Protocol of the Session on August 26, 2020

(Abg. Dr. Jung (SPD) : Was haben Sie gemacht? Was hat denn die LINKE getan?)

Herr Kollege Jung, wir sind nicht in der Regierung, aber es ist immer noch dieselbe Regierung wie vorher. Am Kabinett hat sich kaum etwas geändert. Da hätte man auf jeden Fall die Initiative ergreifen können.

(Zurufe von der CDU.)

Der dritte Punkt war natürlich die Anhörung zu personenbezogenen Hinweisen bei der Polizei. Vor nicht allzu langer Zeit haben wir im Plenum darüber debattiert, dass die Polizei eine diskriminierende Praxis verfolgt, indem HIV-Positive in der Polizeidatenbank als solche gespeichert werden. Damals wurde von den Kollegen Scharf und Renner gefordert, dass man dazu eine Anhörung stattfinden lässt und aus dieser Anhörung die entsprechenden Konsequenzen zieht. Die Anhörung hat stattgefunden. Wie zu erwarten haben alle wissenschaftlichen Expertinnen und Experten deklariert, dass das Vorgehen kontraproduktiv und diskriminierend ist. Wir wissen alle, durch die neuen Behandlungsmethoden ist die Viruslast unter der Nachweisgrenze.

Weiter gedacht ist diese Praxis also auch für die Polizistinnen und Polizisten gefährlich, weil sie sich bei fehlendem Verweis in der Datenbank in einer völlig falschen Sicherheit wiegen. Zusammengefasst: Identifizierte Infizierte sind in der Regel nicht infektiös und ungefährlich, während nicht identifizierte Infizierte potenziell infektiös und gefährlich sind. - Damit führen wir genau diese diskriminierende Praxis ad absurdum. So stellte sich das Ganze auch in der Anhörung dar. Lediglich die Polizeilobby hat mit bereits

widerlegten Argumenten versucht, an genau dieser Praxis festzuhalten. Auch da muss man fragen: Was ist seither passiert? - Nichts. Auch das haben Sie verschwiegen. Es ist, wie eben schon gesagt, dieselbe Landesregierung, die sich alle paar Jahre hier für eine diskriminierungsfreie Blutspenderegelung einsetzt. Das, liebe Kolleginnen Kollegen, ist wirklich arm, und deshalb empfinden wir Ihren Antrag als in Teilen scheinheilig. Aber vielleicht passiert nach dem erneuten Antrag doch noch etwas. Sie wissen ja: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich rufe für die SPD-Landtagsfraktion die Abgeordnete Christina Baltes auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lander, die Landtagsfraktion DIE LINKE kann hier jederzeit Anträge einbringen. Unser Antrag hat ganz bestimmt nichts mit Scheinheiligkeit zu tun. Das möchte ich klarstellen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch ich bin Besitzerin eines Blutspendeausweises. Wenn ich die Aufforderung bekomme: „Sehen wir uns bald? Ihr Blut wird gebraucht!“, versuche ich natürlich, wenn es zeitlich möglich ist, dieser Aufforderung nachzukommen.

(Beifall von der SPD.)

Wie Kollege Scharf eben schon gesagt hat: Täglich werden in Deutschland circa 15.000 Blutspenden benötigt. Im Einzugsgebiet sind es bis zu 3.500. Das Saarland gehört mit Rheinland-Pfalz und NordrheinWestfalen zum DRK Blutspendedienst West. Dieser deckt 70 Prozent des Bedarfs der Krankenhäuser und Praxen in seinem Versorgungsgebiet ab. Die freiwillige und unentgeltliche Blutspende beim Deutschen Roten Kreuz sichert die Versorgung der Patienten in Deutschland, die auf Transfusionen von Blutpräparaten angewiesen sind. Unterstützt wird der DRK Blutspendedienst West durch 1.200 Mitarbeiter im Hauptamt und unzählige im Ehrenamt. All diesen Helfern gilt es, an dieser Stelle einmal Danke zu sagen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Man kann es nicht oft genug sagen: Blutspenden können Leben retten. Immer wieder weisen Mediziner darauf hin, dass nicht genügend Freiwillige zum Spenden kommen. Gerade während der CoronaPandemie sind Blutkonserven knapp. Spender bleiben aus Angst vor Ansteckung zu Hause. Meine Da

(Abg. Lander (DIE LINKE) )

men und Herren, bei jeder Blutspende wird separat in einem kleinen Röhrchen eine Blutprobe entnommen, denn jede Blutspende wird im Labor auf bestimmte Krankheitserreger untersucht. Die Blutspende wird zum Beispiel auf Infektionen mit HIV, Syphilis oder Hepatitis getestet. Das gibt sowohl Sicherheit für die Spenderinnen und Spender als auch für die Empfängerinnen und Empfänger. Glauben Sie mir, keine Blutspende ist überflüssig, jede Blutspende ist nötig. Aufgrund heute verfügbarer und zwingend angewendeter Testverfahren bei jeder einzelnen Spende ist es nicht vermittelbar beziehungsweise unverständlich, dass schätzungsweise 10 Prozent der Bevölkerung pauschal von der Blutspende ausgeschlossen werden. Nach der 2017 formulierten Richtlinie der Bundesärztekammer dürfen homo-, bi- und transsexuelle Männer Blut spenden, sofern sie ein Jahr lang keinen Sex hatten. Das ist unabhängig davon, ob die Personen ungeschützten Sexualverkehr praktizieren oder nicht. Wie zeitgemäß oder sinnvoll ist ein solcher Ausschluss in Ihren Augen?

Nun frage ich mich, was die sexuelle Orientierung mit dem sexuellen Verhalten zu tun hat. Als Mann, der mit einem Mann zusammen ist, kann man ebenso monogam leben, wie es heterosexuelle Menschen tun. Wiederum können heterosexuelle Menschen mehrere wechselnde Partner und dadurch ein höheres Risiko einer sexuell übertragbaren Krankheit aufweisen. Daher ist es für mich entscheidend, dass nicht die sexuelle Orientierung, sondern das individuelle Verhalten bei Blutspendeterminen abgefragt wird. Das Risiko bemisst sich danach, ob Sexualpraktiken safe oder unsafe sind, nicht danach, ob sie homo- beziehungsweise heterosexuell sind. Die gleiche Sicherheit von Blutkonserven lässt sich auch ohne Diskriminierung gewährleisten.

Gibt es gutes und schlechtes Blut? Um es einmal mit anderen Worten zu beschreiben: Wer Blut spendet, übernimmt Verantwortung, sowohl für seine Spende als auch für die Gesellschaft. Es gilt, verantwortungsvolles Handeln zu ermöglichen und nicht pauschal abzuweisen. Besonders in Zeiten, in denen die Gewinnung von Blutspenden zunehmend eine Herausforderung wird, sehen wir eine Erweiterung des Kreises der Spender und Spenderinnen als zielführende Lösung.

Aber nicht nur Effizienz sollte im Vordergrund stehen, sondern in erster Linie Menschlichkeit. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Blutspender sind ganz besondere Menschen, denn sie übernehmen mit ihrer Blutspende gesellschaftliches Engagement und damit Verantwortung. Ihnen gilt ein ganz besonderer Dank - Tag für Tag!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich hoffe, ich konnte Ihnen verdeutlichen, wie wichtig das Blutspenden ist. Es kann jeden von uns treffen,

dass wir in eine Situation geraten, in der wir auf eine Blutspende angewiesen sind. Schluss mit Diskriminierung! Es ist möglich, die Sicherheit von Blutkonserven mit dem Anspruch auf Diskriminierungsfreiheit zu verbinden. Andere Länder haben es bereits vorgemacht. Es ist an der Zeit, dass Deutschland nachzieht. Die Überarbeitung der HämotherapieRichtlinien darf nicht mehr weiter verschleppt, sondern sollte bald in Angriff genommen werden. Deshalb lautet unsere Bitte an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Transfusionsgesetzes vorzulegen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. - Danke schön.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich rufe für die AfD-Landtagsfraktion Herrn Abgeordneten Rudolf Müller auf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, insbesondere meine Damen und Herren von CDU und SPD! In Ihrem Antrag wird lang und breit darüber gesprochen, wie dringend die Blutspende ist und wie sehr die notwendigen Blutspenden zurückgehen. In Deutschland „herrscht zunehmend ein Mangel an Blutkonserven“, heißt es da. Dann ist die Rede von einer abnehmenden Spendenbereitschaft während der Corona-Pandemie. Weiter heißt es: „Aktuelle Daten belegen die immer größer werdende Herausforderung.“

Jetzt sprechen wir heute über eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe, die ebenfalls berechtigt - nicht verpflichtet - sein soll, Blut zu spenden. Das wird dem Problem aber nicht gerecht. Wenn es keine medizinisch dem entgegenstehenden Dinge gibt, dann können sie natürlich auch Blut spenden, aber das wird nach den dramatischen Ausführungen hier nicht reichen. Dann muss man sich vielleicht einmal dem Gedanken nähern, wie man Leute dazu bringt, vielleicht etwas öfter zur Blutspende zu gehen. Da fällt mir sofort eine finanzielle Regelung ein. Warum ist die Blutspende überhaupt unentgeltlich? Warum soll es nur eine kleine Aufwandsentschädigung geben? Jede Pille, jedes Pflasterchen, jedes Tablettchen, jedes Gerätchen kostet Geld. Das zahlt man auch. Man braucht es ja auch. Ausgerechnet diesen besonderen Saft, der nirgendwo herstellbar ist, soll es für nichts geben. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass es immer knapper wird. Daran muss man denken, wenn dieses Problem tatsächlich so akut wird, wie es im Aufruf der Ärzte zu sein scheint.

Das Transfusionsgesetz ist kein göttliches Gesetz, es ist nicht vom Himmel gefallen. Man muss rangehen und sich überlegen, wie es zu ändern ist. Sie können davon ausgehen und ich gehe jede Wette

(Abg. Baltes (SPD) )

ein, wenn ein nennenswerter Betrag für eine gewisse Menge Blut gezahlt wird, dann wird es ruckzuck keinen Engpass mehr geben. In diese Richtung möchte ich anregen zu denken. - Ich danke Ihnen.

(Beifall von der AfD.)

Für die Regierung rufe ich Ministerin Monika Bachmann auf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mich zunächst bei der SPD- und der CDU-Fraktion bedanken, dass sie den Antrag heute so gestellt haben. Ich sage gleich, warum das dringend notwendig ist und warum es von meiner Seite wirklich eine Freude ist, dass wir es heute diskutieren können: Wir brauchen Blut! Wir brauchen Blutspender! Jeder, der in ein Krankenhaus geht und auf der Intensivstation war oder in eine Dialysestation geht, weiß, wie es dort aussieht. Eine der Gäste, die heute da sind, ist selbst Pfleger. Er weiß auch, wie es dort aussieht und wie dringend man diese Blutspenden braucht, um Menschen das Leben zu retten. Wir wissen ebenso um die Knappheit der Blutkonserven, was sich angesichts einer immer älter werdenden Gesellschaft, die wir nun einmal haben, in Zukunft auch nicht verbessern wird.

Wir können es uns mit diesem Wissen aber auch nicht leisten, und deshalb reden wir heute darüber, ganze Personengruppen wie männliche Homosexuelle faktisch von der Blutspende auszuschließen. Hermann Scharf hat es in aller Deutlichkeit dargestellt. Und wie können wir es dieser Personengruppe auch nur zumuten, das frage ich mich all die Jahre, derart diskriminierend zu wirken und auch die Menschen selbst zu diskriminieren, denn das ist es, Diskriminierung, Diskriminierung von ehrenwerten Personengruppen.

Zwar sind Homosexuelle, die bis 2017 völlig von der Blutspende ausgeschlossen waren, nun - es ist schon deutlich geworden - vom Grundsatz her zugelassen - übrigens unterstützt von mehreren Initiativen unseres Hauses, Herr Lander, aber vielleicht haben Sie das in den letzten Jahren nicht gemerkt, zum Beispiel in allen Gesundheitsministerkonferenzen -, die Zulassung ist aber immer noch gebunden an eine zwölfmonatige sexuelle Inaktivität. Das muss man erst einmal wiederholen: Das ist an eine zwölfmonatige sexuelle Inaktivität gebunden.

Ich frage Sie ehrlich: Ist das nicht zynisch? Ist das nicht zumindest seltsam für uns alle und ist das nicht lebensfremd? Ich frage mich allen Ernstes: Was wäre, wenn alle, die zur Blutspende gehen, zwölf Monate vorher inaktiv sein sollen? Ich habe gar keine

Worte dafür, umso mehr, als der Nachweis einer HIV-Infektion sich auf einige Wochen verkürzt hat. Die Welt hat sich verändert, auch in dem Bereich.

Dann reden Sie von einer kleinen Bevölkerungsgruppe. Ich sage ganz deutlich, um Missverständnisse zu vermeiden: Selbstverständlich besitzt der Gesundheitsschutz der Empfängerinnen und Empfänger von Blutspenden absolute Priorität. Aber eine Rückstellung von zwölf Monaten kommt de facto einem Ausschluss gleich und ist durch den Schutzaspekt nicht gerechtfertigt.

Diesem Umstand trägt das Zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom Mai dieses Jahres wirklich Rechnung. Artikel 11 des Gesetzes ändert das Transfusionsgesetz, indem es in § 12a nun in einem neu eingefügten Satz heißt, ich zitiere: „Die Bewertung des Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von bestimmten Personengruppen von der Spende führt, ist im Fall neuer medizinischer, wissenschaftlicher oder epidemiologischer Erkenntnisse zu aktualisieren und daraufhin zu überprüfen, ob der Ausschluss oder die Rückstellung noch erforderlich ist, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau von Empfängerinnen und Empfängern von Blutspenden sicherzustellen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so weit, so gut. Aber das Gesetz hat keine spezifische Überprüfungsverpflichtung im Hinblick auf die Hämotherapierichtlinie der Bundesärztekammer umfasst. Es erscheinen weitere Schritte - Hermann Scharf hat es ebenfalls gesagt - erforderlich, wie es der Antrag übrigens auch vorsieht.

In Übereinstimmung damit wird sich mein Haus auf Bundesebene dafür einsetzen, wie in den zurückliegenden Jahren auch, die Diskriminierung potenzieller Blutspenderinnen und Blutspender aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität zu beenden und Ausschlüsse beziehungsweise Rückstellungen von der Blutspende nur an das individuelle Risikoverhalten zu knüpfen.

(Beifall der Abgeordneten Scharf (CDU) und Renner (SPD).)

Dabei sollten die Fristen für eine Rückstellung den aktuellen Stand der Forschung berücksichtigen. Schließlich werden wir uns auch für eine Verpflichtung der BÄK zu regelmäßiger Überprüfung einsetzen.

In der aktuellen Richtlinie zur Hämotherapie der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2017 werden Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben MSM genannt - pauschal für zwölf Monate zurückgestellt, weil ihr Sexualverhalten ein gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöhtes Übertragungsrisiko für durch Blut übertragbare schwere In

(Abg. Müller (AfD) )

fektionskrankheiten wie HCV oder HIV birgt, so steht es dort drin.

Mein Haus hat sich dafür stark gemacht und wird sich weiter dafür stark machen, dass der Blutspendeschutz künftig an ein individuelles sexuelles Risikoverhalten geknüpft wird und die pauschale Diskriminierung von Homosexuellen endgültig ein Ende findet.

(Beifall von der CDU und bei der SPD.)

Genau aus diesem Grund habe ich zur 93. Gesundheitsministerkonferenz - sie wird in wenigen Wochen stattfinden, vom 30.09. bis zum 01.10. - einen Antrag zum Thema diskriminierungsfreie Blutspende gestellt, in dem das Bundesministerium für Gesundheit und die Bundesärztekammer nicht nur gebeten, sondern aufgefordert werden, unter Berücksichtigung der Erfahrung in anderen EU‑Mitgliedsstaaten die Regelungen der Richtlinie noch einmal zu überprüfen, inwieweit diese diskriminierungsfrei im Hinblick auf das Risikoverhalten der potenziellen Spenderinnen und Spender weiter zu differenzieren sind, vor allem im Hinblick auf die zeitliche Rückstellung von zwölf Monaten für MSM und andere Personengruppen.

Ich will deshalb gerne sagen, wir werden das nicht nur auf Papier vorbringen und ein wenig diskutieren, sondern ich werde alles dafür tun, dass dieser Beschluss, wo wir heute schon Freunde haben, zum Beispiel aus den verschiedensten Bundesländern, gemeinsam auf Bundesebene auf den Weg gebracht wird, denn so ist es der richtige Weg und so haben wir auch dieses Risiko der Betroffenen beendet. Ich danke Ihnen sehr, mit der großen Unterstützung, auch der LINKEN, Herr Lander, werde ich auf der Gesundheitsministerkonferenz genauso den Dingen nachgehen! - Vielen Dank!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)