Protocol of the Session on June 20, 2019

- Das ist nicht verkehrt. Ich kann Ihnen die dpa-Meldung gern vorlesen, aber ich will das nicht überstrapazieren. Die offizielle Begründung ist: Es habe keine Gefährdung vorgelegen, und es sei kein Unfall passiert. Weil aber der Vorsatz da war, hat man das vorgesehene Bußgeld auf 400 € erhöht. Das war die Auslegung der Behörde, und die halten wir in keiner Weise für fehlerhaft, und wir glauben auch nicht, dass die Behörde dies hätte weiter auslegen können, weil der Rechtssetzer schlicht und ergreifend diese Grenzen gesetzt hat.

- Nach meiner Kenntnis ist es so, dass das Rückwärtsfahren auf Autobahnen oder den Fahrbahnen von Hauptstraßen immer mit einem Fahrverbot von einem Monat sanktioniert wird. Das ist in einer Rettungsgasse automatisch der Fall, da kann man gar nicht anders.

(Zurufe)

Warum das im Einzelfall nicht passiert ist, das entzieht sich meiner Kenntnis. Es ist auch nicht unsere Aufgabe, das zu überprüfen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ich fahre fort: Zum Teil werden in der Diskussion in der Öffentlichkeit ein bis zwei Jahre Fahrverbot gefordert. Der Verweis auf die wesentlich höheren Strafen in Österreich hilft wirklich nur bedingt, denn dort werden alle Verkehrsverstöße härter geahndet. Man muss dies stimmig in ein Gesamtsystem bringen.

Ich habe es schon gesagt, ich bin durchaus dazu bereit, darüber zu sprechen, inwieweit die Höhe der möglichen Bußgelder insgesamt zu lasch ist, um eine effektive Abschreckung für alle Verkehrsteilnehmenden zu gewährleisten. Hier ist die Frage: Gibt es signifikante Belege dafür, dass die Höhe von Bußgeldern und die Dauer von Fahrverboten wirklich präventive Wirkung auf das Verhalten von Verkehrsteilnehmern hat? Darüber möchte ich auch im Ausschuss gern diskutieren, genauso, wie der Kollege Claussen das gesagt hat.

Wenn Bußgelder also aus der Portokasse bezahlt werden können oder ein Monat Fahrverbot durch die bekannte Vier-Monats-Verschieberegelung oder durch geschicktes Einspruchsmanagement bequem in den Jahresurlaub verschoben werden kann, ist der Effekt relativ gering. Ich weiß als Rechtsanwalt, wie man das macht. Einen Monat kann man immer noch sehr gut in den Urlaub geschoben bekommen. Bei zwei Monaten wird das schon schwieriger. Es ist die Frage, ob die bisherigen Sanktionsmöglichkeiten wirklich einen ausreichenden Abschreckungseffekt haben. Deswegen würden wir dies gern im Ausschuss diskutieren. Ich bin da durchaus ergebnisoffen, und mit diesen Worten will ich es hier erst einmal bewenden lassen. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Jörg Hansen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie kennen das: Urlaub, auf dem Weg nach Dänemark im Auto. Hinten quengeln die Kinder.

(Oliver Kumbartzky [FDP]: Ja, das kenne ich!)

Vorn spielt Jürgen Drews im Radio,

(Beifall Serpil Midyatli [SPD])

nebenan hantiert die Ehefrau am Navi, und Sie rollen langsam auf das Stauende zu. Das Letzte, was Sie jetzt brauchen, ist ein egoistischer Spinner, der Ihnen in der Rettungsgasse entgegenkommt. Das ist lebensgefährlich, meine Damen und Herren.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt SPD)

Wir streiten gern um die Sache, aber über einen Punkt werden wir uns hier ganz bestimmt nicht streiten: Das Wenden in der Rettungsgasse ist mehr als nur ein Ärgernis.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Wer in einer Unfallsituation seinen Egoismus über das Wohl der Verletzten und über das der Rettungskräfte und ihren reibungslosen Einsatz stellt, handelt unverantwortlich.

(Beifall FDP, vereinzelt CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber auch, dass das Bilden der Rettungsgasse oft schlicht nicht funktioniert, ist ein Problem, das lebensbedrohliche Auswirkungen haben kann. Die Frage ist aber: Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen? Sind die vorgeschlagenen Maßnahmen wirklich sinnvoll? Ist durch die Umsetzung des Vorschlags der Sozialdemokraten wirklich mit einer Verbesserung zu rechnen? Wir werden das ja weiter diskutieren, aber ich darf zumindest meine Zweifel darüber äußern, ob wir wirklich ein Problem mit zu geringen Sanktionen haben. Schon heute wird das Wenden in der Rettungsgasse bestraft. Wir sind auf die Einzelheiten, auch durch mehrfache Nachfragen, bereits eingegangen.

Wenn man sich ansieht, was heute schon an Strafen besteht, dann drängt sich ein Handlungsbedarf bei der Höhe der Strafen nicht unbedingt auf. Ich befürworte trotzdem die Ausschussüberweisung, denn natürlich macht es Sinn, dass wir darüber diskutieren, wo wir nachbessern müssen.

Immer wieder auftretende Berichte von rücksichtslosen Fahrern, die auf Autobahnen wenden, sprechen für sich. Ein Aspekt, der noch nicht zur Sprache gekommen ist, ist die Verfolgung solcher Vergehen. Dass diese nicht einfach ist, liegt meiner Meinung nach auf der Hand. Rettungsgassen werden für Unfälle benötigt, und die Polizei ist gerade in diesen Situationen gebunden. Sie kann eben nicht sozusagen präventiv die Einhaltung des Wendeverbots über die gesamte Staulänge hinweg kontrollieren.

Ein zweites Problem ist die weitverbreitete Unwissenheit. Gerade auf dreispurigen Autobahnen sind Autofahrer mit der korrekten Bildung der Rettungsgasse überfordert, was eigentlich nur aus der Unwissenheit resultiert, wie diese korrekt zu bilden ist.

Hier kommt die präventive Beschilderung aus dem Antrag der Sozialdemokraten ins Spiel. Dieser Vorschlag ist zwar löblich, aus meiner Sicht aber zu pauschal; denn laut Straßenverkehrsordnung sollen

Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen grundsätzlich nur dort angebracht werden, wo dies aufgrund besonderer Umstände zwingend erforderlich ist. Diese Bestimmung kommt nicht von ungefähr, sondern hat einen Grund: Die Verkehrsteilnehmer sollen nicht mit unnötigen Informationen überfrachtet und nicht über Gebühr abgelenkt werden. Hinweisschilder können trotzdem Sinn ergeben. Ob wir diese oder aber bessere Kampagnen benötigen, wird sich in den weiteren Beratungen zeigen.

Abschließend will ich sagen: Wir wollen die Straßen sicherer machen.

Ihnen wünsche ich eine unfall- und stressfreie Fahrt in den Urlaub. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall - Volker Schnurrbusch [AfD]: Mit Jürgen Drews! Dann geht das!)

Für die AfD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Claus Schaffer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Autofahrer, die in der Rettungsgasse wenden, nehmen eine Behinderung der Rettungskräfte mindestens billigend in Kauf. Bereits an dieser Stelle geraten wir in die Nähe einer rechtlichen Betrachtung. Auf deutschen Autobahnen ist das Wenden - mit einer Ausnahme: auf Weisung der Polizei - absolut verboten. Darüber sind wir uns sicherlich alle einig.

In § 315 c StGB ist normiert, dass jemand, der im Straßenverkehr „grob verkehrswidrig und rücksichtslos … auf Autobahnen oder Kraftfahrstraßen wendet, rückwärts oder entgegen der Fahrtrichtung fährt oder dies versucht … und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet“, mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren - Freiheitsstrafe, nicht Fahrverbot; ganz wichtig! - oder mit Geldstrafe bestraft wird. Nebenstrafen nach einer derartigen Straßenverkehrsgefährdung können laut § 44 StGB befristete Fahrverbote von einem Monat bis zu drei Monaten sein. Außerdem kann das Gericht als Maßregel die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB anordnen. Dann kann diese erst nach Ablauf von acht Monaten und einer erneuten Zuerkennung der Fahreignung wieder erworben werden.

Problematisch an diesem Grundtatbestand ist zumeist der Nachweis der konkreten Gefährdung.

(Jörg Hansen)

Spätestens dann, wenn ein solcher Geisterfahrer in der Rettungsgasse Polizei oder Rettungsdienst gegenübersteht und diese so behindert, sollte dies leicht zu begründen sein. Liegt jedoch keine Straftat vor und wird die Handlung als Ordnungswidrigkeit geahndet, ist bei diesem Fahrmanöver laut Bußgeldkatalog ein Bußgeld von mindestens 200 € und ein einmonatiges Regelfahrverbot fällig. Darüber geben die Straßenverkehrsordnung, das Straßenverkehrsgesetz und die entsprechenden Bußgeldvorschriften Auskunft. Auf eine Gefährdung, also einen Beinahe-Unfall, oder die Behinderung von Rettungskräften kommt es hierbei gar nicht an. Gleichwohl erhöht sich dann auch das Bußgeld drastisch.

Der Antrag der SPD-Fraktion erweckt nun den Eindruck, dass das Wenden in der Rettungsgasse ohne konkrete Gefährdung kein Fahrverbot nach sich ziehen könne, was - das zeigt ein näherer Blick auf die Rechtslage - einfach nicht stimmt.

Der Antrag der SPD-Fraktion stellt zudem einen Ideologiewechsel in den eigenen Reihen dar.

(Dr. Frank Brodehl [AfD]: Genau!)

Das ist wirklich interessant: Wurde sonst eine Verschärfung des Strafrechts durch die SPD stets abgelehnt, folgte hierbei ebenso regelmäßig der Hinweis darauf, dass härtere Strafen oder schärfere Gesetze keine abschreckende Wirkung hätten. Nun fordert die SPD sogar schärfere Sanktionen als generaloder spezialpräventive Maßnahmen. Das klingt gut und hat in der Haus- und Hofberichterstattung die erwünschte Wirkung gezeigt. Das ändert aber nichts daran, dass es außer populistischem Getöse nichts ist.

(Beifall AfD - Widerspruch SPD)

Meine Damen und Herren, das, was Sie von der SPD fordern, gibt es bereits. Wir haben kein Normendefizit, sondern allenfalls ein Vollzugsdefizit; denn irgendwer muss das Ganze ja auch verfolgen.

(Zuruf Beate Raudies [SPD])

Nun hat die SPD offensichtlich ihr Herz für die Sicherheit von Verkehrsteilnehmern entdeckt.

(Zuruf Martin Habersaat [SPD])

Da will ich Ihnen gern ein anderes Thema zum Nachdenken mit auf den Weg geben: Gefährdung von Verkehrsteilnehmern, Verkehrsblockaden auf Hauptstraßen und Plätzen sowie auf Autobahnen, Schüsse und Pyrotechnik aus Fahrzeugen - das kommt Ihnen bekannt vor?

(Zuruf Birte Pauls [SPD])

Immer öfter machen nämlich sogenannte Hochzeitskorsos Schlagzeilen, bundesweit und auch in Schleswig-Holstein.

(Bernd Heinemann [SPD]: Jedes Mal, in je- der Sitzung! - Martin Habersaat [SPD]: Mann, Mann, Mann!)

Die zumeist türkischoder arabischstämmigen Hochzeitsgäste gefährden mit Duzenden von Fahrzeugen -

Herr Abgeordneter, wir reden gerade über das Wenden in der Rettungsgasse. Wenn Sie bitte bei diesem Thema bleiben würden!

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU - Martin Habersaat [SPD]: Guckt mal, da ist die ganze Rede hinfällig! - Heiterkeit SPD)