Protocol of the Session on May 16, 2019

Ja, noch ein Satz: „Wir haben das damals auch nicht gewollt“. Doch durch die neue Regelung sei es in der Branche „deutlich ordentlicher geworden“. - Diese Erkenntnis und diese Anerkennung machen deutlich, dass die Nachunternehmerhaftung auch in der Paketbranche durchgesetzt werden kann. Herzlichen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Für die Landesregierung hat in Vertretung für den erkrankten Wirtschaftsminister der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz der unterschiedlichen Debattenbeiträge stelle ich einmal am Ende der Diskussion eines

(Thomas Hölck)

fest: Ich habe den Eindruck, dass wir parteiübergreifend - das war jedenfalls mein Eindruck - ein Problem nicht nur identifiziert haben, sondern es auch bekämpfen wollen. Ich behaupte sogar, dass wir uns im Grunde einig sind, dass die Arbeitsbedingungen in der Paketzustellerbranche jedenfalls zum Teil prekär sind und die Missstände offensichtlich sind. Die Negativbeispiele aus dieser Branche, die die Vorrednerinnen und Vorredner aufgeführt haben, kenne ich nur zu gut. Ich will übrigens gleich am Anfang darauf hinweisen - ich glaube, es waren unter anderem der Kollege Meyer und der Kollege Richert, die auch auf entsprechende Regelungen in der fleischverarbeitenden Industrie hingewiesen haben -: Wir haben diese Regelungen, und Sie können sich alle gemeinsam einmal fragen, auch wenn Sie rückblickend an die Ausschusssitzung des Sozialausschusses denken, ob diese dort bestehenden Regelungen wirklich zu einer massiven Verbesserung beigetragen haben.

Es geht Ihnen in Ihrem Antrag insbesondere um die Forderung nach fairem Wettbewerb. Dieser faire ich möchte noch lieber sagen: dieser anständige Wettbewerb setzt schon per Definition faire Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten in der Paketbranche voraus. Die zentrale Frage aus meiner Sicht ist, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Missstände in dieser Branche tatsächlich zu bekämpfen.

Weitere zentrale Fragen sind: Besteht tatsächlich Regelungsbedarf? Besteht eine Regelungslücke? Oder haben wir nicht vielmehr ein massives Vollzugsdefizit?

(Beifall FDP, Klaus Jensen [CDU] und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wenn es in einer Branche Fehlentwicklungen gibt, dann bedarf es einer verstärkten Kontrolle und Ahndung durch die zuständigen Behörden. Das ist insbesondere die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung. Hinsichtlich des Mindestlohns - da fehlt mir ein bisschen die Differenzierung in der Debatte - gibt es bereits die Nachunternehmerhaftung nach dem Mindestlohngesetz. Danach haftet ein Auftraggeber für die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns, wenn er einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- und Dienstleistungen beauftragt.

Die Ausweitung der Nachunternehmerhaftung für Beiträge zur Sozialversicherung auf die Zustellbranche - darum geht es im Kern in Ihrem Antrag analog der im Jahr 2017 in der Fleischwirtschaft

eingeführten Regelung führt nach Auffassung von Wirtschaftsexperten unter anderem zu mehr Bürokratie. Dieses Argument finde ich legitim.

Ich präferiere allerdings die Frage: Ist das angesichts der Gegebenheiten, die auch heute diskutiert wurden, eine Frage der Verhältnismäßigkeit, ist das eine Frage der generellen Unter-Verdacht-Stellung ganzer Branchen?

Die Unternehmen müssen letztlich für das Fehlverhalten anderer Unternehmen eintreten, auf das sie selbst nur bedingt Einfluss nehmen können. Dieses Haftungsrisiko belastet - auch das wurde hier ausgeführt - gesetzestreue Unternehmen.

(Beifall FDP)

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Baasch?

Selbstverständlich.

Vielen Dank, Herr Minister. - Auch an Sie die Frage: Wird die Landesregierung bei der nächsten Abstimmung im Bundesrat, wenn ein entsprechendes Gesetz vom Bundestag zurückkommt, bei der Frage der Nachunternehmerhaftung wieder nicht zustimmen, oder wird die Landesregierung dem zustimmen?

- Wenn Sie mich hätten weiterreden lassen, hätten Sie bei der Frage, wie diese Landesregierung Missstände bekämpfen will, festgestellt, dass entscheidend ist, dass es ein massives Vollzugsdefizit gibt. Herr Kollege Baasch, wir haben ein massives Vollzugsdefizit.

(Zuruf SPD)

Das massive Vollzugsdefizit in diesem Bereich liegt am gravierenden Personalmangel beim Zoll.

(Beate Raudies [SPD]: Ach!)

- Ich weiß nicht, warum Sie sich da aufregen. Der Zoll ist dafür verantwortlich, das zu kontrollieren.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Kollege Baasch, ich hätte mir ernsthaft gewünscht, dass dieses Problem in Zusammenhang mit der Frage angegangen wird, wie wir solche Missstände dauerhaft und wirkungsvoll bekämpfen. Dazu brauche ich mehr Personal in den entsprech

(Minister Dr. Heiner Garg)

enden Behörden. - Ich lasse eine zweite Zwischenfrage zu.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Der Minister lässt eine zweite Frage zu.

Vielen Dank. Herr Minister, ich kann verstehen, dass Sie auf die Argumentation eingehen und mehr Kontrolle und Bestrafung fordern. Die Nachunternehmerhaftung hat nicht nur den großen Vorteil, dass man nicht nur die Personen oder Unternehmen identifizieren kann, die sich nicht wie ein ehrbarer Kaufmann verhalten, sondern das Gegenteil praktizieren, sondern dass man auch die entsprechenden Sozialversicherungsbeiträge einfordern kann. Es geht nicht nur um Bestrafen, sondern auch um den Ausgleich bei den Sozialversicherungsbeiträgen und damit um das Abwenden von Schaden an der Gemeinschaft.

Herr Kollege Baasch, Sie können sich setzen. Ich nehme das auf. Das war keine Frage, sondern ein Hinweis. Mir ist das sehr wohl bewusst. Ich sage Ihnen - das wissen Sie auch -, dass Unternehmen wie beispielsweise - ich möchte vom Rednerpult aus kein Product-Placment machen - DHL, DPD, GLS, UPS und Hermes in der Verantwortung stehen. Sie stehen verdammt noch mal in der Verantwortung, sich an geltendes Recht, an geltende Gesetze zu halten.

(Beifall FDP und CDU)

Unternehmen, die sich nicht an Gesetze halten und versuchen, sich auf dem Rücken von Beschäftigten Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, müssen mit allen Konsequenzen zur Rechenschaft gezogen werden. Da gibt es doch überhaupt keine zwei Meinungen. Anderenfalls würde man den ehrlichen Unternehmen massiv schaden, die es sehr wohl gibt, die es hoffentlich in der Mehrzahl gibt - wir wünschen uns alle, dass es die in der Mehrzahl gibt -, die sich an Recht und Gesetz halten, ihre Beschäftigten anständig behandeln, anständige Löhne zahlen und ihnen anständige Arbeitsbedingungen bieten.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Herr Minister, der Abgeordnete Thomas Hölck möchte eine Zwischenbemerkung machen oder eine Zwischenfrage an Sie richten.

Selbstverständlich.

Herr Minister, Sie sprachen von Belastungen für die Unternehmen. Bei den geltenden Regelungen zur Nachunternehmerhaftung ist es möglich, sich durch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung des Nachfolgeunternehmers von der Haftung freistellen zu lassen. Wo liegt eigentlich die Belastung für die Unternehmen?

- Sehr geehrter Herr Hölck, auf den Part wollte ich angesichts der Zeit verzichten. Dann antworte ich Ihnen jetzt auf die Frage. Mit der Unbedenklichkeitsbescheinigung wird nachgewiesen, wie viele versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das wissen Sie im Zweifel besser als ich - das Subunternehmen beschäftigt und ob es der Pflicht zur Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge für gemeldete Beschäftigte nachgekommen ist. Damit ist das erste Logistikunternehmen von jeglicher Haftung entbunden. Mit der in Rede stehenden Bundesratsinitiative, die Sie in Ihrem Antrag aufgreifen, soll dieser Haftungsausschluss auf die bei der Einzugsstelle gemeldeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt werden und nicht für die weiteren gemeldeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gelten. Man kann sich darüber streiten, ob das für das betroffene Unternehmen überhaupt zu kontrollieren ist - was im Übrigen in Ihrem Sinne wäre - oder ob es nicht mehr zu kontrollieren ist, wovon ich im Moment ausgehe; ich lasse mich gern eines Besseren belehren. Sie müssen sich die Frage stellen, ob das, was Sie hier fordern, kontrollierbar und durchsetzbar ist.

(Beifall FDP)

Zumindest in den beiden Punkten sollte am Ende dieser Debatte aus meiner Sicht stehen bleiben, dass sich dieses Parlament in seiner Breite darin einig ist, dass die Missstände beseitigt werden müssen und wir - darauf könnte man in Dreiminutenbeiträgen noch eingehen - ein massives Vollzugsdefizit bei der Umsetzung geltender Regelungen haben, die es zu Recht gibt. Um dem Vollzugsdefizit begegnen zu können, muss es bei der entsprechenden Behörde einen deutlichen Personalaufwuchs geben. Wenn die Große Koalition an der Stelle personell nicht nacharbeitet, wird sie bei der Umsetzung dessen, was sie vor zwei Tagen befunden hat, scheitern und nicht zu einer wirklichen Verbesserung beitragen.

(Minister Dr. Heiner Garg)

(Beifall FDP und Hans-Jörn Arp [CDU])

Wir kommen jetzt zu den Kurzbeiträgen. Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat der Abgeordnete Dr. Ralf Stegner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle mit großer Befriedigung fest, dass der Bundesfinanzminister angekündigt hat, die Stellenzahl beim Zoll massiv auszuweiten und damit die Kontrollen zu verstärken. Das ist richtig und in Ordnung. Das ist aber nicht das einzige Problem.

Die Empörung, die wir in fast allen Reden gehört haben, nützt furchtbar wenig, wenn keine Taten folgen. Was haben wir hier erlebt? - Wir haben drei Reden aus den Abgeordnetenreihen gehört. Was der Kollege Voß für die Grünen erklärt hat, war exakt das Gegenteil von dem, was Herr Richert hier vorgetragen hat. Dazu kam noch ein bisschen rhetorischer CDA-Zuckerguss von Herrn Kalinka.

(Zurufe CDU: Na, na, na!)

- Es haben sogar CDU-Leute geklatscht, als er gesagt hat, dass der Altmaier umgefallen sei. An so viel Selbsterniedrigung kann man gar nicht denken. Aber sei es drum.

(Tobias Loose [CDU]: Da sind Sie ja Exper- te!)

Herr Kalinka, Sie behaupten, wir bräuchten umfassende Erhebungen. Wir brauchen überhaupt keine Erhebungen. Wir haben bei diesem Thema null Erkenntnisdefizit, sondern ausschließlich ein Handlungsdefizit.

(Beifall SPD - Werner Kalinka [CDU]: Na, na, na! So ist es nun auch nicht!)

Herr Richert, man könnte Ihren Beitrag veröffentlichen, um deutlich zu machen, dass das, was bei Ihnen mittelstandsfreundlichstes Bundesland heißt, arbeitnehmerfeindlichstes Bundesland ist. Das haben Sie mit Ihrem Beitrag unterstrichen.