Lieber Herr Kollege Dr. Stegner, ich weiß: Mit Ihnen über wirtschaftliche Zusammenhänge zu streiten, ist immer interessant. Ich will auf einen Punkt hinweisen, bei dem Sie, so glaube ich, einem Irrtum unterliegen. Sie sagen beim Wohnungsmarkt immer, da versage der Markt. Nein, das Problem ist, dass der Markt funktioniert. Wenn das Angebot zu knapp für zu viel Nachfrage gerade in den Zentren ist, dann steigen die Preise. Das ist ja das Problem. Das heißt, dass der Markt funktioniert.
Wenn Sie sagen, der Staat müsse handeln, dann sage ich: Das finde ich auch. - Aber Sie sind der Meinung, wenn Sie sagen, der Staat müsse handeln, dass der Staat Akteur sein müsse und Wohnungsgenossenschaften vergesellschaften müsse und so weiter. Ich meine, man muss die Bremsen lösen, Grundstücke bereitstellen und erlauben, dass Menschen Wohnungen bauen.
- Insofern, wenn ich den Satz noch sagen darf: Der Staat muss handeln, aber ich glaube, Sie unterliegen einem Irrtum beim Thema Wohnungsmarkt, denn all die Konzepte, die Sie jetzt präsentieren, auch gerade im Bundesland Berlin, sind zum Scheitern verurteilt und sind in der Vergangenheit immer gescheitert sind. Trotzdem laufen Sie jedes Mal gegen die gleiche Wand. Wir wollen das machen, was funktioniert. Deshalb unterscheidet uns das an der Stelle. Der Markt funktioniert. Wir müssen mit dem Markt arbeiten und nicht gegen ihn.
- Ich kann nur sagen: Das, was der reine Markt, wenn er nicht kontrolliert wird, regelt, führt dazu, dass Wohnungen gebaut werden, die sich Menschen mit normalen Einkommen nicht leisten können. Das ist Fakt. Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen: Hier fordert überhaupt niemand von unserer Seite, dass man Enteignungen als Mittel einsetzen sollte, um das zu regeln. Davon bekomme ich keine
neuen Wohnungen. Aber das Enteignungsrecht ist, anders als Ihr Fraktionskollege das gesagt hat, ein Notwehrrecht des Staates, um dort einzugreifen, wo wir teilweise kriminellen Mietwucher haben. So etwas haben wir ja. Schauen Sie sich manche der Großunternehmen an, die solche Wohnungen halten, die nichts tun, um sie zu modernisieren, und gar nichts machen, aber richtig groß Kohle damit machen wollen. Das ist ein Missbrauch von Marktmacht.
Ein Missbrauch von Marktmacht ist es übrigens auch, wenn wir eine Situation haben, in der große Unternehmen, die durch die Arbeit von Menschen, die dort arbeiten, riesige Profite erzielen, keine Steuern bezahlen - im Gegensatz zu kleinen Unternehmen und Handwerken, die das tun. Es gibt ganz viele Beispiele von Missbrauch von Marktmacht. Da muss eingeschritten werden. Dafür brauchen wir einen handlungsfähigen Staat. Da befremdet es mich schon, wenn der Minister einer Koalition hier sagt, man könne an all Ihren Handlungen sehen, dass Sie die soziale Marktwirtschaft stärkt. Die Beispiele, die Sie setzen, richten sich immer gegen gute Arbeit, indem Sie zum Beispiel die Tariftreue aushöhlen, indem Sie zum Beispiel - übrigens als erstes Land in Deutschland - die Mietpreisbreme streichen, obwohl es inzwischen Gutachten gibt, dass selbst die alte Form funktioniert hat, die inzwischen noch verbessert worden ist.
Das spricht gegen die großspurigen Aussagen von Herrn Minister Buchholz und zeigt, dass es eine Sozialdemokratie braucht, die sich für gute Arbeit einsetzt.
Am Ende entscheidet der Wählermarkt, hätte ich fast gesagt, wer gebraucht wird und wer nicht; aber das werden wir ja sehen. - Herr Dr. Stegner, Sie sind ja doch in Ansätzen ein Ordoliberaler, wenn Sie Marktmacht kritisieren. Damit sind Sie genau beim liberalen Wettbewerbsrecht, denn man muss tatsächlich gegen Monopole und Oligopole angehen; das finde ich auch. Wenn sich die SPD auf Bundesebene
dafür einsetzen würde, dass auch auf dem Wohnungsmarkt gegen Marktmacht angegangen und Kartellrecht angewendet würde, wäre das sehr schön.
Auch gegen Wucher muss man angehen. Auch dafür gibt es übrigens entsprechende Paragrafen, die Anwendung finden sollten. Wir brauchen also keine Verstaatlichung, sondern den Staat dazu, die Landesbauordnung zu entrümpeln, den Landesentwicklungsplan zu flexibilisieren und vernünftige Förderprogramme aufzulegen, denn wir haben eine Entwicklung, bei der in kürzester Zeit viele Menschen gerade auch in die Zentren drängen.
Im Übrigen haben auch sozialdemokratische Bürgermeister vor allem in Kiel und Lübeck verschlafen, dass es Entwicklungen hin zu den Zentren gibt, dass die Wohneinheiten von immer weniger Personen bewohnt werden und es den Anspruch auf mehr Quadratmeter gibt. Man hat vor 10 bis 15 Jahren in Kiel davon gesprochen, dass man Wohnungen abreißen müsse. Jetzt haben wir eine völlig andere Entwicklung.
Die Politik muss jetzt endlich ihre Hausaufgaben machen und nicht so tun, als seidie Wirtschaft böse und der Staat gut, sodass schon alles laufen wird. Das ist ein Märchen, das Sie erzählen. Sie sollten sich selbst den Gefallen tun, sich mehr an die Realität zu halten.
- Sehr verehrter Herr Kollege Vogt, die FDP spricht immer vom Abbau von Bürokratie und von Liberalisierung; in der Regel meinen Sie damit den Abbau von Arbeitnehmerrechten. Beim Wohnungsbau sprechen Sie davon, die Standards abzuschaffen, die etwas mit Energieeinsparung, Umweltvorgaben oder Barrierefreiheit zu tun haben. Das sind nämlich auch Dinge, die wichtig sind und die eine Rolle spielen müssen.
(Zuruf FDP: Weil das mit Kosten zu tun hat! - Christopher Vogt [FDP]: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)
Wie gut Ihr Rezept übrigens funktioniert, kann man im Gesundheitswesen sehen, was übrig bleibt, wenn Profit das einzige ist, was die Leute antreibt.
Ich glaube, ein Teil der politischen Fehlentwicklung in Deutschland, der Radikalisierung und der Tatsache, dass Populisten nach vorne kommen, hat
auch etwas damit zu tun, dass Menschen den Eindruck haben, dass dieser Staat versagt, dass sie nämlich in ländlichen Regionen bei ärztlicher Versorgung und in anderen Bereichen eben nicht mehr das bekommen, was der Markt nicht liefert, sondern was der Staat machen muss. Kollege Flemming Meyer hat völlig recht mit dem, was er hier beschrieben hat. Das sind doch die Zustände, die wir haben. Wir brauchen einen stärker handelnden Staat, der in den Bereichen eingreift, in denen die Marktmacht dazu führt, dass normale Bürger den Kürzeren ziehen.
Wenn man reich ist, kann man sich einen armen Staat leisten, aber umgekehrt eben nicht. Das ist der Punkt, über den wir hier reden.
Herr Abgeordneter Dr. Stegner, den Abgeordneten Vogt drängt es nach einer weiteren Frage. Gestatten Sie sie?
Ich bin weit davon entfernt, irgendjemandem Ratschläge zu geben, denn Ratschläge sind immer auch irgendwie Schläge. Ich sage Ihnen aber: Die SPD würde stärker werden, wenn sie in der politischen Auseinandersetzung nicht immer versuchen würde, dem anderen Sachen unterzujubeln, die der gar nicht macht, sondern die Realitäten anerkennt.
Übrigens bringt es auch wenig zu beklagen, wie furchtbar und ungerecht dieses Land ist, für das Sie seit so vielen Jahren Regierungsverantwortung getragen haben. Das wirkt auf die Wähler auch irgendwie komisch. Vielleicht sollten Sie doch die positiven Entwicklungen hervorheben und sagen, wo wir noch besser werden können; dann wird es mit der SPD auch wieder bergauf gehen.
gen nicht, wie schlecht es diesem Land geht - im Gegenteil: Wir haben die Fortschritte hervorgehoben. Unser vorbildliches Tariftreuegesetz aber haben Sie geschleift. Das ist eben der Unterschied: Wir machen gute Gesetze, Sie schleifen sie.
Dazu müssen Sie sich mal bekennen. Das ist nämlich der Unterschied. Wir haben dafür gesorgt, dass der Mindestlohn eingeführt worden ist. Sie sind stolz darauf und rühmen sich damit, dass der Landesmindestlohn abgeschafft wird und viele andere Dinge mehr.
- Ich glaube, das Publikum fängt an, sich zu langweilen; deshalb lasse ich meine weiteren Bemerkungen aus.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Buchholz, das Prinzip von Angebot und Nachfrage funktioniert auf dem Wohnungsmarkt eben nicht umfassend. Ich will noch einmal erklären, woran das liegt.
Wir haben in Schleswig-Holstein Wohnraumfördermittel für 0,0 % angeboten, die nicht abgenommen wurden, wie Herr Minister Grote bestätigen kann, weil es frei finanziert mit 1 % Zinsen zwar etwas teurer ist, man aber frei finanziert höhere Mieten erzielen kann. Deshalb haben die Investoren und auch Genossenschaften diese Mittel nicht abgenommen. Erst, als die gute alte Landesregierung