Protocol of the Session on January 24, 2019

(Werner Kalinka)

Lehrkräftemangel. Viele Lehrkräfte, die an beruflichen Gymnasien unterrichten, kommen aus der Wirtschaft. Das ist ein Vorgang, den wir alle gut finden, weil das die Lehre in den Schulen tatsächlich besser macht. Die Menschen sind aber vorher häufig gesetzlich krankenversichert. Wenn Sie dann in das Beamtensystem wechseln, sind sie vor die Frage gestellt, ob sie in die private Krankenversicherung gehen. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, dass eine Lehrkraft sagt, ich bin gesetzlich krankenversichert und möchte auch weiterhin, dass meine Kinder kostenlos versichert sind; ich will mich nicht unbedingt an ein privates Krankenversicherungssystem binden. Man weiß ja auch nicht, wie sich das Leben entwickelt. Ich glaube, wir müssen genau das berücksichtigen, dass sich Lebensentwürfe auch entwickeln, dass nicht jeder in einem bestimmten Beschäftigungsverhältnis bleibt, sondern vielleicht auch einmal wieder rausgeht oder auch zurückkommt, wie auch immer. Die Welt dreht sich ja sehr schnell, und dem muss auch der öffentliche Dienst Rechnung tragen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und Oliver Kumbartzky [FDP])

Im Kern geht es um Eigenverantwortung. Es geht darum, die Menschen selber entscheiden zu lassen, was für sie der beste Weg ist. Es geht aber auch um Konkurrenz, um das Konkurrieren der Versicherungen um das beste Modell für die Beschäftigten, um die besten Angebote. Es geht auch um Wahlfreiheit, darum, selber zwischen unterschiedlichen Modellen entscheiden zu können, sich dazu positionieren zu können, also eine Wahlfreiheit ausleben zu können. Auch das macht Attraktivität aus. Die Öffnung hin zu mehr Wahlfreiheit wäre ein guter Schritt hin zu einer modernen Personalpolitik. Genau als das möchte ich diese Debatte auch verstehen, nämlich als eine personalpolitische Diskussion und nicht allein als eine sozialpolitische Diskussion.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Im Sinne einer Koalition der Möglichmacher, glaube ich, müssen wir uns einmal mit den Konzepten von Eigenverantwortung, Konkurrenz und Wahlfreiheit auseinandersetzen. Auf diese Diskussion im Finanzausschuss freue ich mich. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank. - Das Wort hat für die FDP-Fraktion die Abgeordnete Annabell Krämer.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Gäste! Wahlfreiheit für Beamte in der Krankenversicherung herzustellen, klingt zunächst nach einem vernünftigen Ansatz. Warum ist der vorliegende Antrag der SPD trotzdem problematisch? Weil er nur Wahlfreiheit für die Beamten fordert, um der PKV langfristig das Wasser abzugraben. Auch sind die Folgen für die öffentlichen Haushalte und für das bisher gut funktionierende Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung nicht zu Ende gedacht.

Schauen wir uns doch einmal die Fakten an: Die Beamten stellen immerhin - das wurde bereits erwähnt - gut die Hälfte der aktuell 8,75 Millionen Privatversicherten in Deutschland dar. Indem der Gesetzentwurf einen Anreiz für die Beamten schafft, sich gesetzlich statt privat zu versichern, stellt er eine tragende Säule der PKV infrage. Umgekehrt wird aber Arbeitnehmern der Weg in die PKV leider nicht erleichtert. Unterm Strich hat der Antrag also eine gehörige Schräglage.

(Beifall FDP)

Ich konzediere, dass die SPD zunächst nur für neue Beamte und für die bisher schon gesetzlich versicherten eine Übernahme des Arbeitgeberanteils zur GKV vorsieht. Das wird den Bestand der PKV als Vollversicherer sicher nicht unmittelbar gefährden.

Dass die Wahlfreiheit im Gesetzentwurf auf neue Beamte beschränkt ist, ist Folge bundesgesetzlicher Regelungen zum Mitgliedsrecht in der GKV; denn eine Rosinenpickerei - in jungen, gesunden Jahren von günstigen Tarifen der PKV zu profitieren und später in die GKV zu flüchten - würde das gesetzliche Versicherungssystem schwer belasten. Die Krankheitsfälle müssten von der Solidargemeinschaft finanziert werden, während die Gewinne aus den gesunden Lebensjahren privatisiert werden. Das kann politisch natürlich von uns allen nicht gewollt sein.

(Beifall FDP und vereinzelt CDU)

Umso misstrauischer muss man werden, wenn ausgerechnet die sozialdemokratische Gesundheitssenatorin in Hamburg, also die Urheberin des diskutierten Modells, erklärt, sie würde die GKV gern für alle Beamten öffnen. Würde der Staat damit nicht jene Rosinenpickerei auf Kosten der GKV befördern? Wäre es nicht unfair, den gesetzlich Pflichtversicherten einseitig das Gesundheitsrisiko der Beamten aufzubürden?

(Lasse Petersdotter)

Es ist offensichtlich, dass die SPD von Wahlfreiheit spricht, aber tatsächlich die Einheitsversicherung vorbereiten will.

(Widerspruch SPD)

Warum sonst plant sie die Öffnung der GKV nur für Beamte? Was ist mit einer Öffnung der PKV für Arbeitnehmer? In Deutschland sind Arbeitnehmer mit einem Bruttojahreseinkommen von bis zu 60.750 € in der GKV pflichtversichert. Damit bleibt einem Großteil der arbeitenden Bevölkerung die Möglichkeit verwehrt, zwischen einer gesetzlichen und einer privaten Vollversicherung zu wählen. Dass dieses Privileg nur den Beamten zugestanden werden soll, finden wir nicht richtig.

(Beifall FDP)

Es stellen sich noch ganz andere Fragen. Da wären zunächst die Kosten für die öffentlichen Haushalte. Eine Mehrbelastung resultiert bereits daraus, dass der Dienstherr den Arbeitgeberanteil zur GKV für jene Beamten übernehmen müsste, die schon jetzt gesetzlich versichert sind und auf Beihilfe verzichten. Hinzu kommt, dass für die jüngeren Jahrgänge noch vergleichsweise wenig Beihilfe anfällt, während die am Einkommen orientierten Beiträge zur GKV überdurchschnittlich hoch wären.

Natürlich sind die finanziellen Auswirkungen nicht nur kurz- oder mittelfristig zu betrachten, sondern bezogen auf ein ganzes Beamtenleben. Doch auch dann bleibt es eine Rechnung mit vielen Unbekannten: Wie viele Beamte würden sich tatsächlich für die GKV entscheiden? Wie würde sich die Risikostruktur der Beihilfeempfänger verändern?

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Keine Experimen- te!)

Selbst wenn man zum Ergebnis käme, dass das Hamburger Modell die öffentlichen Haushalte langfristig entlastet, bliebe eine ganz wichtige Frage offen, nämlich die Frage

(Dr. Kai Dolgner [SPD]: Wer hat diese Rede geschrieben?)

- das ist doch das Relevante -, welche Folgen eine Schwächung der PKV für unser Gesundheitssystem hätte.

(Beifall FDP)

Denn vergessen wir doch bitte eines nicht: Gerade die höheren Honorare in der PKV gewährleisten eine Quersubventionierung der gesetzlichen Versicherungen und fördern wichtige medizinische Innovati

onen. Wir sollten uns davor hüten, die Axt an unser duales Krankenversicherungssystem zu legen.

(Zuruf SPD: Zweiklassenmedizin!)

Dennoch finde ich es richtig, dass wir den vorliegenden Antrag in der notwendigen Tiefe und mit Ernsthaftigkeit diskutieren.

Liebe Sozialdemokraten, dabei müssen aber wirklich alle Fragestellungen auf den Tisch. Ich habe einige Kritikpunkte genannt und auf die Gefahren des SPD-Antrags hingewiesen. Wir Freie Demokraten sind sehr offen dafür, mehr Wahlfreiheit für die Bürger zu schaffen und den Wettbewerb zwischen den Krankenversicherungssystemen zu stärken. Aber, liebe Sozialdemokraten, den Einstieg in eine Einheitsversicherung, den lehnen wir ab. - Vielen Dank.

(Beifall FDP und CDU)

Das Wort hat für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Claus Schaffer.

(Unruhe)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Verehrte Gäste! Mit dem vorliegenden Antrag soll eine neue Form der Beihilfe geschaffen werden. Ein neuer Beamter hätte dann die Möglichkeit, sich für den Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung zu entscheiden. Was nach Wahlfreiheit klingt, erfordert einen unwiderruflichen Verzicht auf den klassischen Beihilfeanspruch. Übt der Beamte dieses einmalige Wahlrecht aus, erhält er als Gegenleistung vom Dienstherren nur noch eine pauschale Beihilfe in Höhe der Hälfte des nachgewiesenen Krankenversicherungsbeitrags.

Bei Einführung eines solchen Wahlrechts würden unkalkulierbare Mehrausgaben für den Landeshaushalt entstehen. Höheren Mehrausgaben als Folge höherer Beitragsausgaben stünden dann nicht in gleichem Maße geringeren Beihilfeausgaben für junge Beamte gegenüber. Das ist nicht akzeptabel, denn gerade das Einsparpotenzial für ältere Beamte ist im Landeshaushalt nicht absehbar. Hinzu kommen noch nicht abschätzbare Kosten für ein erhebliches Mehr an Verwaltungsaufwand.

Das sind aber noch nicht die gewichtigsten Gründe für eine Ablehnung durch unsere Fraktion. Entscheidend für uns ist, dass die beabsichtigte Neuregelung hinsichtlich ihrer Tragweite gerade für junge Beamte nicht abschätzbar und im Ergebnis sogar

(Annabell Krämer)

nachteilig ist, denn es ist einem jungen Beamten gar nicht bewusst, dass er dann, wenn er sich unwiderruflich für den Verbleib in einer gesetzlichen Krankenversicherung entscheidet, auf viele zusätzliche Leistungen, die die private Versicherung bietet, verzichtet. Gerade diese Mehrleistungen werden erfahrungsgemäß von vielen Beamten in der privaten Versicherung sehr geschätzt. Hinzu kommt, dass es den wenigsten jungen Beamten bewusst sein dürfte, dass sie im Alter zu freiwillig Versicherten werden und dann auch Einnahmen, zum Beispiel aus Mietund Kapitalerträgen, verbeitragen müssen.

Aus unserer Sicht gibt es keine vernünftigen Gründe, das althergebrachte System aus privater Krankenversicherung und Beihilfe zu verändern. Hierfür sprechen auch die Zahlen des Ombudsmannes der privaten Krankenversicherung. Bei 9 Millionen Vollversicherungsverträgen gibt es nur eine Beschwerdequote von 0,05 %. Das zeigt anschaulich, dass es überhaupt kein echtes soziales Problem mit dem alten System aus Beihilfe und Krankenversicherung gibt.

Völlig ungeklärt ist auch, was nach einem Dienstwechsel des Beamten in ein anderes Bundesland oder zum Bund passiert, wo es diesen Systemwechsel nicht gibt. Der betroffene Beamte würde dann nur die individualisierte Beihilfe erhalten, nicht aber die pauschale Beihilfe, sodass er für die gesetzliche Krankenversicherung den vollen Beitrag zahlen müsste. Auch ein Wechsel zurück in die private Krankenversicherung ist gerade für ältere Beamte keine Option, da dann die Beiträge umso teurer werden.

Ich weise zudem darauf hin, dass an der beabsichtigten Neuregelung auch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, es gilt nämlich das verfassungsrechtliche Delegationsverbot. Der Dienstherr darf sich seiner Verpflichtung zur Fürsorge aus Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz nicht durch Übertragung auf die verselbstständigte Krankenversicherungssystematik entziehen. Das entspricht auch der klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.

Auch der Gesetzentwurf der SPD trifft nicht auf unsere Zustimmung. Die Leistung der SPD-Fraktion besteht hier einzig darin, den Antrag des SSW thematisch aufzugreifen und das neu gefasste hamburgische Beamtengesetz über die Einführung einer pauschalen Beihilfe zur Flexibilisierung der Krankheitsfürsorge nahezu wortgleich zu übernehmen.

Was den Titel Flexibilisierung trägt, ist tatsächlich eine Vereinheitlichung im Krankenversicherungs

system für Beamte, und das auf niedrigem Niveau. Das bedeutet mit Sicherheit keine Verbesserung gegenüber dem jetzigen und bewährten System. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort hat zu einem Kurzbeitrag die Abgeordnete Beate Raudies.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass am Ende der Debatte alle doch aufmerksam dabei waren. Am Anfang war das ja ein bisschen schleppend. Ich sage es ganz klar: Ich freue mich auch über die sehr deutliche Unterstützung vom Kollegen Petersdotter, der sehr klar zum Ausdruck gebracht hat, dass es hier nicht um eine Frage der Krankenversicherung geht, sondern dass wir auch aus personalwirtschaftlichen Gründen die Frage der Attraktivität des öffentlichen Dienstes, die der Zukunft des Beamtenstatus und die Frage, wohin wir mit dem öffentlichen Dienst und den Beschäftigten in diesem Land wollen, diskutieren müssen.

(Beifall SPD und SSW)

Ich bitte CDU und FDP, noch einmal in sich zu gehen und sich von dem Schreckgespenst loszulösen, sich einmal umzudrehen und mit uns gemeinsam in der Anhörung zu gucken, ob wir nicht zu einer Lösung kommen für die Bediensteten in unserem Land.