Protocol of the Session on January 15, 2020

Insgesamt würde ich mir wünschen, dass gerade in der Klimadebatte weniger der Fanatismus und die ständige Verbotspolitik herrscht, sondern mehr Realismus und mehr Pragmatismus, um die Menschen in diesem Land mitzunehmen. Gerade auf diesen Fanatismus hat Heiko Maas in seiner bemerkenswerten Rede am vergangenen Freitag hingewiesen. Es gibt immer mehr Hass im Netz. Es gibt immer weniger die Bereitschaft, Kompromisse einzugehen und Kompromisslösungen zu suchen. Er hat es schön formuliert: Er wünscht sich weniger Facebook und mehr Saarländerinnen und Saarländer in der Welt. - Das können wir nur unterstreichen.

Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist in Deutschland, in Europa, aber auch bei uns im Saarland in Gefahr. Weltweit feiern Populisten Erfolge. Wir können sagen, dass die Demokratie in Europa in einem Formtief ist. Das betrifft uns im Saarland vielleicht noch nicht so sehr, aber auch hier werden soziale Medien genutzt und die Bereitschaft, Kompromisse zu finden, lässt immer mehr nach. Wir als CDUFraktion haben uns daher zu Beginn des Jahres in unserer Grundsatzklausurtagung in Tholey mit der Frage befasst: Weshalb befindet sich die Demokratie in einem Formtief? Was können wir als Saarland und Politik tun? - Wir haben zunächst Ursachen analysiert, es gibt aber sicherlich noch mehr Ursachen als die, die ich hier aufzählen werde: Gefühlte oder tatsächliche ökonomische Ungleichheit ist mitentscheidend für diese ganze Entwicklung. Dazu gesellt sich Angst vor Terror einhergehend mit kulturellen Ängsten und regionale Abstiegsängste. Das können wir beobachten, auch weltweit. Dort, wo sich

(Abg. Funk (CDU) )

Regionen abgehängt fühlen und wo sie keine Zukunftsperspektiven haben, haben Populisten leichtes Spiel.

Wir haben uns über Lösungsansätze unterhalten und Gedanken gemacht. Ich möchte vier nennen: Um dagegen vorzugehen, dass Regionen abgehängt werden, fordern wir gleichwertige Lebensverhältnisse. Zu gleichwertigen Lebensverhältnissen gehören natürlich auch funktionierende Kommunen, die ausreichend Geld haben, um Investitionen zu tätigen. Wir haben mit dem Saarland-Pakt Großartiges geleistet. Wir übernehmen die Hälfte der Kassenkredite der saarländischen Kommunen. Das reicht aber nicht, deshalb bin ich Bundesfinanzminister Scholz für seinen Plan, für seine Idee ausgesprochen dankbar, die Kommunen, die in Deutschland überschuldet sind, zu entschulden. Wenn der Bund die verbleibenden 50 Prozent der saarländischen Kassenkredite übernehmen würde, wäre das ein großer Schritt in Richtung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Ich kann ihm von der Saar aus nur zurufen: Wir unterstützen ihn bei diesem Vorhaben. Wir werden auch in unserer Bundestagsfraktion für diese Idee werben und kämpfen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und der LINKEN. - Abg. Heib (CDU) : Immer diese Haushälter in der Bundestagsfraktion!)

Die sind ja normalerweise mit großer Weisheit gesegnet! - Es betrifft natürlich auch die Hilfen für eine klimaneutrale Industrie in Deutschland, an der Saar und in Europa. Deshalb bin ich auch der EU-Kommission dankbar, dass sie bis 2030 1 Billionen Euro zur Verfügung stellen möchte, um den Klimawandel in Europa zu bekämpfen. Auch dort werden wir für Hilfen für die saarländische Wirtschaft kämpfen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Der zweite Punkt, um gegen die Formkrise der Demokratie anzugehen, sind starke rechtsstaatliche und demokratische Institutionen. Ich bin auch hier der Landesregierung dankbar und froh, dass bei der Klausurtagung im vergangenen Jahr ein Schwerpunkt gesetzt wurde. Wir werden die Regierung bei den zukünftigen Haushaltsberatungen darin unterstützen.

Wir haben vereinbart, dass wir mehr Geld in den Rechtsstaat investieren werden, dass wir insbesondere in der Justiz und bei der Staatsanwaltschaft, aber auch beim Verfassungsschutz mehr Geld investieren werden, um dort starke rechtsstaatliche Institutionen zu haben.

Meine Damen und Herren, dazu gehört natürlich auch die Innere Sicherheit. Ich bin unserem Innenminister Klaus Bouillon dankbar, dass er für die Innere Sicherheit steht wie kaum ein anderer. Gewiss ist es etwas ärgerlich, dass die Videoüberwachung noch nicht installiert ist, dass es da technische Probleme gibt. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit, Schwerpunktorte mit Videoüberwachung zu schützen - für unsere Saarländerinnen und Saarländer, für die Sicherheit in unserem Land. Dafür sind wir ausgesprochen dankbar.

(Beifall von der CDU und bei der SPD.)

Ein dritter Punkt, meine Damen und Herren: Es bedarf auch eines offenen, kontroversen Diskurses, den wir überall wieder anbieten müssen. Das betrifft schon die Schulen, dort muss dieser offene, kontroverse Diskurs geübt werden. Vielleicht betrifft das aber auch dieses Haus, wo wir uns als Parlamentarier darüber Gedanken machen sollten, wie wir die Debatten noch etwas lebendiger, noch etwas interessanter gestalten können, als das in der Vergangenheit der Fall war. Auch dazu lade ich alle Fraktionen ein: dass wir uns darüber unterhalten, dass wir über Redezeitmodelle sprechen, dass wir in diesem Haus aber auch häufiger im Rahmen anderer Module ähnlich der Aktuellen Stunde, vielleicht im Rahmen einer Offenen Stunde, miteinander debattieren.

Und dazu gehört selbstverständlich, dass wir Hass im Netz konsequent bekämpfen und alles daransetzen, dass wieder ein offener, pluralistischer, ein demokratischer Diskurs in unserem Land möglich wird.

Ein vierter Punkt, meine Damen und Herren. Das ist ein Vorschlag, den wir in die Debatte einbringen: Neue Formen der Partizipation wagen! - Insbesondere wollen wir mit der Landesschülervertretung, aber auch mit euch darüber diskutieren, wie wir ein Landesschülerparlament einrichten können. Den Vorschlag der Landesschülervertretung halten wir an dieser Stelle für sinnvoll. Dort finden sich gewählte Schülervertreter. Entscheidend ist aber, dass sie zusammenkommen können, dass sie bei Themen, die die Jugend betreffen, auch mitdiskutieren können und dass ihre Meinung gehört wird.

Und es geht auch um die Frage repräsentativer Bürgerforen. Ja, warum nicht? Ich bin der festen Überzeugung, dass repräsentative Bürgerforen einen großen Vorteil gegenüber Volksabstimmungen und Meinungsumfragen haben, bei denen oft nur diejenigen zur Wahl gehen und sich beteiligen, die von einem bestimmten Thema betroffen sind und mobilisiert wurden. Das repräsentative Bürgerforum, statistisch ausgewählt, das die Saarländerinnen und

(Abg. Funk (CDU) )

Saarländer eins zu eins abbildet - von jung bis alt, Akademiker, Arbeitnehmer, Handwerker und Unternehmer -, kann die großen gesellschaftlichen Diskussionen in diesem Land vorbereiten, kann darüber anhand von Fakten diskutieren und dann zu einem Votum kommen und dieses dem Landtag zuleiten.

Ich bin fest davon überzeugt: Wenn wir das Formtief der Demokratie überwinden wollen, kann es kein „Weiter so!“ geben. Wir müssen uns vielmehr alle gemeinsam Gedanken machen, wie wir die Demokratie lebhafter, lebendiger gestalten können.

Meine Damen und Herren, die Saarländerinnen und Saarländer stehen zusammen. Lassen Sie uns alles daransetzen, dass das auch in Zukunft so bleibt! Wir Saarländerinnen und Saarländer mussten uns in unserer Geschichte auf unserem Sonderweg mehr als einmal neu orientieren. Wir haben mehr als einmal Umbrüche erleben müssen. Gemeinsam werden wir auch die Herausforderungen der Zukunft meistern. In diesem Sinne wünsche ich uns im schönsten Bundesland der Welt ein erfolgreiches Jahr 2020 und alles Gute für die Zukunft!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Zur Begründung der beiden Anträge der AfD-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Saarländerinnen und Saarländer! Ich beginne einmal dort, wo mein Vorredner aufgehört hat: Ich wünsche allen Saarländerinnen und Saarländern ein gutes und erfolgreiches Jahr 2020! Auch wenn es kein Jubiläumsjahr ist - darauf komme ich nachher zurück.

Zunächst einmal möchte ich auf das eingehen, was Herr Funk gesagt hat. Ich habe leider nur eine sehr kurze Redezeit, deshalb fasse ich mich auch ganz kurz. Herr Funk spricht von einem Formtief der Demokratie, er spricht davon im Zusammenhang mit den sogenannten Populisten. Damit meint er, wenn er in dieses Haus hineinblickt, wahrscheinlich die AfD. Das nehme ich zumindest einmal an. Dazu will ich sagen: Das Formtief der Demokratie haben wir tatsächlich, aber nicht wegen der AfD. Vielmehr haben wir die AfD wegen dieses Formtiefs.

(Beifall von der AfD.)

Herr Funk führt sodann vier Punkte an, wie man aus diesem Tief herauskommen kann: Rechtsstaat stär

ken - das ist auch zu 100 Prozent unsere Ansicht. Das Land stärken - auch das entspricht unserer Ansicht, dazu haben wir schon viele Anträge gestellt. Einen offenen Diskurs führen - den offenen Diskurs streben wir an, vermissen ihn noch oft. Neue Formen der Teilnahme, der Partizipation, offene beziehungsweise repräsentative Bürgerforen - auch das kann sicherlich nicht schaden. Aber Demokratie kann letztlich nur geübt werden in Gremien, die etwas zu bestimmen haben. Wir sind, auch diese Anträge haben wir schon gestellt, dafür, dass man den Gremien im Saarland, die mal mehr zu bestimmen hatten, nämlich den jetzigen Orten, die Gemeinden waren, ihre Mitbestimmungsmöglichkeit wieder zurückgibt. Das ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Demokratisierung und ein Schritt gegen die Demokratieverdrossenheit.

Nun zu „100 Jahre Saarland“. Dass man das Datum für das Entstehen des Saarlandes ausgerechnet auf den 10. Januar 1920 setzt, das finde ich schon mehr als gewagt. Das war nämlich der Tag des Inkrafttretens des Versailler Vertrags. Dieser Versailler Vertrag ist ein dunkler Fleck in der europäischen Geschichte und im deutsch-französischen Verhältnis. Er markierte das Ende des ersten europäischen Bürgerkrieges, in den die ganze Welt hineingezogen wurde. Man hat damals die Chance zur Befriedung Europas verpasst und die Saat für einen neuen Krieg gelegt, indem man das am Boden liegende Deutschland über alle Maßen gedemütigt hat.

Ich nenne hierzu einige Punkte: Entwaffnung, Besatzung, Gebietsabtretungen an fast alle Nachbarn, horrende Reparationszahlungen. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass die Bundesrepublik Deutschland noch im Herbst 2010, nachdem wir gerade die französischen Banken mit Milliardenbeträgen gerettet hatten, noch eine letzte Rate von 200 Millionen Euro an Frankreich überwiesen hat. Das Geld hätten wir hier im Saarland ganz gut gebrauchen können.

Der Versailler Vertrag hat das am Boden liegende Deutschland gedemütigt, und er war ein wichtiger Grund für das Entstehen und Erstarken des Nationalsozialismus in Deutschland und für den Ausbruch des zweiten europäischen Bürgerkriegs. An diesem Jahrestag gibt es also für Europa nichts zu feiern.

Inzwischen haben viel Freunde in ganz Europa begriffen, dass nicht nur Deutschland, sondern auch alle anderen Länder in Europa die beiden europäischen Bürgerkriege verloren haben. Der erste Krieg läutete den Niedergang der europäischen Mächte ein, der zweite Krieg vollendete diesen Niedergang. Gleichzeitig begründete dieser unsägliche Kriegsför

(Abg. Funk (CDU) )

derungsvertrag den Aufstieg der einstigen englischen Kolonie Nordamerika zur Weltmacht und zur „Schutzmacht Europas“, um es einmal so nett und freundlich auszudrücken. Selbst die französischen Freunde, das muss man sagen, gewinnen dem Versailler Vertrag nichts Positives mehr ab. Sie feiern ihn selbstverständlich auch nicht. Wie Sie alle wissen, feiern die Franzosen jedes Jahr den Waffenstillstand am 11. November. Das ist auch ein guter Grund zu feiern, da haben die Waffen geschwiegen, da war ein wichtiges Ziel von Verhandlungen erreicht.

Die Deutschen haben also keinen Grund, diesen Tag zu feiern, insbesondere das Saarland nicht. Deswegen lese ich jetzt Artikel 45 des Versailler Vertrages vor: „Als Ersatz für die Zerstörung der Kohlegruben in Nordfrankreich und als Anzahlung auf die von Deutschland geschuldete völlige Wiedergutmachung der Kriegsschäden tritt Deutschland das volle und unbeschränkte, völlig schulden- und lastenfreie Eigentum an den Kohlegruben im Saarbecken,“ das war der Name! - „wie es in Artikel 48 abgegrenzt ist, mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht an Frankreich ab.“ Übrigens war dieses Gebiet auch nicht das heutige Saarland, es haben die nördlichen Gemeinden wie zum Beispiel Weiskirchen, aber auch Perl und andere, nicht dazugehört. Es war ein kleinerer Bereich, es ging halt nur um die Kohle.

Unsere blühende Wirtschaft wurde als Teil der Reparationszahlungen des Deutschen Reiches an Frankreich den Franzosen übergeben. Was uns betrifft, ging es nur um die Ausbeutung unserer Industrie und Reparationszahlungen des Deutschen Reiches. Verständlicherweise hat deshalb auch niemand bis heute den Gedanken gehabt, den Tag des Inkrafttretens des Versailler Vertrages als Geburtsstunde des Saarlandes zu sehen oder gar zu feiern! Machen wir doch mal eine ganz einfache Probe. Wenn wir jetzt 100 Jahre feiern, hätten wir doch vor 50 Jahren 50-Jähriges feiern müssen, das war 1970. Ich kann mich nicht erinnern, wir haben nicht gefeiert. Wir hätten 1995 75-Jähriges feiern müssen - ich kann mich nicht erinnern, wir haben nicht gefeiert. Oder vielleicht 2000 das 80-Jährige? Nein, wir haben nicht gefeiert. Es gibt keinen Grund zu feiern!

Der Ministerpräsident Peter Müller hat 2007 50 oder 60 Jahre Saarland feiern lassen. Ich habe damals im Auftrag des reha-Verlags - den ich übrigens empfehle, das ist ein Verlag, in dem Inklusion gelebt wird, wo Behinderte und Nichtbehinderte zusammenarbeiten und hervorragende Arbeit zu hervorragenden Preisen machen - ein kleines Büchlein verfasst, in dem ich das beschrieben habe, das können Sie, wenn Sie wollen, nachlesen. Nach dieser Rechnung

von Peter Müller hätten wir 2007 50 Jahre gefeiert oder 60 Jahre, das kommt auf die Sichtweise an. Wenn man die Zeit von Johannes Hoffmann, die erste Saarland-Zeit nach dem Kriege als teilautonomer Staat, mitzählt, waren es 60 Jahre, und wenn man mit dem 01. Januar 1957 anfängt, als das Saarland in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert wurde, waren es 50 Jahre. Wir können also jetzt, wenn wir dieses Jahr ein Jubiläum feiern wollen, entweder 73 Jahre Saarland feiern oder 63 Jahre deutsches Bundesland Saarland.

Wir haben ja die Tagesordnungspunkte zusammengelegt, deshalb werden auch die Argumentationen zusammengeführt werden müssen. Wenn wir also im Saarland einen Tag feiern wollen, dann schlägt die AfD-Fraktion andere Feiertage vor. Herr Funk hat eben gesagt, er macht es kurz mit der 100-jährigen Geschichte, die es ja nicht gibt. Ich hätte gedacht, dass man trotzdem heute - am 15. Januar mit einem Satz auch den 13. Januar erwähnt, der immerhin ein Tag war, der in der ganzen Welt für großes Aufsehen gesorgt hat. An diesem Tag hat die saarländische Bevölkerung eine Fremdherrschaft zurückgewiesen und sich mit über 90 Prozent für das Vaterland entschieden. Es wird inzwischen gesagt, die Saarländer hätten Nazi-Deutschland gewählt. Ich halte das für eine bodenlose Diffamierung. Das sind unsere Vorfahren, niemand hier in diesem Raum hat damals gewählt. Aber wir sollten unsere Vorfahren nicht in dieser Art und Weise diffamieren. 1935 wusste niemand, was 1940 ist oder 1945. Es wusste niemand! Und die SA hat 1933 bei der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier mit Genehmigung des Bischofs Spalier gestanden. Da kann man von der saarländischen Bevölkerung 1935 nicht diese Weitsicht erwarten, die wir heute zu haben glauben! Diese Leute haben ganz einfach Deutschland gewählt. Das sollte mal gesagt werden.

Wenn wir von Jubiläen sprechen, muss man sehen, dass das damals nicht das Saarland war, sondern das Saargebiet! Das Saarland haben wir seit nach dem Kriege und das Bundesland Saarland haben wir seit 1957. Man könnte hingehen und sagen - so selbstbewusst sollten wir auch sein, dass wir uns selbst einen Feiertag auswählen -, wir nehmen den 23. Oktober, weil sich damals die saarländische Bevölkerung frei entscheiden konnte für oder gegen das Europäische Statut, was dann ausgelegt wurde als für oder gegen Deutschland; das wäre ein möglicher Tag. Oder wir nehmen den 01. Januar, weil am 01.01.1957 die Saar politisch zurückgekehrt ist zur Bundesrepublik Deutschland, das ist ein wichtiger Tag. Diese beiden Tage haben natürlich unterschiedliche Gewichtung, sie haben auch unterschiedliche

(Abg. Dörr (AfD) )

Gewichtung in der Arbeitszeit. Der 23. Oktober wäre ein zusätzlicher Feiertag, das würde die Arbeitnehmer freuen, die Arbeitgeber weniger, der 01. Januar wäre in dieser Hinsicht neutral. Wir von der AfD präferieren den 23. Oktober, sind aber auch mit dem 01. Januar einverstanden. - Damit will ich enden. Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem in der Aussprache dem Fraktionsvorsitzenden der DIE LINKE-Landtagsfraktion Oskar Lafontaine das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich spreche zum Antrag der Koalitionsfraktionen. Wir werden ihm zustimmen, weil viele Forderungen dort selbstverständlich sind und von uns unterstützt werden. Ich will einige ergänzende Bemerkungen machen, die mir wichtig sind an diesem Tag. Ich gebe zunächst einen kleinen Hinweis und beginne dann mit einem entscheidenden Satz Ihrer Entschließung. Ein kleiner Hinweis: Da steht wieder, „wie kein anderes Bundesland“ stünden wir für Weltoffenheit, Verständigung und Zusammenhalt. Wenn ich den Text zu redigieren gehabt hätte, hätte ich dieses „wie kein anderes“ gestrichen. Ich nehme an, dass zum Beispiel die Hanseaten das anders sehen mit der Weltoffenheit. Es hätte auch genügt zu schreiben: „wir stehen für“. - Das war aber nur eine kleine Bemerkung. Es ist in letzter Zeit üblich, dass immer diejenigen, die sich äußern, die Besten und so weiter sind. Okay.

Aber entscheidend in Ihrer Resolution ist ein Satz, den ich zitieren möchte. Dort steht: „Solidarität, Gemeinschaft und Zusammenhalt sind unverbrüchlicher Teil der saarländischen Identität.“ Ich weiß nicht, wer der Autor dieser Zeilen ist. Aber wenn dieser Satz stimmen würde - es ist mir wichtig, das jetzt zu sagen -, wäre die gesellschaftliche Entwicklung im Saarland an der gesellschaftlichen Entwicklung der Bundesrepublik vorbeigegangen oder umgekehrt. Wir haben ja modernere Bücher, die sicherlich der ein oder andere von Ihnen gelesen hat, über die Veränderungen in unserer Gesellschaft. Ich verweise hier etwa auf den Soziologen Reckwitz, der eine ganze Reihe von Büchern veröffentlicht hat und eine wesentliche Veränderung in unserer Gesellschaft festgestellt hat, die dem zentral widerspricht, was Sie hier feststellen.

Er sagt in diesen Büchern, dass sich die Gesellschaft entscheidend gewandelt hat, dass die traditionellen Werte von Solidarität, Gemeinschaft und Zusammenhalt in der modernen Gesellschaft abgelöst worden seien durch das Ideal der Selbstverwirklichung. Wenn diese Analyse richtig ist, und ich glaube, dass sie in weiten Teilen richtig ist, dann ist dies eine der Grundlagen dafür, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft sich verändert hat, dass er aufgebrochen ist. Das hat zu Entscheidungen geführt, die wir sehr bedauern, die etwas zu tun haben mit dem Wandel, von dem wir alle reden, der von Ihnen aber doch offensichtlich ganz anders gesehen wird.

Sie, Herr Ministerpräsident, haben gesagt: „Wir können den Wandel.“ Ich hatte vor Jahren die Gelegenheit, auf die Bundeskanzlerin zu antworten. Sie hat immer wieder wie ein Mantra gesagt: „Deutschland geht es gut.“ Ich musste sie fragen: Wer ist eigentlich Deutschland? Und gehören zu Deutschland auch diese und jene Gruppen, denen es sehr viel schlechter geht als vor einigen Jahren? Ich wollte sie dahin führen, dass man solche Allgemeinsätze eigentlich nicht sagen kann.

Genauso muss ich zu „Wir können den Wandel“ sagen, dieser Satz muss differenziert werden - das sage ich in aller Zurückhaltung -, differenziert dahingehend, dass die Frage aufzuwerfen ist: Wer ist eigentlich „wir“? Sicherlich ist damit gemeint, dass das Saarland insgesamt einige Veränderungen erfolgreich bewältigt hat. Aber das „Wir“ muss ja alle umfassen.

Das Entscheidende ist, dass wir mittlerweile gesellschaftliche Veränderungen haben, die diesen Satz falsifizieren. Denn es gibt viele in unserer Gesellschaft, die den Wandel nicht mehr so richtig können, weil sie nicht mehr mitkommen. Das sind die, die die sozialen Veränderungen am eigenen Leib spüren, die die Verwerfungen spüren, die letzten Endes in existenziell schwierige Situationen geraten und nicht zuletzt aufgrund politischer Fehlentscheidungen in diese existenziell schwierigen Situationen geraten.

Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir den Wandel weg von Kohle und Stahl ganz gut bewältigt haben. Wir sehen das auch so. Aber das hatte eine ganz entscheidende Voraussetzung, von der in den Reden der letzten Tage noch nicht gesprochen wurde, die Voraussetzung nämlich, dass wir diesen sozialen Wandel hervorragend sozial abfedern konnten. Das war einmal der Bergbau, der eine soziale Sicherung hatte, die beispielhaft in der Bundesrepublik war, wie jeder hier noch weiß. Deshalb war eben der Wandel im Bergbau ohne große Verwerfungen für die betroffenen Familien durchzufüh

(Abg. Dörr (AfD) )