Protocol of the Session on May 16, 2019

Leider sprechen wir hier nicht nur über einige schwarze Schafe, denn Ermittlungen haben gezeigt, dass jede dritte Zustellfirma gegen das Arbeitsrecht verstößt. Wer in diesem Zusammenhang von mafiösen Strukturen spricht, liegt vielleicht gar nicht falsch. Man kann zumindest nicht leugnen, dass wir es mit einem strukturellen Problem zu tun haben. Deshalb ist es nur konsequent, wenn die SPD dieses Thema hier bei uns im Land auf die Tagesordnung setzt. Dafür noch einmal vielen Dank.

(Beifall SSW und SPD)

Bekanntlich werden immer mehr Waren über das Internet vertrieben. Damit wächst auch der Paketmarkt immer weiter. Mittlerweise sind fast eine halbe Million Menschen als Auslieferer in der Post-,

(Claus Schaffer)

Kurier- oder Expressbranche beschäftigt. Die SPD weist völlig zu Recht darauf hin, dass dieses Wachstum überwiegend über prekäre Beschäftigung stattfindet.

Im Jahr 2007 haben die Vollzeitbeschäftigten in dieser Branche noch über 10 % mehr verdient als das Durchschnittsgehalt in der gesamten Wirtschaft - über 10 % mehr! 2017 lagen sie über 30 % darunter - über 30 %! Das ist eine enorme Absenkung des Lohnniveaus. Tarifliche Bezahlung ist damit also eher die Ausnahme und nicht die Regel. Im Ergebnis verdienen manche Paketboten heute unter 5 € pro Stunde, und das bei Arbeitszeiten von über 16 Stunden am Tag. Aus Sicht des SSW ist das einfach nur beschämend. So eine Praxis können und wollen wir nicht dulden.

(Beifall SSW, SPD und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Eigentlich steht den Fahrern seit diesem Jahr ein Stundenlohn von 9,19 € zu. Eigentlich, denn auch aktuelle Kontrollen zeigen, dass sich Unternehmen häufig nicht daran halten. Rein theoretisch können die auftraggebenden Unternehmen für ihre Vergehen belangt werden, aber es fehlt offenbar an genügenden Kontrollen, oder die entsprechenden Strafen werden einfach einkalkuliert.

Wie auch immer: Ausbaden müssen das letztlich die Fahrerinnen und Fahrer. Vor allem diejenigen, die bei einem der vielen Subunternehmer angestellt sind, haben mitunter erschreckende Arbeitsbedingungen. Es ist und bleibt also hochaktuell, die Arbeitnehmerrechte für Paketbotinnen und -boten zu sichern.

Dass Minister Altmaier monatelang mauert und darauf hinweist, dass man der Wirtschaft keine weiteren Belastungen aufbürden dürfe, halte ich wirklich für befremdlich.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Löhne immer weiter sinken, obwohl die Branche boomt, dann ist doch ganz offensichtlich etwas faul. Wenn Fahrerinnen und Fahrer mitunter in ihren Transportern übernachten müssen, dann sowieso.

Für uns ist deshalb klar, dass wir dringend die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nachunternehmerhaftung brauchen. So wie es jetzt läuft, kann es auf jeden Fall nicht weiterlaufen.

Wenn wir uns diese Zustände vor Augen führen, ist es doch völlig logisch, dass Versandunternehmen

verpflichtet werden müssen, Sozialbeiträge für säumige Subunternehmer nachzuzahlen. Viele Paketdienste arbeiten nun einmal nicht mit festangestellten Zustellern, sondern mit solchen Subunternehmen. Laut Medienberichten liefert das Unternehmen Hermes zum Beispiel gerade noch 10 % seiner Pakete selbst aus. Die angeheuerten Unternehmen zahlen dann aber leider oft Niedriglöhne und mitunter auch keine Sozialbeiträge. Die Auftraggeber sind aus der Verantwortung.

Wir gehen davon aus, dass nur eine gesetzliche Verpflichtung endlich zur flächendeckenden Verbesserung führt. Deshalb halten wir es für wichtig, dass die Nachunternehmerhaftung auch in der Zustellerbranche eingeführt wird.

(Beifall SSW und SPD)

Auch wenn es eigentlich eine sozialpolitische Selbstverständlichkeit ist, möchte ich das ganz klar sagen: Es ist aus Sicht des SSW erfreulich, dass sich die Koalitionspartner in Berlin nun endlich auf diesen Weg machen. Bekanntlich haben sich CDU/CSU und SPD auf einen entsprechenden Gesetzentwurf verständigt. Wir werden trotzdem weiterhin genau hinschauen; denn wir wollen, dass die Beschäftigten in der Zustellbranche endlich wirkungsvoll vor Ausbeutung geschützt werden. - Jo tak.

(Beifall SSW, SPD und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Thomas Hölck.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Jamaika-Koalition, Sie haben einen Alternativantrag vorgelegt, der mit der Realität, mit Ihrer politischen Realität, wenig zu tun hat.

(Beifall SPD)

Sie reden von sozialer Marktwirtschaft und handeln in diesem Parlament unsozial. Denn wer hat denn hier Arbeitnehmerrechte geschliffen? - Das war Jamaika. Wer hat Mieterrechte geschliffen und abgebaut? - Das war Jamaika.

(Kay Richert [FDP]: Wo denn?)

- Wer hat denn die Mietpreisbremse abgeschafft? Das waren Sie doch!

(Kay Richert [FDP]: Ja und?)

(Flemming Meyer)

- Das sind Mieterrechte, die Sie den Mietern genommen haben.

(Kay Richert [FDP]: Wo haben wir die Ar- beitnehmerrechte geschliffen?)

- Dazu komme ich gleich.

(Zuruf Wolfgang Baasch [SPD])

Es steht in Ihrem Antrag - ich zitiere -:

„Der Landtag stellt fest, dass unter anderem gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne für alle Bereiche die Grundlage für unsere soziale Marktwirtschaft sind.“

Wer hat denn das arbeitnehmerfeindlichste Vergabegesetz beschlossen? - Das waren Sie von Jamaika.

(Zuruf Kay Richert [FDP] - Annabell Krämer [FDP]: Wir schaffen Arbeitsplätze!)

Sie schreiben so etwas in den Antrag. Das passt nicht zusammen.

Dann schreiben Sie in Ihren Antrag:

„Verstößen gegen das Mindestlohngesetz, der rechtswidrigen Ausnutzung von Scheinselbstständigkeiten oder der Schwarzarbeit ist entschieden entgegenzutreten.“

Dann handeln Sie doch! Dann machen Sie sich doch gemeinsam mit uns auf den Weg, die Nachunternehmerhaftung einzuführen.

(Beifall SPD)

Das Schärfste, was Sie da reingeschrieben haben, lautet:

„Sollten gesetzliche Lücken identifiziert werden, müssen diese geschlossen werden. Verstöße sind konsequent zu verfolgen und zu ahnden.“

(Kay Richert [FDP]: Ist doch gut! - Zuruf Annabell Krämer [FDP])

Kollege Kalinka sprach von einer Analyse, die benötigt werde und die notwendig sei. Wenn man sich informiert hat, weiß man, dass die letzten Kontrollen gerade in diesem Jahr gezeigt haben, das jedes sechste Arbeitsverhältnis missbräuchlich ist - jedes sechste Arbeitsverhältnis! Es gibt die Analysen. Sie müssen handeln, Sie tun es aber nicht.

Mich hat allerdings gefreut, Herr Kalinka, dass Sie gesagt haben, zum Arbeitswesen gehöre die Würde. Das kann ich wirklich unterschreiben. Aber gehört es zur Würde, wenn Subunternehmer in der Paketbranche in der Weihnachtszeit im Sprinter über

nachten und auf den nächsten Auftrag warten? Nein! Gehört es zur Würde, wenn Werksvertragsarbeitern die Krankenkassenkarten abgenommen werden, damit sie wieder im Heimatland zum Arzt gehen, wenn sie krank werden? - Nein! Gehört es zur Würde, wenn die Werksvertragsarbeiter irgendwo im Wald leben? Gehört es zur Würde, wenn sie eingepfercht irgendwo in Wohnungen für sehr viel Miete untergebracht sind? - Nein! Deshalb müssen wir die Nachunternehmerhaftung für viele Branchen einführen, insbesondere in der Paketbranche, weil der Missbrauch hier am offensichtlichsten ist.

(Beifall SPD)

Es geht darum, die prekären Beschäftigungsverhältnisse zurückzudrängen, die stark zugenommen haben. Es geht um die Reduzierung von Schwarzarbeit, es geht um die Aufdeckung und Ahndung von Mindestlohnverstößen, Verstößen gegen die Arbeitszeiterfassung und insbesondere um die Ausbeutung von ausländischen Arbeitskräften.

Gegen die Nachunternehmerhaftung, die in der Baubranche 2002 eingeführt wurde, waren die Arbeitgeber auch. Heute sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Baugewerbes -

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zu Ihrem letzten Satz.

Ja, noch ein Satz: „Wir haben das damals auch nicht gewollt“. Doch durch die neue Regelung sei es in der Branche „deutlich ordentlicher geworden“. - Diese Erkenntnis und diese Anerkennung machen deutlich, dass die Nachunternehmerhaftung auch in der Paketbranche durchgesetzt werden kann. Herzlichen Dank.