Protocol of the Session on August 25, 2010

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes hat in seinem Urteil vom 01. Juli dieses Jahres auf den Punkt gebracht festgestellt, dass die CDU-Regierung im vergangenen Jahr vor der Landtagswahl gleich mit mehreren Maßnahmen verfassungswidrig Wahlwerbung für die CDU gemacht hat. Ich ergänze an dieser Stelle: Sie hat es auch auf Kosten des Steuerzahlers gemacht.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn man sich das etwas bildhafter vorstellen will, kann man sagen, dass der Ministerpräsident Peter Müller mit den anvertrauten Steuergeldern dem CDU-Spitzenkandidaten Peter Müller verfassungswidrig unter die Arme gegriffen hat, um sich weiter an der Macht zu halten. Unabhängig von einer möglichen strafrechtlichen Relevanz dieses Verhaltens

bleibt festzustellen: So etwas geht nicht. So etwas ist Verfassungsbruch. Genau das hat der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes dem Ministerpräsidenten und der CDU ins Stammbuch geschrieben.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Kolleginnen und Kollegen, ein Justizminister und ein Ministerpräsident, dem Verfassungsbruch nachgewiesen worden ist, ist einmalig. Das ist wahrlich kein Ruhmesblatt für unser Land. Herr Ministerpräsident, Sie waren ganz offenkundig nicht in der Lage, zwischen Ihrem Amt als Ministerpräsident und der Funktion als Landesvorsitzender der CDU zu trennen. Das ist nicht nur ein Tiefpunkt der politischen Kultur in diesem Land, sondern schlichtweg Machtmissbrauch.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als wenn das alles noch nicht schlimm genug wäre, ist die CDU im Nachgang noch nicht einmal willens, die notwendigen Konsequenzen aus dem begangenen Unrecht zu ziehen. Deshalb fordere ich an dieser Stelle noch einmal mit allem Nachdruck die Landesregierung auf, die exakte Summe der für die verfassungswidrige Wahlwerbung eingesetzten Steuergelder zu beziffern, sie öffentlich zu machen und umgehend von der CDU Saar zurückzufordern.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Nur einmal grob geschätzt, dürften sich die Kosten für Anzeigenserien und Broschüren sowie die Verschickung des Briefes an alle Landesbediensteten und Pensionäre bei mehr als 100.000 Euro einstellen. Das sind Steuergelder, die der CDU und ihrem Wahlkampf durch die Hintertür zugeflossen sind. Verständnis für diese Situation hat in diesem Land niemand mehr. Ich kann zwar verstehen, Herr Ministerpräsident Müller, dass es Ihnen vielleicht unangenehm ist, als Ministerpräsident Peter Müller dem Landesvorsitzenden Peter Müller zu schreiben, er solle das Geld zurückzahlen, und für den Fall der Zuwiderhandlung anzukündigen, den Justizminister Peter Müller einzuschalten, aber das hilft alles nichts. Bei allem Verständnis: Die CDU Saar muss dem Land die Kosten für ihre Wahlwerbung ersetzen. Es kann nicht sein, dass die Vorgängerregierung CDU-Wahlwerbung auf Kosten der Steuerzahler in diesem Land macht.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Aber einmal abgesehen von dem objektiven Erfordernis erlauben Sie mir den Hinweis, dass Sie mit dieser Haltung ein katastrophales Bild in der Öffentlichkeit abgeben. Alle Welt schüttelt den Kopf. Die Menschen in diesem Land haben kein Verständnis für Ihre Verweigerungshaltung. Nicht einmal mehr die FDP als einer Ihrer Koalitionspartner kann das alles nachvollziehen. Herr Hinschberger, Respekt für

(Abg. Jochem (FDP) )

Ihre Äußerungen in der Presse hierzu, aus denen ich ganz kurz zitieren will. In der SZ vom 24. August heißt es unter anderem: „Die FDP würde es als gut befinden, wenn sich der Koalitionspartner CDU dazu entschließen könnte, angesichts der vom Verfassungsgerichtshof beanstandeten Wahlwerbung die Steuergelder an die Staatskasse zurückzuzahlen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Fraktionschef Horst Hinschberger sprach gestern vor der Landespressekonferenz von einem Stück politischer Kultur.“ Recht hat er, der Horst Hinschberger.

(Erneuter Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Was Ihnen aber noch viel mehr zu denken geben sollte, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, sind die öffentlichen Reaktionen. Dazu möchte ich stellvertretend aus einem Leserbrief in der Saarbrücker Zeitung vom Montag dieser Woche zitieren. Überschrieben ist er mit „Es verschlägt einem den Atem“, und fortlaufend im Text heißt es dann: „Wer das Land als legitime Beute des Wahlgewinners betrachtet, wird sich wohl auch nicht schämen, wenn er bei der unrechtmäßigen Verwendung von Steuermitteln ertappt wird. Die Weigerung, unrechtmäßig verwendete Steuermittel für Parteienwahlwerbung zurückzuzahlen, verschlägt auch Mitgliedern der eigenen Partei den Atem.“ Recht hat er, der Herr Lech, Verfasser dieses Leserbriefes. Er bringt es auf den Punkt: Die CDU hat sich das Land zur Beute gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren. Aber was ist das für eine Partei, der die Menschen in diesem Land so etwas nachsagen? Herr Ministerpräsident, Sie haben offensichtlich nicht nur das Gespür für Volkes Meinung verloren; Sie stellen sich vielmehr - das wiegt aus meiner Sicht sehr viel schlimmer - mit Ihrer Haltung über das Recht. Sie verstoßen einerseits gegen die Verfassung und lassen andererseits jegliches Unrechtsbewusstsein vermissen. Ich finde, das ist ein bemerkenswerter, ein bedauerlicher Verfall demokratischer und rechtsstaatlicher Grundwerte in der CDU.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Damit stehen Sie im Übrigen nicht nur fernab dessen, was man objektiv betrachtet von einer Regierungspartei verlangen kann. Nein, Sie verfehlen auch um Längen Ihre eigenen vollmundigen Ankündigungen. Anspruch und Wirklichkeit klaffen mittlerweile in eklatanter Art und Weise auseinander. Wenn Sie sich vielleicht erinnern mögen: 1999 haben Sie in Ihrer Regierungserklärung zum Amtsantritt verkündet, Sie wollten das neue Denken verkörpern und einen Neubeginn starten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was von diesem Anspruch ist rund 10 Jahre später wirklich übrig geblieben? Die Antwort fällt sehr kurz und prägnant aus: nichts. Ich will das an drei kleinen Beispielen deut

lich machen. Konkret hieß es 1999 zum Regierungsantritt, soweit es Ihren Anspruch anging - ich zitiere aus der Regierungserklärung -: „Die Landesregierung fängt beim Sparen bei sich selber an. Bevor anderen etwas zugemutet wird, sind wir selbst bereit, Opfer zu bringen.“ Heute sieht die Wirklichkeit freilich anders aus. Das Motto erinnert mehr daran: Man muss auch einmal auf Opfer verzichten können. Und bevor Sie anfangen, bei sich selbst zu sparen, sparen Sie lieber bei anderen. Selbstbedienung wie im Fall der Wahlwerbung und Selbstversorgung stehen ganz oben auf der Tagesordnung.

Zweites Beispiel. Ebenfalls 1999 hieß es im Rahmen des Regierungsantritts: „Uns ist bewusst, dass Demokratie Macht auf Zeit bedeutet. Die Verantwortung, die wir übernommen haben, gilt allen Menschen in diesem Land, nicht einer Partei. Wir sind uns bewusst, dass im Sinne Dolf Sternbergers Regieren nicht Herrschen bedeutet.“ Heute bedeutet Ihnen Macht alles. Staat und Partei werden nicht mehr getrennt. Die Menschen im Land formulieren offen, dass sich die CDU den Staat zur Beute gemacht hat.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

1999 heißt es weiter - das soll das letzte Beispiel sein -: „Ein Ministerbüro ist kein Parteibüro. Damit kann man nicht umgehen, wie man will.“

(Abg. Jost (SPD) : Wer war das? Wer hat das gesagt? - Weitere Zurufe.)

So weit der Anspruch damals. Heute, in der Wirklichkeit, steht fest, dass Sie mit den Steuergeldern aus dem Büro des Ministerpräsidenten heraus verfassungswidrig Wahlwerbung für die CDU gemacht haben. Das Ministerpräsidentenbüro ist also wohl doch Parteibüro und ganz praktisch auch noch das Büro des Justizministers.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Liste der Rechtsverstöße, Tricksereien und politischen Fouls ist lang. Ich will zum Ende meiner Rede nur einige Dinge noch kurz erwähnen. Wir haben als Erstes den Verstoß gegen die Verfassung, wir haben die Zweckentfremdung von Steuergeldern, wir haben einen nicht auszuschließenden Verstoß gegen das Parteiengesetz, wir haben damit die Verschaffung eines unrechtmäßigen Vorteils in der Wahlauseinandersetzung mit den anderen Parteien. Ob dies als ein Verstoß gegen wesentliche Wahlrechtsvorschriften auch Auswirkungen auf die Gültigkeit der Landtagswahl insgesamt haben wird, das werden wir im Zusammenhang mit der Prüfung eines anderen Verstoßes - nämlich der Vorbereitung eines Stimmzettels, auf dem nur noch das Kreuz bei der CDU gefehlt hätte - untersuchen müssen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, jeder Verstoß ist für sich genommen schon unerhört. In der Gesamtheit sind sie jedoch schlichtweg ein Skandal. Sie

(Abg. Rehlinger (SPD) )

sind einer Regierungspartei unwürdig. Herr Ministerpräsident Müller, dafür tragen Sie die politische Verantwortung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rehlinger. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Roland Theis von der CDU-Landtagsfraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der Fraktion der SPD dankbar für diesen Antrag,

(Zurufe von der SPD)

weil sie damit die Gelegenheit gibt, das eine oder andere, was an rechtlichen Halbwahrheiten und politischen Kommentierungen in den vergangenen Wochen im Raum stand, richtigzustellen und wiederum zu kommentieren.

Was sind die Fakten, über die wir uns heute unterhalten? Vor der Landtagswahl am 30. August 2009 hat die alte Landesregierung - wie im Übrigen alle Vorgängerregierungen seit Jahrzehnten - im Rahmen der ihr verfassungsrechtlich zustehenden Öffentlichkeitsarbeit Hinweise publiziert. Diese Hinweise betrafen Programme der Landesregierung, Veranstaltungen beispielsweise zum Tag der Deutschen Einheit, die Tarifpolitik der saarländischen Landesregierung und andere Erfolge der vergangenen Jahre. Dies geschah - und das ist unstrittig, auch in den Unterlagen zu den Verfahren vor dem Verfassungsgericht - zum einen in Übereinstimmung mit der Praxis, wie sie die Landesregierungen im Saarland seit Jahrzehnten pflegen. Alle Parteien, die bisher im Saarland Regierungsverantwortung getragen haben - sei es die SPD, die CDU oder die FDP -, haben sich dieser seit Jahrzehnten geübten Praxis angeschlossen.

Es war zum anderen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 26. März 1980. Nach der Landtagswahl, und das ist das zweite Faktum, hat nun der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes diese bisherige Praxis aller Landesregierungen der vergangenen Jahrzehnte korrigiert und in der schwierigen Abgrenzungsfrage zwischen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit und einer diese Zulässigkeit überschreitenden Grenze vor Wahlen klare und neue Kriterien entwickelt. Wie ist dieses Faktum zu beurteilen?

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen. - Zuruf des Abgeordneten Maas (SPD).)

Herr Maas, Sie brauchen nicht dazwischenzurufen, Sie kommen nachher auch noch dran. Ich bin ge

spannt, was die SPD heute Abend an die saarländische Staatskasse zu überweisen hat. Es ist eine normale Entwicklung im Rahmen der Rechtsprechung eines Verfassungsgerichtes, wie es in allen Bereichen des Rechts Veränderungen gibt, die gesellschaftlichen, ökonomischen, aber auch kulturellen Entwicklungen Rechnung tragen. Es ist wie beim Zivilrecht der Fünfzigerjahre, bei dem das, was früher sittenwidrig war, heute mehr als akzeptiert ist. Genauso wird im Polizeirecht das, was in den Sechzigerjahren als angemessen galt, heute als Eingriff und nicht mehr als verfassungskonform angesehen. Genauso gibt es auch hier Veränderungen, neue Festlegungen und Richtlinien.

Früher galten zwei entscheidende Kriterien für die Frage, was zulässige Öffentlichkeitsarbeit ist, nämlich zum einen die Form einer Publikation, die informativ und sachlich, statt reißerisch und plakativ sein musste, und zum anderen die Häufung der Öffentlichkeitsarbeit als Kriterium dafür, dass es ein unzulässiges Anwachsen der Öffentlichkeitsarbeit gab. Es ist zunächst wichtig festzuhalten, dass diese Kriterien der Öffentlichkeitsarbeit von der vergangenen Landesregierung eingehalten worden sind. Das ist ebenfalls unumstritten, denn nicht einmal Sie, Frau Rehlinger, haben etwas anderes vorgetragen.

Heute, und auch das ist ein Faktum, sind diese Kriterien enger geworden. Das Gebot der größeren Zurückhaltung staatlicher Stellen ist gestärkt worden. Damit ist die Zulässigkeit von Öffentlichkeitsarbeit aller staatlichen Stellen, sowohl im Land als auch in den Kommunen, wo wir zurzeit Wahlkämpfe beobachten, beschränkt worden. Das ist etwas, was von uns allen, die auf Landesebene, aber auch in den Kommunen in diesen Positionen sind, in Zukunft befolgt werden muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist zunächst einmal etwas Positives. Denn durch diese Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof für das Saarland Klarheit geschaffen in einer Frage, die einerseits in der Rechtswissenschaft umstritten war. Wer sich an der Universität des Saarlandes unter den Hochschullehrern zum Verfassungsrecht umhört, wird dort Meinungen finden, die die Position stützen, die der Verfassungsgerichtshof einnimmt, aber auch Meinungen, die die Position der saarländischen Landesregierung stützen. Andererseits wird für das Saarland Klarheit in einer Frage geschaffen, die auch unter den Verfassungsgerichtshöfen der Länder umstritten war und auch in der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umstritten und in Bewegung bleibt.

(Zuruf des Abgeordneten Commerçon (SPD).)

Der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes spricht deshalb zu Recht von einer schwierigen Abgrenzung im Einzelfall, weil es eine Abgrenzung durchzufüh

(Abg. Rehlinger (SPD) )

ren gilt zwischen zwei von der Verfassung vorgesehenen Verpflichtungen staatlicher Stellen. Zum einen, und das ist nicht im Streite, das aus dem Demokratieprinzip und dem Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien abgeleitete Prinzip der staatlichen Neutralität in Wahlkampfzeiten, zum anderen das ebenfalls aus dem Demokratieprinzip abzuleitende Gebot der Transparenz staatlichen Handelns durch sachliche und wahrhaftige Information durch Landesregierungen oder kommunale Verwaltungsspitzen. Dabei galt stets, und das hat sich nicht verändert, dass staatliche Informationen in Wahlkampfzeiten, aber auch sonst, sachlich sein und der Wahrheit entsprechen müssen. Sie müssen wahre Tatsachen enthalten. Es muss festgehalten werden, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Landesregierung auch diesem absoluten Kriterium stets standhielt. Etwas anderes hat der Verfassungsgerichtshof nicht gesagt.

(Lachen bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn Sie die Wiedergabe von wahren Tatsachen für Wahlwerbung für die CDU halten, dann spricht das zunächst einmal für die erfolgreiche Politik der CDU und nicht für Ihre Argumentation vor dem Verfassungsgerichtshof. Auch das muss an dieser Stelle festgehalten werden.

(Beifall von der CDU. - Zuruf der Abgeordneten Rehlinger (SPD).)

Das Gebot der Zurückhaltung staatlicher Amtsträger in ihrer öffentlichen Funktion in Wahlkampfzeiten hinsichtlich ihrer Publikationen und Veröffentlichungen, aber auch hinsichtlich ihres öffentlichen Auftretens als Amtsträger gilt in Zukunft im Saarland stärker für alle Politiker in solchen Positionen.

(Abg. Commerçon (SPD) : Wir sind hier doch nicht im Kabarett. Das ist der Hammer!)