Es geht vom Ministerpräsidenten bis hinunter zum Beigeordneten eines Landkreises. Auch da könnte man aktuelle Beispiele bringen, dass man sich nicht zurückhaltend verhält. Das will ich aber beiseite lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Herr Maas, dieser Antrag, für den ich Ihnen einerseits dankbar bin, ist lediglich der Versuch, politisches Kapital aus einer Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu schlagen.
Für mich lässt das den Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof vermissen. Das ist Ihr Selbstverständnis von Opposition. Wenn man aber weiß, lieber Herr Maas, dass Sie in den letzten fünf Wochen vor der Landtagswahl 1999 als Minister für Umwelt des Saarlandes Broschüren im Wert von 220.000
DM in Auftrag gegeben haben, wenn man weiß, dass dies nach der heutigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes grob verfassungswidrig wäre, und wenn man weiß, dass nicht nur in den letzten drei Monaten, sondern gar in den letzten sechs Wochen mehr als 100.000 Euro für zehntausende von Werbematerialien für die Politik der SPD angefertigt wurden, dann beweist dieser Antrag, dass Sie nicht den notwendigen Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof haben.
Frau Präsidentin, ich bin in einer Sekunde fertig, dann können wir alles diskutieren. Dieser Beweis, Herr Maas, wäre nicht mehr nötig gewesen, der Antrag im Übrigen auch nicht. Deshalb lehnen wir ihn ab. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Theis. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Professor Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.
(Abg. Jost (SPD) : Heinz, erklär uns nun einmal, wer vor Gericht gewonnen hat. Haben wir das falsche Urteil? - Lachen bei der Opposition.)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte für die Fraktion DIE LINKE erklären, dass wir uns voll inhaltlich dem Antrag der SPD anschließen und ihn unterstützen.
Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Herr Theis, was Sie eben dargestellt haben, ist ein Stück pure Demagogie, lenkt vom Inhalt ab und nimmt die Konsequenzen des Urteils überhaupt nicht auf. Ich weise das in aller Entschiedenheit zurück.
Ich finde, das ist kein Umgang mit dem Urteil des Verfassungsgerichts, das dieser Tage sehr eindeutig ist. Ich fordere Sie auf, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. In der Art und Weise kann man mit einem solchen Urteil nicht umgehen. Das ist Ablenkung. Mit einer derartigen Argumentation trägt man dazu bei, dass Politik für die Menschen in diesem Land nicht mehr verständlich ist. Das ist pure Ablenkung, die ich so nicht akzeptieren kann. Ich finde diesen Beitrag, das muss ich Ihnen ehrlich sagen, völlig unangemessen für diesen Landtag. Ich
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der der Minister für Bundesangelegenheiten und Kultur, Herr Rauber.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bierbaum, trotzdem sind die Fakten, die vor dem Verfassungsgerichtsurteil vonseiten der Landesregierung genannt wurden, für die Landesregierung immer noch gültig, denn die Argumente sind die gleichen. Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Urteil am 01. Juli 2010 neue Maßstäbe für die Öffentlichkeitsarbeit gesetzt. Dies hat der Kollege Theis deutlich gemacht. Es wurden Kriterien neu definiert, die helfen sollen, in Zukunft das Gebot der Neutralität und der Chancengleichheit bei Wahlkämpfen sicherzustellen.
Aus diesem Urteil resultieren durchaus Feststellungen, und die betreffen nicht nur - auch darauf hat der Kollege Theis hingewiesen - die Landesregierung, sondern alle staatlichen Institutionen, also auch die Gemeinde- und Kreisverwaltungen in unserem Land, also auch die Bürgermeister, Landräte und Verwaltungen. Auf welcher Ebene auch immer, werden sie sich zukünftig an den Leitplanken dieses Urteils auszurichten haben.
Das heißt also, alle politischen Verantwortlichen in diesem Land müssen sich darüber im Klaren sein, dass in Zukunft andere, vor allem engere Maßstäbe für die Öffentlichkeitsarbeit gelten als bisher. In zeitlicher Nähe zu Wahlgängen wird künftig eine wesentlich größere Zurückhaltung der Verwaltung erwartet, als das in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten, auch zu den Zeiten der SPD-Landesregierung - ob unter Ministerpräsident Klimmt oder unter Ministerpräsident Lafontaine - der Fall war, und zwar jahrzehntelang.
Daher finde ich es zunächst einmal grundsätzlich in Ordnung, die Auswirkungen dieses Urteils auch auf parlamentarischer Ebene zu diskutieren, wie wir dies heute tun. Und wir stellen uns diesem Urteil, auch wenn wir selbstverständlich von einer anderen Interpretation und Bewertung ausgehen als Sie, meine Damen und Herren von der Opposition.
Wie sagte doch so schön der Vorsitzende der LINKEN heute Morgen? Wenn es passt, dann passt’s. Die einen so, den anderen so.
Die Landesregierung hat das Urteil zur Kenntnis genommen, und dieses Urteil setzt klare Maßstäbe für die zukünftige Öffentlichkeitsarbeit. Das ist auch grundsätzlich gut so. Der Verfassungsgerichtshof hat meines Erachtens zu Recht darauf hingewiesen, dass die Abgrenzung zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit auf der einen Seite und verfassungswidriger parteiübergreifender Wahlbeeinflussung auf der anderen Seite im Einzelfall sehr schwierig ist. Da hilft nun die gefundene Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, auch wenn wir bei allem Respekt vor dem Urteil weiterhin der Meinung sind, den verfassungsrechtlichen Rahmen nicht überschritten zu haben.
Das Verfassungsgericht selbst hat klargestellt, das eine Landesregierung nicht nur befugt, sondern geradezu gehalten ist, Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. Es heißt dort, ich zitiere: Sie darf und muss, um ihre Aufgaben erfüllen zu können und den unerlässlichen Grundkonsens der Bürgerinnen und Bürger zu erhalten, ihre Maßnahmen und Vorhaben darstellen und erläutern und - ich zitiere wieder - zur notwendigen Transparenz in einem demokratischen Gemeinwesen beitragen. Genau an diese Prinzipien und Vorgaben hat sich die Öffentlichkeitsarbeit der saarländischen Landesregierung nach meiner Auffassung gehalten. Eine Vielzahl von Pressemeldungen, Veranstaltungen und Broschüren und weiteren Publikationen dienten dem Ziel, Transparenz über die Regierungsarbeit herzustellen, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen bei den ebenso notwendigen wie erfolgreichen Veränderungen, die wir zur Entwicklung dieses Landes in den vergangenen Jahren eingeleitet haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren von der Opposition, ich kann ja verstehen, dass Sie in Ihrer wenig erfreulichen Gesamtsituation jeden Strohhalm ergreifen und jede Möglichkeit einer Skandalisierung nutzen.
Ich kann verstehen, dass Sie versuchen, die Öffentlichkeitsarbeit der Vorgängerregierung in einem Zerrbild erscheinen zu lassen, dass Sie versuchen, dem Ganzen ein völlig überdimensioniertes Gewicht und eine unzulässige Interpretation zu geben. Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, in den vergangenen Jahren sei die Öffentlichkeitsarbeit auf Machterhalt und Selbstdarstellung ausgerichtet gewesen. Ich weise all diese Übertreibungen und Polemisierungen zurück, nicht nur im Blick auf die Öffentlichkeitsarbeit insgesamt, sondern auch im Blick auf die vom Verfassungsgerichtshof monierten Anzeigen und Broschüren.
Ich frage Sie: Was ist verwerflich daran, wenn der Ministerpräsident die Bürgerinnen und Bürger aus aktuellem Anlass über das seinerzeit neu aufgelegte Förderprogramm „Wohnen im Alter“, seine Förderbedingungen und das Beantragungsverfahren informiert?
Was ist verwerflich daran, wenn der Ministerpräsident Bürgerinnen und Bürger, auch Unternehmen und Betriebe im Saarland über das Konjunkturpaket Saar informiert? Wir alle wissen doch, welche Befürchtungen und Ängste angesichts der dramatischen Wirtschafts- und Finanzkrise in der Bevölkerung grassierten, wie notwendig angesichts dieser Krise entschlossenes Regierungshandeln und das Ankurbeln der heimischen Wirtschaft waren.
Wir haben das getan. Wir haben eine Fülle von millionenschweren Investitionen in diesem Land auf den Weg gebracht, haben darüber informiert und dadurch, glaube ich, zu einem Erfolg beigetragen, der nun statistisch in geradezu beachtlichen Wachstumszahlen belegbar ist. Was ist daran verwerflich?
Ich frage Sie: Was spricht gegen eine Anzeige zum Biosphärenreservat Bliesgau, gegen eine Anzeige mit dem Titel „Abwrackprämie für alte Heizkessel und Solarprämie für Sonnenstrom“ oder gegen eine Anzeige zu den Feierlichkeiten anlässlich des Tages der Deutschen Einheit? Bei allem Respekt vor dem Verfassungsgerichtshof, dessen Urteil wir wie gesagt akzeptieren und respektieren, stellen aus unserer Sicht alle diese Informationsmaßnahmen
keine Grenzüberschreitung, keine unzulässige Wahlwerbung und keine Beeinträchtigung der Chancengleichheit im Wettbewerb der Parteien dar.
Es wurden alle Fakten zutreffend dargestellt, keine einseitigen Wertungen vorgenommen und schon gar nicht zur Wahl irgendeiner Partei bei irgendeiner Wahl aufgerufen. Was ist daran dann zu beanstanden?
Gleiches gilt nach meiner Auffassung auch für die 11-seitige Broschüre „Saarland - aber sicher“. Hier geht es um die Verhütung von Kriminalität, soweit sie durch Jugendliche verübt wird. Es geht damit um ein wichtiges gesellschaftspolitisches Thema. Hier hat das damalige Ministerium für Inneres und Sport zutreffende statistische Fakten ebenso zusammengetragen wie eine Übersicht präventiver und polizeilicher Maßnahmen, und dies nicht mit reißerischem Marketing-Getöse, sondern in Form sachlicher Dokumentation und Tatsachenbeschreibung. Was soll daran anstößig oder manipulativ sein?
Schließlich der Brief des Ministerpräsidenten an die Beamten und Richter, in dem der Ministerpräsident in sachlicher Weise und auf der Basis von Tatsachenbehauptungen über tarifliche Entwicklungen der letzten Jahre informiert hat. Aus meiner Sicht ist das eine lupenreine, ausschließlich tatsachenbasierte Informationsleistung, denn nach der Föderalismusreform I hat das Saarland, wie Sie alle wissen, die zentrale Gesetzgebungskompetenz für die Besoldung und Versorgung seiner Beamten und Richter erhalten. Davon hat das Land insbesondere durch das Gesetz zur Anpassung von Besoldungs- und Versorgungsbezügen in den Jahren 2009 und 2010 Gebrauch gemacht. Für den Staatshaushalt des Saarlandes stellt insbesondere die Erhöhung der Grundgehaltssätze um 3 Prozent ab dem 01. März 2009 und weitere 1,2 Prozent ab dem 01. März 2010 eine nicht zu unterschätzende finanzielle Herausforderung dar.
Angesichts dessen und im Hinblick auf die Besonderheit des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses muss es doch dem Ministerpräsidenten als oberstem Vertreter des Dienstherrn möglich sein, sich unmittelbar und persönlich an seine Beamten und Richter zu wenden. Der Ministerpräsident tritt mit einem solchen Schreiben auch in einen Dialog mit den Bediensteten ein, indem er in sachlicher Weise über die Entwicklung, Besoldung, Versorgung, Entlohnung sowie über deren Hintergründe informiert. Gehen Sie davon aus: Es kamen aufgrund dieses Schreibens des Ministerpräsidenten vonseiten der Bediensteten viele Schreiben zurück.
Ich kann nicht erkennen, was daran politisch oder verwerflich sein soll, wo hier die Grenzüberschreitung in Richtung einer unzulässigen Öffentlichkeitsarbeit gegeben sein soll.
Was ich vor allem nicht verstehe, ist die künstliche Aufregung einmal Ihres Kollegen Maas in der Öffentlichkeit und heute der Opposition hier im Hause, die sich geradezu als Gralshüter der politischen Kultur und der öffentlichen Moral aufführen. Sie tun so, als seien Sie über jeden Zweifel erhaben und frei von jedem Verdacht, jemals die Grenzen zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und verfassungswidriger Wahlbeeinflussung überschritten zu haben.