Protocol of the Session on June 20, 2019

sondern dass wir ihre Interessen deutlich vertreten. Das ist unsere Aufgabe. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Des Antrags der AfD, ein Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft abzugeben, hat es schon deshalb nicht bedurft, weil die Politik dieser Landesregierung Ausweis der sozialen Marktwirtschaft und der sozialmarktwirtschaftlichen Verantwortung insgesamt ist - in allem, was wir tun.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU - Dr. Kai Dolgner [SPD]: Außer vielleicht beim Ver- gaberecht! - Zuruf Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Auf Sie komme ich gleich noch zurück, Herr Stegner, und auch auf Herrn Hölck. - Dazu gehört auch, dass wir an der Stelle durchaus klarstellen, dass ein freies Spiel des Marktes allein keine vernünftige Wirtschaftsordnung ist.

(Beifall FDP, Lukas Kilian [CDU] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Begrenzung der Marktwirtschaft war immer schon notwendig, um das System insgesamt funktionsfähig zu halten.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP])

Das ist schon zu Beginn der marktwirtschaftlichen Erfahrungen relativ klar gewesen und hat auch bei allem, was in der Bundesrepublik Deutschland eine Rolle gespielt hat, Berücksichtigung gefunden. Durch die Schaffung von Wettbewerbsrecht, zum Beispiel das Kartellrecht, wurde immer wieder deutlich gemacht, dass es Begrenzungen und Rahmenbedingungen für die Marktwirtschaft geben muss, weil nur freies Kapital allein sicherlich nicht zu den Ergebnissen führt, die wir wollen.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich das als Liberaler einmal sagen darf: Derjenige, der Ende der 60er- und Anfang der 70erJahre für eine Regulierung des Bankenwesens am meisten gestritten hat, hieß Otto Graf Lambsdorff und war damit „der“ Vertreter der sozialen Marktwirtschaft - vorneweg.

(Beifall FDP)

So sehr auf der einen Seite deshalb aber auch das Nicht-sich-allein-Überlassen des Kapitals oder marktwirtschaftlicher Kräfte richtig ist, so richtig ist andererseits, dass man die Gesetze der Marktwirtschaft nicht permanent mit Füßen treten kann, weil man dann keine vernünftige Politik machen wird.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP] und Christo- pher Vogt [FDP])

Man wird den Dingen, die Angebot und Nachfrage an den Märkten auslösen, nicht staatliche Regulierung überstülpen können. Dagegen wird man wie gegen Windmühlen ankämpfen.

(Vereinzelter Beifall FDP und CDU)

Wer zum Beispiel im Wohnungsmarkt versucht, die Differenz aus Angebot und Nachfrage schlicht über staatliche Regulierungsmechanismen einzuschränken, verkennt, dass sich dann ein zu geringes Angebot in der Marktwirtschaft immer auf irgendeine Art einen Weg bahnen wird, zu relativ hohen Preisen zu kommen.

(Beifall FDP, Peer Knöfler [CDU] und Vol- ker Schnurrbusch [AfD])

Erst der marktwirtschaftliche Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage bringt dann die Regulierung der Märkte, und alle Instrumentarien, die darauf zielen - der Innenminister hat das gestern ausdrücklich mit den Worten „bauen, bauen, bauen“ gesagt -, erst diese Instrumentarien werden dazu führen, dass man zu einem Ausgleich kommt.

Deshalb ist dieser Ausgleich übrigens auch im ökologischen Bereich wichtig. Der Kollege Albrecht und ich haben in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass wir zum Beispiel im Bereich des Klimawandels zu einer vernünftigen CO2-Bepreisung kommen müssen, aber dies nur mit marktwirtschaftlichen Mitteln kommen werden. Da müssen wir die ökologisch verantwortlichen Dinge mit ökonomisch sinnvollen Dingen verheiraten, um zu diesem Ausgleich zu kommen, der über die Instrumentarien sozialer Marktwirtschaft Angebot und Nach

(Flemming Meyer)

frage so miteinander vereint, dass die Dinge, die wir real vermindern wollen, auch hohe und reale Preise haben.

All dies zu verkennen, ist nicht unsere Sache. Deshalb stehen wir hier auch nicht und reden irgendwelchen Enteignungen das Wort, die mit Sicherheit keine entsprechende Wirkung entfalten, auch nicht am Wohnungsmarkt. Wer auch immer sie im Munde führt: Sie werden die Not am Wohnungsmarkt nicht in irgendeiner Form lindern. Und ehrlich gesagt ist die Verstaatlichung großer Unternehmen auch schwierig.

Mir gibt die Debatte allerdings auch einmal Anlass dazu, dafür zu sorgen, dass man in diesem Lande von dem einen oder anderen Vorurteil ein bisschen herunterkommt. In dem Antrag der SPD ist die Rede davon - das ist zu Recht so -, dass die Arbeitslosigkeit in diesem Land zurzeit auf dem niedrigsten Stand ist, dass die Reallöhne steigen und wir etwa eine Million sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in diesem Land haben, so viel wie nie zuvor, dass die Wirtschaft und die Arbeitnehmer des Landes erfolgreich einen maßgeblichen Anteil daran haben.

Dann kommt etwas, das ich hinterfrage:

„Trotz dieser positiven Tendenz fällt Schleswig-Holstein beim Ländervergleich bei der durchschnittlichen Lohnentwicklung durch. Aus Gewerkschaftssicht“

- da könnte man jetzt sagen, das würden die Gewerkschaften behaupten

„ist Schleswig-Holstein der ‚Lohnkeller‘ im Westen.“

Was ist die Realität? - Die Realität ist, dass Schleswig-Holstein beim durchschnittlichen verfügbaren Haushaltseinkommen inzwischen auf Rang sechs der Bundesländer steht.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Mit 22.217 € liegt Schleswig-Holstein bei seinem durchschnittlichen verfügbaren Haushaltseinkommen im Vergleich zu anderen Bundesländern vor Nordrhein-Westfalen, vor Niedersachsen, vor Bremen, vor dem Saarland, vor Berlin und allen fünf neuen Bundesländern.

(Beifall FDP, CDU und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist die Realität, meine Damen und Herren. Das schafft soziale Marktwirtschaft, dass man sich aus diesem Lohnkeller, den es vielleicht einmal gab,

herausarbeitet. Ich sage einmal: Diese Entwicklung gilt es zu befördern, und zwar mit marktwirtschaftlichen Mitteln.

(Beifall FDP und CDU)

Deshalb ist das Bekenntnis zur sozialen Marktwirtschaft hier von mir ganz eindeutig.

Ja, es sind die Instrumente, die wir anwenden. Nicht gegen den Markt, mit den sozialen Rahmenbedingungen, die sie schaffen muss - so bringt man ein Land nach vorne, so bringen wir SchleswigHolstein nach vorne. - Herzlichen Dank.

(Beifall FDP, CDU, Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Volker Schnurrbusch [AfD])

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer über 70 Jahre Marktwirtschaft spricht - ich hatte letzte Woche Gelegenheit, zum 70. Geburtstag des ifo-Instituts in München mit Herrn Sinn und seinen Kollegen darüber zu diskutieren, was das denn ist -, der muss bedenken: Als Ludwig Erhard sein Modell propagiert hat, hat er von Wohlstand für alle gesprochen. Nicht Wohlstand für viele war der Punkt, sondern Wohlstand für alle. Die SPD schreibt in ihrem Antrag, dass in der Tat die Entwicklung so ist, wie Sie sie beschrieben haben. Wir haben eine niedrige Arbeitslosigkeit, wir haben so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte wie lange zuvor nicht. Ja, es lassen sich zum Beispiel auch viele Menschen im Alter in Schleswig-Holstein nieder, weil es hier schön ist. Die Durchschnittswerte, die Sie nennen, sind sicher zutreffend.

Fakt ist aber, wenn Sie die Lohnabschlüsse anschauen, dann bleibt es so, dass nur noch die ostdeutschen Bundesländer unter dem liegen, was hier in Schleswig-Holstein an Lohnabschlüssen erreicht wird. Das hat auch etwas mit der Wirtschaftsstruktur zu tun, das führt eben dazu, dass der Staat da sein muss, um bestimmte Dinge auszugleichen. Wenn Sie sagen - das war ja Ihr erster Satz -, die Landesregierung tue mit allem, was sie tue, etwas dafür, dass die soziale Marktwirtschaft gestärkt werde, dann frage ich Sie, wenn Sie als erstes die Mietpreisbremse abschaffen, wenn Sie das Tariftreuegesetz schleifen, wenn Sie gegen Mitbestim

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

mung sind und all diese Dinge tun, was Sie eigentlich für soziale Marktwirtschaft tun. Sie tun das Gegenteil, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das muss man Ihnen hier auch vorhalten. Sie tun genau das Gegenteil.

(Beifall Lars Harms [SSW] - Tobias von der Heide [CDU]: Gucken Sie sich doch einmal in Europa um!)

Wer erarbeitet eigentlich den Wohlstand? - Den Wohlstand erarbeiten die vielen Menschen, die hier in Schleswig-Holstein arbeiten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Irgendjemand hat sich einmal einfallen lassen, Arbeitnehmer Arbeitnehmer und Arbeitgeber Arbeitgeber zu nennen, obwohl es eigentlich umgekehrt ist: Die Arbeitnehmer geben nämlich die Arbeit und die Arbeitgeber nehmen sie.

(Zurufe)

Aber die, die etwas erwirtschaften, müssen nach einem vernünftigen Arbeitsleben auch eine ordentliche Rente haben, wir müssen weniger Sozialtransferempfänger haben, wir brauchen gute Arbeit, und für die streiten wir. Das gehört zur Marktwirtschaft dazu, und das ist die Alternative zu Systemen, bei denen das anders ist.

Dass der Markt versagt, Herr Minister Buchholz, das kann man bei dem von Ihnen zitierten Thema ganz besonders sehen. Luxuswohnungen baut der Markt genug. Das passiert von ganz alleine. Aber dass Menschen deutlich mehr als ein Drittel ihres Einkommens ausgeben müssen, nur um ein vernünftiges Dach über dem Kopf zu haben, ist eine Fehlentwicklung, bei der der Staat eingreifen muss. In der öffentlichen Daseinsvorsorge sehen wir das auch, ob das der Umweltschutz oder andere Fragen sind, Energiepolitik und viele alle andere Dinge mehr: Die werden nicht vernünftig geregelt, wenn die Entscheidungen in fernen Konzernzentralen fallen und nicht in demokratisch legitimierten Kommunalvertretungen. Deswegen sind wir für einen aktiv handelnden Staat, der in dieser sozialen Marktwirtschaft mit dafür sorgt, dass der „Wohlstand für alle“ von Ludwig Erhard auch Realität wird.

Herr Abgeordneter Dr. Stegner, gestatten Sie eine Bemerkung des Herrn Abgeordneten Vogt?

Sehr gern.