Protocol of the Session on March 16, 2010

Dies erkennt man an einer ganz einfachen Tatsache. Die Regierungskommission von Bundesgesundheitsminister Rösler wurde gerade erst ernannt und sie wird morgen zum ersten Mal tagen und die Beratungen aufnehmen. Bisher ist also noch gar nichts entschieden. Aber Sie geißeln alle Vorschläge schon mal prophylaktisch, die noch gar nicht auf dem Tisch liegen und die Sie damit auch noch gar nicht kennen können.

Nichtsdestotrotz möchte ich Ihnen einige Fakten nicht vorenthalten. Wir alle wissen, dass der Umbau der Krankenversicherung eine große Aufgabe ist. Deshalb wollen wir Liberale einen wohl überlegten, behutsamen und schrittweisen Systemwechsel. Der Umstieg in ein Prämienmodell kommt aber nur dann in Frage, wenn damit ein Sozialausgleich verbunden ist. Da bin ich der Überzeugung, dass der Sozialausgleich im Steuersystem besser zu leisten ist. Denn sozialer Ausgleich ist Aufgabe der Gesamtgesellschaft und kann nicht von den Schultern einer immer kleiner werdenden Gruppe gesetzlich Zwangsversicherter getragen werden. Freiberufler, Beamte und Angestellte über der Beitragsbemessungsgrenze nehmen heute am Sozialausgleich nämlich nicht teil. Die Gesundheitsprämie bezieht hingegen alle Bürger und Einkommensarten in die Finanzierung ein, auch Kapitaleinkünfte. Wir Liberale wollen ein Gesundheitssystem, das finanzierbar ist, sozial und zukunftssicher.

Der vorliegende Antrag der SPD ist teilweise heuchlerisch. An einigen Punkten möchte ich Ihnen das erläutern. Die Behauptung der SPD, durch Einfüh

rung einer Gesundheitsprämie werde die paritätische Finanzierung der GKV abgeschafft, ist unzutreffend. Diese Behauptung unterstellt, dass die bisherige Finanzierung der GKV paritätisch sei. Dies ist jedoch dank der SPD nicht der Fall. Unter Ex-Bundeskanzler Schröder wurde die paritätische Finanzierung abgeschafft mit der Begründung, Arbeitskosten zu senken, um Arbeitsplätze zu schaffen. Deshalb sind seit dem 01. Juli 2005 Zahnersatzleistungen sowie das Krankengeld durch einen Sonderbeitrag von 0,9 Prozent vom Versicherten allein zu tragen.

Ferner hat die SPD durch zahlreiche Zuzahlungen wie zum Beispiel Praxisgebühr, Zuzahlung für das Krankenhaus, bei Heil- und Hilfsmitteln die paritätische Finanzierung schon längst aufgehoben. Hinzu kommen, zur Erinnerung, die derzeit von vielen Kassen erhobenen Zusatzbeiträge - Fachleute nennen sie auch die „kleine Gesundheitsprämie“. Diese Zusatzbeiträge zwischen acht Euro und in der Spitze etwas mehr als 35 Euro müssen ohne Sozialausgleich entrichtet werden, auch eine Regel, die nicht von der FDP, sondern von der SPD eingeführt wurde.

Sie mögen mit Ihrem Antrag dem Ziel, eine politische Kampagne mit Unterschriftenaktion und zugegebenermaßen auch schöner Webseite zu inszenieren, näher kommen. Sie entfernen sich aber immer weiter von realer und seriöser Politik. Die FDP-Landtagsfraktion hingegen wartet zunächst die Vorschläge der Regierungskommission ab und packt dann an, was die SPD in elf Jahren nicht geschafft hat. Wir gestalten ein Gesundheitssystem, das demografiefest ist, jedem Bürger eine hervorragende medizinische Qualität bietet und dazu noch bezahlbar bleibt.

(Abg. Pauluhn (SPD) : Da bin ich mal gespannt.)

Abschließend, Frau Hoffmann-Bethscheider, noch ein paar Worte zu Herrn Weisweiler. Herr Weisweiler kümmert sich gerade um das Problem und ist auf dem Weg nach Berlin, um all diese Fragen mit Gesundheitsminister Rösler zu erörtern. Aber ich darf Sie umgekehrt fragen: Wo sind eigentlich Herr Lafontaine und Herr Maas? - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat der Abgeordnete Markus Schmitt von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der bundesweit diskutierten Finanzierung unseres Krankenversicherungssystems halten wir die bundespolitische Linie unserer Partei auch im Land, in unserer Jamaika-Koalition, ein. Aus unserer

(Abg. Schramm (DIE LINKE) )

Sicht ist die Einführung einer von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler vertretenen Kopfpauschale beziehungsweise Gesundheitsprämie der falsche Weg. Die damit einhergehende Einkommensunabhängigkeit bedeutet eine ungerechte Belastung der Menschen mit geringen Gehältern, weil alle Versicherten unabhängig von der Höhe ihres Einkommens gleich stark herangezogen werden. Das ist schlicht und ergreifend unsozial.

Das bisherige solidarische System, das noch den Ausgleich zwischen besser und schlechter Verdienenden herstellt, hätten wir dadurch verlassen. Bezüglich der Organisation eines Sozialausgleichs hält man sich auf Bundesebene bedeckt. Unklar ist, ob die Gegenfinanzierung über die Erhöhung von Einkommensteuer und/oder der Mehrwertsteuer erfolgen soll. Auch den Abschied vom paritätischen Anteil Arbeitgeber zu Arbeitnehmer halten wir nach wie vor für fatal. Die zentrale Frage hierbei ist, ob er als Gewinn des Unternehmens angesehen oder in die Krankenversicherung gesteckt wird. Erwirtschaftet hat ihn jedenfalls der Arbeitnehmer. Wem dies am Ende zukommt, der Gesundheit des Arbeitnehmers oder dem Eigenheim des Arbeitgebers, ist der wesentliche Punkt. Deswegen, meine ich, darf die paritätische Versicherung nicht aufgegeben werden. Wir müssen auch weiterhin bei dieser Parität bleiben.

Lassen Sie mich unser grünes Modell noch etwas näher vorstellen. Das spezielle grüne Modell ist das wurde auch von vielen anderen mittlerweile vom Wort her übernommen - die Bürgerversicherung. Mit der Bürgerversicherung soll eine Gerechtigkeitslücke im System geschlossen werden. Alle Bürger auch Beamte und Selbstständige - werden Mitglieder der Bürgerversicherung. Die bisher privat Versicherten sind ebenfalls darin aufgenommen. In die Finanzierung werden alle Einkunftsarten, auch die Vermögenseinkommen, Gewinne und Mieteinkünfte, einbezogen. Die Bürgerversicherung sorgt für mehr soziale Gerechtigkeit, weil sie die Privilegierung von Personen mit hohem Einkommen beendet und alle Versicherten gemäß ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit einbezieht.

Vor dem Hintergrund, dass sich unsere gerade skizzierten Modelle von denen der Koalitionäre stark unterscheiden und eine gemeinsame Bundesratsinitiative deshalb illusorisch ist, lehnt unsere Partei den vorliegenden Antrag ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei B 90/GRÜNE und vereinzelt bei der CDU.)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Hoffmann-Bethscheider.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Opposition hat einen Vorteil: Man muss keine Kompromisse schließen, auch keine schlechten Kompromisse. Es ist doch in der Tat seitens der CDU etwas verwerflich, Themen wie die paritätische Finanzierung und auch die Zusatzbeiträge der SPD anzulasten, wobei jeder, der sich mit Gesundheitspolitik befasst, weiß, dass damals die CDU unbedingt diese Sache durchsetzen wollte. Was Sie total ausgeblendet haben - Herr Schmitt ist ja der Ansicht, eine Landesregierung habe in dieser Frage gar nichts zu sagen -, waren die Diskussionen im Bundesrat. Wer hat denn im Bundesrat dafür gesorgt, dass diese paritätische Finanzierung so geregelt beziehungsweise aufgeweicht wurde, wie sie jetzt ist? Wer hat die Zusatzbeiträge eingeführt? Das war die CDU! Wenn man hier eine solche Debatte führt, dann kann man das einfach nicht ausblenden. Die SPD kann jetzt endlich in der reinen Lehre das sagen, was sie in der Koalition nicht durchsetzen konnte.

(Beifall bei der SPD.)

Ich werde die ganzen Redebeiträge auf ihren Kern zusammenführen. Alles Schmuckwerk und alle Ablenkungsmanöver lasse ich weg. Den Redebeitrag von Herrn Hans fasse ich so zusammen. Er redet für die CDU-Fraktion für die paritätische Finanzierung und gegen die Kopfpauschale, wobei er sagt, diesen Begriff gebe es so nicht. Einen einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeitrag oder Pauschale ohne Kopf - so habe ich ihn verstanden.

Herrn Schmitt von der FDP habe ich so verstanden, er möchte die Kopfpauschale, weil er sie für richtig halte. Bei der paritätischen Finanzierung hat er sich nicht klar geäußert. Er hat von seriöser Politik geredet. Ich muss mich Folgendes fragen. Die FDP, die gerade einen Vorschlag einbringt und einen Sozialausgleich fordert, von dem niemand hier im Haus und niemand in Berlin weiß, wie der überhaupt zu finanzieren ist, wirft uns vor, dass wir keine seriösen Vorschläge machen. Ich muss sagen: Fangen Sie bei sich selbst an. Wie wollen Sie die 35 Milliarden Euro finanzieren? Sie wissen es nicht. Die in Berlin wissen es nicht. Das ist keine seriöse Politik.

(Beifall bei der SPD. - Sprechen.)

Ich fasse die Aussage des Herrn Schmitt von den GRÜNEN zusammen. Er hat hier klar, deutlich und knapp gesagt, für was die GRÜNEN stehen. Er möchte keine Kopfpauschale. Er möchte die paritätische Finanzierung und er möchte die Bürgerversicherung. Das ist ganz klar. Wenn ich das hier zusammenfasse, dann müssen die GRÜNEN unserem Antrag ganz klar zustimmen, die CDU schwankend sich vielleicht enthalten und die FDP müsste dagegen stimmen. Jetzt frage ich mich: Welche Politik

(Abg. Schmitt (B 90/GRÜNE) )

vertritt Herr Weisweiler in Berlin? Welche Politik vertritt er in Berlin:

(Beifall und vereinzelt Lachen bei der SPD)

die FDP-, die GRÜNEN oder die CDU-Politik? Ich sage Ihnen, Sie haben in dieser Frage leider hier nicht antworten können. Der Ministerpräsident und der zuständige Minister, die dieses Thema in der Öffentlichkeit behandelt haben, waren nicht anwesend. Wir werden jetzt eine Anfrage an die Landesregierung mit detaillierten Fragen stellen. Vielleicht bekommen wir eine klare Antwort. Aber ich weiß, dass Herr Weisweiler dieses Parlament in Berlin nicht vertreten kann.

(Beifall bei der SPD.)

Nächste Wortmeldung: Der Abgeordnete Tobias Hans von der CDU-Fraktion.

(Abg. Schmitt (CDU) : Darf ich etwas zur Geschäftsordnung sagen?)

Herr Schmitt, bitte.

Ich darf zur Geschäftsordnung Folgendes sagen. Wenn der Ministerpräsident und der Oppositionsführer miteinander ein privates Pairing vereinbaren, demzufolge beide der Sitzung nicht beiwohnen, dann sollte vielleicht auch die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD das zur Kenntnis nehmen und nicht kritisieren, dass der Ministerpräsident nicht im Raum ist.

(Zuruf von der SPD: Weisweiler.)

Im Gegenzug sage ich künftig - - Sie hat den Ministerpräsidenten zweimal genannt.

(Lautes Sprechen bei der SPD.)

Im Gegenzug bin ich gerne bereit, dafür Sorge zu tragen, dass von den Koalitionsfraktionen nicht kritisiert wird, dass der Oppositionsführer nicht im Raum ist. - Vielen Dank.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Welcher? - Lautes Sprechen.)

Das war eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung.

(Verbreitet lautes Sprechen. - Abg. Roth (SPD) : Geisterdebatten. - Abg. Schmitt (CDU): Das sind keine Geisterdebatten. - Abg. Roth (SPD): Geisterdebatte. - Abg. Schmitt (CDU): Das kann doch nicht wahr sein.)

Nächste Wortmeldung: Der Abgeordnete Tobias Hans von der CDU-Fraktion.

(Anhaltendes Sprechen.)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hoffmann-Bethscheider, ich frage mich, was eigentlich Ihr Problem ist.

(Weiterhin Sprechen.)

Ich frage mich, was eigentlich Ihr Problem ist, wenn Sie infrage stellen, dass im Landtag vertretene Parteien, die auf Bundesebene zum Teil einer anderen Koalition angehören und zum Teil in der Opposition sind, zu einem bundespolitischen Thema hier eigenständige Meinungen vertreten. Ich kann nicht verstehen, wie jemand, der sich hier hinstellt und sich vom Regierungshandeln der eigenen Partei in den letzten beiden Legislaturperioden distanziert, jetzt geißelt, dass drei auf Bundesebene in anderen Funktionen tätige Parteien sich bundespolitisch entsprechend äußern. Das ist für mich nicht nachvollziehbar!

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, was wirklich schlimm ist, ist, dass Sie von der SPD und vor allem auch Sie von der LINKEN politisch Stimmung machen mit den Ängsten, die Menschen vor einer möglichen medizinischen Unterversorgung haben. Das ist schändlich und schlimm, wie Sie das hier betreiben, und das ohne eine Grundlage.

(Zurufe von der LINKEN.)

Sie beziehen Ihre Kritik lediglich auf Äußerungen von Journalisten in Zeitungen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sie wissen haargenau, dass noch keine akuten oder konkreten Vorschläge auf dem Tisch sind. Diese Vorschläge werden von der Regierungskommission ab morgen verhandelt. Das ist alles, was die Koalition in diesem Haus sagt. Wir sollten abwarten, bis diese Kommission ihre Beratungen abgeschlossen hat. Wenn die Ergebnisse vorliegen, dann können wir über diesen Antrag abstimmen. Dieser Antrag ist obsolet, weil es keine Grundlage gibt, über die hier abgestimmt werden kann.