Protocol of the Session on June 19, 2019

Danke, Herr Abgeordneter. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der AfD‑Landtagsfraktion Drucksache 16/882.

Wer für die Annahme der Drucksache 16/882 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 16/882 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die AfD-Fraktion; dage

(Abg. Schäfer (CDU) )

gen gestimmt haben alle anderen Fraktionen im Hohen Haus sowie die fraktionslose Abgeordnete.

Wir kommen nun zu den Punkten 15 und 16 der Tagesordnung

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Aufklärung statt Ausgrenzung! - Ein offener und unverkrampfter Umgang mit HIV und Aids (Drucksache 16/884)

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Stigmatisierung von HIV-Infizierten in polizeilichen Datenbanken beenden (Drucksache 16/885)

Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen erteile ich Herrn Abgeordneten Hermann-Josef Scharf das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir als Große Koalition haben heute den Antrag „Aufklärung statt Ausgrenzung! - Ein offener und unverkrampfter Umgang mit HIV und Aids“ eingebracht, weil wir feststellen, dass in diesem Segment noch sehr viel zu tun ist. Ich sage es klar und deutlich am Anfang: HIV und Aids gehören in den Mittelpunkt und nicht in irgendwelche dunklen Kammern.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es ist ein steter täglicher Kampf für die Menschen, die HIV-infiziert sind. In der letzten Woche hatten wir hier einen Kongress, wo sehr viele Menschen - auch solche, die HIV-positiv sind - anwesend waren. Sie haben aus dem prallen Leben berichtet, was es bedeutet, von dieser Gesellschaft stigmatisiert zu werden. Ich werde nachher einige Beispiele nennen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht unter die Haut. Da ist das Menschsein etwas infrage gestellt. Und wir sind alle Menschen, das sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen.

Ich bin sehr dankbar, dass wir im Saarland Player haben, die sich ganz engagiert um die Arbeit bei HIV und Aids kümmern. Einer ist heute anwesend. Es ist mein lieber Freund Frank Kreutzer, der Geschäftsführer unserer Aids-Hilfe. Lieber Frank, ich bin dir unendlich dankbar für dein wirklich ganz großes Engagement für HIV und Aids. Ich möchte dir heute im Namen der Koalitionsfraktionen ein ganz herzliches

Wort des Dankes für deine engagierte und wirklich tolle Arbeit sagen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Frank Kreutzer macht das in einer Art und Weise, die nicht belehrend ist, die feinfühlig ist, die argumentativ ist. Ich sage immer, gegen gute Argumente kann man sich einfach nicht wehren. Lieber Frank, mache deswegen auf diesem Weg weiter. Diese Große Koalition wirst du weiterhin an deiner Seite haben. Du wirst sie auch weiterhin an der Seite haben, wenn wir, auch was die haushalterischen Dinge angeht, die Aids-Hilfe und weitere Player nachhaltig unterstützen werden, sei es bei der Ausstattung der Geschäftsstelle oder sei es beim Projekt BISS. Es ist uns gelungen, für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 Vorsorge zu treffen. Ich kann heute schon versprechen, wir werden auch in den Beratungen für die Folgejahre dafür Sorge tragen, dass genügend Geld zur Verfügung steht. Dieses Geld wird nämlich benötigt, um - wie ich es vorhin angesprochen habe - vor allem präventive Arbeit leisten zu können. Die Aids-Hilfe und weitere Player gehen in Schulen, in Kindergärten, in Krankenpflegeschulen und diskutieren mit Ärzten. Ich glaube, das ist ganz wichtig.

Ich bin deshalb etwas erschüttert über das, was uns die Betroffenen mit auf den Weg gegeben haben. Zum Beispiel haben bei Zahnärzten, wenn es dort gelbe Mappen gibt, HIV-Infizierte rote Mappen, um deutlich zu machen, da kommt jemand, der Aids hat und HIV-infiziert ist. Die Menschen werden teilweise oft zum Schluss der Sprechstunden einbestellt, damit man nachher die Praxis anders reinigen kann. Ich glaube, im Jahr 2019 sind das Diskriminierungstatbestände, die wir offen benennen müssen. Das ist mit der Grund, warum wir heute dieses Thema aufgerufen haben. Wir wollen diese Dinge benennen. Wir wollen, dass sie geändert werden. Deshalb müssen wir alle den Mut haben, den Mund aufzumachen und das Schweigen zu durchbrechen. Es gilt, klar und deutlich zu sagen, dass es so nicht mehr weitergehen kann.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es gibt aber noch vieles andere im täglichen Leben. Es besteht immer noch Angst, jemandem die Hand zu geben oder ihn zu umarmen. Wenn man angenießt wird, meint man, man wäre infiziert. Deswegen ist es wichtig, dass diese Aufklärungsarbeit in den Schulen beginnt. Wenn sich Kinder damit beschäftigen können, dann ist ein unverkrampfter Umgang eher gegeben. Deswegen müssen wir dafür Sorge tragen, dass Begegnungen stattfinden. Die Betroffenen haben uns auch mit auf den Weg gegeben, dass es manchmal schwierig ist, wenn man in der

(Vizepräsidentin Spaniol)

Einsamkeit lebt und isoliert ist. Das ist etwas, was diskriminierend ist. Wir sollten deshalb dafür Sorge tragen, viele Möglichkeiten zur Begegnung zu schaffen.

Das Gute ist, dass wir heute durch die vorhandene Medikation in der Regel nur noch eine Tablette einnehmen müssen. Wenn die Menschen diese Tablette über einen gewissen Zeitraum einnehmen, sind sie nicht mehr infektiös. Es ist mir wichtig, das hier darzustellen. Es gibt Studien aus den USA, wo das sehr breit an 80.000 Probanden recherchiert worden ist. In keinem einzigen Fall ist dort festgestellt worden, dass eine Übertragung stattgefunden hat. Ich glaube, das müssen wir deutlich machen. Ein Stück weit geschockt bin ich von unserem medizinischen Bereich. Man sollte meinen, Krankenschwestern, Krankenpfleger, Ärzte wären gut ausgebildete Personen, aber da haben wir mit noch die größten Defizite. Da hilft nur eines, nämlich ganz klare und deutliche Aufklärung.

Frank Kreutzer hat es so schön gesagt, in den Achtziger-, Neunzigerjahren sind viele von den Friedhöfen nicht mehr runtergekommen, weil die Menschen an Aids verstorben sind. Ich erinnere nur noch einmal an Freddie Mercury, der 1991 im Alter von 45 Jahren verstorben ist. Damals war die Medikation eine grausame, weil sie nicht geheilt, sondern eher noch die Symptome verschlimmert hat. Das ist ein Punkt, wo wir heute der Forschung dankbar sein können, dass wir so weit sind.

Mir hat ein Zitat des amerikanischen Tänzers und Balletdirektors John Neumeier gut gefallen. Er hat nämlich gesagt, immer wenn jemand an Aids gestorben ist, wird dieses Wort dick in der Presse gedruckt, und dann tun alle so, als hätten sie gar kein Sexualleben. Man sollte über Aids reden wie über Krebs. - Ich glaube, das ist der Punkt: Wenn wir uns angewöhnen, ganz offen über diese Dinge zu diskutieren und zu berichten, dann sind wir ein gutes Stück weiter. Dann erreichen wir es, die Diskriminierung zu beenden, und dazu rufe ich uns alle sehr herzlich auf!

In unserem Antrag steht, dass wir auch im Bereich der Polizei Dinge benennen und gerne verändern wollen. Wir haben ganz offen mit unserem Innenminister über diese Dinge diskutiert. Ich bin sehr froh heute sagen zu können, dass Klaus Bouillon angekündigt hat, dieses Thema auf die Besprechungen der Länder mitzunehmen. Es ist - das hat mir Frank Kreutzer auch noch einmal gesagt - einfach das Bohren der vielen bekannten dicken Bretter. Und deswegen hoffen und werden wir auch dranbleiben, dass Klaus Bouillon mit den Länderkollegen diese

Dinge beredet, weil ein Alleingang sehr wenig bringen würde. All das geht nur gemeinsam. Darauf hoffen wir und ich kann nur sagen: Diese Große Koalition wird aufpassen. Deswegen bin ich auch etwas traurig, wenn ich zur LINKEN schaue; ich wäre froh gewesen, wenn wir einen gemeinsamen Antrag hinbekommen hätten. Der ist aber an diesem Segment gescheitert. Ich will euch da nichts vorschreiben, aber es wäre gut gewesen, wenn wir ein gemeinsames Zeichen gesetzt hätten. Ich kann für uns noch einmal sagen, dass wir an diesem Thema dranbleiben werden.

Ich will zum Schluss kommen und uns alle noch einmal bitten, sich dieses Themas im Besonderen anzunehmen. Wir brauchen dringend weiter Aufklärung, wir brauchen den offenen und unverkrampften Umgang. Ich bin auch unserer LSU in der Union sehr dankbar, vor allem meinem Freund Thomas Schmitt, der in unserer Partei mit dazu beigetragen hat, dass wir unverkrampfter und offener mit den Dingen umgehen. Wenn das andere auch noch mit auf ihre Fahnen schreiben, sind wir mit dem Thema ein Stückchen weiter. - Ich möchte mich heute herzlich bedanken, dass Sie mir zugehört haben!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Zur Begründung des Antrages der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Astrid Schramm das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Gegen HIV habe ich Medikamente. Gegen dumme Sprüche nicht.“ Dieser Satz stammt aus einer Aufklärungskampagne der Deutschen Aids-Hilfe. Dieser Satz bringt es auch genau auf den Punkt: Mit HIV kann man inzwischen leben. Glücklicherweise gibt es eine gute Therapie und das ist ein großartiger Erfolg. Aids hat jahrelang viele, vor allem junge Menschen das Leben gekostet. Ich denke auch an die etwa 390 Menschen, die im Saarland dieser Immunschwächekrankheit zum Opfer gefallen sind.

Ja, mit HIV kann man inzwischen leben, mit Diskriminierung aber nicht. Und Diskriminierung gehörte von Anfang an leider dazu. „Vielleicht hat uns der Herr diese Seuche gebracht, weil unerlaubter Sex gegen die Zehn Gebote verstößt“, hat 1989 der damalige US-Präsident Ronald Reagan gesagt. Und in Bayern hat der damalige Staatssekretär Peter Gauweiler Ende der Achtzigerjahre Ansteckungsverdächtige, also Prostituierte, Drogenabhängige und

(Abg. Scharf (CDU) )

schwule Männer zwangsweise in Absonderungseinrichtungen unterbringen wollen.

Diskriminierung ist leider auch heute noch auf der Tagesordnung. Da wird einer Patientin wegen HIV ein Termin für eine Operation oder ein Termin beim Zahnarzt verweigert. Da wird die Krankenakte eines HIV-Positiven durch einen roten Punkt für alle auch nach außen sichtbar gekennzeichnet. Da wird ein HIV-positiver Bewerber wegen seiner Infektion nicht eingestellt. Da erklärt ein Vermieter, dass seine Wohnungen grundsätzlich nicht an Menschen mit HIV gehen. Da legt ein Unternehmer fest, dass Menschen mit HIV nicht in einem Labor arbeiten dürfen. Da gibt es Klatsch und Mobbing am Arbeitsplatz, da regieren diffuse Ängste.

Eine tatsächliche Gefahr geht von diesen Menschen nicht aus. Bekanntermaßen wird HIV nicht übertragen, wenn man aus demselben Wasserglas mit einem Positiven trinkt oder ihm die Hand schüttelt. Ein HIV-Positiver in Therapie ist überhaupt nicht mehr ansteckend, selbst beim Geschlechtsverkehr nicht. Das wissen aber leider rund 90 Prozent der Deutschen immer noch nicht. Und offensichtlich gehört die Landesregierung dazu, denn welche Erklärung gäbe es sonst für die Speicherung des personenbezogenen Hinweises „ANST“ für „ansteckend“ bei HIV-Positiven. Dem Schutz der Polizistinnen und Polizisten dient das auf keinen Fall, denn es sind überhaupt keine Fälle im Saarland bekannt, bei denen eine Polizistin oder ein Polizist sich im Dienst infiziert hat. Und deswegen, lieber Kollege Scharf, bin ich dankbar, dass Herr Bouillon als Innenminister das jetzt mit zur Konferenz nimmt, vielleicht ändert sich ja da etwas.

Wenn die Polizei bei einem Einsatz mit offen Wunden zu tun hat, ist es ja heute so, dass Handschuhe zum Schutz dazugehören, und das schon seit den Achtzigerjahren. Dazu kommt - das kann man gar nicht oft genug sagen -, wer HIV hat und in Therapie ist, ist nicht mehr ansteckend. Wer dagegen aber gar nicht weiß, dass er HIV hat, also auch nicht in der Datenbank als HIV-positiv gespeichert ist, der ist auch nicht in einer Therapie und der ist dann wirklich ansteckend beim Austausch von Körperflüssigkeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der Regierungsfraktionen geht ja in die richtige Richtung, und deswegen ist es uns eigentlich auch schwer gefallen, nicht dazuzukommen. Aber es war uns wirklich wichtig, diese Punkte noch einmal detailliert aufzugreifen. Vielleicht hat es auch etwas genutzt in den Gesprächen, wie der Kollege Scharf eben mitgeteilt hat. Wir müssen etwas gegen Diskriminierung

HIV-Positiver unternehmen und die wichtige Arbeit der Aids‑Hilfe angemessen und langfristig fördern. Deswegen sagen wir Ihnen von unserer Seite, Herr Kreutzer, ein herzliches Dankeschön für Ihr Engagement und Ihre Arbeit in der Aids-Hilfe.

(Beifall von der LINKEN.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist absolut richtig, was wir hier vorschlagen. Aber wenn es ernst gemeint ist, dann muss das Land auch bei sich selbst anfangen und die diskriminierende Speicherung HIV-Positiver umgehend beenden. Wenn man einen Antrag stellt, liebe Kolleginnen und Kollegen, der ein klarer Appell gegen die Diskriminierung HIVPositiver sein soll, dann muss man auch nicht extra herausstellen, dass die zahlenmäßig größte Gruppe der Infizierten Männer sind, die Sex mit Männern haben.

Die Tatsache, dass dies immer wieder herausgestellt wird, führt zum einen zu einer Stigmatisierung schwuler Männer, obwohl das die Bevölkerungsgruppe sein dürfte, die am besten über HIV aufgeklärt ist und sich am ehesten regelmäßig untersuchen lässt. Zum anderen wiegen sich andere Gruppen, zum Beispiel heterosexuelle Frauen, in einer falschen Sicherheit. Denn wenn HIV und Aids immer als Krankheit wahrgenommen werden, die Männer betrifft, welche Sex mit Männern haben, reduziert sich Verhütung für viele Frauen nur auf Schwangerschaftsverhütung. Die Verhütung von Infektionen wird dadurch erheblich vernachlässigt. Denn sie fühlen sich als Frauen gar nicht gefährdet, obwohl das Risiko, sich bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner anzustecken, doppelt so hoch ist wie das eines Mannes.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aber in der Hauptsache sind wir uns ja einig, das haben wir im Vorgespräch auch schon festgestellt. Wir müssen die Aufklärungsarbeit der Aids-Hilfe unterstützen, wobei diese leider durch das Prostituiertenschutzgesetz erschwert wird, das viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in die Illegalität drängt und für die Präventionsarbeit schwerer erreichbar macht.

Wir müssen gegen die Diskriminierung HIV-Positiver vorgehen, auch da sind wir uns einig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen dabei aber auch konsequent sein und dürfen nicht zuschauen, wenn Betroffenen ihr Recht genommen wird, die Krankheit für sich zu behalten, weil sie beispielsweise das Risiko, stigmatisiert und diskriminiert zu werden, minimieren möchten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der LINKEN.)

(Abg. Schramm (DIE LINKE) )

Danke, Frau Abgeordnete. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat nun für die SPD-Fraktion der Kollege Jürgen Renner.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Frank Kreutzer! Ich bin dem Kollegen Scharf und der Kollegin Schramm dankbar, dass sie inhaltlich schon sehr weitgehend auf die jeweiligen Anträge eingegangen sind. Das erlaubt mir, meine Rede im hinteren Teil etwas zu straffen und noch einmal einen Rückblick auf die Achtzigerjahre zu werfen, als die ersten Aids-Erkrankungen aufkamen und die Presseberichterstattung in Deutschland dazu begonnen hat.

Vielen, die damals die Achtzigerjahre bewusst miterlebt haben, sind zum Beispiel die Cover des Spiegel aus dieser Zeit immer noch sehr präsent: Tödliche Seuche. Aids, die rätselhafte Krankheit. Aids-Angst. Meldepflicht für Aids. Wir brauchen Schutz vor der Seuche. Das große Sterben. Aids rückt näher. Aids, die Deutschen leben gefährlich. Angst vor der Lust. Schließlich gibt es auch noch eine Serie über Sex und Aids.

Diese mediale Berichterstattung hat damals mit dazu beigetragen, Angst zu entfachen, Aids werde sich wie eine Seuche massenhaft ausbreiten. Diese Angst war allgegenwärtig und die Krankheit wurde das wurde eben auch schon gesagt - als Krankheit der Schwulen, Prostituierten und Drogenabhängigen dargestellt, und zwar gewissermaßen als Strafe für eine sündhafte Lebensweise. Das war mit Angst verbunden - deswegen konnte diese, ich will es durchaus als „Kampagne“ bezeichnen, fruchten -, mit Unwissenheit, Vorurteilen und verabsolutierten Moralvorstellungen.

Es gab damals in der öffentlichen Diskussion im Wesentlichen zwei Strategien, die angeführt wurden und über die diskutiert wurde, wie man hier zu Lösungen kommen kann. Interessanterweise wurden die beiden Strategien innerhalb der Union, der CDU und der CSU, ausgetragen. Gauweiler ist als damaliger Staatssekretär in der bayrischen Staatsregierung genannt worden. Er war als Hardliner bekannt und wollte Zwangstests und Absonderungen in speziellen Heimen einführen - Seehofer im Übrigen damals auch. Aids-Kranke sollten konzentriert werden. Auch Erich Riedl sprach von Absonderung.

Die andere Strategie ist mit dem Namen Rita Süssmuth verbunden, die ab Mitte der Achtzigerjahre die damalige Bundesministerin für Gesundheit und ge

sundheitliche Aufklärung war, den genauen Titel weiß ich jetzt nicht mehr. Sie hat damals eine Strategie der Aufklärung und der Prävention statt Diskriminierung und Ausgrenzung gewählt. Das war eine harte Diskussion für diese Frau. Sie hat sich aber letzten Endes gegen ihren eigenen Parteivorsitzenden und den Bundeskanzler durchgesetzt. Dass es heute ein so weit verzweigtes Netz an Beratungsund Hilfsangeboten gibt, aber auch - bei allem Bedarf an weiterer Aufklärung - ein gesellschaftliches Verständnis und eine breite Übereinkunft im Umgang mit der Infektion und der Krankheit, das ist Rita Süssmuth hoch anzurechnen. Dafür gebührt ihr Dank.