Protocol of the Session on September 21, 2017

(Vereinzelter Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daraus folgt für uns, dass alle Menschen einen Anspruch auf eine ausreichende Grundrente und nicht nur auf eine Grundsicherung auf Hartz-IV-Niveau haben. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Dreiminutenbeitrag hat Herr Abgeordneter Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einigkeit im Hohen Haus besteht darin, dass wir uns einig sind, dass die Rente sinken wird, dass Altersarmut steigen wird, wenn nicht gehandelt wird. Jetzt kann man sich überlegen, wie zu handeln ist. Da haben wir unterschiedliche Konzepte gehört, wir haben unterschiedliche Anträge auf dem Tisch liegen. Aber eines ist, glaube ich, richtig: Wir müssen dieser Entwicklung entgegensteuern, und zwar aktiv.

Deswegen ist es zu wenig, wenn im Jamaika-Antrag erklärt wird, man wolle das Vertrauen in die Rente stärken. Nein, wir erwarten, dass diese Landesregierung handelt und nicht nur vertrauensbildende Maßnahmen unternimmt. Wir wollen, dass das Rentenniveau auf 48 % stabilisiert und in der Perspektive sogar wieder angehoben wird. Wir wollen vermeiden und lehnen kategorisch ab, dass das Renteneintrittsalter angehoben wird. Wir wollen bei 67 Jahren bleiben, weil wir sagen, dass jede weitere Erhöhung ungerecht ist.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Wir wollen die Rentenversicherung stabilisieren, denn gesetzliche Rentenversicherung ist dazu da, den Menschen im Alter ein vernünftiges Auskommen zu geben und eine Lebensstandardsicherung zu leisten. Rentenversicherung ist nicht nur dazu da, Altersarmut zu vermeiden. Wer Rente darauf verkürzt, tatsächlich nur Altersarmut zu vermeiden, der leistet keinen Beitrag in dieser wichtigen Diskussion.

(Flemming Meyer)

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich will noch einmal hervorheben, was Altersarmut in Schleswig-Holstein bedeutet: Wir haben jetzt schon die Situation, dass über 20.000 ältere Menschen auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sind. Das heißt, da reicht die Rente schon nicht mehr. Wenn die Kollegin Bohn zitiert hat, wie das Rentenniveau der gesetzlichen Rentenversicherung in Schleswig-Holstein ist, dann finde ich es eigentlich logisch, wenn man sagt: Wir müssen das verbessern. Nur ein Blick in den Antrag der Koalitionsfraktionen zeigt: Zur Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung steht kein Wort darin außer man will die private Altersvorsorge.

Da kommen wir wieder genau zu dem Punkt: Soll die Krankenschwester oder der Betonfacharbeiter von ihrem oder seinem Lohn in die private Rentenversicherung einzahlen? - Wir wissen doch, dass die Zahl der Niedriglöhne steigt, wir wissen, dass prekäre Arbeit in Schleswig-Holstein zunimmt. Von all denen verlangen wir dann, dass sie auch davon noch in die private Vorsorge einzahlen? - Das ist ein Irrweg. Das funktioniert nicht.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Ja, gerne.

Herr Kollege Baasch, da Sie so vehement erklären, dass die Sozialdemokratie schlechthin für das starre Renteneintrittsalter 67 sei: Ist der letzte Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, von dem ich noch vor einigen Wochen gehört habe, dass er eine starre Altersgrenze für den Renteneintritt für falsch hält, aus der SPD ausgetreten, oder gehört er noch zu Ihnen?

- Der Kollege Steinbrück oder vielmehr Genosse Steinbrück ist, glaube ich, noch Genosse. Ich habe zumindest nichts anderes gelesen. Insofern gilt für den genau dasselbe wie bei Ihnen in Ihrer Partei: Wenn Sie in Ihrer Partei etwas beschließen, dann halten Sie sich doch auch daran, oder?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Meistens! - Hei- terkeit - Beifall Birte Pauls [SPD])

- Ja, sehen Sie, das ist wie mit dem Jamaika-Antrag: „Wir streben nicht an, aber es könnte sein …“ Oder wie der Kollege Buchholz: „Mindestlohn finden wir irgendwie ja doch scheiße“ - Entschuldigung -, „finden wir doch nicht gut, aber wir machen es, weil etwas dazu im Koalitionsvertrag steht.“

Libertär kann man immer sein, das hilft einem vielleicht beim eigenen Gewissen, wenn man überhaupt eins hat. Ich finde, das war keine besonders schlaue Frage, Herr Kollege.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Die Antwort war angemessen! - Christopher Vogt [FDP]: Ihr seid ja so gute Menschen!)

Ich glaube, dass Grundsicherungsleistungen nicht das Ziel für Menschen sind, die ihr Leben lang gearbeitet haben. Ich glaube, dass der Jamaika-Antrag in seiner Formulierung da sehr dünn und sehr watteweich ist, im Grunde genommen die zarteste Versuchung, seit es einen Antrag bei Jamaika gibt. Wenn das Wort gesetzliche Rentenversicherung nicht vorkommt und man nur auf private Vorsorge im Alter setzt -

Kommen Sie bitte zum Ende!

Ja. Herr Kollege Kalinka, das ist eher so, dass das schon wieder der neoliberale Geist ist, den man beschwören kann.

(Zurufe FDP)

Ich kenne Sie als Sozialpolitiker anders. Insofern glaube ich, dass es richtig wäre, wenn Sie Ihren Antrag ordentlich überarbeiten würden.

Herr Abgeordneter, die Zeit ist jetzt abgelaufen.

Ja. Ein letzter kurzer Satz zum SSW-Antrag: Ich glaube, wir sind uns einig in dem, was wir wollen. Bei uns heißt es Solidarrente, bei euch heißt das Mindestrente. Aber das kriegen wir, glaube ich, gemeinsam geregelt.

(Beifall SPD und SSW)

(Wolfgang Baasch)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte kurz auf drei Debattenbeiträge eingehen. Erstens. Herr Kollege Kalinka, Sie haben hier so beschworen, man könne sich auf das Wort der Kanzlerin verlassen. Die Kanzlerin hat gesagt, sie sehe keinen Handlungsbedarf in dieser Legislaturperiode. Das führt automatisch zu einem Absinken des Rentenniveaus auf 43 %. Das ist Fakt. Sie hat übrigens vor der letzten Wahl gesagt: Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.

(Zurufe FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie haben das doch umgesetzt! - Zurufe Stephan Holowaty [FDP] und Christopher Vogt [FDP])

Mit anderen Worten, Herr Kollege Kalinka: Niemand hat die Absicht, das Renteneintrittsalter zu erhöhen! - Das kennen wir schon.

Zweitens. Frau Kollegin Bohn, Sie haben von einem Signal gesprochen, das dieser Antrag geben könnte. Wenn jemand mit so wachs- und windelweichen Formulierungen Anträge schreibt, fragt man sich, wo das Signal eigentlich liegen soll. Was davon zu halten ist, hat man spätestens - das ist eigentlich mein Hauptpunkt - bei dem Beitrag des Kollegen Bornhöft gehört. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Den Menschen zu erzählen, sie sollten doch bitte mehr vorsorgen und man könnte auch länger arbeiten, empfinden Geringverdiener, die kaum etwas haben, als ausgesprochenen Zynismus. Das hier in so yuppihafter Schnodderigkeit vorzutragen, das, muss ich Ihnen ehrlich sagen, ist für viele Menschen in diesem Land, die hart gearbeitet haben und höhere Löhne brauchen, eine Frechheit.

(Beifall SPD und SSW)

Herr Kollege Bornhöft, Sie sollten auch nicht über Buchhalter und Buchhändler spotten. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Buchhalter mögen vielleicht kapitalgedeckte Systeme erklären können, aber die platzen dann, Buchhändler verkaufen auch kluge Bücher über soziale Sicherung, die man vielleicht einmal lesen sollte, bevor man sich so äußert, wie Sie das gerade hier vor diesem Hohen Hause getan haben.

(Beifall SPD)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Christopher Vogt?

Aber gern.

Herr Dr. Stegner, nun ist ja allgemein bekannt, dass Sie sich mit Theatralik auch wissenschaftlich beschäftigt haben, aber ich muss ganz ehrlich sagen, dass Ihr Auftritt, den Sie heute hinlegen, wirklich bemerkenswert ist. Sie tun so, als hätten Sie all die Jahre damit nichts zu tun gehabt. Private Vorsorge geißeln Sie hier als große Ungerechtigkeit.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer hat die Rie- ster-Rente eingeführt? - Die ist von Ihnen!)

Die Riester-Rente trägt nicht zufällig den Namen Ihres Parteifreundes Walter Riester, der sie vor einigen Jahren eingeführt hat. Ob das so klug war in der Form, darüber kann man streiten, aber es ist doch ein zentrales Element der sozialdemokratischen Rentenpolitik gewesen. Wenn Sie sagen, wenn andere überhaupt über die private Vorsorge sprechen, sei das eine große Ungerechtigkeit, dann muss ich doch ganz ehrlich fragen: Warum sind Sie eigentlich noch Mitglied der SPD? - Das frage ich mich an diesem Tage wirklich.

(Beifall FDP, CDU und AfD)

- Verehrter Herr Kollege Vogt!

Ich bin noch nicht ganz fertig, Frau Präsidentin. - Ein letzter Punkt, der mich wirklich fassungslos macht. Die Heuchelei in dieser Debatte ist wirklich schwer zu ertragen. Franz Müntefering hat doch in der letzten Großen Koalition das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöht. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass es, wenn ich Ihre Reden heute höre, offenbar wieder ein Büroversehen von Franz Müntefering war, dass das Renteneintrittsalter erhöht wurde. Denn man muss doch ganz ehrlich sagen, dass Sie, wenn Sie sagen, es dürfe nichts verändert werden, immer noch nichts dazu gesagt haben, wer das eigentlich alles bezahlen soll und wie das alles finanziert werden soll. Dazu würde ich gern einmal etwas von Ihnen hören statt nur Polemik. Das ist ein paar Tage vor der Wahl wirklich unangemessen.

(Beifall FDP und CDU)

- Lieber Herr Kollege Vogt, erstens haben wir in dieser Legislaturperiode gegen die Union - die hat sich dann dazu bereitfinden müssen; wir haben uns darauf verständigt; das war nicht ihr Konzept, und Sie, die FDP, haben uns übrigens dafür kritisiert, die Grünen auch - vereinbart und dafür gesorgt, dass Menschen, die 45 Jahre lang gearbeitet haben, mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können, aufwachsend bis 65 Jahre. Sie haben das kritisiert und Egoismus genannt. Ich finde das richtig. Denn jemand, der mit 15 Jahren auf dem Bau, in der Pflege oder an der Kasse anfängt zu arbeiten, kann nicht so lange arbeiten wie ein Akademiker, der mit Mitte 20 in den Beruf geht, ein höheres Einkommen und auch zehn Jahre mehr Lebenserwartung hat.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Das haben Sie kritisiert. Das war die Veränderung an dem Konzept, die die SPD vorangebracht hat.

Zweitens. Ich habe mir nicht nur vor diesem Hohen Haus, sondern auch schon sehr häufig in der Öffentlichkeit erlaubt, eine eigene Meinung zu haben, auch innerhalb meiner Partei - die ist in diesem Punkt übrigens mehrheitsfähig -, und gesagt: Die Riester-Rente hat nicht funktioniert, denn diejenigen, die sie brauchten, konnten sie sich nicht leisten, diejenigen, die sie sich leisten konnten, brauchten sie nicht. Wir brauchen nicht diesen kapitalgedeckten Unsinn, sondern wir brauchen eine Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung.