Ein erster Schritt heraus aus diesem Teufelskreis sind existenzsichernde und flächendeckende Mindestlöhne sowie ein flächendeckend angelegtes unterstützendes Bildungs- und Ganztagsbetreuungsangebot, das ohne zusätzliche Fahrtkosten für die Familien auskommen muss. Doch stattdessen zeichnete sich die Politik der Landesregierung in den letzten Jahren durch einen deutlichen Ausbau des Niedriglohnsektors aus. Innerhalb von neun Jahren ist im Saarland die Zahl der geringfügig Beschäftigten um fast 30 Prozent angestiegen. Herr Scharf, es reicht nicht, eine Arbeitsstelle zu haben. Das ist auf der einen Seite schön, aber man muss auch davon leben können.
Der hohe Anteil prekär Beschäftigter ist weiter angestiegen. Es ist bislang nicht gelungen, diese Entwicklung zu stoppen; vielmehr hat sie sich mit der andauernden Wirtschaftskrise noch verstärkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir brauchen eine Analyse des Besitzstandes sowie der gesellschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Lage in unserem Bundesland. Ein Armuts- und Reichtumsbericht muss daher schnellstmöglich in Angriff genommen werden. Im Bereich der Bildungsgerechtigkeit liegen mit verschiedenen Studien - zum Beispiel PISA und IGLU - bereits Ergebnisse vor. Dort wird dringender Handlungsbedarf unzweifelhaft festgestellt; er müsste in Angriff genommen werden. Bildungsgerechtigkeit beginnt beim kostenlosen Zugang zu schulischer und kultureller Bildung und Betreuung unserer Kinder und Jugendlichen. Ein weiterer Schritt in diese Richtung wäre - neben der Ganztagsschule und der kostenlosen Ganztagsbetreuung von Kindern - die Einführung eines Sozialtickets. Die Streichung von Projekten mit Musikschulen, Theatergruppen und Sportvereinen allerdings, die durch Herrn Minister Kessler vorgenommen wurde, halte ich doch sehr für das falsche Zeichen. Daher sollten gerade im Europäischen Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung Schwerpunkte gesetzt werden, die vor allem im Bereich der Arbeit liegen. Arbeit muss vor Armut schützen. Zum Zweiten muss Hartz 4 endlich überwunden werden.
Zum Dritten muss ein kostenloser Zugang zu Bildung für gleiche Chancen im Bildungssystem sorgen. Also lassen Sie nicht unsere armen Menschen für die Misere der Banken bezahlen! Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass alle die gleichen Chancen bekommen. Darum mein Appell an die Mitglieder der Landesregierung: Ziehen Sie im Bundesrat die Notbremse, bremsen Sie das Sparpaket! Nach zehn Jahren prekärer Arbeitsverhältnisse muss jetzt ein Stopp im Niedriglohnsektor her. Zurück zu normalen und unbefristeten Arbeitsverhältnissen! - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kugler. - Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Herrn Christoph Kühn, Abgeordneter der FDP-Landtagsfraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Sozialstudie Saar hat gezeigt, dass sich das Saarland in vielen Bereichen, die sie untersucht hat, positiv entwickelt hat. So haben sich - auch bedingt durch
die günstigen wirtschaftlichen Entwicklungen - die Einkommen im Saarland verbessert. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen hat sich dem Bundesdurchschnitt angenähert und beträgt zurzeit 18.110 Euro. Der Gini-Koeffizient beträgt für das Saarland 0,28 und zeigt, dass die Einkommen im Saarland relativ gleichmäßig verteilt sind. Dies bedeutet, dass bei uns die Schere zwischen Reich und Arm nicht so weit wie im Bundesdurchschnitt auseinandergeht. Ich möchte es aber jetzt bei diesen beiden Statistiken belassen, denn wir würden alle der Ernsthaftigkeit des Themas nicht gerecht, wenn wir uns gegenseitig mit dem Heranziehen von Statistiken überbieten würden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Armut ist im Saarland heute noch kein Massenproblem, doch müssen wir schon jetzt Maßnahmen ergreifen, damit sie nicht zum Massenproblem der Zukunft wird. Parteiübergreifend wird richtig erkannt, dass Armut ein gesamtgesellschaftliches Problem ist und nur mit einem ganzheitlichen Ansatz in den Griff zu bekommen ist. Dazu gehört, dass alle in diesem Land an einem Strang ziehen. Verbände, Kirchen und Vertreter der Betroffenen müssen mit ins Boot geholt werden, um gemeinsam ein zielführendes Konzept zur Begrenzung von Armut und Ausgrenzung entwickeln zu können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, für uns Liberale gilt der Grundsatz: Das beste Rezept gegen Armut und Ausgrenzung sind Arbeit und Bildung. Arbeit ist mehr als reiner Broterwerb. Durch das Erlernen und die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit wird der Einzelne zu einem vollständigen Mitglied der Gesellschaft. Er trägt dadurch aktiv zum Erhalt der geltenden Normen bei. Die berufliche Sozialisation ist also ein ausschlaggebender Indikator für die Vollwertigkeit eines Individuums in der Gesellschaft. Ansehen, Selbstwert, sozialer und finanzieller Status sind neben der reinen Existenzsicherung die abhängigen Grundkonstanten der beruflichen Tätigkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Aktionsplan gegen Armut ist in Bearbeitung. Auch wenn noch kein fertiger Aktionsplan von der Landesregierung vorgelegt wurde, so ist festzustellen, dass man sich der Probleme in vielen Bereichen bereits angenommen hat. Besonders möchte ich das Engagement für Menschen mit Behinderungen herausstellen. Im Frühjahr haben wir uns aktiv zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen bekannt. Seitdem wird mit Hochdruck an der Umsetzung des Aktionsplans der UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen gearbeitet. Es ist besonders wichtig, dass die Ausgrenzung und Benachteiligung dieser Menschen verringert wird. Was für Menschen ohne Behinderungen gilt, zählt für Behinderte erst recht: Arbeit ist ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Von
daher ist es besonders wichtig, ihnen die Möglichkeit zur Arbeit im ersten Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben Arbeit ist Bildung - wie bereits angesprochen - ein wichtiger Aspekt der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Sozialstudie hat dem Saarland besonders die frühkindliche Förderung aufgetragen, um die kommende Generation fit für die Herausforderungen der Zukunft zu machen. Es ist daher besonders wichtig, dass die Kinder und deren Wohl im Zentrum der Debatte stehen. Wir Liberale setzen uns dafür ein, dass Kinder, die ihr Lebensumfeld nicht eigenständig ändern können, eine angemessene Unterstützung erfahren, sodass sie gesellschaftlich nicht benachteiligt werden. Wichtig ist hier nicht nur der Euro-Betrag, sondern generell die Ermöglichung der Teilhabe am sozialen Leben. Kinder, gleich ob aus wenig vermögenden oder vermögenden Familien, müssen in die Rolle als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft hineinwachsen, sodass sie als Erwachsene ihre Rolle verantwortungsvoll ausfüllen können.
Wir setzen uns für bessere Bildungschancen ein, sodass alle Kinder die Möglichkeit erhalten, einen Schulabschluss zu machen. Es ist wichtig, dass wir die individuellen Fähigkeiten und Begabungen von Kindern fördern, damit sie anschließend selbst für ihr Leben und ihren Lebensunterhalt sorgen können. Das Phänomen der vererbten Armut darf im Saarland keine Realität werden. Die Sozialstudie hat uns einige Aufgaben mit auf den Weg gegeben. Armutsbekämpfung bleibt auch weiterhin ein wichtiges und zentrales Ziel der Regierungsfraktionen. Wir werden konsequent den begonnenen Weg weiter beschreiten und ihn mit allen Verantwortlichen gemeinsam gehen. Ich bitte Sie daher um die Unterstützung des Antrags der Regierungsfraktionen. - Danke.
Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Kühn. - Das Wort hat nun Frau Abgeordnete Willger-Lambert von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Landtagsfraktion wirft uns Untätigkeit vor, was ich an dieser Stelle ausdrücklich zurückweisen möchte. Der Aktionsplan ist, so glaube ich, ein Plan, der immer wieder fortgeschrieben werden muss und der niemals zu Ende geschrieben ist. Ich frage mich in diesem Zusammenhang, was gemeint ist, wenn vonseiten der SPD-Fraktion ein ganzheitlicher regionaler Aktionsplan gefordert wird. Hier habe ich noch einiges an Erklärungsbedarf.
Ein interaktives Internetportal für einen Informationsaustausch und eine Vernetzung sind dabei mit Sicherheit keine Angebote, die Betroffene wahrnehmen. Dies sind eher Austauschmöglichkeiten für bestimmte Akteure. Damit helfen Sie den Betroffenen nicht wirklich. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir unsere Kraft und unsere Anstrengungen in die direkten Hilfen setzen und dass wir dort Schwerpunkte bilden.
Die Sozialberichterstattung haben wir schon seit Langem gefordert. Dies wurde mit der Sozialstudie umgesetzt. Ich werde an dieser Stelle nicht müde, auch immer wieder zu betonen, dass wir in der Armutsbekämpfung nur dann vorankommen, wenn die Armutsbekämpfung von allen gemeinsam betrieben wird. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, das mich sehr betroffen gemacht hat. Wir haben gestern in der Landeshauptstadt Saarbrücken Ansprüche gegen Hartz-4-Empfänger niedergeschlagen, die aus Betreuungs- und Beköstigungskosten von Kindern entstanden sind. Es sind Ansprüche gegen Eltern, die Hartz 4 beziehen. In einem Fall saß ein Elternteil auch im Gefängnis.
Es sind Fälle, bei denen wir die direkte und extremste Art von Kinderarmut erleben können. Es sind Fälle, bei denen wir eigentlich wissen, dass es Ansprüche auf Unterstützung gibt. Diese Forderungen und ihre Beitreibung brauchen gar nicht erst zu entstehen, wenn die Eltern entsprechende Anträge stellen. Wir haben kostenlose Angebote auf- und ausgebaut, um genau diese Kinder zu erreichen. Die Eltern sind aber nicht in der Lage, die Anträge zu stellen. Wir bewirken, wenn solche Ansprüche weiterbetrieben werden, eine extreme Form der weiteren Ausgrenzung von Kindern. Von daher ist es ganz wichtig, dass Kommunen, Kreise und das Land zusammenarbeiten und gemeinsam in die Verantwortung gehen. Diese Kooperation fehlt noch zu oft. Die Bereitschaft zu dieser Kooperation muss gestärkt werden.
Gerade diejenigen, die wir mit unseren Angeboten erreichen wollen und für die Angebote vorhanden sind, müssen wir auch erreichen können. Bildung und Betreuung sind für uns eine der wichtigsten sozialpolitischen Maßnahmen. Wir müssen verhindern, dass hierüber Ausgrenzung erfolgt.
Von daher ist es wichtig und richtig, dass wir Schwerpunkte setzen, dass wir miteinander kooperieren und sozialraumorientierte Ansätze wählen, spezifische Problemlagen identifizieren und gemeinsam wirkungsvolle Handlungsstrategien entwickeln. Wir werden damit nie am Ende sein, aber wir sind auf einem sehr guten Weg und tun es in hervorragender Art und Weise. Dieser Weg muss fortgesetzt werden. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Willger-Lambert. Das Wort hat nun Lothar Schnitzler von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mich freut es sehr, wenn ich merke, dass hier alle Fraktionen betonen, dass uns Armut politisch gesehen alle etwas angeht. Wir alle wissen aus vielfältigen Diskussionen, dass dieses Thema ein sehr brennendes ist. Wenn wir uns hier über einen Aktionsplan oder Maßnahmen unterhalten, die man einleiten müsste, um Armut zu bekämpfen, dann möchte ich auf das Sparpaket der Bundesregierung eingehen. Wir wissen, dass uns die Bundespolitik auf Landesebene immer wieder Belastungen aufbürdet, die uns als Landesparlament vor neue Herausforderungen stellen.
Das sogenannte Sparpaket der Bundesregierung greift insbesondere den Armen und Arbeitslosen in ihre sowieso fast leeren Taschen. So ist es völlig unverständlich, den Langzeitarbeitslosen und ihren Kindern das Elterngeld zu kürzen. Gerade die, die nichts haben, bekommen noch etwas abgezogen, was sie vielleicht dringend zum Lebensunterhalt ihrer Kinder bräuchten. Die Schere zwischen Kindern reicher Eltern und Kindern armer Eltern öffnet sich auf diese Weise weiter. Kinderarmut wird dadurch verschärft. Das können Sie in vielen Gesprächen mit Eltern, Lehrern und Fachleuten im Kinder- und Jugendbereich erfahren.
Der Wegfall des Übergangsgeldes von Arbeitslosengeld I auf Arbeitslosengeld II als befristet gewährter Zuschlag zum Arbeitslosengeld II bedeutet für die Betroffenen einen abrupten Wechsel aus Versicherungsleistungen des Arbeitslosengeldes I in Hartz 4, das Arbeitslosengeld II. Dies trifft die meisten Betroffenen unvorbereitet, denn sie können sich aufgrund der geringen Bezüge, die sie über viele Jahre bekommen, keine Rücklagen bilden.
Gerade Ältere sind davon besonders betroffen. Sie haben keine Beschäftigungsperspektive mehr, sie sind auf diese Hartz-4-Leistungen angewiesen. Das längere Arbeitslosengeld war für sie eine Brücke in die Rente, die nun wegfällt. Es trifft auch besonders behinderte Arbeitslose, und zwar durch den Wegfall der Reha-Leistungen der Rentenversicherungen. Auch da ist eine Kürzung erfolgt. Wir haben ja heute die Demonstration vor dem Landtag erlebt, die uns vor Augen geführt hat, was das im Einzelfall für die davon betroffenen Menschen bedeutet.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09. Februar 2010 war ein wichtiges Datum für 6,7 Millionen Menschen in Deutschland, die auf Hartz-4-Leistungen angewiesen sind. Das Urteil, wonach alle Hartz-4-Sätze über alle Altersgruppen als grundgesetzwidrig eingestuft wurden, fordert den Sozialstaat heraus und erinnert Politik und Gesellschaft an ihre Verpflichtung, allen Betroffenen eine menschenwürdige Existenz zu verschaffen.
Die obersten deutschen Verfassungsrechtler haben die Hartz-4-Systematik - hier vor allem die Hartz4-Leistungen für Kinder - für verfassungswidrig erklärt und die Bundesregierung verpflichtet, bis spätestens 2011 eine Neuregelung vorzulegen. Es kann nicht geleugnet werden, dass die bisherigen Hartz4-Sätze weder der offiziellen Armutsdefinition der Europäischen Union entsprechen noch den Anforderungen an ein soziokulturelles Existenzminimum. Das ist in der Fachöffentlichkeit unbestritten.
Zu begrüßen ist auch die Regelung des Gerichts zu den Hartz-4-Zusatzleistungen im Rahmen der Härtefallregelung, die in bestimmten Fällen beantragt werden können, gerade auch was die Versorgung von Kindern betrifft. Die vom Verfassungsgericht verbindlich vorgeschriebene Gewährung von Zusatzleistungen für einen dauerhaften besonderen Bedarf, der bisher nicht abgedeckt ist, muss zügig umgesetzt werden. Da sind wir auf Landesseite natürlich immer wieder in der Pflicht zu schauen, welche Maßnahmen wir einrichten müssen. Das Schonvermögen bei Hartz-4-Beziehern zu erhöhen und die Zusatzverdienstmöglichkeiten zu verbessern, ist ein richtiger, aber keineswegs ausreichender Ansatz.
Ebenfalls dringlich ist die Befreiung armer Bevölkerungsgruppen von den Kosten der Gesundheit wie Praxisgebühr und Zuzahlungen bei Medikamenten sowie Hilfsmitteln. Die Zuzahlungen bei Medikamenten und bei Arztbesuchen führen im Ergebnis zu einem deutlich verschlechterten Gesundheitszustand der Betroffenen, da diese Kosten von ihnen nicht getragen werden können. Es gibt viele aussagekräftige Studien, die einen eindeutigen Zusammenhang herstellen zwischen Armut oder sozialer Lage und dem Gesundheitszustand; einmal abgesehen davon, dass Betroffene, die in den Genuss der Zusatzzahlungen kommen wollen, dafür aufwendige Belege einreichen müssen.
Die von der Bundesregierung vorgesehenen Sparvorschläge konterkarieren das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Hartz-4-Regelsätzen, die eigentlich im Ergebnis zu höheren Hartz-4-Leistungen führen müssten. Die jetzt ins Spiel gebrachten Sparvorschläge sind mit dem Urteil nicht vereinbar und stehen im Widerspruch zu dem geltenden Sozialstaatsprinzip.
Ebenfalls unsinnig sind die Sparmaßnahmen bei der Arbeitsmarktpolitik. Mit dem Wegfall von existenzsichernden Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt verbleiben die Hilfebezieher zwangsweise in der Abhängigkeit von Hartz 4. Das ist kontraproduktiv und letztlich auch teurer als Maßnahmen, die wieder in den Arbeitsmarkt hineinführen. Das Land ist hier gefordert, einen Haushaltstitel zu schaffen, um eine Kofinanzierung der Maßnahmen nach § 16 e SGB II sicherzustellen. Bisher scheitern insbesondere kleine und innovative Initiativen an der sogenannten Restfinanzierung. Die Arge bewilligte in der Vergangenheit 75 Prozent der Kosten, der Rest musste von den Trägern aufgebracht werden. Das ist bei kleinen Initiativen oftmals nicht möglich.
Die Sozialstudie Saar hat eine Reihe von Anregungen gegeben wie zum Beispiel die Einführung eines Sozialpasses, sie hat die Probleme von einkommensarmen Menschen bei Praxisgebühr und Zuzahlungen oder auch die Probleme bei Ein-Euro-Jobs angesprochen und deutlich gemacht, ebenso eine notwendige Kofinanzierung von Beschäftigungsmaßnahmen nach § 16 e Sozialgesetzbuch II durch den Landeshaushalt.
Ich fasse zusammen. Was hat die Studie an Aufgaben oder an Handlungsmöglichkeiten definiert? Da ist zum einen die Anhebung der zur Lebenssicherung gewährten Sozialleistungen auf ein existenzsicherndes, materielle Armut verhinderndes Niveau, also mindestens 60 Prozent des gewichteten Durchschnittseinkommens. Zweitens. Erarbeitung eines eigenen, bedarfsdeckenden, nicht von dem Erwachsenenregelsatz abgeleiteten Eckregelsatzes für Kinder und Jugendliche im Leistungsbereich des Sozialgesetzbuches II wie auch im Sozialgesetzbuch XII. Drittens. Generelle Befreiung aller Menschen unterhalb beziehungsweise an der Armutsschwelle von Kosten für die Gesundheit, zum Beispiel Praxisgebühr oder Zuzahlung bei Arzneimitteln. Viertens. Schaffung eines öffentlichen Beschäftigungssektors zur dauerhaften Beschäftigung von Menschen, deren Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt nicht gesichert ist. Fünftens. Überprüfung des Instruments Ein-Euro-Job auf die Wirkung hin sowie eine Wiedereinführung von erprobten Maßnahmen wie ABM. Schließlich und endlich die Einführung eines generellen gesetzlichen Mindestlohns unter Beteiligung der Tarifpartner. Diese Empfehlungen kann man der Studie entnehmen, wir sollten sie als Handlungsanweisung für unsere politische Arbeit nehmen. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Schnitzler. - Das Wort hat nun die Ministerin für Arbeit, Familie, Prä
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sozialstudie Saar stellt ausweislich des Autors eine Momentaufnahme der gegenwärtigen Lage und Entwicklung der vergangenen zehn bis zwölf Jahre im Saarland dar. Sie hat ein sehr differenziertes Bild gezeichnet, und ich bin dem Kollegen Scharf dankbar, dass er in seiner Rede darauf hingewiesen hat, wo die Probleme sind, die die Sozialstudie aufgezeigt hat, wo aber auch positive Entwicklungen im Saarland zu erkennen sind. Sie hat uns Felder gezeigt, in denen schon gehandelt wird beziehungsweise in denen die Ansätze weiter verfolgt und gebündelt werden müssen. Sie hat auch deutlich gemacht, wo in Zukunft noch weitere Vertiefungen, insbesondere auch Vertiefungsstudien notwendig sind.
Die Sozialstudie kommt selbst zu dem Schluss - ich darf zitieren -: Auf der Grundlage des vorliegenden Berichtes kann in einem nächsten Schritt ein konkreter Umsetzungsplan erarbeitet werden, der eine politische Bewertung vornimmt und inhaltliche Schwerpunkte setzt, Anknüpfungsmöglichkeiten an vorhandene Strukturen und Maßnahmen prüft sowie eine zeitliche Prioritätensetzung der Umsetzung vornimmt. Dies muss unter Berücksichtigung finanzieller Implikationen, Möglichkeiten und Grenzen erfolgen, wobei damit zu rechnen ist, dass für ein finanzschwaches Land wie das Saarland, das sich zudem in einem einschneidenden wirtschaftlichen Strukturwandel befindet, sozialpolitische Handlungsspielräume gerade in Zeiten einer Wirtschafts- und Finanzkrise begrenzt sein werden. - Das ist der Befund der Gutachter selbst.
Es ist heute hier an der einen oder anderen Stelle davon gesprochen worden, was zur Bekämpfung von Armut notwendig ist. Ich will mich auf das beschränken, was wir als Landespolitik mitgestalten können. Die Auffassung der Landesregierung, vor allem des Sozialministeriums, zum aktuell vorgelegten Bundeshaushalt - insbesondere an der einen oder anderen Stelle - ist bekannt. Diese Haltung wird sicherlich auch im Bundesrat so vertreten werden.