Protocol of the Session on June 20, 2019

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und vereinzelt CDU - Martin Habersaat [SPD]: Guckt mal, da ist die ganze Rede hinfällig! - Heiterkeit SPD)

Nein. - Vielen Dank für den Hinweis.

Wir werden an dieser Stelle tatsächlich auch über vermehrte Sicherheit im Straßenverkehr nachdenken müssen. Wir sollten dabei alle Verkehrsstraftaten beziehungsweise alle Delikte im Verkehr erfassen, aber nicht nur nach Ihrem eigenen Gusto, das heißt so, wie es Ihnen im Sinne der Presseberichterstattung gerade zupasskommt, sondern auch die Vorkommnisse, die Sie möglicherweise nicht so gern erwähnt haben möchten, die aber in Nordrhein-Westfalen allein im Monat April für 104 massive Polizeieinsätze gesorgt haben.

(Martin Habersaat [SPD]: Wir sind in Schles- wig-Holstein!)

Wir werden im Ausschuss tatsächlich über Möglichkeiten, mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu erzeugen, sprechen müssen. Eine Verschärfung der Normen halten wir hier nicht für nötig. Insofern sehen wir Ihren Antrag inhaltlich als nicht erforderlich an. Lassen Sie uns aber gern über eine Homogenisierung und Verschärfung des Bußgeldkatalogs sprechen; da sind wir an Ihrer Seite. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Abgeordneten des SSW hat Herr Abgeordneter Flemming Meyer das Wort.

(Claus Schaffer)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bereits in 2012 wurde auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen die Rettungsgasse bei Staubildung zur Pflicht. Die gesetzliche Einführung der Rettungsgasse und die damit einhergehende landesweite Kampagne haben die Verkehrsteilnehmer in Österreich durchaus für das Thema sensibilisiert, sodass ein Erfolg der Maßnahme schnell erkennbar war.

Deutschland hat sich dem Vorbild Österreichs mittlerweile angeschlossen. Seit 2016 ist in Deutschland in § 11 Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung die Rettungsgasse geregelt.

Parallel dazu sehen wir heute schon Hinweisschilder auf unseren Autobahnen. Hierbei können wir jedoch nicht von einer bundesweiten Aktion sprechen. Daher begrüßen wir den in dem vorliegenden Antrag enthaltenen Punkt, in regelmäßigen Abständen entlang der Autobahnen durch Hinweisschilder für die Rettungsgasse zu werben

(Beifall SPD)

beziehungsweise die Fahrer darauf aufmerksam zu machen, dass bei Staubildung Rettungsgassen zu bilden sind, und vor allem, wie sie zu bilden sind. Wir unterstützen den Ansatz, Aufklärungskampagnen weiter und breiter durchzuführen. Nur durch stete Aufklärung wird es gelingen, die Verkehrsteilnehmer in Deutschland für dieses Thema weiter zu sensibilisieren.

Der Grund für die Einrichtung der Rettungsgasse ist so simpel wie logisch: Sie kann lebensrettend sein. Für Rettungskräfte bedeutet die Rettungsgasse, dass sie schneller am Unfallort sein können. Dadurch erhöhen sich die Überlebenschancen lebensbedrohlich verletzter Unfallteilnehmer. Auch die Durchfahrt für Einsatzfahrzeuge ins Krankenhaus und zu anderen Einsatzorten wird dadurch beschleunigt. Man geht davon aus, dass Einsatzkräfte den Unfallort bis zu vier Minuten schneller erreichen als über den Standstreifen. Dadurch können die Überlebenschancen für Unfallopfer um bis zu 40 % erhöht werden. Ich denke, diese Einschätzungen sprechen für sich und sollten uns allen ins Bewusstsein rufen, dass wir die Bildung von Rettungsgassen weiter fördern müssen.

Vielen Autofahrern ist durchaus bewusst, dass eine Rettungsgasse zu bilden ist, und sie tun es auch. Damit sind wir bei dem eigentlichen Problem, das mit dem vorliegenden Antrag geregelt werden soll. Wir erleben nämlich, dass Autofahrer im Fall eines

Staus auf der Autobahn wenden und in der Rettungsgasse gegen die Fahrtrichtung den Stau verlassen. Dieses verbotene, rücksichtslose und gefährdende Verhalten ist leider kein Einzelfall. Daher ist es gut und richtig, dass wir darüber reden, wie solches Verhalten zu ahnden ist.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wenden in der Rettungsgasse ist kein Kavaliersdelikt und kein Versehen. Es ist eine bewusste Entscheidung, in der Rettungsgasse zu wenden und entgegengesetzt der Fahrtrichtung in der Rettungsgasse den Stau zu verlassen. Mit dieser Handlung nimmt der Fahrer oder die Fahrerin wissentlich in Kauf, dass ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung und gegen das Strafgesetzbuch begangen wird. Verhängte Bußgelder im niedrigen dreistelligen Bereich und ein Monat Fahrverbot sowie ein Punkt in Flensburg wirken auf mich angesichts des Verstoßes eher milde. Auch hier geht Österreich voran und verhängt bei solchen Vergehen weitaus höhere Bußgelder und Fahrverbote.

Richtig ist: Höhere Bußgelder und das Verhängen von Fahrverboten werden den Missbrauch in der Rettungsgasse nicht in Gänze verhindern, aber so manch ein Verkehrsteilnehmer wird es sich bestimmt dreimal überlegen, ob ein Wendemanöver die Sache noch wert ist, nur um Zeit zu gewinnen.

Der SSW ist sicherlich nicht die Partei, die sich stets für restriktivere Gesetze und Verordnungen ausspricht.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das stimmt!)

Aber angesichts der Problematik, des Gefährdungspotenzials und der Schwere des Verstoßes halten wir ein Umdenken und eine Anpassung des Bußgeldkatalogs für angemessen. - Jo tak.

(Beifall SSW und SPD - Unruhe)

Meine Damen und Herren, das Grundgemurmel während der Reden ist im Moment hoch. Bitte nehmen Sie mehr Rücksicht auf den Redner. - Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Kai Dolgner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die zehn Autofahrer für ein Bußgeld bekommen haben, ob sie ein Fahrverbot bekommen haben, werden wir spätestens im Ausschuss klären. Dann werden wir sehen, was Realität ist. Ich habe

jedenfalls keinen Zweifel, dpa zu glauben. dpa hat ziemlich eindeutig gemeldet, dass alle zehn kein Fahrverbot bekommen haben. Das möchte ich aber jetzt nicht weiter vertiefen.

Zum Thema abschreckende Wirkung von Strafen. Die SPD hat nie in Abrede gestellt, dass die Bestrafung eines Regelverstoßes nicht zu einer Verhaltensänderung führen kann - die sogenannte Generalprävention. Da muss man allerdings streng unterscheiden. Ganz einfache Frage: Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Autobahn von 120 km/h - wie schnell fahren sehr viele? - 140 km/h. Warum fahren sie 140 km/h? Weil sie wissen, ab 141 km/h respektive 143km/h wird es teuer.

(Serpil Midyatli [SPD]: Genau!)

Wenn Sie einmal in Frankreich unterwegs sind was fahren die da? Auf 110-km/h-Strecken fahren sie 115 km/h, und auf 130-km/h-Strecken fahren sie 135 km/h, auf den Autobahnen, und die sind meistens frei, weil die relativ teuer sind. Man könnte locker viel schneller fahren.

Warum wird das nicht getan? Weil es in Frankreich schon ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 1 km/h richtig teuer wird und es nur eine 5-km/ h-Toleranzgrenze gibt.

(Zuruf Lukas Kilian [CDU])

Generalprävention wirkt, wenn sich die Menschen der Folgen bewusst sind und es sich um kleine Regelverstöße handelt. Es handelt sich um einen kleinen Regelverstoß, und deshalb fahren ganz viele 140 km/h, wenn sie es eilig haben - natürlich keiner von den hier Anwesenden. Aber kaum einer fährt 150 km/h, wenn eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 km/h gilt. Warum wohl? Weil sie genau wissen, dass es ab da schmerzhaft wird. Das können Sie auf jeder Autobahn beobachten, auf der eine Geschwindigkeitsbegrenzung gilt: Die meisten fahren 20 km/h schneller, und alle, die noch schneller fahren, gelten als Spinner. So wird Bewusstsein geschaffen.

Bei schweren Straftaten sieht es anders aus, weil die Strafe beim Tatentschluss häufig nicht kalkuliert wird und sie auch viel zu schwer zu kalkulieren ist, zum Beispiel bei Körperverletzung. Der Täter denkt sich nicht: Oh, das ist eine schwere Körperverletzung, da könnte ich einen höheren Strafrahmen kriegen, deswegen lasse ich das sein.

Generalprävention bei schweren Straftaten ist ein ganz anderer Schnack. Die Erhöhung von 10 auf 15 Jahre für Mord bei Jugendlichen geht von dem völ

lig falschen Bild aus, dass man den Tatentschluss zu einem Mord gefasst hat.

(Zurufe AfD)

- Ich habe den Vergleich zur Strafverschärfung bei Ordnungswidrigkeiten nicht gezogen. Stellen Sie eine Zwischenfrage!

(Weitere Zurufe AfD)

- Ich weiß, dass Ihnen das unangenehm ist, weil das Ihre Argumentation kaputt macht. Stellen Sie mir eine Frage!

(Beifall SPD)

Deshalb ist der Vergleich, den Herr Schaffer gezogen hat, unangemessen. Ich habe den Vergleich nicht gezogen. Sie haben wohl nicht richtig zugehört. Herr Schaffer hat einen Vergleich zwischen Straftaten, Ordnungswidrigkeiten und Strafverschärfung gezogen. Bei Ordnungswidrigkeiten haben Sie wissenschaftlich nachgewiesen eine abschreckende Wirkung. Wenn die Menschen die Ordnungswidrigkeit kennen, steht der generalpräventive Charakter wissenschaftlich nicht in Zweifel. Bei Straftaten sieht das komplett anders aus.

Wir gehen davon aus, dass keiner der zehn Autofahrer auf der A 1 ein Fahrverbot für die Aktion gekriegt hat, die andere Menschen gefährdet. Das empfinden wir als unangemessen, und deshalb wollen wir das ändern.

(Beifall Birte Pauls [SPD])

Ob wir mit einer falschen Informationsbasis arbeiten, darüber reden wir im Ausschuss. Ich habe recherchiert, und mir sind ähnliche Fälle bekannt.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie haben aber noch die Gelegenheit, auf zwei Zwischenfragen zu antworten.

(Wortmeldung Lukas Kilian [CDU] und Jörg Nobis [AfD])

Die Gelegenheit schlage ich gerne aus, Frau Präsidentin. - Ich danke Ihnen.

(Unruhe)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Kai Vogel.

(Dr. Kai Dolgner)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Das ist eine bemerkenswerte Debatte, die wir hier führen. Wir sprechen uns für höhere Bußgelder aus, und die CDU sagt, die Bußgelder reichten, man sehe ja, dass die Probleme gelöst würden. Wir stellen fest, dass sie nicht gelöst wurden. Es hat angeblich über 40 Fälle gegeben. Ich gebe zu, dass ich das den Medien entnommen habe; in den Videos sah man weniger. Es hat über 40 Fälle gegeben, in denen gewendet wurde. Dann kann man doch nicht davon sprechen, dass das Problem gelöst sei.