Protocol of the Session on March 13, 2019

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der DIE LINKE-Landtagsfraktion Drucksache 16/763. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/763 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die DIE LINKELandtagsfraktion, die AfD-Landtagsfraktion und die fraktionslose Abgeordnete. Dagegen gestimmt haben die Fraktionen von CDU und SPD.

Wir kommen damit zu Punkt 4 unserer Tagesordnung:

Erste und Zweite Lesung des von der Regierung eingebrachten Gesetzes für den Übergangszeitraum nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union (Saarländisches Brexit-Übergangsgesetz - SaarlBrexitÜG) (Drucksache 16/739)

Zur Begründung des Gesetzentwurfs erteile ich Herrn Minister Peter Strobel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich der Ministerrat mit dem heutigen Thema befasst hat, war es noch völlig unklar, ob es zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ein ausgehandeltes Abkommen geben würde oder nicht. Selbst heute, zwei Wochen vor dem Ende der Frist am 29. März, ist noch kein bindendes Abkommen zum Austritt des Vereinigten Königreichs erzielt worden. Ob sich da überhaupt noch etwas tut, ist am Tag nach einer erneuten abschlägigen Abstimmung unklarer denn je.

Was jetzt kommen kann, ist entweder ein ungeregelter Austritt - wahrscheinlich die schlechteste aller Möglichkeiten -, eine Verschiebung des Austrittstermins oder vielleicht auch gar kein Austritt. Was eine Verschiebung bringen soll, ist vollkommen unklar, ist es doch Großbritannien über Wochen und Monate nicht gelungen, diskutable Vorschläge zu präsentieren, die weitere Gespräche überhaupt erst sinnhaft erscheinen lassen. Mit Verlaub gesagt bin ich auch der Auffassung, dass die Haltung von Kommissionspräsident Juncker richtig ist, wenn er die letzten Klarstellungen zum Austrittsabkommen und zum Backstop als letztes Entgegenkommen der EU markiert hat. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist keine Mitgliedschaft in einem Country Club, in den man ein- und austritt, wie es einem gefällt und wie man es für richtig hält.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union muss denen, die mitmachen, Vorteile bieten, ein Nachbessern am Austrittsvertrag mit dem Ziel, die Vorteile für den Austretenden zu erhalten, ihn aber aus den Pflichten zu entlassen, wäre ein fatales Signal. Das würde lediglich denjenigen in die Karten spielen, die Zweifel an der Europäischen Union verbreiten wollen und allein das Nationale propagieren. Die Folgen und Auswirkungen des Brexits sind immer noch nicht abzusehen. Wann und wie, vielleicht sogar ob Großbritannien die EU überhaupt verlässt, bleibt weiterhin unklar.

Diesen Umstand haben wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon mehrfach an unterschiedlicher Stelle kritisiert, aber genauso auch bedauert. Es ist ohne Zweifel entsetzlich, dass ein so wichtiges, ja für die Geschichte der Europäischen Union historisch wichtiges Land wie Großbritannien kein EU-Mitglied mehr sein möchte. Dennoch sage ich ganz klar: Wir haben die Entscheidung, wie auch immer sie am Ende aussehen mag, zu akzeptieren und uns darauf einzustellen. Dazu sind wir unseren Bürgerinnen und Bürgern genauso wie unseren Unternehmen verpflichtet. Deshalb gilt es, die Weichen zu stellen und uns - so gut es geht - auf einen Brexit vorzubereiten. Das Trauerspiel in Westminster dauert schon

(Abg. Hecker (AfD) )

lange genug an. Ganz Europa wartet darauf, was in London passiert. Seit Wochen sind alle irgendwie in Schockstarre.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, bei aller gebotenen Nüchternheit zur Vorbereitung des eigentlichen Austritts komme ich nicht umhin, eine emotionale Aussage zu treffen. Der Brexit ist für mich ganz persönlich ein Tiefpunkt im internationalen politischen Bestreben um Frieden, Freiheit und Partnerschaft. Ich hätte nie geglaubt, dass es gelingen kann, die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger einer europäischen Kernnation von der Sinnhaftigkeit eines Verlassens der Europäischen Union zu überzeugen - doch nicht nach alldem, was Menschen in Europa in einer Vielzahl von kriegerischen Auseinandersetzung haben ertragen müssen. Der Brexit ist eine leichtfertige historische Fehlentscheidung.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Die Gefahr, dass der befriedet geglaubte Konflikte zwischen Irland und Nordirland wieder aufbricht, ist mit Händen zu greifen. Das Verhalten einzelner britischer Akteure zeugt mehr von kurzsichtigem politischen Kalkül als von staatsmännischer Verantwortung. Was hier passiert und was hier preisgegeben wird, mag sich vielleicht erst in einigen Jahren zeigen, aber schon heute ist es eine Katastrophe, und zwar symbolisch genauso wie faktisch. Daraus entsteht für uns ein wichtiger Auftrag. Insbesondere in einem Jahr, in dem das Europäische Parlament neu gewählt wird, liegt es an uns Europäern, die Stärken und Vorzüge der Europäischen Union deutlich herauszustellen. Wir müssen vermitteln, dass der europäische Gedanke und die Errungenschaften der Europäischen Union es wert sind, verteidigt zu werden, und zwar im gesamteuropäischen, aber ganz besonders auch in unserem nationalen Interesse.

Der europäische Gedanke bedeutet, dass Europa nicht als rein wirtschaftlicher Zusammenschluss opportunistisch agierender Staaten zu verstehen ist, vielmehr ist unser Europa eine Wertegemeinschaft, ein multilaterales, solidarisches Gegenmodell zu den vielfach zu beklagenden nationalistischen und egoistischen politischen Strömungen auf dieser Welt. Frieden, Freiheit und Partnerschaft in Europa gehen einher mit Wohlstand und Wachstum, gerade wir Deutsche spüren doch diese Vorteile tagtäglich. Der Nutzen der europäischen Integration zeigt sich ganz konkret in unserem Alltag. Europäischer Binnenmarkt bedeutet nämlich auch kostenloses Roaming und Reisen ohne Grenzkontrollen. Geht mein Koffer verloren oder kommt mein Flugzeug zu spät, habe ich als Passagier Rechte. Das haben wir der EU zu verdanken. Europäer zu sein bedeutet, dass meine eigenen personenbezogenen Daten durch strenge europäische Gesetze geschützt werden. Finanzielle Unterstützung unserer Landwirte, Förderung unserer

grenzüberschreitenden Projekte, Projekte und Unterstützung im Bildungsbereich, auch all dies ist Europa. Ich würde mich freuen, wir würden öfter an die vielen facettenreichen Errungenschaften und Erfolge von Europa erinnern.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Damit auch in Zukunft Europa als Motor des Fortschritts arbeiten kann, muss eine kritische Selbstreflexion stattfinden. Darauf ist auch Ministerpräsident Tobias Hans in seiner Regierungserklärung zu Europa eingegangen. Das war alles andere als EU-kritisch, ganz im Gegenteil. Europa braucht mehr Bürgernähe. Es entsteht bei den Bürgerinnen und Bürgern zu häufig der Eindruck, dass oftmals über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Was ist das beste Mittel dagegen? - Subsidiarität. Im vergangenen Jahr war ich für den Deutschen Bundesrat auf der Subsidiaritätskonferenz in Bregenz, ausgerichtet von der damaligen EU-Ratspräsidentschaft Österreich. Übereinstimmend waren sich die Vertreterinnen und Vertreter aller EU-Staaten einig, dass mehr Subsidiarität letztlich zu mehr Bürgernähe in der EU führt. Sie ist der Schlüssel dazu. Die jeweils übergeordnete politische Ebene übernimmt nur Aufgaben, zu deren Wahrnehmung die vorangegangene Ebene nicht in der Lage ist. Neben der EU, den Nationalstaaten, den Ländern und Kommunen kommt dabei den Regionen auch und gerade grenzüberschreitend eine besondere Bedeutung zu.

Subsidiarität heißt aber auch, dass die großen Fragen wie etwa Klimawandel - jenseits von Grenzwerten - oder Migration im Großen, das heißt von der EU, behandelt werden müssen. Der europäische Markt insgesamt ist im internationalen Wirtschaftsgefüge eine Nummer. Nationale Einheiten sind in der globalen Betrachtung viel zu klein und spielen eine untergeordnete Rolle. Andere Fragen hingegen sollen mehrheitlich von den einzelnen Mitgliedsstaaten selbst beantwortet werden und weniger von der EU, denn wie sagte Jean-Claude Juncker vor Kurzem: Europa ist auch nicht für alles zuständig.

Der Austritt eines Kernlandes der Europäischen Gemeinschaft wirft einen tiefgreifenden Schatten auf die Zukunft Europas. Erschwerend kommt hinzu, dass die Abläufe zum Brexit auf europäischer Ebene bedingt durch die unklare britische Haltung alles andere als gesichert und geordnet erscheinen. Das bietet viel Raum für spekulative Szenarien. Die nationalen Gesetzgeber sind nunmehr gefordert, die normativen Voraussetzungen zu schaffen, um die innerstaatlich gebotenen Konsequenzen aus den Abläufen auf europäischer Ebene zu ziehen, soweit dies möglich ist. Hierzu zählt auch, auf Landesebene die innerstaatlichen Schlussfolgerungen aus einem Austrittsabkommen gesetzlich vorzubereiten, wohl wissend, dass es alles andere als gesichert er

(Minister Strobel)

scheint, dass dieses Abkommen überhaupt jemals zur Anwendung gelangt.

Ihnen liegt deshalb heute ein Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Saarländisches Brexit-Übergangsgesetz vor. Es dokumentiert, dass der Brexit nicht nur eine Angelegenheit für Europa und die Nationalstaaten ist, sondern vielmehr alle staatlichen Ebenen in dem gemeinsam Ansinnen betrifft, bei der Gestaltung des Austrittsprozesses für ein möglichst hohes Maß an Rechtssicherheit für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen zu sorgen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei dem im Austrittsabkommen vorgesehenen Übergangszeitraum zu. Im Falle eines ratifizierten Austrittsabkommens tritt danach zum Austrittsdatum eine Übergangsfrist in Kraft. In dieser muss sich Großbritannien grundsätzlich weiter an alle EU-Regeln halten, ohne weiterhin in den EU-Institutionen vertreten zu sein.

Durch die Übergangsfristen sollen daher zum einen die Folgen des Brexits zeitlich abgefedert werden, wodurch eine ausreichende Vorlaufzeit gewährleistet ist, um sich auf die Veränderungen einzustellen. Zum anderen sollen in diesem Zeitraum die dauerhaft wirkenden Anschlussregelungen für die künftigen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich ausgehandelt werden. Für diesen Übergangszeitraum sieht das Austrittsabkommen vor, dass das Vereinigte Königreich weiterhin grundsätzlich wie ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union behandelt wird.

Wie im Bundes- oder Landesrecht auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union abgestellt wird, so ist im Übergangszeitraum hiervon auch das Vereinigte Königreich mit seinen Bürgerinnen und Bürgern erfasst. Wesentliche Ausnahmen von diesem Grundsatz betreffen die Ausgestaltung des aktiven und passiven Wahlrechts bei den Europawahlen genauso wie bei den Kommunalwahlen.

Derzeit sind die gesetzgebenden Organe von Bund und Ländern dabei, jeweils für ihren Rechtsbereich dieses Übergangsszenario normativ festzuschreiben. So soll sichergestellt werden, dass die im Austrittsabkommen vorgesehene vorläufige Behandlung Großbritanniens wie ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union im nationalen Recht umgesetzt wird. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf reiht sich in diese parallele Kette von Brexit-Übergangsgesetzen auf Bundes- und Landesebene ein.

Die strukturell weitgehend identischen Gesetzesvorhaben sind dabei als eine vor die Klammer gezogene Querschnittskodifikation ausgestaltet. Sie vermeiden die Notwendigkeit einer textlichen Anpassung jeder einzelnen betroffenen fachlichen Bezugsnorm, wie man sie im Landesrecht häufig findet, beispielsweise in Bezug auf den Nachweis der Staatsange

hörigkeit eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union.

Eine solche gesetzestechnische Vorgehensweise wird während einer Übergangsphase nur von zeitlich begrenzter Wirkung sein. Daher ist eine textliche Änderung jeder einzelnen Fachnorm auch nicht erforderlich. Dies gilt es nun gesetzlich auf Landesebene vorzubereiten, wohl wissend, dass der Abschluss eines entsprechenden Abkommens auf ganz anderen Ebenen entschieden wird oder vielleicht auch gar nicht mehr kommt.

Durch die Einbringung des Entwurfs setzen wir aber auch ein Zeichen. Wir verharren nicht in der BrexitDepression, sondern schaffen eine rechtliche Grundlage für eine gegebenenfalls kommende Übergangsphase. Im Gegensatz zum britischen Unterhaus arbeitet dieses Parlament vorausschauend selbst für Eventualitäten. Wir bieten mit diesem Gesetz ein Stück Sicherheit für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie für unsere Unternehmen. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung in Erster und Zweiter Lesung. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. - Als Erster spricht der Abgeordnete Jochen Flackus für die DIE LINKE-Landtagsfraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Herr Minister Strobel, Sie haben es schon angesprochen, der Landtag im Saarland arbeitet anders als das britische Parlament. Deshalb werden wir diesem Entwurf auch in der Zweiten Lesung zustimmen. Wir machen ja heute beide Lesungen aus Zeitgründen gemeinsam. Insofern können wir uns da absetzen.

Das Gesetz ist im Bund bereits im Februar verabschiedet worden. Verschiedene Landesparlamente haben es auch schon verabschiedet, beispielsweise Hessen und Bayern mit Nuancen. Sie haben darauf hingewiesen. Es ist richtig: Dieses Gesetz kommt überhaupt nur zur Anwendung, wenn es einen Deal geben würde. Der sogenannte Deal ist aber seit gestern Abend so weit weg wie nie zuvor. Das haben Sie schon angedeutet und das unterstreiche ich.

Das ist sehr bedauerlich vor allem unter einem Aspekt, der immer unter den Tisch fällt, nämlich dem Backstop. Das klingt ein bisschen technisch. Dahinter verbirgt sich dieser Krieg, den wir in Nordirland bis in die Siebzigerjahre hinein hatten. Wir Ältere erinnern uns ja noch daran, weil es täglich in den Nachrichten war. Dieses Problem bleibt damit dramatisch auf der Tagesordnung. Das ist eine schlim

(Minister Strobel)

me Geschichte, wegen der die EU weiter diskutieren sollte.

Zurück zu diesem historischen Datum. Am 23.06.2016 haben sich nur 72 Prozent der Wahlberechtigten in Großbritannien entschieden, an der Abstimmung teilzunehmen; das muss man auch einmal sagen. Davon haben 52 Prozent für den Austritt gestimmt. Wenn man rechnerisch herangeht, dann ist das nur die Hälfte der Wahlberechtigten in Großbritannien, die überhaupt in der Weise unterwegs war.

Die Reaktion in Brüssel und Berlin war Empörung und Bestürzung. Wie üblich wurden auch die europäischen Werte bemüht. Ich glaube aber, in dieser Diskussion nutzte und nutzt das überhaupt nichts, weil auch in Großbritannien abgestimmt wurde über die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Europa insgesamt, auch über das Thema Ungleichheit. Das ist eine andere Nuance.

Dieser Brexit ist ganz groß geprägt auch durch britische Innenpolitik. Das muss man auch sagen. In Großbritannien gibt es das Gefühl, in Europa abgehängt zu sein, und nicht, von Europa Nutzen zu haben. Das zeigt sich auch in diesem Ergebnis. Es wird immer gesagt, Linke sind die großen Populisten. Der schlimmste Populist in dieser Debatte war Boris Johnson, ehemaliger Bürgermeister von London und ehemaliger Außenminister von Großbritannien. Er hat nämlich eine Kampagne mit der BrexitDividende gefahren. Er hat behauptet, jede Woche würde man 350 Millionen Pfund mehr haben, wenn man eben nicht in der EU sei. Ich sage flapsig, das ist sozusagen die mieseste Kiste, die man sich vorstellen kann.

(Beifall.)

Herr Minister, Sie haben vieles angedeutet, was man kritisch anmerken muss, auch in Richtung Großbritannien und des Verhaltens des dortigen Parlaments und der Politik. Da bin ich ganz bei Ihnen. Man muss Folgendes sehen. Seit den Achtzigerjahren ist Großbritannien ein Testfeld und das Stammland neoliberaler Wirtschaftspolitik gewesen. Die Namen, die dafür stehen, sind Maggie Thatcher, die dafür sogar einen Film bekommen hat, der mit großem Interesse verfolgt wurde, und leider auch der Labour-Chef Tony Blair, der diese Politik fortgesetzt hat und damit ein Vorbild für viele andere Länder in Europa war.

Das Ergebnis ist auch ein Teil dieses Brexit. Großbritannien ist komplett deindustrialisiert. Es wurde komplett auf Finanzwirtschaft gesetzt. Ich habe gerade vorgestern gelesen - Sie wahrscheinlich auch -, in Europa gibt es trotz Boni-Regelung 5.000 Banker, die mehr als eine Million Jahreseinkommen haben. Von diesen 5.000 leben 3.700 in Großbritannien. Alleine die Zahl zeigt schon symbolisch, wie die Finanzwirtschaft dort alles übernommen hat. Interes

santerweise sind es in Deutschland knapp 400 Banker, die über einer Million liegen. Das will ich an dieser Stelle auch sagen.

Wir haben einen Staat erlebt, der ständig auf dem Rückzug aus der Daseinsvorsorge war. Das betrifft zum einen den Gesundheitsbereich. Wir alle wissen, in welchem Zustand das britische Gesundheitswesen ist. Auch die Bahn ist oft als „Vorbild“ genommen worden, wie man es bei der Privatisierung eben nicht machen sollte und welcher Weg falsch ist.

Man muss im Ergebnis sehen, dass Großbritannien ein ganz schwaches Wirtschaftswachstum und ein ganz schwach industriell ausgeprägtes Unternehmertum hat. Deshalb sind die Menschen gegen diesen Deal gewesen. Daher hat mein Kollege aus dem Bundestag Fabio de Masi, der sich sehr gut auskennt und in England gelebt hat - er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der LINKEN-Fraktion im Bundestag -, gesagt, dieser Brexit-Deal ist künstliche Beatmung für Theresa May. Ich glaube, das kann man wirklich so sagen. Es geht auch um die Wahl zum Brexit und die Erfahrung, dass Europa kein Hort der Solidarität ist. Das ist leider aktuell. Das gehört nach meiner Meinung zur Wahrheit über den Brexit dazu.

(Vizepräsident Heinrich übernimmt den Vorsitz.)

Ich möchte noch etwas zum Saarland sagen. Sie haben es noch nicht angesprochen. Ich glaube, dass man die Zahlen allgemein kennt. Bis 2016 war Großbritannien unser wichtigster Handelspartner. Dann gab es einen Abstieg. Die IHK hat unlängst Zahlen veröffentlicht. Beim Export waren es – 12 Prozent, beim Import - 17,5 Prozent. Wir merken im Saarland sehr deutlich, was momentan los ist. Man muss sehen, von unserem Gesamtexport ist der Anteil nach Großbritannien 14 Prozent. Das ist eine ordentliche Zahl, wenn man den Bundesdurchschnitt sieht. Das hinkt natürlich, aber immerhin. Im Bund sind es für den Export nach Großbritannien nur 6,5 Prozent.

Hier gibt es Dickschiffe wie Ford; das ist in der Debatte schon häufiger gesagt worden. Jeder dritte Focus geht nach Großbritannien. Es gibt das berühmte geflügelte Wort, jedes Auto ist ein Arbeitsplatz bei Ford in Saarlouis. Also kann man sich ausrechnen, was das bedeutet. 53 Prozent der Kfz-Produktion gehen nach England sowie 33 Prozent der Fahrzeugteile. Das ist also wirklich wichtig.

Neben Saarstahl oder Ford gibt es auch noch andere, die sehr stark an Großbritannien gebunden sind, beispielsweise Viasit aus Neunkirchen. Das Unternehmen - wir alle kennen es - stellt Bürostühle her. Es hat jetzt schon beim Export ein Minus von 10 Prozent. Witzigerweise hat die Ludwig-Schokolade ein Exportvolumen von 40 Millionen Euro mit