Protocol of the Session on January 17, 2018

die Verbrechen des Nationalsozialismus involviert waren, hier im Land behandelt haben, haben wir es für richtig gehalten - und das ist ja auch in den Debatten der damaligen Landtagssitzungen angeklungen -, uns auch damit zu beschäftigen, wie es denn mit denen war, die hier Widerstand geleistet haben. Man muss schlicht und einfach wissen, dass eine ganze Reihe von Persönlichkeiten, die auch in unserem Antrag erwähnt sind, bereits in vielfältiger Form gewürdigt worden sind. Ich nehme jetzt einmal Willi Graf, der, wie jeder weiß, für viele in der Jugend ein Vorbild geworden ist und bei dem man sagen kann, dass sein Wirken hinreichend gewürdigt wird. Man kann auch sagen, dass seine Lebensgeschichte gut aufgearbeitet worden ist. Da sieht man wieder, wie wichtig so etwas ist. Zum Beispiel für mich, nach dem Krieg aufgewachsen, war die Geschichte eines Willi Graf mit Motiv dafür, dass ich mir irgendwann gesagt habe, du musst dich engagieren, damit sich solche Dinge nicht mehr wiederholen.

Es sind auch andere hier erwähnt worden. Ich nenne einmal Johannes Hoffmann, der für die christliche politische Bewegung hier an der Saar eine besondere Rolle spielt, ein Mann, den ich immer wieder geschätzt habe. Aber aufgrund der speziellen Geschichte hier an der Saar war es lange nicht möglich, ihm gerecht zu werden. Jemandem gerecht werden heißt ja nicht, dass man sagt, das war ein fehlerfreier Mensch. Ich habe noch nie fehlerfreie Menschen kennengelernt. Man muss alle Leute aus ihrer Zeit heraus verstehen. Ich fand es eine besondere Geste, dass damals Ministerpräsident Zeyer der Erste war, der in der Staatskanzlei ein Bild von Johannes Hoffmann neben den anderen Ministerpräsidenten aufhängen ließ. Insofern war dies eine Geste der Versöhnung zur damaligen Zeit und das war notwendig. Heute kann man, ohne dass das auf großen Widerstand stößt, sagen: Johannes Hoffmann hatte sicherlich nach dem Zweiten Weltkrieg hier oder da Entscheidungen getroffen, die wir heute in dieser Form nicht mehr akzeptieren würden. Aber es bleibt sein Widerstand gegen den Nationalsozialismus, es bleibt seine Immigration und es bleibt auch sein Versuch, nach dem Kriege alles zu tun, um Verbrechen und Krieg zu vermeiden. Ich glaube, so kann man diesen Mann würdigen. Und deshalb habe ich ihn auch immer wieder geschätzt.

(Beifall.)

Es gibt aber auch Politikerinnen und Politiker, deren Geschichte sicherlich weniger aufgearbeitet worden ist. Ich denke etwa an den Sozialdemokraten Richard Kirn, den ich noch die Ehre hatte kennenzulernen, der ebenfalls im Widerstand war, der inhaftiert war und im KZ war und der nach dem Krieg dazu beigetragen hat, in der Regierung Hoffmann den demokratischen Neuanfang zu wagen. Ich glaube aber, dass ich recht habe mit der Feststellung - zu

mindest habe ich keine Kenntnisse, dass das anders wäre -, dass seine Lebensgeschichte in der Würdigung all derjenigen, die Widerstand geleistet haben hier an der Saar, nicht in der Form aufgearbeitet worden ist, wie es aus meiner Sicht vielleicht notwendig wäre.

Aber es gibt noch viele andere, die man erwähnen müsste. Ich finde es auch wichtig, dass mit Luise Hermann-Ries eine Politikerin erwähnt wird, die der kommunistischen Partei angehört hat. Denn bei allem, was uns die ideologischen Auseinandersetzungen der Vergangenheit bedeuten und wie jeder sich dazu stellt, müssen wir immer wieder sehen, dass über die ideologischen Fronten hinweg es wirklich Widerstand gegen den Nationalsozialismus gab. Und Johannes Hoffmann gehörte nicht zuletzt auch zu denen, die bei dieser „Einheitsfront“ in Sulzbach mitgewirkt haben, wie auch Teile, wenn auch eine Minderheit, der christlichen Kirche. Die haben gesagt, wir verbinden uns jetzt, Sozialdemokraten, Sozialisten, Christdemokraten, Christen, um Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten und zu sagen, wir wollen nicht zum Dritten Reich. Wie die Abstimmung ausgegangen ist, wissen Sie. Auch das muss man aus der Zeit heraus verstehen. Ich habe als Heranwachsender über diesen Widerstand ab und zu nachgelesen und habe die Männer und Frauen bewundert, die diesen Widerstand organisiert haben. Und deshalb habe ich hier auch darauf hingewiesen, dass es richtig ist, auch im Gedenken an diese ganzen Entscheidungsprozesse, auch Politikerinnen und Politiker zu würdigen, die vielleicht in der ideologischen Konfrontation abgelehnt würden, die aber ihren Widerstand gegenüber dem Nationalsozialismus teilweise mit dem Leben bezahlt haben. Ich freue mich, dass die große Mehrheit dieses Hauses diesem Antrag beigetreten ist.

Wenn wir auf der einen Seite - und das ist das Anliegen - sagen, wir setzen uns auseinander mit der Tatsache, dass viele involviert waren in das System, dass viele zu den Fehlentscheidungen und zu den Verbrechen des Systems beigetragen haben, so ist es noch wichtiger - deshalb habe ich zum Beispiel Willi Graf erwähnt -, dass wir die Lebensgeschichte der Frauen und Männer aufarbeiten, die Widerstand geleistet haben. Denn sie können Vorbild sein gerade für diejenigen, in welchen Zeiten auch immer, die für die Demokratie kämpfen. Da gibt es ja große Vorbilder, weil sie ihr Leben eingesetzt haben. Wer von uns würde das jemals schaffen? Sie können Vorbild dafür sein, auch in schwierigen Zeiten immer wieder für die Demokratie einzutreten. Denn die Demokratie hat einen Grundsatz - und das gilt für alles, ich sage das ganz bewusst nach allen Richtungen -, dass man selbst bei den unterschiedlichsten Meinungen immer weiß, es geht um einen Menschen, dessen Würde man zu achten hat. Und Faschismus

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

beginnt für mich da, wo die Würde des Menschen nicht mehr geachtet wird.

(Beifall.)

Das Wort hat für die CDU-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Stefan Thielen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag des Saarlandes beschäftigt sich heute bei dem aktuellen Tagesordnungspunkt weitgehend mit sich selbst. Und wenn das in der Politik der Fall ist, schürt das Argwohn oder sorgt für Misstrauen. Aber ich bin der festen Überzeugung, dass es hier heute keinen Grund dafür gibt. Ganz im Gegenteil bin ich der Meinung, wenn wir uns heute diesem wichtigen Thema der deutschen und saarländischen Geschichte widmen, ist das keinesfalls nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern es zeigt auch, dass wir heute fest auf dem Fundament einer demokratischen und freiheitlichen Grundordnung stehen.

Genauso senden wir aber auch ein wichtiges Signal, auf welchem Wertefundament unser Landtag heute steht, als frei gewählte Vertretung unseres ganzen Volkes und mit unabhängigen Abgeordneten, die nur ihrem Gewissen verpflichtet sind. Wir dürfen dabei auch nicht vergessen, die Abgeordneten sind frei gewählt, tatsächlich nur ihrem Gewissen verpflichtet und werden bei der Ausübung ihres Mandats nicht verfolgt und eingeschränkt, vielmehr genießen sie Immunität und können sich auf diese auch verlassen. Dies sind Kernelemente unserer saarländischen Verfassung, deren 70-jähriges Bestehen wir vor einigen Wochen gefeiert haben.

Aber all das gibt uns auch einen wichtigen Fingerzeig in die Zukunft, denn wir zeigen in dieser Debatte, wofür wir auch als Politiker im Umgang miteinander einstehen müssen: für Respekt und Toleranz vor der Meinung anderer, für den Schutz von Minderheiten und deren Anliegen. Und die Quintessenz von alldem, Herr Kollege Lafontaine, Sie haben es schon angedeutet, ist: Egal für welche Meinung im Rahmen unserer rechtmäßigen Verfassung der Andere auch eintritt, müssen wir alle mit aller Macht, mit aller Energie, mit aller Kraft, koste es, was es wolle, dafür einstehen, dass die Rechte des Anderen gewahrt bleiben.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

All dies sind Grundpfeiler eines wertorientierten Patriotismus, den zum Beispiel der Vorsitzende der Synagogengemeinschaft Saar, Richard Bermann, im Rahmen des letztjährigen Holocaustgedenkens gefordert hat. Seiner Forderung, dass es keinen

Schlussstrich und eben auch kein kollektives Verdrängen in der Debatte geben darf, werden wir nur gerecht, wenn wir uns wirklich mit allen Facetten und allen Details unserer Geschichte vertraut machen. Bei Thomas Mann heißt es in seinem wunderbaren Werk „Joseph und seine Brüder“: „Tief ist der Brunnen der Erinnerung.“ Ich habe bisher noch keine schönere Metapher dafür gefunden, wie es ist, wenn man versucht, die Tiefen seines Gedächtnisses zu ergründen, und merkt, wie gewisse Erinnerungen verblassen. Das Gleiche gilt auch für das Kollektivgedächtnis unserer Gesellschaft. Wir müssen stetig daran arbeiten, dass die Erinnerung an das Geschehene und an die Protagonisten der kritischen Zeit aufgefrischt werden und dass wir nicht Gefahr laufen, die Quellen verwässern zu lassen. Wir leben diesbezüglich in einer besonders gefährlichen Zeit, da uns die letzten Zeitzeugen leider verlassen. Und wenn man vieles nur noch vom Hörensagen weiß, ist es wichtig, dass die richtigen Elemente festgehalten worden sind, egal auf welche Art und Weise, ob schriftlich oder in anderen Formen der Dokumentation, wie sie ja sehr oft dargestellt werden.

Es mag auch daran liegen, dass man teilweise das Gefühl hat, dass es in dieser Gesellschaft wieder opportun ist, das Unsägliche zu sagen. Und wenn Menschen in unserem Bundestag sitzen - ich sage das ganz klar -, die die Wörter Holocaust und Mythos in einem Satz verwenden, ohne klarzustellen, was sie damit meinen, müssen wir wieder an einer stärkeren Erinnerungskultur arbeiten.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist kein einfacher Weg. Und tatsächlich trifft auch hier der Titel von Thomas Manns Roman zu, dessen erster Teil „Höllenfahrt“ heißt, wenn man sich mit dem beschäftigt, was geschehen ist und was man hier aufarbeitet. Es war schwierig und schmerzlich zu erfahren, dass im Vorgängergremium des Landtages zahlreiche ehemalige Mitglieder der NSDAP ihren Platz gefunden hatten. Dies hat uns in der letzten Legislaturperiode nicht davon entbunden, diesen Teil der Geschichte unseres Parlaments im Detail aufzuarbeiten und uns sehr genau damit zu beschäftigen. Dass dies im Einklang aller Fraktionen dieses Hauses geschehen ist, zeugt auch von unserem heutigen Verständnis von parlamentarischer Arbeit, wie ich es eingangs geschildert habe.

Wie ich vorhin ausgeführt habe, kann man eine solch schwierige Aufgabe niemals vollkommen abschließen. Wir können hier allenfalls an der Oberfläche kratzen und niemals alle Details, alle Beweggründe und alle Hintergründe aus dem Brunnen der Geschichte bergen. Aber allein, dass wir diese wich

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

tige Arbeit begonnen haben, ist ein wichtiges Element für das Selbstverständnis unseres Parlaments.

Die geleistete Aufarbeitung war auch deswegen so elementar, weil gezeigt wurde, dass es unterschiedliche Gründe gab, warum einige Volksvertreter diesen Abschnitt ihres Lebens so gestaltet haben. Teilweise zeigen sich hier sehr starke Brüche in den Biografien, es gibt komplexe Verstrickungen, die teilweise auch durch die Familien gehen. Nicht jeder, der Mitglied der NSDAP war, hat sich schwerwiegender Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht. Aber wir wissen genauso wenig, ob diese Menschen sie geduldet hätten.

Dennoch darf dies alles keine vollständige Entschuldigung sein. Ja, man mag es sich heute leicht machen, aber bei der kollektiven Schuld, die die deutsche Bevölkerung auf sich geladen hat, auch damals im Saarland, kann man niemanden nur deswegen vollständig entschuldigen, weil er eben nur kein Täter war. Dass das so ist, sieht man auch daran, dass es viele gab, die gegen dieses verbrecherische Regime Stellung bezogen haben. Diesem Thema muss sich der Landtag als nächstes widmen; das werden wir auch tun.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Aber auch hier erkennen wir bereits viele unterschiedliche Facetten und ebenso viele Nuancen, mit welchen die einzelnen Politiker ihre Positionen vertreten haben. Wir nehmen heute in der Debatte das vorweg, was wir im Großen erreichen wollen. Wir müssen die Erinnerung an diese Zeit aufrechterhalten, als das Volk unter der Tyrannei der Nationalsozialisten zu leiden hatte.

Ein weiterer Aspekt ist wichtig, Herr Kollege Lafontaine, Sie haben ihn angesprochen. Die Ehrung des Andenkens dieser Menschen ist wichtig, um zu zeigen, dass Mitlaufen und einfach nur Wegsehen keine Wege sind, um sich hier zu entschuldigen. Es war bekannt, dass von Anfang an Hass, Zerstörung und vielfacher Tod vom Regime billigend in Kauf genommen wurden, daraus hat das Regime von Anfang an keinen Hehl gemacht.

Sie haben das Beispiel Willi Graf bereits genannt. Er ist einer, der den höchsten Preis zahlen musste. Ich möchte ihn in diesem Sinne einen Saarlandbotschafter der ersten Stunde nennen, weil er mit dem Namen unseres Landes verbunden ist und er in vielfältiger Weise deutschlandweit geehrt wird, sei es durch die Benennung von Schulen oder in anderer Weise. Er war von Anfang an in der Bewegung aktiv, er ist aber auch später nicht zurückgeschreckt, als er zum ersten Mal die Grausamkeit des Regimes erfahren musste; vielmehr hat er seinen Weg fortgesetzt.

Es ist heute schwer zu sagen, wie viele politisch Verfolgte aus dem Saarland aus ähnlichen Gründen Verfolgung erlitten haben. Es ist traurig zu wissen, dass viele von diesen Menschen später keine Leistung zum Aufbau unseres Landes einbringen konnten, dass sie nach der Tyrannei der NS-Herrschaft nicht mehr das Gemeinwohl unseres Volkes in den Mittelpunkt stellen konnten. Aber zumindest die Tatsache, dass einige wenige trotz mannigfacher Verfolgung am Ende ihre Ideen und Ideale in das neue Deutschland einbringen konnten, war eine glückliche Fügung für unser Land. Auch an diese Menschen müssen wir daher noch einmal besonders denken.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Die Namen, die in unserem Antrag genannt werden, stehen als Beispiel für viele Menschen und für viele Quellen des Widerstandes, die es in unserem Land gegeben hat. Es ist auch richtig, dass Sie Johannes Hoffmann als ersten Ministerpräsidenten eigens erwähnt haben. Es muss für ihn eine besondere Erfahrung gewesen sein, dass er auch in Frankreich nicht der Tyrannei der Nazis entfliehen konnte; auch dort war er verfolgt. Aus diesem Grund hat er später einen Weg gefunden, zu sagen, dass Europa das Ziel ist - so der Titel seines letzten Buches. Europa muss aber auch heute das Ziel sein, wenn wir so etwas heute verhindern wollen.

Neben den im Antrag genannten Personen können noch viele andere dazukommen, die wir heute noch nicht kennen. Es mag viele Personen gegeben haben, die durch die Verfolgung in vielfältiger Weise traumatisiert waren und sich vielleicht sogar nach dem Krieg nicht mehr engagieren wollten. Wir wissen das alles nicht genau. Wie viele Menschen mögen nach den Zerstörungen des Krieges einfach auch nicht die Zeit oder die Muße gefunden haben, sich politisch zu engagieren, obwohl sie sicher die Fähigkeiten dazu gehabt hätten. Ebenso wenig wissen wir, wie viele Männer, die mit dem Regime nicht einverstanden waren, sich in den Dienst an der Front geflüchtet haben und lieber ihr Leben für das Vaterland ließen, als in den Widerstand zu gehen, wie es vielleicht wünschenswert gewesen wäre. Wir wissen genauso wenig, wie viele Frauen sich im Widerstand engagiert haben, deren Lebensgeschichte nicht dokumentiert ist, weil sie eben im Bombenhagel starben, welcher die Befreiung des deutschen Volkes am Ende erst möglich gemacht hat.

Diese Fragen, die ich jetzt gestellt habe, zeigen alle auf, dass bei der Entscheidung, wer als politisch engagiert gelten muss und wer andererseits wirklich im Widerstand war, die Nuancen verschwimmen und es nicht einfach ist, alles herauszuarbeiten. All dies erschwert die große Arbeit, die vor uns liegt und die es zu bewältigen gilt. Dies darf aber kein Grund sein, dass wir uns dieser Arbeit nicht annehmen. Wir set

(Abg. Thielen (CDU) )

zen heute hier im Parlament ein Zeichen, dass wir diese Aufgabe angehen wollen. Dies ist nicht neu, Sie haben es geschildert, der Landtag hat sich bereits in der vergangenen Legislaturperiode damit beschäftigt. Genauso wichtig ist aber auch, dass wir es im Rahmen der heutigen Plenarsitzung hier bekennen. Nicht nur, dass der Landtag selbst sich der Aufgabe bereits angenommen hat, ich bin der Meinung, dass alleine der Landtag das richtige Verfassungsorgan ist, um die Geschichte aufzuarbeiten, gerade wenn wir wissen, dass der Landesrat des Saargebietes quasi als Vorgänger des Legislativorgans betroffen war. Gerade was die Personen angeht, die zu dieser Zeit im Landesrat aktiv waren und die Verfolgung wegen geleistetem Widerstand erlitten haben, haben wir eine besondere Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. Das muss im Fokus der Aufarbeitungsarbeit stehen, die hier zu leisten ist.

Hinsichtlich des konstruktiven Dialogs in der Sache, der bisher geführt worden ist, bin ich mir sicher, dass das Präsidium das richtige Gremium ist, um die nächsten Schritte zu beschließen. Dies kann im Rahmen der Beauftragung einer Studie passieren. Es gibt aber sicher auch andere Möglichkeiten, wie wir ein würdiges Gedenken einleiten können. Es gibt Beispiele aus anderen Bundesländern, die das sehr erfolgreich gezeigt haben. Man muss immer wieder sagen, diese anderen Möglichkeiten des Gedenkens schließen eine Studie nicht aus, das kann einhergehen, muss zueinander passen und ein gutes Gesamtbild abgeben, dem wir uns verpflichten fühlen. Die Tatsache, dass die Aufarbeitung die ureigenste Aufgabe unseres Hauses sein sollte, schließt nicht aus, dass wir weitere Wissenschaftler beteiligen oder beispielsweise die Landeszentrale für politische Bildung. Diese kann gerade dort eine große Hilfe sein, wo es gilt, den Gesamtansatz besser zu vernetzen. Das Parlament wird sich im Rahmen des Verfassungsjubiläums weiter öffnen, Schulklassen waren bereits sehr aktiv beim Holocaustgedenken mit Projekten wie „Wider das Vergessen“. Das kann man sicherlich gut kombinieren sowie die Zusammenarbeit und das Wissen der Bevölkerung um das, was geschehen ist, weiter verstärken.

Ich muss aber ganz klar darauf hinweisen: Mir ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass alles, was wir in diesem Rahmen tun, nicht auf Kosten des anderen Teils der Erinnerungskultur gehen darf. Dazu müssen wir uns ganz klar bekennen. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren: Die Shoa, der systematisch geplante Völkermord, die industrielle Vernichtung der europäischen Juden ist und bleibt ein singuläres Element in der deutschen Geschichte und erfordert daher weiterhin unsere volle Aufmerksamkeit, wenn wir uns diesem Thema widmen. Das Gedenken an den politischen Widerstand darf nicht nur nicht beeinträchtigt werden, vielmehr müssen wir es eher begünstigen mit dieser grund

sätzlichen Auffassung, mit diesem eindringlichen Appell und auch mit dem klaren Signal an unsere jüdische Mitbürger, die jetzt in der neuen Zeit teilweise unter Antisemitismus zu leiden haben, wo wir Anfänge sehen, denen wir wehren müssen. Ich bitte Sie um breite Zustimmung für den gemeinsamen Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU und der LINKEN.)

Das Wort hat für die AfD-Fraktion Herr Fraktionsvorsitzender Josef Dörr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist hier schon mit Bedauern festgestellt worden, dass uns die Zeitzeugen langsam verlustig gehen. Ich kann aber einen kleinen Beitrag leisten, weil ich einer dieser aussterbenden Art bin, der zumindest als Kind den letzten Krieg erlebt hat. Vielleicht kann der eine oder andere von diesem Zeugnis profitieren, das ich hier ablege.

Zuerst einmal wird meine Partei regelmäßig und systematisch als rechtspopulistisch diffamiert.

(Sprechen.)

Das ist heute wieder geschehen. Aus diesem Grund möchte ich einmal Folgendes feststellen, was mich persönlich betrifft. Ich komme aus einer großen Familie. In dieser Familie war niemand in irgendeiner Organisation des NS, nicht in der Partei und in keiner anderen. Ich habe in eine ebenso große Familie hineingeheiratet, und auch dort war niemand in der Partei, auch nicht in einer Unterorganisation der Partei. Mein Vater, meine Onkel und Schwiegeronkel, viele waren Soldaten, aber niemand ist freiwillig gegangen, sie sind alle gezwungen worden; mein Vater 1944 an Weihnachten. Von der Gruppe sind auch einige nicht mehr zurückgekommen. Sie waren überhaupt nicht vorbereitet, um Soldaten zu sein, sie waren Kanonenfutter.

Nachdem der Krieg vorbei war, ist mein Vater in Gefangenschaft geraten, wie 11 Millionen anderer Männer. Ich habe als Kind auf der Straße kaum Männer gesehen. Sie waren alle weg, sie waren in Gefangenschaft, die letzten kamen 1955 zurück. Mein Vater hat aus dem Bergwerk in Belgien geschrieben: Hier arbeite ich nun und wir, die Kleinen, müssen büßen für das, was die Mächtigen angerichtet haben. - Das ist die Sache auf den Punkt gebracht. Viele waren in Gefangenschaft. Man hat auch Gefangenschaft gesagt, niemand hat Zwangsarbeit gesagt. Es war aber Zwangsarbeit, und die ist über Jahre geleistet worden. Das war die Situation. Das will ich nur mal sagen, denn an die Leute, die völlig unschuldig für die Politik der Großen gebüßt haben, müsste man auch mal denken.

(Abg. Thielen (CDU) )

Das Zweite ist: Ich habe als Kind die ersten Jahre meines Lebens in Diktaturen verbracht, bis ich in die Schule kam, ich habe in der Schule noch den damaligen Gruß grüßen müssen. Nach dem Krieg hatten wir bei uns hier eine Militärdiktatur und darauf gefolgt ist eine Diktatur. Die Regierungszeit von Johannes Hoffmann war eine Diktatur im Saarland. Das ist damals auch von niemandem bestritten worden. Es waren zum Beispiel Parteien verboten. Die Partei, an der ich teilnehmen wollte, das war die CDU damals, war verboten. Die sind erst 1955, drei Monate vor der Abstimmung, erlaubt worden und haben Wahlkampf gemacht. Das Ergebnis ist so ausgegangen, wie es ausgegangen ist. Ich war einer der Kämpfer für dieses damalige Nein, ein Jugendlicher. Ich habe im Lehrerseminar eine Fahne gehisst, wenn das herausgekommen wäre - - Man hat gefahndet, man hat es nicht herausgekriegt, das ist übrigens in einem Buch veröffentlicht.

Unser Vorbild in all der Zeit war Willi Graf. Die Familie meines Freundes Hans Eckert, vielleicht kennt der eine oder andere ihn als Schriftsteller, und die Bekannten - das war auch die Familie Röder, die in den Kasernen mit uns zusammen gewohnt hat; Franz Röder war der Vater von Franz-Josef Röder und Johanna Röder -, das waren alle katholische Menschen, sehr deutsche Menschen und absolut eindeutig für Willi Graf. Willi Graf war für uns ein großes Vorbild.

Jetzt kommt ein weiterer Name, der auch in der vorliegenden Vorlage steht, das ist Johannes Hoffmann. Johannes Hoffmann war damals, so haben wir das alle empfunden - jetzt sage ich ein nicht so schmeichelhaftes Wort -, Handlanger der französischen Besatzung hier im Saarland. Wir wurden auch gezwungen, Französisch zu lernen und so weiter und so fort. Ich will das jetzt nicht ausdehnen.

Was geschehen ist, war Folgendes. Es gab diese Abstimmung, die so ausgegangen ist, wie sie ausgegangen ist. Ab dem Moment war mein Verhältnis zu Johannes Hoffmann sofort ein anderes. Ich habe mich vorher geweigert, Französisch zu lernen, meine Kinder haben nachher französisches Abitur gemacht. Das hat sich geändert, weil dieser Mann damals dieses Ergebnis akzeptiert hat und zusammen mit der französischen und mit der deutschen Regierung die Rückkehr des Saarlandes nach Deutschland ausgehandelt hat. Ich habe also in dem Moment meinen Groll gegenüber diesem Mann vergessen. Es ist auch, sage ich mal, Ironie des Schicksals, dass in Saarlouis, wer das weiß, der spätere Ministerpräsident Ney fünf Meter von Johannes Hoffmann entfernt beerdigt liegt, da ist nur ein Weg dazwischen. Das ist für mich also kein Problem. Ich habe für mich die Sache abgehakt.