Protocol of the Session on August 22, 2018

Ich bin ja froh, dass Herr Jung heute Morgen so lustig ist. Er ist gut aufgestanden und hat schon an das Fest heute Abend gedacht und sich so richtig -

(Heiterkeit. - Abg. Renner (SPD) : Sie erzählen allerdings auch drollige Dinge.)

Es ist bezeichnend, dass gerade die Regierungsfraktionen sich mit dieser Sache nicht anfreunden können. Sie tun sich schwer. Es hat von 1974 bis heute gedauert, bis man wenigstens versprochen hat, einmal an die Sache ranzugehen. Auf dem Weg dahin gab es einen Stadtverband Saarbrücken und jetzt einen Regionalverband Saarbrücken mit minimalen Änderungen. Es ist ein schwieriges Thema für Leute, die überall ihre Vertreter in den Gremien sitzen haben.

Einer freiwilligen Zusammenarbeit zwischen Städten und Gemeinden in den verschiedensten Bereichen sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Es ist nicht verboten, dass Städte und Gemeinden zusammenarbeiten. Landesämter und Landesgesellschaften können besondere Aufgaben erfüllen. Es ist auch klar, dass nicht jede Gemeinde alle Aufgaben erfül

(Abg. Dörr (AfD) )

len kann. Wir haben auch jetzt schon Verbände, Ämter oder Gesellschaften, die überörtliche Aufgaben erfüllen.

Ortschaften in Gemeinden und Bezirke in Städten sollen wieder selbstständiger werden. Wenn Sie nur auf die Sportseite schauen, sehen Sie, dass jedes kleine Dorf noch seine eigene Fußballmannschaft hat. Es gibt diese Vereinheitlichung oder Vereinigung nicht. Sie hat sich nicht bewährt. Sie war damals in den Köpfen der Schöpfer dieser Reform, aber sie hat nicht stattgefunden.

(Sprechen bei den Regierungsfraktionen und Zu- rufe.)

Wenn Sie mol a bissche äller sinn, dann han Se das alles schun emol mitgemach. Dann könne Se a bissche mehr dodrüwer schwätze.

Wir wollen mehr Selbstbestimmung in den Dörfern. Der Ortsvorsteher kann auch gerne wieder zum Ortsbürgermeister werden. Also gebt uns unsere Dörfer wieder zurück! Das war’s. - Glück auf!

(Beifall von der AfD-Fraktion. - Sprechen und ver- einzelt Lachen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat die Abgeordnete Ruth Meyer von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bezeichnend und beschämend, welch schludrigen Antrag die AfD zu einem so zentralen Anliegen vorlegt.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ihre umfassende Kommunalreform, Herr Dörr, umfasst genau vier Aufzählungszeichen, drei Ziele und zwei Maßnahmen. Das ist sehr übersichtlich, aber selbst da ist es Ihnen gelungen, die Übersicht zu verlieren. Sie wollen sechs Kreise zu einem zusammenlegen. Das wäre ja noch in gewisser Weise radikal. Gleichzeitig eröffnen Sie aber die Option, dass jede einzelne der Gemeinden sich diesem Großkreis verweigern kann. Das ist völlig beliebig. Keine Ahnung, wer da welche Aufgaben erledigt. Stell dir vor, es gibt einen Regionalverband Saarland und keiner geht hin.

Und die Entschuldung unserer Kommunen lösen Sie, wie Sie es gerne machen, einfach und bequem: Diese Last bürden Sie dem Bund auf. Da reicht eine einfache Aufforderung - schön wär’s! Damit enttarnen Sie ein weiteres Mal die gesamte Problemlösekompetenz Ihrer Partei. Scheinwelten, Worthülsen von Verbilligung und Vereinfachung, aber keine Ahnung, was sich dahinter verbergen soll.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Dabei haben unsere Kreise, Städte und Gemeinden dringend Hilfe nötig. Wir wissen auch, woran sie kranken. Sie kranken an Überschuldung, sie kranken an Einnahmeschwäche und in der Folge an Investitionsstaus. Des Weiteren quälen sie Strukturprobleme. Viele Aufgaben werden an viel zu vielen Stellen gleichzeitig erledigt. Gerade die kleineren Organismen sind damit überfordert. Diese Anamnese ist nicht neu, aber eine Reform doktert nicht oberflächlich an Symptomen herum, sie muss gründlich arbeiten, an den Ursachen.

Deshalb haben wir uns bereits in der letzten Legislatur nicht auf Notrufe beim Bund beschränkt, wir haben längst mit der Therapie begonnen. Wir haben gegen die Grunderkrankung gekämpft, die unsere Kommunen umtreibt, nämlich die Verschuldung. Auf das Kommunalpaket 1 mit dem wichtigsten Therapieansatz, dem Kommunalen Entlastungsfonds, haben auch einige Kommunen schon wirklich gut angesprochen. Nun hat der Durchbruch beim BundLänder-Finanzausgleich es uns ermöglicht, weitere 50 Millionen Euro in diese Behandlung zu investieren, Stichwort Saarlandkasse. Erstmals haben wir damit die Chance, alle kommunalen Schulden in einer Generation zu tilgen. Erste Erfolge zeigt auch die Aktivierung der kommunalen Selbstheilungskräfte. Die Räte haben in den letzten Jahren landauf, landab nach Hausmitteln gesucht, ihre Ausgaben zu senken und ihre Einnahmemöglichkeiten zu verbessern. Immer mehr Aufgaben werden gemeinsam erledigt. Da erleichtert die IT vieles, aber auch hier liegt noch viel Potenzial brach.

Völlig zu Recht erwähnen Sie die kommunale Selbstverwaltung in Ihrem Antrag, die Sie gestärkt sehen wollen. Aber gerade deshalb können doch die Maßnahmen nicht par ordre du mufti von oben erfolgen. Gerade deshalb gibt es keine Zwangsbehandlung, vielmehr müssen wir den Willen der einzelnen Gemeinden berücksichtigen. Und wir haben doch im Saarland besonders lebendige Kommunen, in denen die Bürger mitgestalten, in denen sie sich engagieren. Das macht unsere Heimat aus. Deshalb müssen wir bei allen Reformen, die wir jetzt auf den Weg bringen, auch darauf achten, dass es am Ende nicht heißt: Operation gelungen - Patient tot.

Deshalb muss der Behandlungsplan auch alle mitnehmen. Wir haben unterschiedliche Gemeinden, wir haben die kleine, engagierte Landgemeinde mit hoher Bürgernähe, die aber vielleicht ganz wenig Schulden hat. Genauso haben wir infrastrukturell starke Zentren, wo der Kreditrahmen für Instandhaltung und Erweiterung häufig nicht mehr ausreicht. Und wir müssen uns auch besonders um den Patienten kümmern, der uns am meisten Sorge bereitet, nämlich um eine Landeshauptstadt, die neue Infrastruktur und Investitionen braucht. Ein Medikament

(Abg. Dörr (AfD) )

für alle wäre verfehlt, Dosierung und Medikation müssen individuell angepasst werden.

Zu Ihrem Vorschlag, die Kreise zu einem zusammenzufassen - ich habe gesehen, dass Herr Luckas vom Landkreistag noch lachen konnte, alle Achtung und herzlich willkommen -, kann ich nur sagen, dies wäre eine oberflächliche Schönheits-OP. Denn damit ändern Sie null Komma null an den erdrückenden Fallkosten in der Sozial- und Jugendhilfe. Das sind aber die Kosten, die uns bleiben werden, egal wie wir die Kreise strukturieren und wo wir diese Aufgabe ansetzen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Im Gegenteil: Wenn durch die größere Distanz die regionalen Netzwerke noch schwerer zu aktivieren sind, rechne ich eher damit, dass Kosten auch noch steigen können. Das maximale Einsparpotenzial für solche Eingriffe wurde von Professor Junkernheinrich vor drei Jahren auf insgesamt 2 Millionen Euro jährlich geschätzt. Den Gebietszuschnitt zu ändern wird daher in der Wirkung höchstwahrscheinlich überschätzt, zumal sowohl die Gemeinden als auch die Kreise im Saarland in der Größe absolut im Bundesdurchschnitt liegen. Gerade in meinem Landkreis St. Wendel muss man sehen: Kreise sind auch identitätsstiftend, sie sind eine Struktur, in der ganz viel Engagement und Heimatgefühl angesiedelt ist.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Viel mehr würde es dagegen bringen, Verwaltungsaufgaben weitgehend zu zentralisieren. Alles, was mit Berechnen und Hintergrundarbeit zu tun hat, alle Behörden, zu denen Bürgerinnen und Bürger selten Kontakt haben, können noch weitaus stärker gebündelt werden. Auch die Digitalisierung bietet große Chancen, kostet aber auch ihr Geld. Deshalb müssen wir die Kommunen insbesondere hinsichtlich ihrer IT-Investitionen und im IT-Betrieb entlasten.

Meine Damen und Herren, weiter will ich heute gar nicht ins Detail gehen, denn bereits in Kürze werden wir Ihnen hier vorstellen, welchen Plan wir der kommunalen Familie angedeihen lassen wollen. Im Ergebnis müssen sich - ich benutze noch einmal den medizinischen Vergleich - die Laborwerte verbessern. Die Schulden müssen runtergehen und die Investitionen müssen raufgehen. Gute Vorschläge dazu sind im Raum. Wir befinden uns unter den Koalitionsfraktionen im engen Gespräch. Lassen wir jetzt einmal den Chefarzt Klaus Bouillon seine Arbeit machen und treffen hinterher die notwendigen Entscheidungen.

Ich jedenfalls beurteile die Heilungschancen positiv. Nach dem UKS-Gesetz musste dieser Vergleich einfach sein. Unsere saarländischen Kommunen sind lebensfähig, vor allen Dingen sind sie ausgesprochen lebenswert. Wir werden ihnen dabei helfen,

dass sie wieder richtig auf die Beine kommen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Ralf Georgi von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Antrag der AfD ist ja sehr kurz und der Begründung habe ich auch nichts Neues entnommen. Insofern kann ich mich auch kurz fassen. Wir lehnen diesen Antrag ab, weil er keine Antworten auf die wirklich drängenden Probleme liefert und weil Schulden bei den Kommunen nicht einfach verschwinden, nur weil man bestimmte Ebenen zusammenlegt.

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir lehnen ihn aber auch ab, weil weitere Kürzungen bei öffentlichen Angeboten nicht die Lösung sind. Für die Menschen im Saarland würde das, was die AfD fordert, weniger Bürgernähe bedeuten. Herr Dörr, für die LINKE ist klar: Was auf der Ebene der Gemeinde gut funktioniert, soll auch auf dieser Ebene bleiben. Was auf der Ebene des Kreises und des Regionalverbandes gut läuft, soll auch dort bleiben. Wir wissen, die Unterfinanzierung der Kommunen wird nicht beseitigt, wenn man die Landkreise zusammenlegt. Der Grund für die Haushaltsnotlage der Gemeinden liegt nicht darin, dass dort das Geld etwa zum Fenster hinausgeworfen würde. Ich glaube, das kann jeder, der in der Kommunalpolitik tätig ist, bestätigen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Es liegt vielmehr an den hohen Sozialkosten und den zu geringen Einnahmen.

Und die Kommunen im Saarland haben ja schon Sanierungsleistungen von über 600 Millionen Euro für das Land erbracht, Kolleginnen und Kollegen. Insofern ist es durchaus richtig, dass der Bund gefordert ist, wenn es um eine Altlastenregelung für die Kommunen geht. Deshalb halten wir die Idee einer Saarlandkasse für falsch, zum einen, weil dort größtenteils Gelder, die ohnehin für die Gemeinden bestimmt waren, lediglich umbenannt werden sollen. Zum anderen wird der Bund nicht mehr wirklich motiviert sein zu helfen, wenn das Land hier vorprescht.

Aber die einfache Aufforderung der Landesregierung, beim Bund Hilfe für die saarländischen Kommunen einzufordern, ist doch etwas zu wenig. Ohne eine grundsätzlich andere Steuerpolitik, also ohne eine gerechte Besteuerung von Millioneneinkommen, -vermögen und -erbschaften werden die Städte und Gemeinden nicht aus der Schuldenfalle kommen. Die Arbeitskammer hat es berechnet: Rund 130 Millionen Euro haben die saarländischen Kom

(Abg. Meyer (CDU) )

munen seit dem Jahr 2000 durch die Steuergeschenke für Millionäre, Großkonzerne und die Millionenerben verloren, und zwar jährlich. Jahr für Jahr 130 Millionen Euro. Wer etwas tun will, damit die Städte und Gemeinden im Saarland wieder handlungsfähig werden und damit Schulen, Straßen und Kanäle nicht mehr verrotten, der sollte hier ansetzen. Aber auch das sieht der Antrag der AfD nicht vor. Wir lehnen diesen Antrag, wie schon gesagt, ab. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Das Wort hat nun der Abgeordnete Dr. Magnus Jung von der SPD-Landtagsfraktion.

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind den Herren der AfD-Fraktion dankbar für den Antrag, den sie heute eingebracht haben. Er gibt uns die Möglichkeit, uns mit Ihnen auch einmal über Sachfragen auseinanderzusetzen, dies jenseits der Hetze, die Sie an anderer Stelle immer wieder vortragen. Mit Ihrem Antrag und noch mehr mit dem, was Sie heute in Ihrer Rede dargestellt haben, verdeutlichen Sie den absoluten Mangel an Kompetenz und Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung mit kommunalpolitischen Problemen in unserem Land. Am Ende zeigen Sie damit auch Ihren neoliberalen Politikansatz und das fehlende Gespür für die sozialen Belange, die gerade in der Politik auf Kreisebene von so großer Bedeutung sind.

(Beifall von der SPD und bei der CDU und der LINKEN.)

Wie lautet Ihr Vorschlag? Sie wollen zunächst einmal alle Landkreise im Saarland zusammenlegen. Sie wollen aber auch allen Kommunen die Möglichkeit geben, Kreisfreiheit zu erlangen. Dabei machen Sie keinen einzigen Vorschlag und treffen keine einzige Aussage dazu, welche Aufgaben, die die Kreise derzeit erledigen, künftig überhaupt von wem erledigt werden sollen. Offensichtlich wissen Sie überhaupt nicht, was die Landkreise im Saarland machen.

Deshalb, Herr Kollege Dörr, möchte ich Ihnen diesbezüglich einige Hinweise geben. Die Landkreise bilden im Saarland, aber auch in Deutschland insgesamt, in allererster Linie sozusagen den untersten Halt im sozialen Netz. Sie stellen eine ganz wichtige Säule unseres Sozialstaats dar. Von den Landkreisen bekommen Tausende Menschen im Saarland die Grundsicherung für Erwerbslose. Die Landkreise leisten die Grundsicherung für Ältere. Die Landkreise finanzieren und leisten die Sozialhilfe. Die Landkreise im Saarland sind zuständig für die Kinder

und Jugendhilfe, sie organisieren und finanzieren wichtige Hilfe zur Erziehung zugunsten der Familien. Sie finanzieren die Jugendarbeit und die Jugendsozialarbeit. Die Landkreise sind nicht nur planerisch, sondern auch finanziell am stärksten von allen Teilen der öffentlichen Hand beteiligt an der Finanzierung von Kindertageseinrichtungen. Die Landkreise sind die Träger aller weiterführenden Schulen in unserem Land. Das alles sollte man, so meine ich, wissen, wenn man sagen möchte, dass diejenigen, die für diese Aufgaben zuständig sind, künftig nicht mehr gebraucht werden.

Ich kann Ihnen sagen: Die Landkreise im Saarland sorgen bei rund 100.000 Menschen im Saarland dafür, dass sie ein Einkommen haben, dass sie ihren Alltag bewältigen können. Für 100.000 Menschen im Saarland sind die Landkreise existenziell wichtig. Dass Sie diesen Menschen den Partner wegnehmen wollen, das ist schon ein Anschlag auf den sozialen Frieden in unserem Land. So muss die klare Botschaft der heutigen Debatte lauten, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Sie sollten auch wissen, dass die Landkreise im Saarland rund 1 Milliarde Euro pro Jahr ausgeben, dass 85 Prozent dieser Mittel ausschließlich für den Bereich der sozialen Aufgaben, die übrigens bundesgesetzlich den Landkreisen übertragen worden sind, und den Bereich der Bildungspolitik, die Schulträgerschaft der Kommunen, eingesetzt werden. Hinzu kommen weitere Pflichtaufgaben. Nur 0,5 Prozent der Mittel, also saarlandweit 5 Millionen Euro, haben die Landkreise für freiwillige Aufgaben zur Verfügung. Allein schon deswegen kann es hier gar nicht um eine Verbilligung bei den Kommunalfinanzen gehen. Mir scheint, bei Ihrer Rede geht es eher um eine Verdummung der Bürgerschaft in unserem Land hinsichtlich der Frage, welche Aufgaben die Landkreise haben.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)