Protocol of the Session on March 11, 2020

Ich möchte meine kurze Rede beenden mit Worten unseres Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier aus seiner Weihnachtsansprache: „Was machen wir jetzt mit all dem Streit? Wie wird aus der Reibung wieder Respekt? Wie wird aus der Dauerempörung eine ordentliche Streitkultur?“ Und genau diese brauchen wir, im Alltag, hier im saarländischen Landtag, zu Hause und in der Welt. - Herzlichen Dank!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Danke, Herr Abgeordneter. Herr Fraktionsvorsitzender Josef Dörr hat den Wunsch nach einer Kurzintervention signalisiert. Ich lasse sie zu. Herr Fraktionsvorsitzender, Sie haben das Wort.

Herr Scharf! Warum bleiben Sie immer bei derselben Unwahrheit von Chemnitz, wo Sie nie waren? Ich habe dort neben Höcke gestanden. Höcke ist Fraktionsvorsitzender eines deutschen Landtages und Landesvorsitzender einer Partei. Er hat dieselben Ämter, die ich auch habe, und er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen.

(Lautes Lachen des Abgeordneten Ren- ner (SPD).)

Ich wüsste nicht, wessen er angeklagt worden wäre und wessen er verurteilt worden wäre.

(Sprechen.)

Dazu kommt, ich kenne Herrn Bachmann überhaupt nicht. Ich habe in meinem Leben noch keinen einzigen Satz mit Herrn Bachmann gesprochen. Aber damals ist dieser Trauermarsch - und das war er, ohne Töne, nur Schweigen - gestoppt worden und wir haben eine Stunde an derselben Stelle gestanden und vor uns waren circa 100 Kameraleute und Fotografen. Die hatten eine Stunde Zeit, Fotos zu machen wie sie wollten. Da ist ein Foto dabei gewesen, wo Herr Bachmann - man hat mir hinterher gesagt, dass er das ist - hinter mir gestanden hat, aber nicht neben mir. Und dieses Foto ist in der Saarbrücker Zeitung gebracht worden, das ist ja alles nicht zufällig.

Das heißt also, bitte nehmen Sie einmal zur Kenntnis, dass ich dort auf einem Trauermarsch war und dass ich dort nicht mit Herrn Bachmann zusammen war, dass ich wohl neben Herrn Höcke war und dass Herr Höcke ein ehrenhafter deutscher Politiker ist!

(Unruhe und lautes Sprechen. - Beifall von der AfD.)

Herr Abgeordneter Scharf, Sie möchten mit Sicherheit antworten. Bitte schön!

Herr Fraktionsvorsitzender Dörr, ich nehme zur Kenntnis, dass Sie neben einem Faschisten und einem Vorbestraften ‑ ‑

(Abg. Dörr (AfD) : Wieso vorbestraft?)

Lutz Bachmann ist vorbestraft!

(Abg. Dörr (AfD) : Lutz Bachmann, mit dem habe ich nichts tun!)

Sie sind neben diesem Herrn gelaufen!

(Abg. Dörr (AfD) : Nein, ich war nicht neben dem Herrn!)

Sie können das drehen und wenden, wie Sie wollen. Sie machen uns ja sonst immer, wenn Plenarsitzung ist, deutlich, dass Sie sich in Ihrem 45-jährigen Berufsleben mit allerhand beschäftigt haben. Dann hätten Sie sich auch damit beschäftigen müssen, dass ein Faschist, den man so nennen darf, neben Ihnen steht

(Abg. Scharf (CDU) )

(Zurufe von der AfD und Unruhe)

und dass ein Vorbestrafter neben Ihnen gestanden hat. Sie haben das Symbol der weißen Rose auf das Übelste missbraucht! Und das lassen wir Ihnen nicht durchgehen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN. - Zuruf des Abgeordneten Müller (AfD).)

Herr Abgeordneter Müller, Sie haben nicht das Wort! Wir machen weiter in der Reihenfolge der Wortmeldungen.

(Sprechen. - Unruhe. - Zurufe von den Regie- rungsfraktionen. - Gegenruf des Abgeordne- ten Müller (AfD).)

Herr Abgeordneter Müller!

(Unruhe. - Zuruf des Abgeordneten Müller (AfD) : Und wenn das vor Gericht kommt. So sieht es aus. - Zurufe aus der CDU. - Zuruf: Das gibt es doch nicht.)

Herr Abgeordneter Müller, ich habe Sie mehrfach aufgefordert und darauf hingewiesen, dass Sie nicht das Wort haben. Wir sind hier im Hohen Hause, im Parlament. Ich erteile Ihnen damit einen Ordnungsruf für Ihr Verhalten, das Sie jetzt im Rahmen dieser Debatte gezeigt haben.

(Beifall.)

Wir fahren fort in der Liste der Wortmeldungen. Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE der Kollege Jochen Flackus.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte eine Vorbemerkung persönlicher Art machen. Ich bin vor wenigen Tagen 65 Jahre alt geworden und ich lasse mich von niemandem mehr anschreien, Herr Müller, damit das einmal klar ist. Anschreien geht überhaupt nicht.

(Beifall. - Zuruf: Genauso ist es. - Zuruf des Ab- geordneten Müller (AfD).)

Der zweite Punkt ist, dass wir mit diesem Antrag jetzt auf dem zweiten, dritten oder vierten Hinterhof heute Nachmittag sind. Dieses Mal ist es halt Thüringen. Ich will ironisch anmerken, dass es für mich ja schon nicht so einfach ist, am Ende Frau Merkel zu verteidigen.

(Heiterkeit.)

Ich bin dafür eigentlich der Falsche. Deshalb möchte ich sehr formal zwei Sätze sagen. Die AfD möchte heute, dass wir die Aufforderung einer Politikerin, die kein Mitglied im saarländischen Landtag ist, zu einem Vorgang, der außerhalb des Saarlandes und ohne jeden Bezug zum Saarland und zu den Saarländerinnen und Saarländern liegt, zurückweisen.

(Heiterkeit. - Abg. Roth (SPD) : Das nennt man Thema verfehlt.)

Man kann sich kaum einen Antrag vorstellen, Herr Kollege Roth, der weniger mit den Aufgaben des saarländischen Landtags und seinen Kompetenzen zu tun hat. Der Landtag ist das Landesparlament für das Saarland und nicht der Stammtisch der AfD. Den Antrag werden wir ablehnen.

(Beifall.)

Danke, Herr Abgeordneter. Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 16/1235. Wer für die Annahme dieser Drucksache ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/1235 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die AfDFraktion. Dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen sowie die Fraktion DIE LINKE.

Wir kommen zu Punkt 16 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der AfD-Landtagsfraktion eingebrachten Gesetzes zur Änderung des § 4 des Schulordnungsgesetzes (Drucksache 16/1227)

Zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzendem Josef Dörr das Wort.

Frau Präsidentin! Lieber Gast! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Inklusion war hier schon öfter Thema und das hat sie auch verdient, weil Kinder unter diesem unsäglichen, ideologisch bedingten, kinderfeindlichen System leiden, und zwar täglich. Ich werde die Begründung, die ich die ganze Zeit immer vorgetragen habe, heute nicht wiederholen. Heute werde ich mit der Erlaubnis der Präsidentin einen Fachmann, Herrn Dr. Hansgünter Lang, reden lassen, der 33 Jahre im saarländischen Kultusministerium gearbeitet hat und dort am Schluss auch als

(Abg. Scharf (CDU) )

Staatssekretär ausgeschieden ist. Er ist ein hervorragender Fachmann im Schulrecht. Er hat dazu ein fünfbändiges, inzwischen sechsbändiges Werk initiiert. Er hat sich auch mit Pädagogik wesentlich befasst, hat ein Buch geschrieben und in einem Interview einige Gedanken vorgetragen. Die Überschrift lautete: „Die Inklusionspraxis im Saarland ist ein einziges Trauerspiel.“

Der Interviewpartner bezieht sich auf seine Dissertation: „Sie bezeichnen in Ihrer Dissertation die inklusive Unterrichtung behinderter Schüler im Saarland als ‚hochgradig defizitär‘. Was rechtfertigt ein solches Urteil?“. - Dr. Hansgünter Lang antwortet: „Inklusion, wenn sie pädagogisch verantwortbar praktiziert werden soll, steht und fällt mit den dafür erforderlichen personellen Rahmenbedingungen. Der Schüler im Rollstuhl ist nicht das Problem, sofern er nicht gleichzeitig auch eine kognitive Behinderung hat. Die geradezu stereotype Darstellung des Rollstuhlfahrers als Illustrierung eines Zeitungsartikels zum Thema Inklusion lenkt davon ab, dass 80 Prozent der Schüler, um die es hier geht, lernbehindert oder geistig behindert und weitere 15 Prozent verhaltensauffällig sind. Diesen Schülern kann man nur mit einer individuellen und damit zeitintensiven sonderpädagogischen Förderung gerecht werden.“ - Die nächste Frage hieß: „Wie beurteilt sich nach diesem Maßstab die schulische Inklusion im Saarland?“ Seine Antwort: „Im Schuljahr 2012/13 erhielt im Saarland ein inklusivunterrichtetes behindertes Kind pro Woche - wohlgemerkt: pro Woche - im Durchschnitt gerade einmal 1,67 Unterrichtsstunden an sonderpädagogischer Förderung durch einen sogenannten Ambulanzlehrer. Von dieser Durchschnittszahl sind alle Behinderungsarten und Schweregrade umfasst. Unter dem Gesichtspunkt der pädagogischen Wirksamkeit kann diese Förderung, zurückhaltend gesprochen, fast vernachlässigt werden. Die Evidenzfrage lautet: Was geschieht mit dem behinderten Kind in den ‚übrigen‘ 26 bis 30 Wochenstunden?“ - Nächste Frage: „Welche Forderung an Kultusminister Ulrich Commerçon leitet sich daraus ab?“ - Das war damals, als Herr Commerçon noch Kultusminister war. ‑

(Abg. Commerçon (SPD) : Halten Sie jetzt die gleichen Reden wie früher?)

Die Antwort von Dr. Lang: „Ein behindertes Kind ist an jedem Unterrichtstag und Stunde für Stunde auf eine sonderpädagogisch geprägte Unterrichtssituation angewiesen. In der Förderschule ist das gewährleistet und an diesem Qualitätsmaßstab muss sich auch die inklusive Unterrichtung messen lassen. Eine sonderpädagogisch geprägte Unterrichtssituation für das behinderte Kind kann bei zieldifferenter Un

terrichtung von kognitiv behinderten Schülern und bei der Unterrichtung von verhaltensauffälligen Schülern nur mit einem Zwei-Pädagogen-System, das heißt mit durchgängiger pädagogischer Doppelbesetzung hergestellt werden. Darüber besteht in der Erziehungswissenschaft sowohl in Deutschland als auch auf internationaler Ebene Konsens.“

Eine weitere Aussage: „Der für eine pädagogisch verantwortbare inklusive Unterrichtung Behinderter erforderliche Personalbedarf ist um den Faktor 3,5 größer als bei der Unterrichtung an Förderschulen. Kultusminister Diether Breitenbach hat 1986 bei der Beratung zur gesetzlichen Regelung der integrativen Unterrichtung im Ausschuss für Kultur, Bildung und Sport des Landtages des Saarlandes erklärt, die integrative Unterrichtung solle kostenlos, kostenneutral verwirklicht werden, weshalb sicherlich auch nicht allen Anträgen auf Integration in dem Maß entsprochen werden könne, wie es von den Betroffenen erwartet werde. Jeder Sachkundige weiß, dass eine pädagogisch verantwortbare integrative beziehungsweise inklusive Unterrichtung unter der Bedingung von Kostenneutralität illusorisch ist. Entgegen den offiziellen Absichtserklärungen wurden die Fallzahlen jedoch von Anfang an und von Jahr zu Jahr massiv gesteigert. Mit der Festlegung auf Kostenneutralität waren die enormen pädagogischen Defizite, das heißt das Scheitern der integrativen beziehungsweise inklusiven Unterrichtung im Saarland, daher von Anfang an vorprogrammiert. Sogar einigen für diese Zustände und Verhältnisse in den letzten 30 Jahren Verantwortlichen scheint langsam zu dämmern, dass das Projekt Inklusion im Saarland gegen die Wand gefahren ist.“

Dr. Lang weiter: „Ich habe 33 Jahre im Kultusministerium des Saarlandes gearbeitet, bin also mit den Reflexen von Kultusministern vertraut. Es gibt zwei Signalwörter, mit denen Kultusminister in bestimmten Situationen unfreiwillig preisgeben, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind: Wenn sich bei ambitionierten Großprojekten die pädagogische Innovation aus strukturell immanenten Gründen oder wegen des Fehlens der erforderlichen Rahmenbedingungen an der Wirklichkeit stößt, dann soll es die ,innere Differenzierung‘ oder die ‚Verbesserung der Lehrerbildung‘ richten, ein realitätsfernes Lösungsversprechen.“ Mit der Inklusion als Teil der Lehrerbildung und der Lehrerfortbildungen soll jeder Lehrer befähigt werden, Unmögliches zu leisten. - Er wird dann noch gefragt, was er mit „Unmögliches“ meint: „Der Kern des Problems, mit dem die Lehrkraft bei inklusiver Unterrichtung von Behinderten konfrontiert ist, ist die fehlende Zeit für den einzelnen behinderten Schüler. Die Förderung lernbehinderter und geis