Protocol of the Session on April 18, 2018

Weitere Beispiele aus den Antworten auf meine Anfragen möchte ich nun gar nicht anführen. Die Schulen mit entsprechenden Defiziten waren aufgelistet, es war zum Teil schon dramatisch. Ich will es noch einmal klar sagen: Gerade diese Schulen meist sind es Grundschulen und Gemeinschaftsschulen -, in denen besonders viele Schülerinnen und Schüler aus einkommensschwachen Familien und besonders viele Flüchtlingskinder sind, brauchen die besten Ausgangsbedingungen. Hier muss umgehend angesetzt werden, andernfalls wird die Situation immer schwieriger werden.

Meine Damen und Herren, es gibt bei uns im Saarland nun einmal und völlig zu Recht die Wahlfreiheit zwischen Förder- und Regelschule. Die Probleme an unseren Grundschulen und Gemeinschaftsschulen werden wir aber nicht durch die Errichtung neuer Förderschulen lösen können. Sie werden nur

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

zu lösen sein, wenn diese Aufgabe mit starken Ressourcen und viel Personal angegangen wird, wenn diese Schulen stark unterstützt werden. Die Kinder werden es uns danken, sie haben das auch verdient!

(Beifall von der LINKEN.)

Das Wort hat nun Frank Wagner von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! In den vergangenen Wochen haben wir uns bereits intensiv mit dieser Thematik beschäftigt. Auch im zurückliegenden Plenum gab es, wie bereits angesprochen, hierzu eine kleinere Debatte. Ich möchte heute nun keine neue Debatte anstoßen, sondern einen Überblick über das von der Antragstellerin angesprochene Thema geben.

Bevor ich aber beginne, möchte ich mich in einem Punkt klar distanzieren - und damit soll es dann aber auch gut sein, um der Antragstellerin hier nicht unnötigen Raum zu geben -, ich möchte mich wirklich ganz klar davon distanzieren, dass hier von „kranken“ und „normalen“ Kindern gesprochen wird. Das darf an der Stelle definitiv nicht der Fall sein!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Es wurde festgestellt, dass es in vielen Schulen seit Jahren eine kontinuierliche Zunahme der Zahl von Schülern mit sozial-emotionaler Beeinträchtigung gibt. Liebe Kollegin Spaniol, dazu zwei, drei Sätze von meiner Seite: Wir sprechen hierbei nicht von den Kindern, die in der Regelschule sind und an der einen oder anderen Stelle stören und den Lehrer hierdurch entsprechend pädagogisch fordern. Wir sprechen vielmehr von Schülern, die wirklich nicht mehr unterrichtbar sind. Von diesen Schülern sprechen wir. Es gibt einen eklatant starken Anstieg von solchen Schülerinnen und Schülern, bei denen die Pädagogen wirklich an ihre Grenzen kommen. Verschafft man sich vor Ort einen Überblick über die Situation, bekommt man mit Sicherheit für diese Feststellung Zustimmung von den unterrichtenden Lehrkräften. Egal, wo wir waren, im Grundschulbereich, in der Gemeinschaftsschule, überall wurde die stetige Zunahme der Zahl von Schülern, die nicht mehr unterrichtbar sind, beklagt.

Die Lehrerinnen und Lehrer kommen angesichts dessen zunehmend an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, es müssen Lösungen her. An den Grundschulen und auch an den Gemeinschaftsschulen gibt es hervorragende Lösungen im Bereich der Inklusion. Wir stellen auch keineswegs die Inklusion

infrage, das möchte ich betonen. Es gibt gute Konzepte, und die Inklusion ist wichtig in unseren Regelschulen. Die Lehrerinnen und Lehrer, vor allem auch die neuen Lehrkräfte, werden hierauf entsprechend vorbereitet und haben die erforderlichen Lösungen zur Hand. Merkt eine Lehrkraft aber, dass ihr Konzept nicht mehr hilft, dass die Unterstützung durch die Förderschullehrkraft nichts mehr nützt, dass der Sozialpädagoge nichts mehr bewirken kann, muss ein anderer Weg beschritten werden.

Angesichts dieser Thematik haben wir uns in den zurückliegenden Wochen die Förderschulen für Soziale Entwicklung im Saarland angeschaut und uns einen Überblick verschafft. Ich möchte nun hier in aller Kürze einige Fakten nennen.

Aktuell gibt es im Saarland vier Förderschulen für Soziale Entwicklung, in St. Wendel, in Saarbrücken, in Saarlouis und die private Förderschule PallottiHaus in Neunkirchen. Alle Schulen haben hervorragende Konzepte, die Schüler werden in ihrer Persönlichkeit gestärkt. An dieser Stelle möchte ich noch einmal ausdrücklich die in diesen Schulen tätigen Lehrkräfte loben und unterstreichen, welch wertvolle pädagogische Arbeit dort geleistet wird. Vielen Dank an alle Förderschullehrkräfte, die gute Lösungen erarbeitet haben und tagtäglich einen hervorragenden Job machen! Vielen Dank!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Neben einer Entlastung der Klassengemeinschaften der Regelschule geht es hierbei vor allem um den einzelnen Schüler. Das sind Schüler, die oft Ablehnung erfahren, die gefrustet sind, die sehr häufig in „anderen Lebensgemeinschaften“ leben, oftmals im Heim oder in Jugendwohngruppen untergebracht sind. In der Freizeit, in Vereinen erfahren sie Ablehnung. Tagtäglicher Frust ist für sie ein entscheidender Punkt. Diese Schülerinnen und Schüler müssen in ihrer Persönlichkeit gestärkt und sie müssen auch auf den weiteren Weg entsprechend vorbereitet werden.

Ich will ein gutes Beispiel nennen. In der vergangenen Woche waren wir in St. Wendel und haben dort bewusst eine Abgangsklasse besucht, ein 9. Schuljahr. Dort wird der Hauptschulabschluss abgelegt. Die Schülerinnen und Schüler saßen dort voller Stolz und haben uns berichtet, dass sie sich auf diese Hauptschulprüfung vorbereiten. Zwei Drittel von ihnen hatten schon eine Lehrstelle! Einer wurde Schreiner, ein anderer macht eine Malerlehre. Das, denke ich, ist doch genau das richtige Zeichen. Denn in unserem Regelsystem haben es gerade diese Schüler häufig ganz schwer, einen Hauptschulabschluss zu erzielen. Von daher gibt es hier entsprechend gute Lösungen.

An der Förderschule greift eigentlich immer der Teamlehrer-Unterricht, es sind also zwei Lehrkräfte

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

permanent in der Klasse. Das ist gerade im Bereich der Schulen für soziale Entwicklung zwingend notwendig. Ein Lehrer unterrichtet, der andere kann sich individuell mit einem Schüler beschäftigen, er kann auch einmal in der ein oder anderen Situation mit ihm nach draußen gehen, für Entlastung sorgen. Das geschieht im Zusammenspiel mit Erziehern und Sozialpädagogen - hier wird bereits in multiprofessionellen Teams hervorragend gearbeitet.

Das ist natürlich auch ein Punkt, den wir in die Regelschule bringen möchten! Wir möchten mit zusätzlichen Lehrkräften unterstützen. An der Stelle möchte ich sagen, dass im Saarland deutlich weniger Lehrer abgebaut wurden, als der Stellenabbaupfad das eigentlich vorgesehen hatte. An diesem Thema sollten wir auf jeden Fall dran bleiben. Es gibt an den Förderschulen eine hohe Durchlässigkeit, nach oben und nach unten. Die Lehrerinnen und Lehrer sind eigentlich permanent damit konfrontiert, dass Schüler im laufenden Schuljahr neu in die Klasse kommen und dort eingegliedert werden, und es gelingt. Was besonders erfreulich ist: Ein hoher Prozentsatz an Schülerinnen und Schülern schafft den Weg zurück in die Regelschule, da sie entsprechend gut vorbereitet werden, da ein besonderer Bezug zu den Lehrkräften im Team besteht. Das bewegt uns, den Weg im Bereich der Förderschulen für soziale Entwicklung weiterzugehen.

Nachmittagsbetreuung und Ganztagsbeschulung sind wichtige Punkte bei den Förderschulen für soziale Entwicklung. Hier muss ein weiterer Ausbau stattfinden. Ein guter Weg wird hier zum Beispiel in St. Wendel gegangen; die Schule wird nach Neunkirchen umziehen mit einem angegliederten gebundenen Ganztag, damit die Schülerinnen und Schüler wirklichen in einem rhythmisierten Unterricht über den ganzen Tag entsprechend begleitet werden. Denn häufig ist es so, dass die Schüler nach Unterrichtsschluss in ihre verschiedenen Tagesgruppen zurückgebracht werden. Es ist gut, wenn sie in ihrer Gruppe zusammenbleiben und dort von den Erzieherinnen und Erziehern und den entsprechenden Lehrkräften über einen längeren Zeitraum begleitet werden.

Ich habe es eben angesprochen, dass die Große Koalition sich dieses Themas aktiv angenommen hat und hier auch Lösungen erarbeitet. Kollege Renner hat hier eben schon einige Punkte aus dem Koalitionsvertrag genannt. Es ist erkannt worden, dass es hier einen Mehrbedarf gibt, dass die Anzahl der Förderschulen für soziale Entwicklung nicht ausreicht, dass es Wartelisten gibt. Von daher schauen wir uns diesen Punkt etwas genauer an und möchten hier auch entsprechend handeln.

Zweifelsohne ist gerade im Regionalverband die Thematik am dringlichsten zu behandeln. Deswegen finde ich es schon befremdlich, dass man uns hier

im Zusammenhang mit dem Antrag die Landkreise St. Wendel und Merzig-Wadern nennt. Man muss sich im nördlichen Saarland anschauen, wo ein geeigneter Standort wäre, aber prioritär bei diesem Thema ist definitiv der Regionalverband! Da gibt es große Wartelisten; von daher kann man uns an dieser Stelle nicht sowas unterstellen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Im nördlichen Saarland gibt es sehr lange Fahrstrecken, manche Kinder sitzen über eine Stunde im Auto beziehungsweise im Taxi. Durch den Umzug nach Neunkirchen wird dieses Problem an der ein oder anderen Stelle verschärft. Von daher muss man sich auch hier anschauen, welche Möglichkeiten es gibt.

Wir lassen uns hier aber nicht eine genaue Zahl an Förderschulen vorschreiben. Es darf auch nichts überstürzt werden. In Ruhe müssen wir uns geeignete Standorte anschauen. Es lohnt sich auch, an der ein oder anderen Stelle über Kooperationen beziehungsweise Zusammenführungen nachzudenken. Denkbar wäre hier zum Beispiel auch eine Kooperation mit einer Förderschule Lernen, vielleicht kann man, gerade wenn es in einem Landkreis einen Mehrbedarf in der Primarstufe gibt, eine EKlasse im Primarbereich an eine bestehende Förderschule Lernen andocken. Das hätte gute Synergieeffekte. Zusätzlich müssen natürlich entsprechende Gebäude des Landes gesichtet werden, die vielleicht ein guter Standort wären.

Wie angesprochen muss dies alles sorgfältig geprüft und auch entsprechend vorbereitet werden. In den kommenden Haushaltsberatungen werden wir uns diese Thematik genau anschauen. Es ist auch das Ziel, die entsprechenden Haushaltsmittel bereitzustellen. Wir lassen uns aber an dieser Stelle nicht treiben und in eine unnötige Hektik versetzen. Die Art der Umsetzung und auch den genauen Zeitpunkt werden wir in der Großen Koalition abstimmen. Von daher lehnen wir den vorliegenden Antrag ab.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat nun Josef Dörr von der AfD-Fraktion.

Es handelt sich nur um eine Richtigstellung. Herr Wagner hat gesagt, dass ich von „normalen Kindern“ und „kranken Kindern“ gesprochen hätte.

(Zuruf: Das haben Sie auch gesagt.)

Ja, das ist möglich. Ich bin schon der Ansicht, dass man die Krankheit nicht abschaffen kann, indem man die Krankheit einfach nicht mehr erwähnt oder anders nennt.

(Abg. Wagner (CDU) )

(Ministerin Rehlinger: Die Kinder sind unter- schiedlich! - Weitere Zurufe.)

Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Frau Rehlinger.

(Ministerin Rehlinger: Doch, offensichtlich schon.)

Nein, das brauchen Sie mir nicht zu sagen. Ich war über 40 Jahre für behinderte und nichtbehinderte Kinder tätig, ich habe gesunde und kranke Kinder unterrichtet oder ihre Unterrichtung organisiert. Zum Beispiel: Es gibt, das wissen viele vielleicht nicht, körperbehinderte Kinder, die von Lehrern unterrichtet werden, die dafür ausgebildet sind, und diese körperbehinderten Kinder sind nicht körperbehindert, weil sie einen Unfall hatten, sondern sie sind körperbehindert, weil sie eine Krankheit haben, die zu einem frühen Tode führt. Und doch sind diese Kinder selbstverständlich bei uns unterrichtet worden, damit sie in der kurzen Zeit ihres Lebens ein menschliches, ein würdiges Leben führen konnten. Und es gibt andere Kinder, die habe ich persönlich unterrichtet, die sind eingesperrt worden, weil sie sich selbst oder andere umbringen wollten, die vor sich selbst und vor denen andere geschützt werden mussten. Die waren auch krank, die waren psychisch krank. Deshalb kann man durchaus von kranken und gesunden Kindern reden. - Das wollte ich nur richtigstellen, das habe ich hiermit getan.

(Beifall von der AfD.)

Das Wort hat jetzt für eine Kurzintervention Hermann Scharf von der CDU-Landtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dörr, wir lassen Ihnen das nicht durchgehen! In der Sprache, in der Sie hier sprechen -

(Abg. Dörr (AfD) : Ich rede deutsch.)

Sie reden deutsch, aber Sie reden in einer Sprache, die unwürdig ist. Ich sage Ihnen noch mal klar und deutlich: Alle Menschen sind gleich, und es gibt keine, die in einem anderen Kontext zu sehen sind. Deswegen bei Behinderungen von „Kranken“ zu sprechen, ist einfach unwürdig und diesem unserem Hause nicht würdig!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Ich bin mir inzwischen sicher: Was Sie machen, machen Sie bewusst.

(Abg. Renner (SPD) : Ja. - Ministerin Bachmann: Das ist ja das Schlimme.)

Wir haben es aktuell mit einer Anfrage im Deutschen Bundestag zu tun, die Ihre Bundestagsfraktion eingebracht hat, in der es um schwerbehinderte Menschen geht und nachgefragt wird: Handelt es sich hier um Inzest und diese Dinge? - Wir werden uns, das verspreche ich Ihnen, intensiv damit beschäftigen!

(Abg. Dörr (AfD) : Das war im Bundestag.)

Da wird deutlich, was Sie insgesamt mit Ihrer Alternative für Deutschland wollen. Und ich sage heute klar und deutlich noch einmal: Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen! Da werden wir immer wieder das Wort erheben, weil die Kinder, die von Behinderungen betroffen sind, sowie ihre Eltern, es nicht verdient haben, dass in dieser Sprache gesprochen wird. Sie haben es nicht verdient, dass man sie in eine Ecke stellt, wo von Krankheit gesprochen wird. Das ist keine Krankheit. Diese Kinder sind uns genauso viel wert wie die nicht behinderten Kinder. Deswegen sage ich Ihnen klar und deutlich, wir werden immer wieder, wenn Sie diese Dinge hier in dieser Sprache vortragen, intervenieren und deutlich machen, wes Geistes Kind Sie sind. - Herzlichen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen, der LIN- KEN und von Ministerin Bachmann.)