Die Verwaltung der Städte und Gemeinden ist vor Ort viel leichter und viel einfacher zu bewerkstelligen als weitab vom Schuss. Das kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung sagen. Ich bin noch ein paar Tage auch Mitglied der Regionalversammlung, das war ich 20 Jahre. Da werden Entscheidungen gefällt im besten Willen, aber die Leute sind sehr weit vom Schuss und wissen oft nicht - das sage ich einmal vom Schulausschuss -, wo die Schule ist. Sie fragen dann, wo die Schule ist, wenn sie zur Sitzung dorthin fahren müssen.
Bei der Gebiets- und Verwaltungsreform 1974 hat man nach drei Grundsätzen verfahren: Alles muss einheitlich geregelt sein, alles muss gleichzeitig geregelt werden und „je größer, umso besser“. Als man den Plan so weit fertig hatte, hat man ihn - man dachte ja, es sei eine tolle Sache - den Leuten aufgezwungen. Diese Reform hat in geringen Teilen Erfolge gebracht, im Großen und Ganzen ist sie gescheitert. Eine neue Reform ist dringend nötig, aber jetzt macht man genau denselben Fehler. Man hat nämlich dieselben Grundsätze: Man will es einheitlich und gleichzeitig machen und man denkt in der Kategorie „je größer, umso besser“. Man will es den Leuten auch aufzwingen, selbst wenn man sagt, man wolle eine freiwillige Zusammenarbeit. Hintendran steht aber schon: Wehe, wenn es nicht klappt, dann müssen wir es eben befehlen. - Das wird also nicht klappen.
Weil das nicht klappt und die Regierung das schon selbst eingesehen hat, liegt dieser 951-seitige Plan einer Gebiets- und Verwaltungsreform in der Schub
lade des Ministers und er hat nicht mehr die Zuversicht, ihn dort rauszunehmen. Deshalb ist schon gesagt worden, es würden Jahre vergehen, bis etwas passiert. Es ist also in weiter Ferne und wird nicht klappen. Aber warum geht man nicht einfach hin und fängt dort an, wo ein Problem ist - beispielsweise in Blieskastel -, und löst es? Dabei sollte man aber nicht versuchen, Probleme gleichzeitig in Blieskastel, Homburg oder Saarlouis zu lösen.
Wie gesagt, man kann und sollte es nicht auf einen Schlag machen. Man sollte damit anfangen, dass man etwas bei dem tut, was bei uns sehr sonderbar ist, wenn man es mit anderen Städten in Deutschland vergleicht: Man sollte zum Beispiel die Stadt Saarbrücken einfach mal kreisfrei machen. Man sollte Saarbrücken vom Regionalverband befreien und umgekehrt.
Saarbrücken ist übrigens die einzige Stadt in dieser Größenordnung, die nicht kreisfrei ist. Die kleine Nachbarstadt Zweibrücken ist kreisfrei. Und wenn das gut klappt und ein Erfolg ist, können weitere Städte und Gemeinden folgen. Das ist die Idee. Sie werden dem nicht zustimmen, das macht aber nichts. - Danke schön.
Danke, Herr Fraktionsvorsitzender. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat für die CDU-Fraktion der Kollege Raphael Schäfer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zuerst auf den Kollegen Müller zurückkommen. Es war ein echter Affront, was er eben gesagt hat. Er hat unsere Regierung auf Bundes- wie auf Landesebene beschimpft. Er hat gesagt, dass unser Staat von Wahnsinnigen regiert wird. - Herr Kollege Müller, das weise ich in aller Deutlichkeit zurück. Das ist unparlamentarisch und undemokratisch. So kann man in diesem Hohen Hause nicht reden und agieren. Ich weise diese aberwitzige Kritik in sehr deutlichen Worten zurück.
(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Müller (AfD) : Das war ein Zitat! - Weitere Zurufe des Abgeordneten Müller (AfD).)
Ich komme zu dem uns vorliegenden Antrag. Die AfD-Fraktion möchte die Landesregierung auffordern, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit unsere saarländischen Städte und Gemeinden kreisfrei werden können. Nun ist es so, dass wir in der Vergangenheit schon viele gleich gelagerte Anträge dieser minderen Art und Güte vorliegen hatten. Ich muss das in dieser Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, denn auch diesen Antrag kann man nur mit einem gewissen Befremden lesen. Herr Kollege Dörr, Sie wissen ganz genau, die gesetzlichen Grundlagen, die Gesetze werden nicht von der saarländischen Landesregierung gemacht, sondern von uns als Parlament, von diesem Hohen Hause - und Sie sind Teil dieses Hohen Hauses.
Sie sind hier eine Fraktion. Deshalb die herzliche Bitte und die Aufforderung, in der Zukunft ordentliche Gesetzentwürfe vorzulegen, damit wir auch mal eine Begründung vorliegen haben und uns ordentlich auf die Debatte vorbereiten können, um Ihren Argumenten entgegenzutreten. - So viel dazu.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich könnte so fortfahren. Mal will die AfD einen saarlandweiten Landkreis schaffen, mal will sie die gesamte Verwaltungsebene der Landkreise abschaffen. Der Kollege Dörr hat das eben noch einmal ausgeführt. Aber Sie wissen doch auch, dass dieser Vorschlag verfassungswidrig ist mit Blick auf die Bundesverfassung wie auch auf unsere saarländische Landesverfassung. Deswegen sollten Sie sich einmal überlegen, was Sie in diesem Hohen Hause vertonen. Man könnte es unter dem Strich auch so ausdrücken: Mal will die AfD-Landtagsfraktion hü, mal will sie hott, heute so, morgen wieder anders.
Was muss uns als Parlament denn wichtig sein? Wir müssen unseren Städten und Gemeinden gegenüber verlässliche Partner sein, wir müssen eine verlässliche Politik machen, damit unsere Städte und Gemeinden ordentlich planen und agieren können. Deswegen, sehr geehrter Herr Kollege Dörr, lehnen wir Ihren heute vorliegenden Antrag natürlich ab.
Realität vorbei. Sie möchten die saarländische Landkreisebene schwächen, Sie möchten dieser Ebene die ihr zugewiesenen Kompetenzbereiche wieder wegnehmen und diese Kompetenzen den Städten und Gemeinden zuweisen. Jetzt muss man einmal genau hinschauen: Wenn Sie das tun wollen, so gibt es doch gewisse Rahmenbedingungen und Grundvoraussetzungen, dass dies überhaupt möglich ist. Eine gewisse Einwohnerzahl und eine gewisse Verwaltungskraft sind notwendige Voraussetzungen. Ich will es gar nicht an einer konkreten Einwohner- oder Mitarbeiterzahl einer Kommune festmachen, aber wenn man den Bundesvergleich heranzieht, so erkennt man ganz klar, dass hier im Saarland maximal die Landeshauptstadt infrage käme, kreisfrei zu sein.
Blicken wir noch einmal in die Vergangenheit. Das Ganze würde nur Sinn machen, wenn es einen konkreten Vorteil oder Mehrwert gäbe. Dazu gab es im Jahr 1974 - Sie haben selbst auf die Gebiets- und Verwaltungsreform rekurriert - entsprechende Überlegungen. Damals hat man der Landeshauptstadt Saarbrücken, die kreisfrei war, die Kreisfreiheit weggenommen, und das aus gutem Grund. Man wollte den Dualismus zwischen einer kreisfreien Stadt und einem Landkreis mit dann gleich gelagerten Aufgaben auflösen. Man wollte diesen Dualismus innerhalb eines gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraums im Großraum Saarbrücken auflösen. Der saarländische Landtag hat sich damals aus guten Gründen dafür entschieden, diesen Dualismus aufzuheben.
Herr Kollege Dörr, Sie wollen jetzt anscheinend die Rolle rückwärts machen, Sie wollen Doppelstrukturen, die damals abgeschafft worden sind, neu etablieren. Blicken wir doch auf die Landeshauptstadt. Welche konkreten Auswirkungen hätte das dort? Es gäbe einen deutlichen Aufgabenzuwachs. Die Landeshauptstadt führt ihre normalen Selbstverwaltungs- und Auftragsangelegenheiten aus. Sie wollen ihr die überörtlichen Angelegenheiten, die momentan vom Regionalverband durchgeführt werden, zuweisen, beispielsweise die Zuständigkeit für weiterführende Schulen oder auch für den Bereich der Jugend- und Sozialhilfe. Genau das wollen Sie. Das hätte einen Personalmehrbedarf und auch deutliche Kostenmehrungen bei der Landeshauptstadt zur Folge. Jeder kennt die prekäre und finanziell angespannte Situation der Landeshauptstadt. Deswegen ist dieser Vorschlag wirklich an den Haaren herbeigezogen. Ich muss ihn in aller Deutlichkeit zurückweisen.
Auch hier würden Sie durch Ihren Vorschlag erheblichen Unfrieden säen. Ich glaube, das Miteinander im Regionalverband zwischen der Landeshauptstadt und den ländlich geprägten Umlandgemeinden ist gut. Wir sollten es dabei belassen. Deswegen kann ich für meine Fraktion sagen: Wir lehnen diesen Antrag ab und weisen ihn in aller Entschiedenheit zurück.
Danke, Herr Abgeordneter. Herr Fraktionsvorsitzender Dörr hat den Wunsch nach einer Kurzintervention geäußert. Diese lasse ich zu. - Bitte schön.
Herr Schäfer, ein paar Sachen haben Sie verkehrt gedeutet. Ich entschuldige Sie. Damals - 1974 - waren Sie wahrscheinlich noch nicht auf der Welt.
Es kann auch sein, dass Sie schon auf der Welt waren. Mit Saarbrücken war es aber ganz anders gemeint. Saarbrücken sollte eine große Großstadt werden. Saarbrücken hatte damals 100.000 Einwohner. Man hat gedacht und vielleicht schon vorhergesehen, daraus 200.000 zu machen mit der Option 400.000. Damals schon ist der Stadtverband gebildet worden. Nur durch eine Gerichtsentscheidung, die die Stadt Püttlingen bewirkt hat, bei der klar war, dass die Planungshoheit nach wie vor bei den Städten und Gemeinden liegt, ist diese Idee gestorben.
Die Idee war nicht, Saarbrücken irgendwie einzubinden. Es war die Idee, Saarbrücken zu vergrößern. Das war es. Herr Schäfer, seien Sie doch ansonsten gelassen. Vor der Wahl habe ich es verstehen können, dass Sie, weil Sie als Landrat kandidiert haben, nicht für die Abschaffung der Landkreise sein wollen.
Herr Abgeordneter Schäfer, wünschen Sie eine Antwort auf die Kurzintervention? - Das ist nicht der Fall.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ansehen und der Rückhalt der Demokratie in der Bevölkerung ist auch mit der Art und Weise verbunden, wie die demokratischen Institutionen - dazu gehört auch ein Landesparlament wie dieses - sich aufführen, wie man miteinander umgeht und wie man das, was man hier tut, ernst nimmt. Herr Dörr, das, was Sie hier tun, ist nichts anderes als der Versuch, diese demokratische Institution zu beschädigen und lächerlich zu machen.
Hören Sie doch bitte einmal zu, auch wenn es nichts bringt. Das weiß ich schon. Aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie jetzt einmal zuhören.
Zum Ersten bringen Sie einen Antrag, wobei „Antrag“ schon viel zu hoch gegriffen ist für das, was Sie hier einreichen. Sie tragen Begründungen vor, die dermaßen ahnungslos, widersprüchlich und geradezu wirr sind, dass sie das Mindestmaß an Anforderungen, die man an parlamentarische Arbeit stellen muss, wirklich nicht erfüllen. Es ist eine Schande für unser Haus, was Sie hier vortragen, so schlecht ist das!
Das Zweite, womit Sie versuchen, dieses Haus lächerlich zu machen, ist die Tatsache, dass Sie uns zwingen, indem Sie jedes Mal den gleichen Antrag stellen und jedes Mal den gleichen Unsinn aufführen. Ich möchte Sie bitten, wenn Sie noch ein bisschen an demokratischem Anstand in sich haben, diese Art und Weise, das Parlament zu missbrauchen und lächerlich zu machen, in Zukunft zu unterlassen. - Vielen Dank.
Danke, Herr Abgeordneter. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der AfD‑Landtagsfraktion Drucksache 16/882.