Protocol of the Session on November 14, 2019

ren die Arbeitsplatzsituation. Bei der Untersuchung, auf die ich mich bezogen habe, geht es um geringfügige Verstöße im Bereich der Arbeitsplatzsituation. Was ich gesagt habe, bezieht sich nicht auf den Bereich der Unterbringung. Da haben Sie natürlich recht. Das habe ich aber in meiner Rede auch gesagt.

Es geht um fragwürdige Wohnverhältnisse. Um Klarheit über die Situation hier vor Ort zu bekommen und Auswüchse zu bekämpfen, hat unser Sozialministerium unter Minister Heiner Garg Anfang 2018 eine Kampagne gestartet. Die Arbeitgeber wurden über die einzuhaltenden Standards informiert, und die Umsetzung wurde und wird kontrolliert.

(Beifall FDP)

Jetzt kann man natürlich einwenden: Die schwarzen Schafe wurden auch noch vor den Kontrollen gewarnt. Da frage ich: Ist das im Endeffekt nicht unerheblich? Was wollen wir denn: Wollen wir krampfhaft einen Schuldigen finden, oder wollen wir die Situation für die Menschen vor Ort verbessern? Es ist doch das Ergebnis, das zählt und dass uns in jedem Fall eine Verbesserung für die betroffenen Menschen gelingt.

(Beifall FDP)

Ende 2019/Anfang 2020 wird diese Kampagne abgeschlossen sein. Die Erfahrungen werden uns helfen, zukünftig effizient und wirksam Aufsicht zu führen.

Natürlich gibt es noch Ermittlungsbedarf. Der Bericht verweist dabei auf die Unterbringungssituation der Beschäftigten. Die Unterkünfte müssen natürlich angemessen sein. Die Arbeitgeber dürfen keinen Mietwucher betreiben. Die Arbeitgeber müssen ihrer Verantwortung und ihrer Selbstverpflichtung im Verhaltenskodex, den sie freiwillig abgeschlossen haben, gerecht werden. Aber vor Abschluss der Informations- und Überprüfungskampagne liegen uns keine belastbaren Zahlen vor. Auch der vorliegende Bericht bleibt in diesem Bereich zwangsläufig vage. Gibt es Missstände in nennenswerter Zahl, oder bleibt es bei Einzelfällen? Sind Arbeitsinspektoren vor Ort erforderlich? Greift die Selbstverpflichtung der Arbeitgeber? Muss es eventuell eine staatliche Aufsicht auch über Mietwohnraum geben?

Wir können über alles reden, aber wir sollten nur über Dinge reden, die sinnvoll sind. Erst wenn wir Ergebnisse haben, können wir diese und andere Fragen beantworten.

(Kay Richert)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Bereich der industriellen Schlachtung hat es Missstände gegeben, und es wird sie möglicherweise auch immer noch geben. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, um eine Lanze für die Unternehmen zu brechen, die hier mit in den Fokus geraten, obwohl sie mit Missständen der Branche überhaupt nichts zu tun haben. Ich spreche von den Betrieben des Fleischerhandwerks. In den handwerklich arbeitenden Betrieben wird nach guter handwerklicher Tradition gearbeitet, und selbstverständlich vollkommen gesetzeskonform. Im Fleischerhandwerk sind viele Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt, gerade im ländlichen Raum. Mir ist kein Fall bekannt, in dem ein Betrieb des Fleischerhandwerks durch mangelnden Arbeitsschutz, durch würdelosen Umgang, Lohndumping oder Tricksereien aufgefallen wäre.

(Beifall FDP)

Wir von der FDP stehen hinter unserem Handwerk. Auch hier sind wir gut beraten, dem Handwerk einen guten Rahmen zu schaffen und zu erhalten. Damit tun wir den Beschäftigten und uns selbst einen Gefallen.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Bitte begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne den Präsidenten der Europa-Universität Flensburg, Professor Dr. Werner Reinhart.

(Beifall - Kay Richert [FDP]: Und von der Hochschule!)

- Und von der Hochschule. Entschuldigen Sie.

(Beifall)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Herr Richert, vielen Dank für die Klarstellung. In der Tat ist nicht das Handwerk gemeint. Das sind nicht die Leute, um die es um Wesentlichen geht, wenn es um Subunternehmungen, Werkverträge und Ähnliches geht. Das ist wirklich nicht der Problembereich.

Vielen Dank auch an das Ministerium für den Bericht. Um es vorweg zu sagen: Das Fazit des Berichts ist auch aus unserer Sicht mehr als bescheiden und veranschaulicht das Versagen der Landesregierung im Hinblick auf die Überwachung der Ar

beitsbedingungen in den Schlachthöfen des Landes. Im Bericht heißt es wörtlich - ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis -:

„Verbesserungen können erreicht werden, wenn die Schlachthofbetreiber von ihren Werkvertragsunternehmen konsequent einfordern, die im Verhaltenskodex und in der Selbstverpflichtung formulierten Standards einzuhalten. Auch wenn es Betriebe gibt, welche sich an die Standards des Arbeitsund Sozialrechts und an die Selbstverpflichtung halten, ist es unbestreitbar, dass Missstände weiterhin vorhanden sind. Von daher ist es richtig, dass die Landesregierung mit Informationen und gezielten Überwachungen hier tätig ist.“

Meine Damen und Herren, das ist Schnee in der Sonne, das ist nicht ausreichend, das ist nichts. Das im Bericht zitierte Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft, das GSA Fleisch, sieht nur in der Theorie gut aus. Nach dem GSA Fleisch sollen Firmen beispielsweise für Sozialabgabenbetrug ihrer Subunternehmer haften. Das ist nur ein Bereich, der darin geregelt ist. Es werden weitere Dinge genannt wie die rechtsfeste Dokumentation von Arbeitsstunden, faire und echte Löhne ohne die bereits beschriebenen konstruierten Abzüge durch Wohnraum und anderes, auch Arbeitsmittel, Hygiene am Arbeitsplatz und dergleichen mehr.

Diese hehren Ziele des Gesetzes nützen aber nichts, wenn es der Landesregierung nicht gelingt, die im Fazit des Berichts genannten beiden großen Baustellen endlich in den Griff zu bekommen. Da ist zum einen das Unwesen der Werkvertragsnehmer, für die das GSA Fleisch nicht gilt. So wird im Bericht unter anderem eine Firma exemplarisch genannt und dazu ausgeführt, dass auch diese den Verhaltenskodex der Fleischwirtschaft und der Selbstverpflichtung der Unternehmen für attraktivere Arbeitsbedingungen unterzeichnet hat.

Auch das liest sich nur auf dem Papier gut. Diese Firma ist eine der größten Schlachthofbetreiber der Bundesrepublik und beschäftigt nach eigenen Angaben 16.500 Mitarbeiter. Ebenso nach einigen Angaben sind die Hälfte davon Werkvertragsnehmer. Unternehmen wie diese nutzen Werkverträge sehr gern, und nicht selten umgehen sie so tarifliche Regelungen und unterlaufen den sozialen Schutz der Arbeitnehmer.

Für die Auftraggeber in diesem Industriezweig sind Werkverträge ein einfacher Weg, um Kosten zu spa

(Kay Richert)

ren und die eigene Belegschaft auf dem Papier zu verkleinern und letztlich auch aufzuspalten. Gegen diese Missstände muss endlich vorgegangen werden, sonst werden sich die Verhältnisse in den Schlachthöfen niemals wesentlich verbessern.

(Beifall AfD)

Gut gemeint ist bekanntlich das Gegenteil von gut. Gut gemeinte Gesetze wie das GSA Fleisch bringen rein gar nichts, wenn die Umsetzung nicht der Intention des Gesetzgebers folgt.

Damit bin ich bei der zweiten Baustelle, nämlich der Kontrolle. So heißt es in dem am Anfang zitierten Teil:

„Verbesserungen können erreicht werden, wenn die Schlachthofbetreiber von ihren Werkvertragsunternehmen konsequent einfordern, die im Verhaltenskodex und in der Selbstverpflichtung formulierten Standards einzuhalten.“

Meine Damen und Herren, hier ist doch zu allererst das Land in der Pflicht, für ausreichende Kontrollen und Überwachung zu sorgen. Die nach wie vor unzureichende Personalausstattung bei den Kontrollbehörden muss endlich beseitigt werden. Es geht hier um ein Vollzugsdefizit und nicht um ein Normendefizit.

Wenn das behoben sein wird - lassen Sie mich das zum Schluss sagen -, dann werden auch die Missstände bei der Schlachtung der Tiere wesentlich abnehmen. Auch beim Tierwohl sollten wir dann über neue Wege nachdenken. Das Landwirtschaftsministerium in Niedersachsen hat mit der Fleischwirtschaft, dem Handel und den Veterinärbehörden eine Vereinbarung zur Videoüberwachung in Schlachthöfen unterzeichnet, um Missstände bei Schlachtungen aufzudecken und abzustellen.

(Vereinzelter Beifall AfD)

Auch der Fleischerverband Nord, zu dem nicht nur Niedersachsen, sondern auch Hamburg, Bremen und ebenso Schleswig-Holstein gehören, hat dieser freiwilligen Vereinbarung zugestimmt. Das ist an dieser Stelle eine Anregung von mir. Ich würde mich freuen, wenn wir auch die Bereiche des Tierwohls mit in die Ausschussberatung einbringen können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für mich dokumentiert der Bericht die Hilflosigkeit staatlicher Kontrollbehörden. Weil die Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen laut Minister Albrecht unübersichtlich sind, überlassen er und seine Fachbehörden den Schlachthofbetreibern die Einhaltung von Standards. Meines Erachtens ist das eine Bankrotterklärung ersten Ranges, und zwar für Tiere und Menschen.

(Beifall SSW und SPD)

Zuerst die Tiere: Ein Schwein wird auf dem Spaltenboden von einer Muttersau geboren, die nicht einmal ihre Gliedmaßen austrecken kann. Danach leben die Tiere ohne frische Luft im Stall und werden dann stundenlang zum Schlachthof gefahren, wo vielen nicht einmal ein schmerzloser Tod gewährt wird.

Bevor etwas verbessert wird, sollen die Kapazitäten in Sachen Schweineschlachtung noch weiter erhöht werden. Zu den bereits jetzt jährlich 1,3 Millionen geschlachteten Schweinen sollen noch circa 400.000 Tiere dazukommen. Schleswig-Holstein, einig Schlachtland.

Damit werden die Transportwege weiter verlängert. Die alte SSW-Forderung nach einer Begrenzung von vier Stunden pro Tiertransport von Schlachtvieh wird bereits heute um ein Vielfaches übertroffen, und die Transporte werden wohl noch länger werden. Das ist meiner Meinung nach Tierquälerei.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Weh dem Menschen, wenn nur ein einziges Tier im Weltgericht sitzt“, warnte Christian Morgenstern schon vor hundert Jahren vor Tierquälerei und unethischem Umgang mit Tieren. Daran hat sich nicht viel geändert, zumindest nicht für die Tiere. Mit Erlaubnis zitiere ich aus dem Bericht:

„Es muss sichergestellt sein, dass sprachliche Barrieren nicht dazu führen, dass Anweisungen der amtlichen Tierärzte nicht umgesetzt werden und dies letztendlich zu Tierschutzverstößen führt.“

Diese Passivkonstruktion des Satzes verortet die Verantwortlichkeit für tiergerechtes Schlachten allerdings auf ein anonymes Irgendwer. Dabei ist der Staat hier in der Pflicht. Er muss die gesetzlichen Vorgaben durchsetzen. Das erwarten die Verbraucherinnen und Verbraucher von ihm.

(Claus Schaffer)

Wenn die Behörde Verstöße gegen Tierschutz vermutet - genau das tut sie, indem sie die begrenzten Kenntnisse der deutschen Sprache als Hindernis erkannt hat -, muss sie dem nachgehen und diese beseitigen und nicht die Verantwortung an die Schlachthofbetreiber übertragen. Die Schlachthofbetreiber sagen nämlich, dass ihnen die Hände gebunden seien, schließlich würden die allerwenigsten Beschäftigten in einem Schlachthof für den Schlachthof arbeiten. Der Rest arbeitet bei Werkvertragsfirmen.

(Die Saalbeleuchtung fällt kurz aus - Birte Pauls [SPD]: Das hast du jetzt echt nicht ver- dient!)

- Na ja, aber ich weiß ja, was der Geschäftsführer in Husum gesagt hat: dass nur 35 Angestellte bei ihm fest angestellt sind, die anderen 150 haben einen Werkvertrag.