Der vorliegende Gesetzentwurf bringt den Landtag, wie ich denke, in zweifacher Weise in gewisse Schwierigkeiten. Das gilt zum einen formal. Wir müssen heute aufgrund von zwei Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes aus diesem Jahr in einer Sondersitzung ohne Anhörungsverfahren und ohne ausführliche Diskussion in den Fraktionen das Kommunalwahlgesetz ändern, um eine verfassungskonforme Kommunalwahl zu gewährleisten. Dabei hatte der Landtag - das ist schon angesprochen worden bereits im Mai letzten Jahres beschlossen, die rechtlichen Regelungen zum Wahlausschluss von Menschen mit Behinderungen zu ändern. Die Landeswahlleitung hatte aber immer wieder unter Verweis auf verfassungsrechtliche Bedenken dringend davon abgeraten, dies noch vor der Kommunalwahl zu tun. Heute müssen wir feststellen: Immer wieder hat das Bundesverfassungsgericht anders entschieden, als von der Landeswahlleitung vorausgesagt wurde. Wir stecken heute in der Bredouille, weil wir diesem Rat vertraut haben.
Ich sehe auch inhaltliche Schwierigkeiten bei diesem Gesetz. Menschen, die bislang verfassungswidrig von der Wahl ausgeschlossen waren, erhalten mit diesem Gesetz per Antrag das Wahlrecht. Für mich ist aber das Wahlrecht auf Antrag nicht das gleiche Wahlrecht wie das, das wir alle gewohnheitsmäßig wahrnehmen.
Das Antragsverfahren im EU-Wahlrecht bezieht sich ursprünglich nur auf die Frage, in welchem Land man in das Wählerverzeichnis aufgenommen werden soll, nicht auf das Wahlrecht an sich. Das Bundesverfassungsgericht bedient sich dieser Krücke in seinem Urteilsspruch, um das Versäumnis des Bundesgesetzgebers auszugleichen. Das Saarländische Kommunalwahlgesetz kennt ein solches Antragsverfahren bislang nicht. Wir hängen uns jetzt allerdings sozusagen dran.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht bei der Frage heute nur um wenige Menschen im Land. Aber wenn es um das Wahlrecht geht, geht es auch um das Allerheiligste in der Demokratie. Das Wichtigste ist: Das Gesetz bietet allen, die wollen, die Möglichkeit, an der Wahl teilzunehmen. Menschen, die bislang einen Wahlausschluss hatten, müssen vielleicht eine zusätzliche Hürde nehmen. Das finde ich unnötig. Aber es ist wohl verfassungskonform, es so zu regeln. Deshalb und weil das Gesetz bis Ende des Jahres befristet ist kann ich der vorgeschlagenen Regelung heute auch zustimmen, in der Erwartung, dass wir - und das ist ja auch angekündigt worden in diesem Jahr noch einmal ein neues Gesetz in dieser Sache beschließen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft, was das Verfahren betrifft, nicht noch einmal in solche Situationen hineinkommen. - Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen Drucksache 16/817. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 16/817 in Erster Lesung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer stimmt dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf 16/817 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zum Abstimmungsverhalten im Einzelnen: Zugestimmt haben die CDULandtagsfraktion und die SPD-Landtagsfraktion sowie der Abgeordnete Lutz Hecker. Dagegen gestimmt haben die Abgeordneten Josef Dörr und Rudolf Müller. Enthalten haben sich die Abgeordneten der DIE LINKE-Landtagsfraktion und die fraktionslose Abgeordnete.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der DIE LINKE-Landtagsfraktion Drucksache 16/818. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 16/818 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben.
Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf 16/818 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die DIE LINKE-Landtagsfraktion und die fraktionslose Abgeordnete, dagegen gestimmt haben alle anderen Abgeordneten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der heutigen Sitzung soll auch die Zweite Lesung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen Drucksache 16/817 durchgeführt werden. Nach unserer Geschäftsordnung dürfen die zur Verabschiedung einer Gesetzesvorlage erforderlichen Lesungen nicht in einer Sitzung und nicht am selben Tag stattfinden. Es gibt eine Ausnahme davon: Abweichungen von dieser Vorschrift kann der Landtag gemäß § 57 Abs. 1 Landtagsgesetz mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Abgeordneten im Einzelfall beschließen. Darüber stimmen wir jetzt auch ab.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dafür ist, dass in der heutigen Sitzung die Zweite Lesung des Gesetzentwurfs durchgeführt wird, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreicht ist und der Gesetzentwurf in der heutigen Sitzung in Zweiter Lesung beraten wird.
Ich eröffne die Aussprache. - Es gibt eine Wortmeldung. Dazu erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden der AfD-Landtagsfraktion Josef Dörr das Wort.
Herr Präsident! Liebe Saarländerinnen und Saarländer. Ich habe eben nur eine kurze Redezeit gehabt. Wir haben immer nur 8 Minuten, da gibt es immer wichtige Dinge, die man nicht sagen kann. Das möchte ich jetzt kurz nachholen.
Zuerst einmal haben wir hier in diesem Hohen Hause, im saarländischen Landtag von Saarländerinnen und Saarländern direkt gewählte Abgeordnete. Die sind unserer Meinung nach unabhängig und niemandem verantwortlich außer ihrem eigenen Gewissen. Allerdings kommt es sehr häufig vor, dass eine Richtlinie aus Brüssel vorgestellt wird. Es wird uns gesagt, das kommt von Brüssel, der Bundestag hat schon zugestimmt, da müssen wir zustimmen. Dagegen wehre ich mich.
(Abg. Renner (SPD) : Was hat Brüssel damit zu tun? - Abg. Ries (SPD): Das ist eine persönliche Erklärung.)
Dann haben wir sehr häufig auch den Fall, dass es heißt: In Berlin ist dem schon zugestimmt worden, es ist nur eine Formsache, dass ihr hier jetzt auch zustimmt. - Auch dagegen wehren wir uns. Und heute heißt es: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat beschlossen.
Und schon müssen wir alle automatisch springen. Wir springen aber nicht automatisch, wir überlegen uns unsere Sachen und nehmen unser Recht als frei gewählte Abgeordnete im saarländischen Landtag in Anspruch! Wir lassen uns von niemandem - von niemandem! - vorschreiben, wie wir abstimmen sollen.
Das Bundesverfassungsgericht ist ein Teil unserer Rechtsordnung. Wir haben Gewaltenteilung, und da ist das Bundesverfassungsgericht ein sehr wichtiges Organ, aber nicht unfehlbar. Selbst die heilige katholische Kirche war nicht unfehlbar, als sie gesagt hat, die Erde sei eine Scheibe. Auch das Bundesverfassungsgericht ist nicht unfehlbar. Deshalb haben wir die Gewaltenteilung. Wir haben die ausführende Gewalt, und hier sitzt die rechtsprechende Gewalt. Und die richterliche Gewalt kann unter keinen Umständen -
Die gesetzgebende Gewalt, Entschuldigung. - Auf keinen Fall kann das Bundesverfassungsgericht uns befehlen, was wir zu tun haben. Wir müssen die Zeit und die Gelegenheit haben, die Dinge, die uns vorgeschlagen werden, zu prüfen, um dann nach unserem Gewissen zu handeln. Das machen ich und mein Kollege Rolf Müller. Herr Lutz Hecker hat eben ja dafür gestimmt, der hat halt eben eine andere Ansicht. Das respektieren wir.
Aber ich sage es noch einmal: Wir von der AfDFraktion lassen uns nichts vorschreiben, weder aus Brüssel noch aus Berlin noch aus Karlsruhe. Denn dann braucht man uns nicht. Dann sollte man die Kompetenzen so ändern, dass die gleich bestimmen können. Aber wenn wir angehört werden müssen und man unsere Stimme hören will,
oder uns zu enthalten. Nein, Frau Berg, es reicht uns nicht! Wenn es Ihnen reicht - - Ich höre Ihnen lange zu.
(Abg. Berg (SPD) : Wir sind verpflichtet, verfassungsrechtlich konforme Gesetze zu machen! Unglaublich!)
aber anscheinend nicht die Erziehung, dass Sie auch anderen Leuten zuhören können. - Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf, den Entwurf des Gesetzes über die Anwendung des Kommunalwahlgesetzes, Drucksache 16/817 - das ist der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen - in Zweiter und letzter Lesung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes in Zweiter und letzter Lesung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der
Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/817 in Zweiter und letzter Lesung mit Stimmenmehrheit angenommen ist. Zugestimmt haben die Abgeordneten der CDU- und der SPD-Landtagsfraktion sowie der Abgeordnete Lutz Hecker, dagegen gestimmt haben die Abgeordneten Josef Dörr und Rudolf Müller, enthalten haben sich die Abgeordneten der DIE LINKE-Landtagsfraktion und die fraktionslose Abgeordnete.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind damit am Ende der Sitzung angelangt. Ich schließe die Sitzung und wünsche noch einen schönen Tag.