Protocol of the Session on January 17, 2018

(Beifall von der LINKEN.)

Das ist ein Missverständnis des repräsentativen Systems. Das war teilweise auch bei Ihnen herauszuhören, Frau Kollegin, als Sie sagten, es darf nicht sein, dass heute nebenbei beim Einkaufen mal gerade so eine Unterschrift leisten. Das ist eine Hybris, die Ihnen nicht gut zu Gesicht steht. Ich habe immer wieder erlebt, dass in vielen Fragen der Schule oder in Fragen der Energiepolitik oder in der aktuellen Frage des Grubenwassers - eine ganze Reihe von Leuten im Detail mehr davon verstehen als mancher von uns, und da schließe ich mich mal ein. Das macht überhaupt nichts, das mal zuzugeben.

(Zurufe von den Regierungsfraktionen.)

Wenn es so ist - das ist ja nett, dass Sie jetzt alle rufen, das sei so -, dann sollten wir etwas mehr Respekt vor Leuten haben - und dafür werbe ich jetzt hier -, die Bürgerentscheide auf den Wege bringen.

(Beifall von der LINKEN.)

Es ist ja schön, wenn Sie das jetzt einsehen, dann hat ja meine Intervention einen Sinn. Und es war auch schön, dass Sie großzügig gesagt haben, sie dürfen Begehren vortragen, dann werden wir uns damit beschäftigen. Meine Damen und Herren, da kann ich wiederum nur sagen: Wenn irgendwo wirklich etwas brennt, dann beschäftigt sich der Landtag sowieso damit. Das kann man ein bisschen relativieren. Auch das darf ich Ihnen aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung hier sagen.

Das Entscheidende ist, ob die Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, Entscheidungen repräsentativer Systeme zu korrigieren. Ich bin der Meinung, das sollten sie durchaus haben. Dieses Recht kann man natürlich ablehnen. Man kann sagen, nein, die Repräsentation ist immer die richtige Form der Entscheidungsfindung. Dazu muss ich Ihnen sagen, dann haben Sie das, was ich vorhin zitiert habe, nicht verstanden. Ich habe hier schon so oft davon gesprochen: Das Steuersystem ist der Lackmustest auf die Demokratie einer Gesellschaft. Und wenn bestimmte Reichensteuern nicht in ausreichender Form vorgehalten sind, dann entscheidet nicht die Mehrheit der Bevölkerung, sondern die Minderheit der Reichen. Merken Sie sich das einmal! Das ist der Fehler des repräsentativen Systems.

(Beifall von der LINKEN.)

Wer das leugnet, hat schlicht und einfach von der Wirklichkeit -

(Zurufe von den Regierungsfraktionen.)

Dass Sie jetzt noch dazwischenreden - kucken Sie doch nach, was früher die Sozialdemokratie war! Wir sind da gerne behilflich, damit Sie dahinterkommen. Wenn heute die Sozialdemokratie - Sie provozieren mich jetzt - noch nicht einmal in der Lage ist, die Vermögenssteuer zum Thema einer Koalitionsverhandlung zu machen, dann haben Sie die Auswirkungen der Verteilung von Einkommen und Vermögen auf demokratische Entscheidungsprozesse nicht verstanden. Es tut mir leid.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich fasse jetzt zusammen. Wir haben zwei Argumente vorgetragen. Auf der einen Seite müssten Transparenz und Sicherheit gewährleistet werden. Das ist ein Problem. Da stimmen wir zu. Da gibt es überhaupt keine Frage. Das Verfahren muss so sein, dass keine Betrugsmöglichkeiten gegeben sind. Auf der anderen Seite haben Sie hier gesagt - und dass wollte ich dann doch richtigstellen -, dass die Bürgerinnen und Bürger in der Regel nicht in der Lage seien, sachgemäße Entscheidungen zu treffen. Es ist schön, dass Sie zumindest teilweise -

(Zurufe und Sprechen.)

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Ich habe mir eben genau angehört, was gesagt worden ist. Reden Sie nicht immer unqualifiziert dazwischen. Es ist genau so gesagt worden. Sie müssen sich angewöhnen zu akzeptieren, dass auch in der Bürgerschaft ein Engagement vorhanden ist, das von Sachkenntnis geprägt ist und das wir respektieren sollten.

(Beifall bei der LINKEN.)

Das Wort hat für die CDU-Landtagsfraktion Frau Abgeordnete Dagmar Heib.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, hier muss noch einmal einiges klargestellt werden. Ich bleibe auch beim Thema, denn wir haben bei diesem Thema richtig entschieden, sowohl in der vergangenen Legislatur als auch jetzt. Ich muss nicht ausweichen auf andere politische Themenfelder, um davon abzulenken, dass ich in einer Debatte an der Stelle möglicherweise unterlegen bin.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Herr Lafontaine, Sie unterstellen mir und meinen Kollegen, wir würden sagen, die Bürgerinnen und Bürger seien nicht in der Lage, Sachverhalte zu erkennen und qualifiziert darüber zu entscheiden, sie hätten keine Kenntnis in den Fragen, die sie selber betreffen. Das sagt in diesem saarländischen Landtag keiner! Niemand im Plenum hat dies je gesagt, auch jetzt nicht.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich habe nur darauf verwiesen, dass es im Interesse der Rechtssicherheit dieser Menschen liegt, wenn auch amtlich bestätigt wird, dass Unterschriften ordentlich, rechtmäßig und transparent gesammelt werden. Wir maßen uns doch nicht an - das habe ich auch schon gesagt -, Sachkenntnis in allen Belangen zu haben! Warum haben wir denn Anhörungen? Erstens haben wir Ausschüsse, die sich mit der Thematik beschäftigen, und dort gibt es nun mal mehr Fachwissen. Ich bin nicht Mitglied im Wirtschaftsausschuss. Ich würde mich dort auch niemals vordrängen und sagen, an dieser oder jener Stelle habe ich recht, im Gegenteil. Außerdem haben die Kolleginnen und Kollegen in den Fachausschüssen das Instrument der Anhörung, damit wir uns mit Experten, mit Sachkundigen auseinandersetzen können, die unsere Gesetze und parlamentarischen Initiativen mit ihrem Fachwissen bereichern können. Wir machen uns dort kundig, damit wir die richtige Entscheidung treffen können.

Gerade in der Anhörung 2012/13 - das war eine gemeinsame Anhörung des Rechtsausschusses und

des Innenausschusses - hatten Experten angesprochen, dass es durchaus freie Sammlungen gegeben hat, in denen Unterschriften gekauft worden sind. Es gab Personen, die mehrfach unterzeichnet haben, die ihre Schrift verstellt haben und mehrfach unterschrieben haben. Gerade diese Einwände waren es, die uns darin bestätigt haben, dass nur eine amtliche Sammlung eine sichere Sammlung ist. Und die Sicherheit ist hier im Interesse derjenigen, die sich mit der Materie beschäftigt haben, die sich um die Themen kümmern und denen das ein wichtiges Anliegen ist. Die kümmern sich darum, die haben das Fachwissen. Das ist eine Tatsache, das akzeptiert jeder von uns.

Da haben Sie mir also etwas unterstellt, das war nicht in Ordnung. Ich weise das von mir, ich denke, auch im Namen meiner Kollegen. Wir wissen, dass gerade die Saarländerinnen und Saarländer sich sehr in demokratische, in gesellschaftliche Prozesse einbringen. Dafür sind wir dankbar.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat für die SPD-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Eugen Roth.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Dieses Thema ist eines, das uns sehr beschäftigt, und zwar nicht erst, seit das jüngste Begehren nicht das erforderliche Quorum gebracht hat, sondern bereits davor.

Deshalb möchte ich zunächst noch einmal das verstärken, was meine Freundin und Kollegin EderHippler hier gesagt hat: Wir sind mitnichten misstrauisch gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, im Gegenteil, wir nehmen das sehr ernst. Genau deshalb muss das Verfahren so laufen, wie es läuft; die Kollegin Heib hat es schon sehr deutlich erläutert. Wir erhöhen damit die Validität der Stimmabgabe, wir schützen sie vor Angriffen und möglichen Spekulationen und machen das Verfahren im Bürgerinteresse sicherer. Das ist unser Begehr und nichts anderes.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Es ist ein bisschen untergegangen, dass diejenigen, die das verfahrenstechnisch auf einfachere Art und Weise machen - so will ich es einmal formulieren -, höhere Quoren haben. Das heißt, da liegt die Latte höher, und zwar erheblich höher. Das ist auch etwas, was mich stört. Deshalb habe ich mich auch kurzfristig zu Wort gemeldet, denn das geht in den ganzen Debatten immer unter. Es wird so dargestellt, als sei das anderswo besser. Das stimmt überhaupt nicht. Die Quoren in den anderen Bereichen sind höher! Schauen Sie es sich genau an, be

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

vor wir in der saarländischen Öffentlichkeit etwas transportieren, was so inhaltlich nicht stimmt.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will noch auf eines hinweisen. Ich bin kein Bildungspolitiker - man wird es auch merken, aber Spaß beiseite -, aber vielleicht ist zum Teil auch deshalb nicht unterschrieben worden, weil viele gemerkt haben, dass es G9 bereits gab. Vielleicht ging es für sie auch ein Stück weit darum, für G9 in einer bestimmten Schulform zu kämpfen. Das verändert natürlich auch die Bewertung der Sachlage.

(Zurufe von der SPD: Genau!)

Ein Letztes, das mir am Herzen liegt. Kollege Lafontaine, Hamburg und so weiter, das ist ein schlechtes Beispiel. In Hamburg hat im Sinne von linker Gesellschaftspolitik Blankenese abgestimmt, aber Wilhelmsburg und Harburg nicht. Wenn wir das wollen, können wir so weitermachen!

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Sprechen und Zurufe.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. - Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung zu überweisen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/205. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 16/205 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/205 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE und AfD, dagegen gestimmt haben die Fraktionen von CDU und SPD.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der AfD-Landtagsfraktion Drucksache 16/210. Wer für die Annahme der Drucksache 16/210 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag 16/210 mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die Fraktion der AfD, dagegen gestimmt haben die Fraktionen CDU und SPD, enthalten hat sich die Fraktion DIE LINKE.

Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion und der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Gedenken an die

saarländischen Politiker und Politikerinnen, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus aktiv waren oder seine Opfer wurden (Drucksache 16/206 - neu)

Zur Begründung des Antrags erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass dieser Antrag von einer breiten Mehrheit hier im Hause eingebracht worden ist. Ich werde versuchen, in meiner Begründung zum Ausdruck zu bringen, was die Mehrheit in diesem Hause damit bezweckt. Zunächst ging es darum, dass wir uns eine ganze Zeit lang damit beschäftigt haben, inwieweit auch die saarländische Politik involviert war in die Verbrechen des Nationalsozialismus. Es war notwendig, dies teilweise aufzuarbeiten. Ob es ganz aufgearbeitet ist, werden Historiker vielleicht anders beurteilen als der eine oder andere von uns, aber es war notwendig. Darüber bestehen in diesem Haus überhaupt keine Zweifel. Wir müssen die Geschichte aufarbeiten, um aus dieser Geschichte Lehren zu ziehen und dafür Sorge zu tragen und uns dafür zu engagieren, dass solche Verbrechen sich niemals wiederholen können. Das ist das Anliegen, warum man sich damit beschäftigt.

Auf der anderen Seite war natürlich klar, dass viele damals in der Zeit des Nationalsozialismus in gesellschaftliche Entscheidungsprozesse involviert waren - auch das muss man wissen -, und insofern fiel die Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte schwer. Direkt nach dem Krieg, aber auch aufgrund der besonderen Geschichte des Saarlandes und der Volksabstimmung fiel es schwer, diese Vergangenheit kurz danach aufzuarbeiten. Denn wir hatten viele Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag, die, zumindest was die Parteizugehörigkeit angeht, involviert waren, und zwar quer durch die Parteien, denn sie waren nicht nur bei der einen oder anderen Partei angesiedelt. Das haben wir aufgearbeitet, das war notwendig. Ich habe versucht darauf hinzuweisen, warum es Widerstände gab. Das war in allen Ländern so. Ich hatte die Gelegenheit, über diese Fragen einmal mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten Spaniens, Felipe González, zu diskutieren, der gesagt hat: Wir haben beim Start unserer Demokratie die Franco-Zeit ausgeklammert, weil wir wussten, dass wir überhaupt keine Ergebnisse erzielen würden und wir kämen nicht zur Befriedung. Aber wie lange solche Prozesse nachwirken, kann man aktuell erkennen, wenn man die spanische Politik beobachtet. Ich will das nicht weiter vertiefen, aber es ist immer noch ein Thema der politischen Entwicklung in Spanien.

Nachdem wir also die Frage, wie weit die saarländische Gesellschaft und die saarländische Politik in

(Abg. Roth (SPD) )

die Verbrechen des Nationalsozialismus involviert waren, hier im Land behandelt haben, haben wir es für richtig gehalten - und das ist ja auch in den Debatten der damaligen Landtagssitzungen angeklungen -, uns auch damit zu beschäftigen, wie es denn mit denen war, die hier Widerstand geleistet haben. Man muss schlicht und einfach wissen, dass eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, die auch in unserem Antrag erwähnt sind, bereits in vielfältiger Form gewürdigt worden sind. Ich nehme jetzt einmal Willi Graf, der, wie jeder weiß, für viele in der Jugend ein Vorbild geworden ist und bei dem man sagen kann, dass sein Wirken hinreichend gewürdigt wird. Man kann auch sagen, dass seine Lebensgeschichte gut aufgearbeitet worden ist. Da sieht man wieder, wie wichtig so etwas ist. Zum Beispiel für mich, nach dem Krieg aufgewachsen, war die Geschichte eines Willi Graf mit Motiv dafür, dass ich mir irgendwann gesagt habe, du musst dich engagieren, damit sich solche Dinge nicht mehr wiederholen.