Protocol of the Session on October 6, 2020

Zum Dritten. Sie haben gesagt: mehr Wettbewerb. Die Schulbezirke sind natürlich ein Steuerungsinstrument auch für die Schulträger, sprich für die Kommunen und die Landkreise. Das ist immer eine Daueraufgabe. Wir haben bei vielen bildungspolitischen Vorhaben die Situation, dass die Schulträger mit im Boot sind und mitbestimmen. Aber wenn man die Nachfrage nach einem Schulstandort zum alleinigen Kriterium erhebt, dann frage ich mich, wie das gelingen soll, wenn die Schulbezirksgrenzen abgeschafft werden und die Nachfrage das alleinige Kriterium darstellt für die Frage, welche Schulen erhaltenswert sind und welche nicht. In dem Fall glaube ich, dass die Auslastung nicht wirklich die einzige Antwort sein kann. Es gibt vielfältige andere Aspekte, die hier eine Rolle spielen.

Ein Aspekt ist auch bei Frau Spaniol angeklungen. Es ist die Frage des Schulstandortes und die Frage einer intakten Schule. Das ist auch ein Strukturargument für den Zusammenhalt vor Ort. Wenn wir dies

dem Wettbewerb überlassen, dann haben wir gar nicht - und Sie erst recht nicht - die Schülerinnen und Schüler im Blick, sondern wir vernachlässigen dadurch ein großes Stück den Zusammenhalt vor Ort. Das ist ein Wettbewerb zulasten von Schülerinnen und Schülern.

Damit bin ich bei einem Punkt, von dem ich glaube, dass ich ihn in meiner ersten Rede, die ich hier im Haus gehalten habe, auf einen Antrag von Ihnen hin erwähnt habe. Ich bleibe dabei, dass Schulen keine Unternehmen sind, dass Schülerinnen und Schüler keine Kunden sind und dass Bildung keine Ware ist, sondern dass Bildung ein Menschenrecht ist, dem wir zur Durchsetzung verhelfen wollen. In diesem Sinn lehnen wir Ihren Antrag ab. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Renner. Auch wenn Mist stinkt, sollten wir bei aller Unterschiedlichkeit der Auffassungen respektvoll miteinander umgehen. Das als kleiner Hinweis.

(Vereinzelt Sprechen.)

Der nächste Redner ist Josef Dörr, der Fraktionsvorsitzende der AfD.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin auch dafür: kurze Beine, kurze Wege. Deshalb bin ich schon seit Jahrzehnten absolut gegen irgendwelche Schulschließungen in Orten, nur weil die Schule vielleicht nicht zweizügig ist oder nicht durchgängig Klassen gebildet werden können. Ich bin für die Schule im Dorf. Das ist eines. Ein anderes ist, was die benachteiligten Kinder betrifft. Von den 45 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit - insofern habe ich schon ein bisschen Ahnung davon war ich 42 Jahre für behinderte und benachteiligte Kinder tätig. Das ist mir bis heute eine Herzensangelegenheit.

Zu den Stichworten. Ich bin gehalten, mich kurz zu fassen. Das mache ich gerne. Zunächst einmal zur Planungssicherheit. Die Planungssicherheit ist ein Phantom. Die Planungssicherheit trägt man immer wie eine Monstranz vor sich her. Im Regionalverband Saarbrücken war im Berufsbildungszentrum Völklingen ein Bau von über 10 Millionen Euro geplant. Das ist noch keine zehn Jahre her. Bei der Ausschreibung ist etwas schiefgegangen. Einer, der nicht zum Zuge kam, hat geklagt. Das Ganze hat ein Jahr gedauert. Nachdem das vorbei war und diese Klage abgeschlossen war, hat man das Gebäude nicht mehr gebaut, weil man es inzwischen nicht mehr gebraucht hat. So viel zur Planungssicherheit.

Es wurde immer nach belastbaren Zahlen gefragt. Es wird nicht gefragt, wie die Zahlen sind. Nein. Das

(Abg. Renner (SPD) )

müssen schon belastbare Zahlen sein. Aber auch die belastbaren Zahlen sind nie belastbar. In meiner Zeit ist zum Beispiel in Tholey eine Förderschule mit einem großen Zentrum geplant worden. Sie ist drei Jahre später geschlossen worden. Bei diesen Dingen muss mir niemand kommen. Diese Planungssicherheit gibt es sowieso nicht.

Ein Zweites. Ja, es gibt eine Möglichkeit, dass die Kinder andere Schulen besuchen können als die, zu deren Bereich sie gehören. Das wird auch gemacht. Ich habe selbst davon Gebrauch gemacht, weil zum Beispiel mein jüngster Sohn die französische Grundschule in Saarbrücken besuchen wollte. Es wird davon Gebrauch macht, aber es heißt, es müssen wichtige Gründe sein. Wer legt denn diese wichtigen Gründe fest? Ich habe zum Beispiel in der Politik gelernt, dass subjektiv gleich objektiv ist, nämlich was für den einen wichtig ist, ist für den anderen gar nicht wichtig. Wieso soll die Kultusbehörde entscheiden, was für die Eltern wichtig ist? Deshalb gibt es das Plädoyer für das Recht der Eltern, zu bestimmen, welche Schulen ihre Kinder besuchen.

Es wird ein Szenarium aufgemacht, was alles Schreckliches passiert. Ich sage Ihnen, was passiert. Es passiert einfach nur, dass diese Bürokratie abgebaut wird. Eltern müssen diesen unnötigen Antrag stellen, aber die Eltern, die ihre Kinder nicht in die Schule gehen lassen wollen, zu der es laut Bezirk gehört, schicken sie sowieso in eine andere Schule. Sie finden entweder Gründe oder sie mogeln. Ich war 45 Jahre im Schulsystem. Ich habe das immer gesehen. Ich habe nie gesehen, dass ein Kind in irgendeiner Schule gesessen hat, die die Eltern nicht wollten. Das wird sowieso unterlaufen.

Das heißt also, dass dieses Szenario, das Sie heraufbeschwören, wenn diese Grenzen wegfallen, sowieso schon existiert. Den Schulen in sozialen Brennpunkten laufen die Kinder schon weg. Das heißt, diese Probleme kann man nicht mit einer Grenze regeln. Sie können das nur regeln, indem man die Schulen ordentlich ausstattet. Dort muss guter Unterricht gemacht und gut erzogen werden. Dazu gehört noch mehr, das kann ich aber hier nicht in 3 Minuten ausführen. Es ist eine größere Sache, aber da muss man ran.

Ich habe in der Schule, in der ich Schulleiter war, am Schluss 40 Prozent ausländische Kinder gehabt. 40 Prozent! Das waren italienische, türkische, serbische und kroatische Kinder. Sie kam aus vielen Ländern und sie waren dann auch noch förderungsbedürftig. Da gab es nie ein Problem. Nie! Es gab weder Gewalt noch irgendetwas. Es gab nie ein Problem. Das heißt, es ist eine Sache des Rahmens und der Organisation sowie der Lehrer und der Schulleitung. Das hat mit Schulgrenzen nichts zu tun. Schulgrenzen aufzuheben ist nur Bürokratieabbau und die Leute werden nicht gezwungen zu lügen. - Danke schön.

(Beifall von der AfD.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der AfD-Landtagsfraktion Drucksache 16/1456. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den Ausschuss für Bildung, Kultur und Medien zu überweisen. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/1456 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die AfDFraktion, dagegen gestimmt haben die CDU-Fraktion, SPD-Fraktion, DIE LINKE und die fraktionslose Abgeordnete Ensch-Engel.

Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes zur organisationsrechtlichen Anpassung und Entfristung der Geltungsdauer von Vorschriften des Landesrechts (Drucksache 16/1449)

Zur Begründung des Gesetzentwurfes erteile ich Herrn Minister Peter Strobel in seiner Funktion als Justizminister das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich um ein ressortübergreifendes Gesetz, das alle Ministerien gleichzeitig betrifft, nicht nur ein bestimmtes Fachministerium. Es geht darin um die organisationsrechtliche Anpassung und die Entfristung der Geltungsdauer von Vorschriften des Landesrechts.

Hierzu ist Folgendes zu sagen: Die Befristung von Gesetzen wurde bis vor einigen Jahren in vielen Fällen grundsätzlich vorgenommen. Damals sah man eine Ursache für schwaches Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit in einem Übermaß an Bürokratie, an staatlichen Regulierungen, an Gesetzen und Vorschriften. In diesem Zug gab es von verschiedenster Seite eine ganze Reihe von Vorschlägen, wie man der Überbürokratisierung Einhalt gebieten könnte. Einer dieser Vorschläge war, Gesetze und Vorschriften grundsätzlich in ihrer Geltungsdauer zu befristen. So bestand die Möglichkeit, das geltende Recht einer wiederkehrenden, permanenten Evaluierung zu unterziehen. Auch wir im Saarland haben vor diesem Hintergrund zahlreiche Gesetze grundsätzlich befristet.

(Abg. Dörr (AfD) )

Mittlerweile haben wir uns von dieser Praxis ein Stück weit entfernt. Die Evaluation unseres Normenbestandes ist heute auch ohne eine starke Befristungspraxis gegeben. Heute findet die Überprüfung des Landesrechts bereichsspezifisch und kontinuierlich statt. Vor diesem Hintergrund, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss eine ganze Reihe von Gesetzen heute entfristet werden. Diese Gesetze unterliegen derzeit noch einer befristeten Geltungsdauer bis zum 31. Dezember 2020. Da diese Gesetze landesrechtlich unverzichtbar sind, wird von einer erneuten Befristung auch abgesehen. Zur Gewährleistung der Normentransparenz und besseren Übersichtlichkeit haben wir diese Gesetze thematisch nach den jeweiligen Ressortzuständigkeiten geordnet. Gleichzeitig sieht das Gesetz organisatorische und terminologische Anpassungen in den einzelnen Stammgesetzen vor, die aufgrund zwischenzeitlich eingetretener Änderungen in Bereichen der obersten Landesbehörden notwendig wurden. - In diesem Sinne möchte ich Sie herzlich um Zustimmung für diesen Gesetzentwurf bitten.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Minister. Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/1449. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung zu überweisen. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss ist, den bitte ich, eine Hand zu heben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/1449 einstimmig mit den Stimmen aller Fraktionen und der fraktionslosen Abgeordneten Ensch-Engel angenommen wurde.

Wir kommen zu Punkt 6 der Tagesordnung:

Zweite Lesung des Gesetzes zur Neuregelung der polizeilichen Datenverarbeitung im Saarland (Drucksache 16/1180) (Abänderungsan- träge: Drucksachen 16/1459 und 16/1461)

Zur Berichterstattung erteile ich der Vorsitzenden des Ausschusses für Inneres und Sport, Frau Abgeordneter Petra Berg, das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Landtag hat den von der Regierung des Saarlandes ein

gebrachten Gesetzentwurf in seiner 36. Sitzung am 12. Februar 2020 in Erster Lesung angenommen und an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen. Der Ausschuss hat im Rahmen seiner weiteren Beratungen beschlossen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die an insgesamt drei Terminen stattgefunden hat.

Dem Gesetzentwurf liegen folgende Erwägungen zugrunde: Die Richtlinie 2016/680 des Europäischen Parlaments und Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses - das ist die sogenannte JI-Richtlinie des Rates - war bis zum 06. Mai 2018 in nationales Recht umzusetzen, eine Frist, die nicht nur im Saarland nicht einzuhalten war und daher überschritten werden musste. Die Richtlinie, welche in quantitativer Hinsicht überwiegend die polizeiliche Verarbeitung personenbezogener Daten regelt, stellt jedoch nur einen Teilaspekt des gesetzgeberischen Handlungsbedarfs dar, welcher die umfassende Neuregelung der polizeilichen Datenverarbeitung bedingt.

Die Vereinbarung des Koalitionsvertrages, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz vom 20. April 2016, die Defizite im Hinblick auf polizeiliche Befugnisse erkennt, Forderungen aus der Praxis sowie des Unabhängigen Datenschutzzentrums stellen das Spannungsfeld dar, innerhalb dessen die polizeiliche Datenverarbeitung neu zu regeln war. Auch die Umsetzung des Programms Polizei 2020 erforderte eine verfassungsgemäße und richtlinienkonforme Anpassung der Datenverarbeitungsnormen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf verfolgen wir das Ziel, die zum Teil konträr anmutenden Anforderungen zu normieren, um eine rechtssichere und zukunftsfähige Basis für die polizeiliche Datenverarbeitung zu schaffen. Zu diesem Zweck wird in Artikel 1 das Saarländische Polizeigesetz dahingehend geändert, dass darin im Wesentlichen die Vorschriften zur Verarbeitung personenbezogener Daten gestrichen und erforderliche Anpassungen vorgenommen werden. Artikel 2 sieht als völlig neues Normengefüge das Saarländische Gesetz über die Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Polizei vor. Es handelt sich hierbei um eine Regelung, die die gesamte von § 1 Abs. 1 umfasste polizeiliche Datenverarbeitung umfasst. Anders als bisher stellt das Saarländische Datenschutzgesetz damit keine Auffangregelung mehr dar.

Der Gesetzentwurf wurde vom Ausschuss gelesen, der, wie eben bereits erwähnt, gleich drei Anhörungen unter anderem unter Beteiligung des saarländischen Unabhängigen Datenschutzzentrums, des

(Minister Strobel)

Saarländischen Anwaltvereins, des Saarländischen Städte- und Gemeindetags, der Gewerkschaften der Polizei GdP und DPolG, einiger Hochschullehrer aus Wissenschaft und Lehre sowie der NGOs durchgeführt hat. Die dritte Anhörung wurde nach fraktionsübergreifender Einigung im Ausschuss unter Beteiligung von Prof. Dr. Christian Schäfer von der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mainz, Fachbereich Kriminalpolizei, durchgeführt, der eigens hierfür ein Gutachten über die Frage, wie man den Einsatz von Bodycams in Wohnungen grundgesetzkonform ausgestalten kann, angefertigt hat. Die neue Regelung sieht nun vor, dass Polizisten zwar mit Bodycams in Wohnungen filmen können, die Aufzeichnungen aber nur auf richterlichen Beschluss hin weiterverarbeitet werden dürfen. Durch die Änderungen werden die Rechte Dritter, aber auch die der Betroffenen geschützt.

Die Koalitionsfraktionen haben zu dem Gesetzentwurf Drucksache 16/1180 einen Abänderungsantrag eingebracht, der Ihnen als Drucksache 16/1459 vorliegt. Die Koalitionsfraktionen haben einen weiteren Abänderungsantrag eingebracht, der Ihnen als Tischvorlage und Drucksache 16/1461 vorliegt. Diese regelt das Inkrafttreten des Gesetzes am 31. Dezember 2020. Der erste Abänderungsantrag der Koalitionsfraktionen wurde einstimmig angenommen. Der Ausschuss für Inneres und Sport empfiehlt daher dem Plenum die Annahme des Gesetzes unter Berücksichtigung des angenommenen Abänderungsantrags sowie des zweiten Abänderungsantrags in Zweiter und letzter Lesung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Berichterstatterin. - Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat Dennis Lander von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie wissen, lehnt ein breites Bündnis in unserer Gesellschaft dieses Gesetz ab. Wie Sie wissen, äußerte die große Mehrheit der Fachleute in der Anhörung Kritik und verfassungsrechtliche Bedenken. Wie Sie wissen, ist dieses Gesetz praktisch die Umkehr von dem, was die EU-Vorgabe in Sachen Datenschutz umsetzen wollte. Am Donnerstag sagte selbst der Kollege Schäfer im Innenausschuss, dass dieses Gesetz mit heißer Nadel gestrickt sei. Da muss ich schon sagen, wenn Sie hier im grundrechtssensiblen Bereich operieren, sollten Sie zumindest Ihre Instrumente sowie die Anatomie kennen, denn alles andere ist eine Zumutung für die Bevölkerung.

(Beifall von der LINKEN.)

Das Gesetz schneidet massiv in die Freiheitsrechte der Bevölkerung ein. Es schneidet durch den Einsatz von Bodycams in Wohnungen und den Einsatz von elektronischen Fußfesseln ein. Es schneidet durch noch mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum, durch die Ausweitung der Telefonüberwachung, durch die Erlaubnis, Messengerdienste mit Staatstrojanern überwachen zu dürfen, und durch die Einführung des Kontaktverbotes ein. Das Ganze passiert nicht mehr bloß, wenn eine konkrete Gefahr vorliegt, sondern wenn der Verdacht besteht, dass jemand irgendetwas tun könnte, ohne dass hierbei konkrete Beweise oder Belege für eine Straftat vorliegen müssen. Bevor Sie zustimmen, bitte ich Sie, genau das zu bedenken. An dieser Stelle möchte ich Kira Braun, die Landesvorsitzende der Jusos, zitieren: „Sowohl die Einsetzung des Durchsetzungsgewahrsams als auch den Einsatz von Bodycams in Wohnungen lehnen wir strikt ab. Die Freiheitsstrafe ist für den Staat eine der schärfsten Eingriffsmöglichkeiten in die Rechte der Bürger überhaupt. Es fehlt bei einer Haft aus präventiven Gründen gerade der für die Rechtfertigung der Freiheitsentziehung beim Strafvollzug erforderliche Schuldvorwurf.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt mussten Sie am Ende ein ganz klein wenig nachbessern. Damit wollten Sie die rechtlichen Bedenken der Gutachterinnen und Gutachter zum Einsatz der Bodycams in Wohnungen aufgreifen. Allerdings ist damit jetzt auch klar, dass Sie Ihr ursprüngliches Ziel, das Sie vor Augen hatten, nicht erreicht haben. Sie haben, wie ich finde, einen gesichtswahrenden Kompromiss für beide Seiten entworfen, denn ausgerechnet in den Fällen, die vollmundig als Begründung für die Neuregelung aufgeführt wurden, dürfen Sie die Bodycams nicht mehr einsetzen. Da muss man schon sagen, Herr Innenminister, an dem Punkt sind Sie wirklich krachend gescheitert, denn im Februar erklärte Ihre Ministervertretung, Minister Strobel, dass der Schutz der Einsatz- und Rettungskräfte eine Herzensangelegenheit für die Landesregierung sei. Besonders in Fällen häuslicher Gewalt prüft man, einen besseren Schutz für die Polizeibeamtinnen und -beamten durchzusetzen. Inzwischen hat sich bestätigt, dass die Landesregierung das sehr schlecht geprüft hat und dass die Mehrheit der Gutachterinnen und Gutachter zu einem ganz anderen Ergebnis kommt. Deshalb mussten Sie an dieser Stelle nachbessern, sodass die Bodycams in Wohnungen nur bei einer dringenden Gefahr für Leib und Leben zulässig sind. Eine dringende Gefahr für Leib und Leben und eben nicht die einfachen Fälle häuslicher Gewalt, sondern erst dann, wenn im Prinzip schon die Axt ausgepackt wurde oder sich Terroristen in einer Wohnung verschanzt haben. Das ist schon etwas ganz anderes als das, was ursprünglich gewollt war - glücklicherweise, denn damit dürfte diese Maßnahme in der Praxis eigentlich raus sein.

(Abg. Berg (SPD) )

Liebe SPD, ich muss darauf hinweisen, dass ihr an der Stelle wieder eingeknickt seid. Mitte August sagte Petra Berg zum Gutachten von Professor Schäfer - und ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin -: „Damit ist für uns der Einsatz von Bodycams in Wohnungen vorerst vom Tisch, bis höchstrichterliche Klarheit geschaffen ist.“ - Ich muss sagen, zumindest uns ist bisher keine höchstrichterliche Überprüfung bekannt. Also ist die SPD wieder als Löwe gesprungen und als Bettvorleger gelandet - und das bei einem so zentralen Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der LINKEN.)

Wir müssen allerdings ausdrücklich begrüßen und unterstützen, dass nach massiver Kritik die Journalistinnen und Journalisten von verdeckten Überwachungsmaßnahmen ausgenommen sind und keine Abstufung, wie ursprünglich geplant, in der Gruppe der Berufsgeheimnisträgerinnen und Berufsgeheimnisträger vorgenommen wird. Hier hat die kritische Öffentlichkeit tatsächlich gewirkt. Das Gleiche gilt natürlich auch für die ungeheuerlichen Pläne des Innenministeriums, das Unabhängige Datenschutzzentrum in seiner Unabhängigkeit beschränken zu wollen. Das alles wurde jetzt vom Tisch genommen. Das ist natürlich zu begrüßen.