Protocol of the Session on September 15, 2010

(Drucksache 14/283)

Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Aktiv gegen Armut und soziale Ausgrenzung (Drucksache 14/285)

Zur Begründung des Antrages der SPD-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Silke Biendel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die vor knapp einem Jahr veröffentlichte Sozialstudie Saar hat uns allen gezeigt, dass viele Saarländerinnen und Saarländer akut durch Armut bedroht sind, und sie hat uns deutlich gemacht, dass in unserem Land weiterer dringender Handlungsbedarf besteht. Darüber haben wir uns bereits im Januar gemeinsam und auch sehr ausführlich hier auseinandergesetzt, wenn auch mit unterschiedlichen Ansatzpunkten. Doch in einem waren wir uns alle einig. Es muss etwas passieren in unserem Land. Es muss gehandelt werden, um die Armut in unserem Land zu bekämpfen.

(Unruhe, Sprechen.)

Es muss gemeinsam dafür Sorge getragen werden, den sozialen Zusammenhalt in unserem Land zu retten und die weitere gesellschaftliche Spaltung zwischen Arm und Reich langfristig zu verhindern.

Darf ich kurz unterbrechen. Ich bitte das Plenum um etwas mehr Ruhe. Wir können gemeinsam singen, aber nicht zusammen reden. Frau Biendel hat das Wort.

(Abg. Kuhn-Theis (CDU) )

Danke. - Dazu ist es dringend notwendig, einen gezielten Aktionsplan auszuarbeiten. Dieser muss einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen und vor allem konkrete Maßnahmen benennen. Dazu müssen wir uns gemeinsam mit den Handelnden - also den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, den Betroffenenvertretern, den Gewerkschaften und Arbeitsorganisationen, den Kirchen, den kommunalen Spitzenverbänden und anderen gesellschaftlichen Gruppen - konsequent der Armutsbekämpfung widmen und gemeinsam für die Schwächsten in unserer Gesellschaft einsetzen.

Wie bereits gesagt, waren wir uns darüber alle einig. Auch die Landesregierung war sich darüber im Klaren, dass die Studie analysiert werden muss und aus dieser Analyse Handlungsempfehlungen erarbeitet, vorgelegt und umgesetzt werden müssen. Es freut mich, dass die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag heute - wie im Grunde schon in der Sitzung im Januar beschlossen - erneut die Landesregierung auffordern, einen Aktionsplan zu erstellen. Das sollte eigentlich bereits bis Ostern dieses Jahres geschehen. Doch was ist bisher passiert? Nichts. Es gibt keinen Plan auf Grundlage der Sozialstudie zur Bekämpfung der Armut von Seiten der Landesregierung. Und deshalb sehen wir es für dringend notwendig an, dass die Landesregierung sich endlich in Bewegung setzt und zeigt, dass sie das Problem nicht nur erkannt hat, sondern auch ihre Aufgaben macht und endlich auch handelt.

(Beifall bei der SPD.)

Die SPD-Landtagsfraktion hat bereits gehandelt, sie hat aus der Analyse der Sozialstudie und nach eigenen Anhörungen der saarländischen Verbände, Organisationen und Vereine sowie vielen Gesprächen mit Experten und Betroffenen zum Thema Armut einen Aktionsplan erstellt, der als Diskussions- und Handlungsgrundlage vorliegt. Ein Punkt ist die Bekämpfung von Einkommensarmut. Armutsgefährdete Menschen in ihren individuellen Lebenslagen bedürfen unserer solidarischen Unterstützung durch besondere Maßnahmen. Es ist wichtig, dass die Menschen in unserem Land eine sichere Arbeitsstelle mit existenzsichernden Löhnen haben.

Nur so kann der Weg aus der Armutsfalle gelingen. Denn Einkommensarmut führt zu Kinderarmut und in späteren Jahren weiter zu Altersarmut. Ein wirkungsvoller Baustein zur Bekämpfung der Einkommensarmut ist hierbei die Einführung von Mindestlöhnen in der Höhe von 8,50 Euro. Denn nur dadurch kann die hohe Zahl der Aufstocker reduziert werden. Es kann nicht sein, dass viele Menschen trotz regulärer Arbeit auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wurde heute bereits beschlossen. Auch wenn uns das verabschiedete Vergabe- und Tariftreuegesetz nicht

weit genug geht und noch viele Lücken lässt, ist zumindest der gute Wille der Landesregierung zu erkennen.

Ein weiterer Punkt: Bildung. Gute Bildung ist der Schlüssel zur Überwindung von Armut und für gesellschaftliche Teilhabe. Gerade im Bildungsbereich kann bereits präventiv gegen die Armutsentwicklung gekämpft werden. Hierzu benötigen wir ein Bildungs- und Erziehungskonzept, das niemanden zurücklässt und bereits bei den Kleinsten beginnt. Es ist notwendig, die Qualität erheblich zu verbessern. Hierzu werden bereits gemeinsame Gespräche geführt. Deshalb werde ich das nicht weiter vertiefen.

Was in der Sozialstudie ebenfalls festgestellt wurde, ist der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Armut. Viele Menschen geben gezwungenermaßen weniger Geld für Gesundheit aus, weil sie sich zusätzliche, aber oft notwendige Leistungen einfach nicht leisten können. Es ist daher notwendig, einkommensschwache Menschen von den Kosten der Gesundheitsversorgung von vornherein freizustellen. Unabhängig vom Einkommen müssen alle Bürgerinnen und Bürger den gleichen Anspruch auf eine gute Versorgung haben. Nur ein solidarisch getragenes Gesundheitssystem kann dieses Recht aller auf eine gute medizinische Versorgung garantieren. Dazu brauchen wir paritätisch finanzierte Beitragssätze. Einkommensunabhängige Zusatzbeiträge oder Kopfpauschalen stehen unserer Vorstellung von einer gerechten Finanzierung des Gesundheitssystems entgegen.

(Beifall bei der SPD.)

Jetzt lässt die schwarz-gelbe Bundesregierung auch noch Arbeitslose die Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenkassen selbst bezahlen. Daher muss die Garantie für medizinische Versorgung für alle auf Dauer erreicht werden. Zusätzlich müssen landesweite Programme zur Gesundheitsprävention die Menschen erreichen. Diese Programme müssen aber vor allem wohnortnah angeboten werden, damit auch hier einkommensschwache Menschen daran teilnehmen können. Erfolgreich arbeitende Angebote wie beispielsweise Familienzentren oder Besuche von Familienhebammen müssen dabei ausgebaut werden und vor allem sinnvoll in das Gesamtkonzept des Aktionsplanes integriert werden.

Bei der Armutsbekämpfung ist also ein ganzheitliches Konzept gefordert. Unkoordinierte Einzelmaßnahmen und Herumdoktern an den Symptomen helfen nicht weiter. Nein, wir müssen die Ursachen für Armut wirksam bekämpfen. Dabei muss konkretes politisches Handeln als Querschnittsaufgabe alle Politikfelder abdecken. Besonders Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik dürfen nicht als getrennte Bereiche betrachtet werden. Sie müssen aufeinander bezogen sein und bereichsübergreifend

handeln. Grundsätzlich müssen zukünftig alle Entscheidungen der Landesregierung mit dem Ziel der Armutsbekämpfung im Einklang stehen, dies auch insbesondere im Hinblick auf die Aufstellung der Haushaltspläne. Denn gerade hier können die Maßnahmen mit direktem Eingang in die Titel der zukünftigen Haushaltspläne eine dauerhafte finanzielle Absicherung garantieren.

Bei der Erstellung des Aktionsplanes zur Bekämpfung von Armut müssen alle Akteure, wie Organisationen und Verbände, aber auch die Betroffenen selbst beziehungsweise deren Vertreter, einbezogen werden. Ihr Wissen und ihre Erfahrung müssen intensiv genutzt werden. Aber auch darüber hinaus ist die Mitwirkung notwendig, damit gemeinsam die praktische Umsetzung des Aktionsplanes begleitet werden kann. Und es ist wichtig, dass die Sozialstudie Saar keine Eintagsfliege war. Nein, sie muss künftig regelmäßig durchgeführt werden. Sie muss allerdings erweitert werden und als echte Sozialberichterstattung mit Armuts- und Reichtumsbericht durchgeführt werden.

(Beifall bei der SPD.)

Aber was heute an erster Stelle steht: Wir müssen handeln. Wir müssen jetzt handeln und nicht noch weitere Monate verstreichen lassen. Wir müssen jetzt handeln, um sozial Schwache direkt zu unterstützen, und wir müssen jetzt handeln, um Menschen zukünftig vor Armut zu bewahren. Wir müssen jetzt handeln und einen ganzheitlichen, saarländischen Aktionsplan gegen Armut und Ausgrenzung erarbeiten, damit wir dieses Ziel effektiv und nachhaltig erreichen. Wir müssen gemeinsam handeln gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Gruppen, der Politik und der Wirtschaft. Das erwarten die Menschen von uns. Das erwarten sie zu Recht. Danke.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Herzlichen Dank, Frau Abgeordnete Biendel. Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen Drucksache 14/283 erteile ich Herrn Abgeordneten Hermann Scharf das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Armutsbekämpfung bleibt ein primäres Ziel dieser Koalition. Wir werden alles daransetzen, die Aufwärtsbewegung in unserem Land kontinuierlich fortzusetzen. Die Sozialstudie belegt diesen Aufwärtstrend; sie gibt allerdings auch eine Reihe von Ansatzpunkten für zukünftiges politisches Handeln.

Armut hat viele Facetten. Sie ist ein vielschichtiges, mehrdimensionales Problem, das weit über das Fehlen von materiellen Ressourcen hinausgeht. Erst

eine eingehende Betrachtung von materieller Armut, Ungleichheit und sozialer Ausgrenzung im Sinne von mangelnder Teilhabe wird diesem Phänomen gerecht. Diesen in hohem Maße sozialpolitischen Ansatz verfolgt auch die Sozialstudie Saar.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchte exemplarisch im Folgenden einige Punkte anreißen, die deutlich machen, dass diese Koalition auf einem guten Weg ist, vieles angeschoben hat und Erfolge vorweisen kann. Das Saarland hat die Strukturkrise der Achtzigerjahre weitgehend erfolgreich bewältigt. Der Angleichungsprozess an das bundesweite Niveau wurde vollzogen. Es gibt nicht wenige wirtschaftliche Daten, in denen das Saarland im oberen Drittel liegt. In vielen Bereichen sind die Lebensbedingungen im Saarland besser als bundesweit. Dies gilt zum Beispiel bei der Ausgeglichenheit der Einkommensverteilung, der geringen Angewiesenheit auf Grundsicherung für Arbeitssuchende, der geringeren Armut trotz Erwerbstätigkeit, der guten Kinderbetreuung sowie der politischen und zivilgesellschaftlichen Partizipation.

Wer politisch seriös arbeitet, sollte dies nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern trotz der politisch unterschiedlichen Zielsetzung vielleicht sogar anerkennen. Selbst die schwere Wirtschaftskrise der vergangenen Monate konnte im Saarland entgegen allen sehr pessimistischen Prognosen relativ gut gemeistert werden. Seit Ausbruch der Krise im Herbst 2008 stieg die Arbeitslosigkeit nie über 42.000. Im Jahresdurchschnitt 2009 lag sie bei 39.100; dies entspricht 7,7 Prozent. Im Bundesdurchschnitt lag die Quote bei 8,2 Prozent. Damit belegt das Saarland im Vergleich aller Bundesländer einen beachtenswerten fünften Platz. Im Jahre 2010 ist die Arbeitslosigkeit im Saarland weiter zurückgegangen. Im August 2010 waren im Saarland 37.298 Personen arbeitslos; dies entspricht 7,4 Prozent. Damit nähern wir uns wieder dem Niveau vor der Wirtschaftskrise. Insgesamt hat sich die Lage der Saarwirtschaft in den letzten Monaten deutlich verbessert. Prognosen der IHK zufolge wird die Saarwirtschaft, die als exportstarker Industriestandort die Auswirkungen der Wirtschaftsund Finanzkrise deutlicher zu spüren bekam als viele andere Bundesländer, im laufenden Jahr wieder spürbar stärker zulegen als die deutsche Wirtschaft insgesamt.

Um die Erwerbschancen älterer Mitbürgerinnen und Mitbürger im Saarland zu verbessern, wurde das Kompetenzcenter Ü 55 ins Leben gerufen. Dadurch soll Langzeitarbeitslosigkeit bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bekämpft und die Angewiesenheit auf staatliche Transferleistungen minimiert werden.

Auch auf dem Ausbildungsmarkt sind die besonderen Bemühungen der saarländischen Landesregierung sowie der Wirtschafts- und Sozialpartner, die

(Abg. Biendel (SPD) )

sich unter anderem im Pakt für Ausbildung Saarland 2010 manifestieren, sehr deutlich zu erkennen und von besonderem Erfolg getragen. Hier wird auf breiter Ebene Verantwortung für die Jugendlichen übernommen. Gleichzeitig signalisiert die Ausbildungsbereitschaft Vertrauen in die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Saarland. Mitte August suchten im Saarland noch 1.390 Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Demgegenüber sind noch 1.350 Ausbildungsplätze unbesetzt. Aktuell hat das Saarland nach Bayern und Hamburg das drittbeste Verhältnis von unversorgten Bewerbern um Ausbildungsplätze zu unbesetzten Ausbildungsstellen unter allen westlichen Bundesländern. Insgesamt zeigt sich der saarländische Arbeitsmarkt stabil; dazu hat auch diese Koalition einen positiven Beitrag geleistet.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ein besonderes Augenmerk - und dies nicht erst seit der jüngsten, öffentlich sehr kontrovers geführten Diskussion - legt diese Koalition auf die Integration von Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit Migrationshintergrund. Gerade dieser Politikbereich bedarf einer sachlichen und zielführenden Diskussion. Jede Art von Polemik ist gerade hier verantwortungslos und stärkt die politischen Kräfte, die sich am äußersten Rand bewegen. Ich kann daher nur hoffen, dass alle verantwortungsbereit politisch Handelnden in unserem Land ohne ideologische Scheuklappen und fern von jeglichem Opportunismus diesen Bereich bearbeiten und die nötigen Schritte einleiten, um die Chancen auf eine erfolgreiche Integration in unserer Gesellschaft zu verbessern.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Noch in diesem Monat findet der zweite saarländische Integrationskongress statt. Schwerpunkt dieses Kongresses ist das Übergangsmanagement Schule/ Beruf sowie die Integration in den Arbeitsmarkt. Ziel und methodischer Ansatz des Kongresses ist die Entwicklung von Lösungsansätzen für eine erfolgreiche Integration nicht nur durch Fachleute, sondern auch mit den Migranten selbst.

Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für die Koalition ein zentrales Thema. Wir haben dazu beigetragen, dass in unserem Land genügend Kindergartenplätze zur Verfügung stehen. Auch die Anzahl der Krippenplätze stieg von 621 im Jahr 1991 auf über 3.000 im Jahr 2010. Basierend auf dem Koalitionsvertrag gibt es bereits jetzt konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut. Ich verweise unter anderem auf das Projekt „Frühe Hilfen“. Es zielt neben einem Bildungsangebot an alle Eltern insbesondere auf die Identifikation von Familien im Saarland, die einer besonderen Unterstützung bedürfen.

Der nächste Schritt zur erfolgreichen Teilhabe ist die frühkindliche Bildung. Erreicht wird dies vor allem durch den Ausbau weiterer, qualitativ hochwertiger

Betreuungsangebote, die sich gleichzeitig einem Bildungsauftrag verpflichtet fühlen. Besonders hervorheben möchte ich, dass die saarländische Landesregierung den Ausbau der freiwilligen Ganztagsschule forciert hat und dieses Angebot für das Schuljahr 2010/2011 beitragsfrei gestellt hat. Angebote wie eine warme Mittagsverpflegung, die Hausaufgabenbetreuung sowie sportliche, musische und soziale Aktivitäten am Lern- und Lebensort Schule bieten weitere pädagogische Chancen für die Förderung aller Schülerinnen und Schüler, und dies unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern. Ein wunderbares Beispiel.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Auch die Anzahl der Schoolworker wurde von 40 auf 60 Stellen angehoben, um dadurch noch frühzeitiger Defizite erkennen zu können und entsprechende Handlungsstrategien zu entwickeln. Somit kann jetzt im Bedarfsfall erstmals auch an Grundschulen die Betreuung durch Schoolworker angeboten werden.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies waren nur einige Beispiele, die eindrucksvoll verdeutlicht haben, dass wir uns in der Umsetzung der Ergebnisse der Sozialstudie auf einem guten Weg befinden. Alle diese bereits begonnenen Maßnahmen, die schon jetzt auf eine präventive und aktive Armutsbekämpfung abzielen, müssen in den nächsten Jahren durch weitere Maßnahmen und Projekte sowie eine Bündelung und Vernetzung bereits bestehender und neuer Aktivitäten verstärkt werden. In all dies müssen alle Partner einbezogen werden, auch die Kommunen und die Kreise, die in diesem Bereich ebenfalls Verantwortung tragen. Daher fordere ich alle Parteien dieses Landtages auf, sich konstruktiv und verantwortungsvoll mit einzubringen, damit im Saarland Armut und insbesondere Kinderarmut wirkungsvoll bekämpft werden. Wir werden diesen Weg konsequent weitergehen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Scharf. - Zur Begründung des Antrags der DIE LINKE-Landtagsfraktion, Drucksache 14/285, erteile ich Frau Abgeordneter Heike Kugler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 2010 ist das Europäische Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung. Es verpflichtet alle politischen Akteure zum Kampf gegen Armut und Ausgrenzung. Heruntergebrochen auf Deutschland heißt das entsprechende Programm der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: „Mit neuem Mut“. Das hört sich zuerst einmal sehr gut an. Bei einem der drei

(Abg. Scharf (CDU) )

Schwerpunkte, die sie setzt, geht es um das Themenfeld „Jedes Kind ist wichtig - Entwicklungschancen verbessern“. Dabei wird folgendes Ziel genannt: „Die Förderung von Kindern sollte individuelle und gesellschaftliche Benachteiligungen ausgleichen. Entwicklungschancen von Kindern aus benachteiligten Familien und belastenden Lebenssituationen sind zu verbessern.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich frage mich an dieser Stelle: Ist dieses Ansinnen jemals ernst gemeint gewesen - ausgehend davon, dass die Bundesregierung ein Sparpaket vorgelegt hat, das die soziale Schieflage unserer Gesellschaft weiter verschärft, ja dramatisch zuspitzt, gerade bei uns im Saarland? Während nach Angaben von Attac zwischen 1999 und 2009, also in einem Zeitraum von zehn Jahren, das private Vermögen um 1,1 Billionen Euro gestiegen ist - man stelle sich das einmal vor: eine Billion ist eine Million mal eine Million und mittlerweile bei ungefähr 6,6 Billionen Euro angesetzt wird, hat die untere Hälfte der Bevölkerung null Euro, und die untersten 10 Prozent haben sogar Schulden. Dem öffentlichen Schuldenberg steht ein enormer privater Reichtum gegenüber. Hier ist die Aufgabe für die Regierungskoalition im Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung klar ersichtlich. Aber stattdessen setzt das „Armutsförderungsprogramm“ der Bundesregierung, wie man es eigentlich nennen sollte, den Rotstift vor allem bei den Arbeitslosen an. Sie werden bestraft mit dem Wegfall des befristeten Zuschlags beim Übergang vom Arbeitslosengeld in die Grundsicherung; sie werden bestraft beim Wegfall der Rentenversicherungsbeiträge; sie werden bestraft beim Wegfall des Elterngelds für Hilfsbedürftige; sie werden bestraft beim Wegfall der Heizkostenzuschüsse für Hartz-4-Betroffene. Die Hartz-4-Gesetze haben die Armut in diesem Land im Wesentlichen herbeigeführt. Zusammen mit Lohndumping sind sie mitverantwortlich für die leeren Kassen in unseren Kommunen.

Ein erster Schritt heraus aus diesem Teufelskreis sind existenzsichernde und flächendeckende Mindestlöhne sowie ein flächendeckend angelegtes unterstützendes Bildungs- und Ganztagsbetreuungsangebot, das ohne zusätzliche Fahrtkosten für die Familien auskommen muss. Doch stattdessen zeichnete sich die Politik der Landesregierung in den letzten Jahren durch einen deutlichen Ausbau des Niedriglohnsektors aus. Innerhalb von neun Jahren ist im Saarland die Zahl der geringfügig Beschäftigten um fast 30 Prozent angestiegen. Herr Scharf, es reicht nicht, eine Arbeitsstelle zu haben. Das ist auf der einen Seite schön, aber man muss auch davon leben können.