damen und Herren, bedarf es bundesgesetzlicher Änderungen, wie sie in der Gesetzesinitiative enthalten sind, die Sachsen gemeinsam mit Bayern, Hessen, Niedersachsen und Thüringen in den Bundestag eingebracht hat und die von diesem am 14. Mai 2004 beschlossen wurde.

Meine Damen und Herren! Wenn wir eine Stärkung – ich betone: Stärkung – des Jugendstrafrechts und die Verbesserung und Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens fordern,

(Klaus Bartl, Linksfraktion, und Elke Herrmann, GRÜNE, stehen am Mikrofon.)

verlassen wir in keiner Weise den Grundsatz der vorrangigen Erziehung jugendlicher Straftäter, die auch die Philosophie unserer im vergangenen Jahr beschlossenen Novelle des Jugendstrafvollzugsgesetzes prägt.

Es gibt mehrere Zwischenfragen. Lassen Sie diese zu, Herr Schowtka?

Nein, ich habe Ihnen auch zugehört. Hören Sie mir bitte ebenfalls zu. – Das bedeutet aber auch, dass die sächsischen Jugendstrafanstalten keine Erholungsheime für Gesetzesbrecher sind. Sie sind auch keine bloßen Wegsperreinrichtungen, in denen die einmal Gestrauchelten von erfahrenen Schwerenötern für eine künftige kriminelle Karriere weiterqualifiziert werden.

Aber, meine Damen und Herren, auch das perfekteste und aufwendigste Erziehungskonzept wird auf kurze Sicht nicht das heilen können, was kaputte Familienverhältnisse diesen jungen Menschen an Wunden geschlagen haben. Deshalb sind repressiver Strafvollzug und Resozialisierung für uns zwei Seiten einer Medaille und damit gleichzeitig Prävention und Opferschutz für die Zukunft.

Die Fachleute – das hat meine Vorrednerin schon gesagt – sind sich schon lange darüber einig, dass reiner Verwahrvollzug zu steigenden Wiederholungstaten führt und damit, auf lange Zeit gesehen, eine Vergeudung menschlicher und materieller Ressourcen darstellt; ganz zu schweigen davon, dass eine repressive Wegsperrung einem christlichen Menschenbild widerspricht, das für meine Fraktion Richtschnur und Maßstab ist.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Aha! – Elke Herrmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte meine Rede zu Ende führen. Ich habe Sie auch nicht unterbrochen. Wir können uns nachher unterhalten. – Bis zu 75 % der jugendlichen Straftäter werden ein- oder mehrmalig mit eher geringen Delikten strafanfällig und entwickeln sich später völlig unauffällig weiter. Für diese jungen Menschen ist Kriminalität nur eine Episode in ihrem Leben.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Aha!)

Bei ihnen hat sich das geltende Jugendstrafrecht bewährt. Das Problem, meine Damen und Herren, bildet die andere kleine Gruppe von kriminellen Jugendlichen, bei denen die Rückfallquote mit den bisherigen Instrumentarien nicht gesenkt werden kann und die eine echte Gefahr für die Gesellschaft bedeuten.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Auch um des Opferschutzes willen sollte für diesen gefährlichen Personenkreis die Erhöhung der Jugendstrafe von zehn auf 15 Jahre und für Heranwachsende im Alter von 18 bis 21 Jahren das Strafrecht zur Anwendung kommen dürfen.

Jugendstraftaten lassen sich nur verhindern, wenn der Täter weiß, dass er entdeckt und auf dem Fuße bestraft wird. Ohne selbstzufrieden zu sein, dürfen wir in Sachsen sagen, dass wir dabei auf einem guten Weg sind. Bundesweit stehen wir an dritter Stelle in der Dauer der Jugendstrafverfahren und auf dem zweiten Platz bei der Zahl der Verfahren pro Jugendrichter, nämlich 373. Im Bundesdurchschnitt sind es – man höre und staune – 552. In Rheinland-Pfalz kommen auf einen Jugendrichter fast doppelt so viele Strafverfahren wie in Sachsen. Wie gesagt, das ist kein Grund zur Selbstzufriedenheit, aber wir sind auf einem guten Weg.

Die Ende 2006 in Kraft getretene Verwaltungsvorschrift Junge Intensivtäter – unter Insidern als VwV JunI bekannt – mit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung und fachübergreifenden Vernetzung wurde in den Staatsanwaltschaften Dresden und Zwickau als Pilotprojekt praktiziert und gilt seit Jahresbeginn sachsenweit.

Dennoch: Eine seriöse Evaluation der VwV JunI, wie sie der vorliegende Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert, dürfte aufgrund der relativ kurzen Laufzeit des Projektes schwierig sein. Aber die Antwort darauf möchte

ich lieber dem Justizminister überlassen. Ihrem Antrag werden wir deshalb nicht zustimmen.

Zum Antrag der Fraktion DIE LINKE ist zu sagen, dass er einschließlich der Begründung eine teilweise wörtliche Wiederholung ihres Antrages vom 20.10.2004 ist.

(Zuruf von der Linksfraktion)

Dazu fand bereits am 9. Mai 2005 eine ausführliche Anhörung von Experten statt, deren Ergebnisse Eingang in die rechtspolitischen Aktivitäten meiner Fraktion als auch in die Politik der Staatsregierung gefunden haben. Ihren Antrag, der uns zu einer substanziellen Änderung unserer Rechtspolitik auffordert, bitte ich deshalb abzulehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Die SPD-Fraktion; Herr Bräunig, bitte.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Aber jetzt bitte etwas Netteres!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben schon häufig die Situation erlebt, dass bundespolitische Debatten hier im Landtag geführt werden. Diesmal ist es wieder so weit.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Der hessische Landtagswahlkampf macht es möglich. Ich denke, dass sich die von Kollegen Koch in Hessen fahrlässig vom Zaun gebrochene Debatte für Stammtischdiskussionen sehr gut eignet, aber nicht zur Lösung der gesellschaftlichen Probleme im Bereich der Jugendkriminalität.

(Beifall bei der SPD – Johannes Lichdi, GRÜNE: Da haben Sie recht!)

Ich kann eine gewisse Schadenfreude nicht verbergen, wenn ich sehe, dass Kollege Koch den Bogen wohl so weit überspannt hat, dass er am Sonntag ernsthaft um seine Mehrheit fürchten muss.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN – Elke Herrmann, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Das ist Hessen – wir sind hier in Sachsen. In Sachsen ist kein Landtagswahlkampf.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Die nächste Wahl ist im Herbst 2009. Bis dahin arbeitet diese Koalition zuverlässig weiter. Davon bin ich überzeugt.

(Beifall des Staatsministers Geert Mackenroth)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Bräunig?

Ja. Ich habe zwar noch nicht richtig angefangen, aber bitte.

Herr Kollege, Sie haben gesagt, dass wir hier eine bundespolitische Debatte führen. Können Sie zur Kenntnis nehmen, dass sich unser Antrag ausschließlich auf zwei Projekte bezieht, die beide in Sachsen beheimatet sind?

Das nehme ich gerne zur Kenntnis, Frau Herrmann. Ich stimme Ihnen zu.

Kommen wir zum Thema. Für meine Fraktion und auch für die SPD als Partei steht fest: Jugendkriminalität muss genauso hart bekämpft werden wie ihre Ursachen, möglichst bevor es zu kriminellen Übergriffen kommt.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Gegen jugendliche Gewalttäter bietet das Gesetz schon heute harte Möglichkeiten, um erzieherisch und strafrechtlich Gewalttaten Einhalt zu gebieten. Der Warnschussarrest zum Beispiel steht schon lange im Gesetz. Auch das Fahrverbot ist schon heute als Weisung nach Jugendgerichtsgesetz möglich. Ich bin der festen Überzeugung, dass die bereits jetzt bestehenden Möglichkeiten, kriminelle Taten junger Menschen zu bestrafen, ausreichend sind, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)